Titel:
Kein Nachbarschutz gegen Baugenehmigung unter Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung
Normenketten:
VwGO 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1, § 80a Abs. 3 S. 2
BauNVO § 6
BayBO Art. 59
BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2
Leitsätze:
1. Bei Festsetzungen des Bebauungsplanes zum Maß der baulichen Nutzung und erteilten Befreiungen hiervon hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen (hier verneint) oder nicht. Wird von einer nachbarschützenden Festsetzung befreit, führt jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung der Baugenehmigung, andernfalls richtet sich der Nachbarschutz lediglich nach den Grundsätzen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung sind nicht allgemein drittschützend. Denn ob der Plangeber eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung auch zum Schutze des Nachbarn trifft oder ausschließlich objektivrechtlich ausgestaltet, darf er regelmäßig selbst und ohne Bindung an das Eigentumsrecht des Nachbarn entscheiden. Entscheidend für die Frage des Nachbarschutzes ist, ob die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessensausgleich dienen soll. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dies ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, wobei sich ein entsprechender Wille unmittelbar aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung, aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung oder aus einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs ergeben kann. Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die Maßfestsetzung dem Nachbarn nur einen tatsächlichen Vorteil bringt, ohne dessen Schutz im Rechtssinne zu intendieren. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Nachbar kann sich nach Treu und Glauben gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht erfolgreich auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Norm - schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag des Nachbarn auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses, Kein Rechtsschutzbedürfnis für Antrag nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 VwGO, wenn die Baugenehmigung unter einer aufschiebenden Bedingung erteilt wurde und der Bedingungseintritt nicht unmittelbar bevorsteht (Anschluss an VG Augsburg, B.v. 27.8.2003 – Au 8 S 03.719 – BeckRS 2003, 32126), Bei Festsetzungen des Bebauungsplanes zum Maß der baulichen Nutzung und erteilten Befreiungen gem. § 31 Abs. 2 BauGB hiervon hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn vom nachbarschützenden Charakter dieser Festsetzungen ab., Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung sind jedoch selbst unter Berücksichtigung der Wannsee-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht allgemein drittschützend. Der Plangeber ist insoweit frei. Ob die Maßfestsetzungen Nachbarschutz vermitteln, ist durch Auslegung des Bebauungsplanes zu ermitteln (hier verneint), Steht eine Festsetzung unter Ausnahmevorbehalt (§ 30 Abs. 1 BauGB), hat sie in der Regel keinen drittschützenden Charakter, da jedes dem Bebauungsplan unterworfene Grundstück von vornherein mit der Möglichkeit einer plankonformen Ausnahme vorbelastet ist, Bauaufsichtliche Festsetzung des Geländeverlaufs ist grds. auf Basis des Art. 54 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BayBO möglich., Gebot der Rücksichtnahme (Verletzung verneint), Keine Berufung auf Verletzung des Abstandsflächenrechts, wenn der Nachbar selbst die Abstandsflächen unterschreitet und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Norm – schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen, Baugenehmigung, Nachbar, einstweiliger Rechtsschutz, Bebauungsplan, Festsetzungen, Befreiung, Maß der baulichen Nutzung, Nachbarschutz, Abstandsflächen, eigener Abstandsflächenverstoß
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21949
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sieben Wohneinheiten auf dem Nachbargrundstück.
2
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks mit der Flurnummer (FlNr.) … der Gemarkung … und der Adresse … Dieses wird im Norden durch die Straße A., im Osten durch die K. und Richtung Süden durch die S. eingefasst und verjüngt sich dabei in südlicher Richtung erheblich bis auf einen etwa 3,5 m bis 4,5 m breiten Streifen. Das Grundstück der Antragstellerin ist in seiner nördlichen Hälfte mit einem Wohnhaus bebaut, welches nach Westen hin grenzständig zum Nachbargrundstück FlNr. …, dem Vorhabengrundstück, steht. Der sich südlich verjüngende Streifen zur S. hin ist ausweislich der Luftbilder nahezu vollständig mit einem wohl einstöckigen, nicht dem Wohnen dienenden Gebäude bebaut. Für das Wohngebäude der Antragstellerin liegt eine Baugenehmigung vom 28. Januar 1997 zum Einbau einer Wohnung in das Erdgeschoss eines bestehenden Gebäudes und die Erstellung eines Carports vor. Ausweislich der dazugehörigen Bauvorlagen, die von einer Rechtsvorgängerin der Beigeladenen („…“) unterschrieben sind, handelt es sich bei dem Wohngebäude der Antragstellerin um ein zweigeschossiges Gebäude mit einem damals nicht wohngenutzten Dachgeschoss und Satteldach (Dachneigung 46 Grad), welches nach Westen hin grenzständig zum Vorhabengrundstück FlNr. … steht. Nach Norden kragt es auf einer Länge von 1 m und einer Höhe von gut 3,64 m, nach Süden auf einer Länge von 2,25 m und einer Höhe von etwa 5 m aus und bildet einen Balkon/eine Terrasse für das 1. Stockwerk. Das Gelände des antragstellerischen Grundstücks fällt in Nord-Süd-Richtung nicht unerheblich ab. In einer Schnittzeichnung ist an der südlichen Außenwand eine Geländehöhe von -3,88 m und an nördlichen von etwa - 2,30 m angegeben, wobei als Nullpunkt der Fußboden des ersten Stockwerkes fungiert. Ausgehend davon beträgt die Firsthöhe von 7,80 m, die Höhe des Schnittpunktes der Außenwand mit der Dachhaut 2,80 m. Aus der Ansichtszeichnung West ist ersichtlich, dass sich zum Vorhabengrundstück ausgerichtet im Dachgeschoss zwei kleinere Fenster, im ersten Stockwerk zwei größere Fenster und im Erdgeschoss sechs kleine Fensteröffnungen, die mit Glasbausteinen gefüllt sind, befinden sollen. Aus in der Bauakte … der Stadt … befindlichen Lichtbildern wird jedoch ersichtlich, dass im Erdgeschoss statt der sechs Fensteröffnungen mit Glasbausteinen nur eine herkömmliche Fensteröffnung eingebracht wurde. Weiter existiert noch eine Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 2. April 1976 für eine Wetterschutzverkleidung des Westgiebels. In den diesbezüglichen Planzeichnungen sind in der westlichen Außenwand drei Fensteröffnungen sichtbar, zwei im Dachgeschoss und eine im ersten Stockwerk. Schließlich gibt es einen Baugenehmigungsbescheid vom 22. Februar 1972 für das Vorhaben „Balkonerweiterung, Abbruch des schadhaften Holzbalken[s], Fensterveränderung“. In der zugehörigen Bauzeichnung sind im Erdgeschoss noch Garagen und im Obergeschoss eine Wohnnutzung beschrieben, die zur Westseite ein Fenster aus dem Wohnzimmer heraus vorsieht. Die Balkonerweiterung betrifft die dem Vorhabengrundstück abgewandte Ostseite.
3
Das Vorhabengrundstück mit der FlNr. … grenzt unmittelbar westlich an das der Antragstellerin und ist derzeit in seinem südwestlichen Abschnitt mit einem Wohnhaus samt nördlich und östlich anschließendem Anbau bebaut (S.*). Die nördliche Grundstückshälfte ist, von einigen Nebengebäuden an der westlichen, von der Antragstellerin abgewandten Grundstücksgrenze und einer an das Gebäude der Antragstellerin anschließenden carportartigen Überdachung abgesehen unbebaut und mit Bäumen und Pflanzen auf abgetreppten Plateaus bewachsen.
4
Die Lage stellt sich wie folgt dar:
Quelle: BayernAtlas. Antragstellergrundstück: rot, Vorhabengrundstück: gelb.
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Hinsichtlich des Vorhabengrundstückes wurde einer Rechtsvorgängerin der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin ein Vorbescheid vom 11. Februar 2016 für das Bauvorhaben „Umbau und Renovierung Wohn- und Geschäftshaus S. und Neubau eines Wohnhauses im nördlichen Grundstücksbereich“ erteilt mit der Formulierung, dass für das im Betreff genannte Vorhaben die Erteilung einer Baugenehmigung sowie die Gewährung/Zulassung der Befreiungen/Ausnahmen/Abweichungen gemäß Ziffer III und IV „in Aussicht gestellt“ werde. Unter Ziffer III wurde „in Aussicht gestellt“, dass bezüglich der Nichteinhaltung bzw. teilweisen Nichteinhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen vor der östlichen, südlichen und westlichen Außenwand Abweichungen erteilt würden, vorbehaltlich der nachbarlichen Zustimmung. Unter IV. 3. wurde darauf hingewiesen, dass der Vorbescheid die grundsätzliche Zulässigkeit des Vorhabens insbesondere in planungsrechtlicher Hinsicht beinhalte. Die Prüfung insbesondere der Bestimmungen der BayBO folge im späteren bauaufsichtlichen Genehmigungs- bzw. Freistellungsverfahren. In III. 8. (Denkmalrechtliche Auflagen) war u.a. ausgeführt, dass die Firsthöhe die das Anwesen A. nicht überschreiten dürfe. In den für maßgeblich erklärten Antragsunterlagen vom 10. Dezember 2016 [gemeint wohl 2015] ist hinsichtlich des nördlich zur Straße A. gelegenen Gebäudes ein dreistöckiges Wohnhaus mitsamt Untergeschoss vorgesehen, welches mit einem Satteldach, dessen Traufseiten nach Norden und Süden zeigen, abschließt. Nach Süden hin weist es im 1. Obergeschoss fünf Gauben auf, nach Norden hin eine. Zur Antragstellerin hin ist grenzständig eine Garage vorgesehen. Mit Bescheid vom 26. Juni 2019 verlängerte die Antragsgegnerin auf Antrag die Geltungsdauer des o.g. Vorbescheides bis zum 20. Februar 2021. Hinsichtlich des Vorbescheides ist aus den Behördenakten nicht ersichtlich, dass dieser auch an die Antragstellerin oder einen Rechtsvorgänger zugestellt wurde.
Quelle: Behördenakte … Bauvoranfrage …; Ansicht Nord
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Sowohl das Vorhabengrundstück als auch das der Antragstellerin unterfallen dem Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. … „Für das Gebiet im Bereich der K.“ der Stadt …, bekanntgemacht am 17. November 1984. Dieser setzt hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein Mischgebiet nach § 6 BauNVO fest. Weiter sind Baugrenzen vorgesehen, im hier relevanten Bereich insbesondere parallel zurückgesetzt zur Straße A. Als Bauweise ist in diesem Areal eine offene Bauweise bestimmt. Die Zahl der Vollgeschosse als Mindest- und Höchstgrenze ist mit II+DG, die Grundflächenzahl mit 0,4, die Geschossflächenzahl mit 1,0 festgelegt. Im Textteil des Bebauungsplanes ist unter § 1 (Maß der baulichen Nutzung) festgelegt:
„1. Für das Maß der baulichen Nutzung gelten die im Plan eingetragenen Grund- und Geschossflächenzahlen (Höchstwerte) sofern sich nicht durch die im Plan angegebene zulässige Geschosszahl in Verbindung mit der durch Baugrenzen und Baulinien bestimmten überbaubaren Fläche ein geringerer Wert ergibt.
2. Abweichend von § 23 Abs. 3 Satz 1 Baunutzungsverordnung kann ausnahmsweise zugelassen werden, dass Treppenhäuser oder Aufzugsschächte die Baugrenzen von max. 2,50 m überschreiten, wenn dies zum Schutz historischer Bausubstanz erforderlich ist. (…)“
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Unter § 4 (Dachform, Dachneigung, Firstrichtung) ist festgelegt:
„Für Neubauvorhaben wird die zulässige Dachneigung auf 40 Grad bis 55 Grad festgesetzt.
Werden Gebäude geändert oder erneuert, ist die bisherige Dachform, Firstrichtung, Dachneigung und Geschossigkeit grundsätzlich beizubehalten.
Ausnahmen von Abs. 1 und 2 können im Einzelfall aus Gründen einer besseren Gestaltung zugelassen oder verlangt werden."
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Unter § 6 Buchst. c (Besondere Anforderungen an die äußere Gestaltung baulicher Anlagen - Fassaden, Materialien) ist festgelegt:
„1. Fassaden sind in Putz auszuführen.
2. Fachwerke sind freizuhalten bzw. aus Anlass von Umbauten der Fassadenänderungen freizulegen, soweit dies im Sinne der Denkmalpflege liegt.
3. Fassadenverkleidungen und Metallfassaden jeglicher Art sind unzulässig.“
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Unter § 6 Buchst. d (Fenster und Türen) ist festgelegt:
1. „Fenster sind (…). Die von außen sichtbaren Konstruktionsteile sind in Holz auszuführen.
4. Von Nr. 1 können Ausnahmen zugelassen werden bei Neu- oder Umbauten, die vom öffentlichen Straßenraum aus nicht einsehbar sind und das historische Straßenbild dadurch nicht beeinträchtigt wird."
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Unter § 6 Buchst. f (Markisen, Jalousetten, Rolläden) ist festgelegt:
„1. Markisen, Jalousetten und Rolläden sind grundsätzlich unzulässig. (…) Ausnahmen können zugelassen werden, wenn dadurch die Fassade des Gebäudes sowie das Straßen- und Ortsbild nicht beeinträchtigt werden. Eine Beeinträchtigung der Fassade von Gebäuden sowie des Straßen- und Ortsbildes ist insbesondere dann gegeben, wenn glänzende, grelle oder sonst störend wirkende Farben oder Materialien verwendet werden
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Im Begründungsteil des Bebauungsplanes ist zum Maß der baulichen Nutzung u.a. ausgeführt, dass die jeweils vorgeschriebene Geschossanzahl sowie die überbaubaren Grundstücksflächen weitgehend auf den Gebäudebestand abgestimmt seien. Die Grund- und Geschossflächenzahlen seien im Wesentlichen nach dem Gebäudebestand ermittelt und wegen der erheblichen Unterschiede parzellenweise bzw. blockweise festgesetzt worden. Ein gewisser Ausgleich für die erhöhte Ausnutzung werde durch den Ausbau des ehemaligen Stadtgrabens östlich der J. als öffentliche Grünzone mit Kinderspielplatz sowie die Errichtung einer Parkierungsanlage im … erreicht. Zur äußeren Gestaltung baulicher Anlagen ist niedergelegt, dass der Bebauungsplanbereich im Osten unmittelbar an die historische Altstadt angrenze. Außerdem sei ein Großteil der Gebäude in die Denkmalliste eingetragen. Zur Wahrung und Verbesserung des Stadtbildes seien daher die unter § 6 des Textteiles aufgeführten Anforderungen an die äußere Gestaltung bestimmt.
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Als nächstes ist aktenkundig ein Bauantrag der Beigeladenen vom 25. Oktober 2019 für den Neubau eines Mehrfamilienhauses auf dem Flurstück … Dieser Bauantrag wurde jedoch durch die Antragsgegnerin nicht verbeschieden, da sie von der Beigeladenen mehrfach Umplanungen insbesondere hinsichtlich der zur Ostseite, also zur Antragstellerin hin, einzuhaltenden Abstandsflächen und brandschutzrechtlichen Vorschriften gefordert, diese jedoch aufgrund unterschiedlicher Rechtsauffassungen zunächst keine aus Sicht der Antragsgegnerin genehmigungsfähige Umplanung vorgelegt hatte.
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Sodann reichte die Beigeladene mit Eingang bei der Antragsgegnerin am 3. November 2021 einen weiteren Bauantrag vom 28. Oktober 2021 ein (Neubau eines Mehrfamilienhauses im Flurstück …). Im Formblatt ist angekreuzt, dass das Vorhaben einer Abstandsflächenübernahme nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO, einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB, einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB und einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 DSchG bedürfe. Weiter ist das Feld angekreuzt, dass zu diesem Vorhaben ein Vorbescheid erteilt worden sei. In der Baubeschreibung ist u.a. ausgeführt, dass sieben Wohnungen mit einer Wohnfläche von 574 m² errichtet werden sollen (BGF 998 m²). Hinsichtlich der westlich an das Vorhabengrundstück angrenzenden FlNr. … liegt eine Abstandsflächenübernahmeerklärung vor. Schließlich sind dem Bauantrag noch zahlreiche Anträge auf „Abweichung“ beigefügt:
- „1. Antrag auf Genehmigung einer Abweichung zum Bebauungsplan Nr. … der Stadt … vom 25.11.1983, zum § 1 Abs. 2: Abweichend vom § 23, Abs. 3, Satz 1 Baunutzungsverordnung kann ausnahmsweise zugelassen werden, dass Treppenhäuser oder Aufzugschächte die Baugrenzen um 2,50 m überschreiten… Diese Möglichkeit der Abweichung soll aus städtebaulicher Sicht genutzt werden, um das Gebäude aufzugliedern und die Eingangssituation zur besseren Orientierung hervorzuheben. Davon profitiert auch die historische Bausubstanz in der Umgebung.
- 2. Antrag auf Genehmigung einer Ausnahme zum Bebauungsplan Nr. … der Stadt … vom 25.11.1983, zum § 4: … für Neubauten wird die zulässige Dachneigung auf 40 bis 55 Grad festgesetzt … Ausnahmen können aus Gründen der besseren Gestaltung zugelassen oder verlangt werden.
Aus städtebaulicher Sicht fügt sich ein schlichter Baukörper mit Flachdach besser in die bauliche Umgebung ein als ein großes Satteldach mit vielen Dachgauben, wie in der Bauvoranfrage bereits genehmigt. In der direkten Nachbarschaft kommen Mansarddächer, Satteldächer mit verschiedenen Dachneigungen und Flachdächer vor, denen gegenüber sich ein Flachdach relativ neutral unterordnet.
- 3. Antrag auf Genehmigung einer Ausnahme zum Bebauungsplan Nr. … der Stadt … vom 25.11.1983, zum § 6 c) Fassaden: Satz 1: Fassaden sind in Putz auszuführen. Satz 5: Ausnahmen können zugelassen werden, für Fassadenteile aus Holz an untergeordneten Bauteilen.
Vom Amt für Stadtentwicklung wurde gefordert, bei einem 2. Obergeschoss mit Flachdach anstatt eines Satteldachs die Fassade nicht mit der gleichen Putzfassade auszuführen wie die unteren Geschosse, damit das Gebäude optisch nicht so hoch erscheint. Es ist deshalb ein leichter Gebäuderücksprung mit einer anderen Fassadenoberfläche vorgesehen, z.B. Putzbänderung und farblich abgesetzt von der Hauptfassade.
- 4. und 5. Antrag auf Genehmigung einer Ausnahme zum Bebauungsplan Nr. … der Stadt … vom 25.11.1983, zum § 6 Abs. der Fenster und Türen und Rollladen: Satz f: Jalousetten und Rollläden sind grundsätzlich unzulässig. Satz d: Fenster und Türen sind straßenseitig in Holz auszuführen. Satz f und d: Ausnahmen können zugelassen werden, wenn das historische Stadtbild dadurch nicht beeinträchtigt wird.
Bei den angrenzenden Gebäuden am … handelt es sich nicht um historische Fassaden wie z.B. in der S. Außerdem handelt es sich beim geplanten Gebäude um einen Neubau, dessen Südfassade an den Innenhof grenzt. Es wird deshalb um Abweichung vom Bebauungsplan für die Fenster und Rollladen aus Kunststoff oder Metall beantragt.
- 6. Antrag auf Genehmigung einer Befreiung vom Anbau an das Nachbargebäude. Dieser Antrag ist mittels einer Grünkorrektur durchgestrichen: „entfällt aufgrund Planänderung mit Abrücken im EG!“
- 7. Antrag auf Genehmigung einer Ausnahme zur Zahl der baulichen Nutzung, § 9 Abs. 1 Nr. 1 BBauG., § 16 BauNVO, von II-DG, laut Bebauungsplan Nr. … der Stadt … vom 25.11.1983:
Zulässig nach Bebauungsplan ist, das 2. Obergeschoss als Dachgeschoss als Vollgeschoss auszuführen. Der Gebäuderücksprung wurde mit Rücksicht auf das denkmalgeschützte Vordergebäude in der S. vorgenommen. Das gestalterisch zurückgesetzte Dachgeschoss tritt damit auch zurückhaltender und kleiner in Erscheinung.
- 8. Antrag auf Genehmigung einer Abweichung zu Art. 6 Abs. 3: Abstandsflächen dürfen sich nicht überdecken.
Die Abstandsfläche des linken Balkons im 1.OG [Grünkorrektur statt 2.OG] in der Südansicht überdeckt sich um 64 cm auf einer Länge von < 5m mit der Abstandsfläche des bestehenden Gebäudes der S. Die Oberkante des im Süden gelegenen eingeschossigen Bestandsgebäudes besteht aus einer ca. 80 cm hohen Balustrade. Diese Balustrade lässt genügend Belichtung und Belüftung zwischen den Gebäuden zu.
- 9. Antrag auf Genehmigung einer Abweichung zu Art. 6 Abs. 3: Abstandsflächen dürfen sich nicht überdecken Die Abstandsfläche der Aufkantung der Terrasse im 2. OG [Grünkorrektur statt DG] des neuen Gebäudes zum bestehenden Gebäude S., überdecken sich auf 40 cm.
Die Ballustrade des südlichen Bestandsgebäudes lässt genügend Belichtung und Belüftung zu.“
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Gemäß den nach erneuter Aufforderung durch die Antragsgegnerin nachgebesserten eingereichten Bauvorlagen (Eingang 31. Januar 2022) soll das geplante Mehrfamilienhaus der Gebäudeklasse 3 mit Untergeschoss, Erdgeschoss, erstem und zweitem Obergeschoss in der nördlichen, bisher unbebauten Hälfte des Vorhabengrundstücks liegen und zur Straße … mit einer Auskragung, über die auch der Zugang zum Haus erfolgt und die Treppenhaus und Aufzug beherbergt, grenzständig stehen und im Übrigen etwa 3 m nach Süden zurückgesetzt sein. Das Untergeschoss tritt nach Norden (A… hin wegen des in Nord-Süd-Richtung abfallenden Geländes nicht äußerlich in Erscheinung, zur Ostseite hingegen wegen des (fiktiv festgesetzten) abfallenden Geländes in sukzessiver Weise etwa ab der Hälfte der Breite des Vorhabengebäudes. In diesem Bereich ist im Untergeschoss ein Teil des Garagentrakts untergebracht, der direkt an die Grenze zur Antragstellerin anschließt. Im Übrigen soll der Bereich zwischen der östlichen Außenwand des Vorhabengebäudes und der Grenze zur Antragstellerin bzw. der westlichen Außenwand deren Wohngebäudes nicht bebaut werden, lediglich ist im nördlichen Abschnitt auf Erdgeschossebene ein zur Antragstellerin grenzständig angelegter Stellplatz vorgesehen (Stellplatz 4). Ein zweiter (Stellplatz 3), der parallel zur Straße A. liegt, ragt geringfügig in diesen Bereich hinein. Soweit nicht bebaut, sind von der östlichen Außenwand des geplanten Wohngebäudes der Beigeladenen - Erdgeschoss und erstes Obergeschoss - bis zur Grenze des Grundstücks der Antragstellerin auf Höhe kurz vor dem Ende der südlichen Außenwand des Vorhabengebäudes 3,15 m eingezeichnet, und am Beginn des nördlichen Drittels der östlichen Außenwand 3,29 m. Die östliche Außenwand des zweiten Obergeschosses, welches nach Westen hin, also von der Grenze zur Antragstellerin fliehend, zurückversetzt ist, liegt am südlichen Ende 4,40 m, am nördlichen Ende 4,57 m von der östlichen Grundstücksgrenze zur Antragstellerin hin entfernt. Die Abstandsflächen von der östlichen Außenwand des Vorhabengebäudes zur Antragstellerin hin sind zeichnerisch laut des vorgelegten Abstandsflächenplanes knapp bis exakt eingehalten, wobei eine festgesetzte, nicht die natürliche Geländehöhe zugrunde liegt. Keine Berücksichtigung findet dort der zwischen dem Vorhabengebäude und dem Wohngebäude der Antragstellerin liegende Teil des Garagentrakts.
Quelle: Lageplan, S. 31 Behördenakte Stadt … … Quelle: Abstandsflächenplan, S. 33 Behördenakte Stadt … …
Quelle: Ausschnitt Ostansicht, S. 36 Behördenakte Stadt …
Quelle: Ausschnitt Grundriss UG, S. 39 Behördenakte Stadt …
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Mit Bescheid vom 24. Mai 2022 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die bauaufsichtliche Genehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit sieben Wohneinheiten. Unter Ziffer II. 1. wurden von den Festsetzungen des Bebauungsplanes gemäß § 31 Abs. 2 BauGB folgende Befreiungen erteilt:
a) abweichende Geschossigkeit III statt II-DG (nach Bebauungsplan zulässig: 2 Vollgeschosse und zusätzlich Dachgeschoss als Vollgeschoss; geplant: 3 Vollgeschosse ohne zusätzliches Dachgeschoss, weil Flachdach vorgesehen);
b) Überschreitung der festgesetzten GRZ (0,67 statt 0,4);
c) Überschreitung der festgesetzten GFZ (1,21 statt 1,0)
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Unter Ziffer II. 2. wurden von den Festsetzungen des Bebauungsplanes gemäß § 31 Abs. 1 BauGB folgende (im Bebauungsplan für zulässig erklärte) Ausnahmen zugelassen:
a) Lage des Treppenhauses und des Aufzugsschachts außerhalb der Baugrenzen;
b) Dachform Flachdach anstatt Dachneigung mindestens 40 Grad / max. 55 Grad
c) Teilflächen der Fassade abweichend von den Vorschriften über Fassadengestaltung;
d) Einbau von Rollläden aus Kunststoff oder Metall;
e) Ausführung der straßenseitigen Fenster nicht in Holz (Kunststoff oder Metall).
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Unter Ziffer II. 3. schließlich wurde wegen der geringfügigen teilweisen Überlappung der inneren Abstandsflächen zwischen dem geplanten Neubau und dem im Süden des Baugrundstücks befindlichen Gebäudebestand (30 bzw. 60 cm) eine Abweichung von den Anforderungen nach Art. 6 BayBO zugelassen.
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Unter Ziffer IV. - Auflagen und Bedingungen; besondere Hinweise - war u.a. in Nr. 8 aufgenommen, dass das Gelände auf dem Baugrundstück, nachdem das ursprüngliche Gelände nicht mehr zweifelsfrei rekonstruierbar sei, hiermit amtlich festgesetzt werde. Die fiktive Geländelinie werde im Verlauf der jeweiligen westlichen bzw. östlichen Gebäudeaußenwand von der OK Gehsteig der Straße „A.“ im Norden bis OK-Gehsteig der „S.“ im Süden jeweils von der Nord- bis zur Südgrenze geradlinig festgesetzt. Das festgesetzte Gelände sei im Abstandsflächenplan des Bauantrags als gestrichelte rote Linie eingezeichnet. Die maßgeblichen Höhenpunkte dieser festgesetzten Geländelinie seien als NN-Höhen festgelegt, im Abstandsflächenplan Nr. … vom 28. Januar 2022 und Plan Nr. … vom 15. Oktober 2022 eingetragen und grün markiert. Die Geländefestsetzung diene als Grundlage für die Ermittlung der gesetzlichen Abstandsflächen.
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In Ziffer IV.9 ist niedergelegt, dass ein Fehlbedarf von fünf Stellplätzen abzulösen sei. Der Stellplatzablösevertrag werde zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärt. Unter der Überschrift „Aufschiebende Bedingung“ wird diesbezüglich weiter ausgeführt, dass von der Baugenehmigung erst dann Gebrauch gemacht werden dürfe, wenn der Stellplatzablösevertrag rechtswirksam abgeschlossen und die dort ausgewiesene Ablösesumme an die Stadt … entrichtet sei oder alternativ eine Bankbürgschaft vorliege. Die Stadt … werde die Freigabe der Bauarbeiten nach Erfüllung der Bedingung ausdrücklich schriftlich freigeben.
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Eine weitere aufschiebende Bedingung enthält Ziffer IV. 10. Rechtzeitig vor Baubeginn sei eine Änderungsplanung (Freiflächenplan) mit Darstellung des nach Art. 7 BayBO notwendigen Kinderspielplatzes zur Prüfung vorzulegen. Der Baubeginn könne nach Genehmigung der Änderung erfolgen.
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Zur Begründung der Baugenehmigung wird u.a. ausgeführt, dass im Osten infolge des Anbaurechts keine Abstandsflächen einzuhalten seien. Das Anbaurecht beziehe sich allerdings ausschließlich auf die mit „EG“ bezeichnete Fläche des Nachbargrundstücks, NICHT auf das „EG“ im zu errichtenden Gebäude, damit folglich lediglich auf die im Grundrissplan des geplanten Gebäudes mit „Untergeschoss“ geplante Ebene. Oberhalb dieser Ebenen seien Abstandsflächen einzuhalten. Die Planung sei deshalb im Vergleich zur ursprünglichen Version auf Veranlassung der Stadt … geändert worden und so Gegenstand der Prüfung und Genehmigung gewesen. Das geplante Gebäude rücke im EG und im 1. OG um 3,19 m - 3,25 m sowie im 2. OG um 4,40 m - 4,57 m von der östlichen Nachbargrenze ab und halte damit die Abstandsflächen nach Osten vollständig ein. Der früher im Rahmen eines Vorbescheidsverfahrens geforderte Mindestabstand von 5 m resultierte aus dem vor Inkrafttreten der BayBO 2021 geltenden Abstandsflächenrecht und dem wegen ursprünglicher geplanter Öffnungen in der Ostwand notwendigen Brandabstand von 5 m zwischen den Gebäuden. Nachdem nun die Ausführung mit einer öffnungslosen Gebäudeabschlusswand im Osten vorgesehen sei, bestehe brandschutzrechtlich keine Notwendigkeit mehr zur Einhaltung eines Abstandes von 5 m.
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Gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 24. Mai 2022 erhob die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten am 28. Juni 2022 Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach und stellte einen Antrag auf „Wiederherstellung“ der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage. Zur Begründung lässt sie ausführen, dass das Bauvorhaben eine erdrückende Massigkeit habe, was durch die teilweise Bebauung in den Abstandsflächen noch verstärkt werde. Des Weiteren füge sich der in moderner kubischer Gestaltung geplante Baukörper nicht in die nähere und weitere Umgebung des Baugrundstücks ein, die durch eine historische Bebauung (17. Jahrhundert) geprägt sei. Auch das Anwesen der Antragstellerin auf den Nachbargrundstück stamme aus dem 17. Jahrhundert (Fundamentbereich) und weise eine entsprechende Gestaltung auf. Dieser Fremdkörper in der umliegenden Bebauung sei geeignet, den Wert der vorhandenen, klassisch bebauten Grundstücke wie das der Antragstellerin zu schmälern. Käufer, die den Standort …Innenstadt wegen seiner historischen Bebauung wählen, würden im Zweifel vom Erwerb einer Immobilie Abstand nehmen, die unmittelbar an einen derartigen Fremdkörper in ästhetischer Hinsicht grenze. Denn dadurch gehe der spezifische Reiz des Lebens in historischer Umgebung verloren. Das sei ein Gesichtspunkt, der nun einmal die Belange des Nachbarn genauso berühre wie der Verstoß gegen andere nachbarschützende Vorschriften bzw. die rücksichtslose Bebauung, die ihm Licht und Luft nehme.
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Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 24. Mai 2022 wiederherzustellen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Zur Begründung führt sie aus, dass pauschal behauptet werde, das Bauvorhaben habe eine erdrückende Massigkeit, ohne dies näher zu begründen. Die Behauptung stütze sich offensichtlich ohne Nachprüfung auf die Erteilung mehrerer Befreiungen und Ausnahmen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes sowie der geringfügigen Unterschreitung der inneren Abstandsfläche zwischen dem südlich gelegenen Bestand sowie der geplanten Neubaumaßnahme auf dem Baugrundstück. Im Bereich des untersten Geschosses bestehe ein Anbaurecht - aus diesem Grund sei auch ein direkter Anbau an das Nachbargrundstück zugelassen worden. Die gesetzlichen Mindestabstände im Bereich sämtlicher darüber liegender Geschosse würden zum Nachbargrundstück hin vollständig eingehalten. Nachdem hinsichtlich der Abweichungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes mit Ausnahme der Geschossigkeit / Dachart kein rechtlich substantiierter Sachvortrag vorliege, werde nur hierzu Stellung genommen: Mit der Zulassung der Geschossigkeit „III“ statt „II+DG“ ergebe sich für die Antragstellerin keine Verschlechterung der Situation. Das anstatt eines zum Vollgeschoss ausgebildeten Dachgeschosses zugelassene Staffelgeschoss mit Flachdach habe auf das Nachbargrundstück im Vergleich (zulässige und zugelassene Bebauung) keine nachteiligere Wirkung. Ein Dachgeschoss an dieser Stelle dürfte nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes eine beachtliche Neigung von 55° aufweisen. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass das Nachbargebäude (Firstlinie) A. die geplante Bebauung auf dem Baugrundstück (Attika FD Staffelgeschoss) in der Höhe deutlich überrage. Ergänzend werde zum Vorwurf der „Verschandelung der näheren Umgebung“ festgestellt, dass (ungeachtet der subjektiven bauästhetischen Einschätzung des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller) der genehmigte Neubau hinsichtlich der Ausbildung eines Flachdaches keineswegs einen „Fremdkörper“ darstelle. Beispielsweise seien auch die westlich des Baugrundstücks befindlichen Anwesen A. und S. mit Flachdächern ausgestattet. Als weitere (in unmittelbarer Nähe des Nachbargrundstücks befindliche) Beispiele für eine denkmalpflegerisch abgestimmte Abkehr von historischen Dachgestaltungen im Altstadtbereich dienten die dem Anwesen der Antragstellerin gegenüberliegende Sporthalle des Gymnasiums … sowie das denkmalgeschützte Schulgebäude selbst. Insoweit sei auch in keiner Hinsicht nachvollziehbar, inwieweit die Zulassung einer nach Bebauungsplan ausnahmsweise zulässigen Dachform zu einem Wertverlust der Immobilie der Antragstellerin führen sollte. Dieser Aspekt habe darüber hinaus allerdings ohnehin keine öffentlich-rechtliche Bedeutung, insofern werde der Antragsstellerin anheimgestellt, zivilrechtliche Ansprüche gegen die Beigeladene auf dem hierfür gegebenen Rechtsweg geltend zu machen. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Baugenehmigung augenblicklich ungeachtet der Klageerhebung und Antragstellung ohnehin nicht vollziehbar sei, da die Stellplatzfrage noch nicht abschließend geregelt sei (vgl. Ziffer IV.9a der Baugenehmigung).
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag, führt jedoch aus, dass Befreiungen nur von nicht nachbarschützenden Vorschriften erteilt worden seien, so dass die Klägerin keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, sondern nur auf Würdigung ihrer nachbarlichen Interessen habe. Die Klägerseite habe zudem selbst in den letzten Jahren Baumaßnahmen ausgeführt, die teilweise nicht baurechtlich genehmigt worden seien und die Vorgaben des Bebauungsplanes nicht eingehalten hätten. Durch die Erteilung der Genehmigung würden keine nachbarschützenden Rechte verletzt. Die Überschreitung von Geschossflächen- und Grundflächenzahl und die Festsetzungen zur Firstrichtung und zum Dachaufbau seien keine nachbarschützenden Belange und die Abstandsflächen würden eingehalten, zudem nach den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen eine Grenzbebauung zur Klägerin zulässig wäre. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots scheide aus, da das Bauwerk nicht überdimensional groß sei. Durch den Wegfall eines historischen, steilen fränkischen Daches werde sogar die Gebäudehöhe reduziert.
27
Auf entsprechende Rückfrage des Gerichts zur bauaufsichtlichen fiktiven Geländefestsetzung führte die Antragsgegnerin ergänzend aus, dass aufgrund von Anschüttungen an der Straße A. zu Stellplatzzwecken im Norden und von Abgrabungen und Terrassierungen südlich hiervon das Gelände in der Vergangenheit offensichtlich sukzessive und insgesamt in erheblichem Umfang verändert worden sei, sodass der ursprüngliche Verlauf nicht mehr mit hinreichender Sicherheit rekonstruierbar sei. Es sei vor allem auch wegen großenteils verfahrensfreier Änderungen in der Vergangenheit auch nicht nachzuvollziehen, welche Eingriffe in das Gelände zu welchem Zeitpunkt vorgenommen worden seien. Insoweit wäre es auch nicht statthaft, eine langjährig unveränderte Situation anzunehmen und in der Folge den in Nord-Süd-Richtung inhomogenen Geländeverlauf als für die Ermittlung der Abstandsflächen maßgebliche Beurteilungsgrundlage heranzuziehen. Insbesondere liege keine Fallkonstellation vor, die etwa dem Beschluss des VGH vom 17.04.2015 (15 CS 14.2612) zugrunde gelegen habe, wobei es dort zudem auch nicht um Abgrabungen, sondern um die Annahme des Geländeniveaus bei zeitlich weit zurückliegenden Auffüllungen (> 30 J.) gegangen sei. Am östlichen und westlichen Grenzverlauf sei im vorliegenden Fall erkennbar, dass das ursprüngliche Gelände auf dem Baugrundstück teilweise deutlich höher gelegen haben müsse, was sich aus den vorgelegten Fotos ergebe. Ursprünglich müsse es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als nach Süden geneigter Hang zwischen den beiden nördlichen und südlichen Straßen ohne größere Unebenheiten dargestellt haben. Dafür spreche auch, dass das aktuelle Geländeniveau auf dem klägerischen Grundstück im Bereich der auf dem Baugrundstück getätigten Abgrabungen im direkten Vergleich deutlich höher liege. Es wäre auch aus dieser Sicht unangemessen, eine zeitlich nicht einzuordnende Abgrabung als für die Abstandsflächenermittlung maßgeblich heranzuziehen, während das Gelände auf dem klägerischen Grundstück deutlich höher liege und näherungsweise dem für das Baugrundstück festgelegten Niveau entspreche. Auch bei anderen benachbarten Grundstücken liege eine ähnliche Situation vor. So sei beispielweise auch im Rahmen der Bebauung des westlich gelegenen Grundstücks A. (Fl.Nr. …*) eine amtliche Geländefestsetzung in gleicher Weise vorgenommen worden. Das mit Baugenehmigung von der Stadt … förmlich festgesetzte Gelände erstrecke sich zum Zweck einer nachvollziehbaren Abstandsflächenermittlung in Form einer geraden Verbindungslinie in Flucht der östlichen bzw. westlichen Gebäudeaußenwand zwischen dem jeweiligen Straßenniveau der nördlich und südlich angrenzenden städtischen Grundstücke Fl.-Nr. … und … Gemarkung … Hierauf erwiderte der Antragstellerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 5. August 2022, dass die Antragstellerseite auch in Ansehung des weiteren Sachvortrags der Antragsgegnerin bei ihrer Rechtsauffassung bleibe. Ebenso hat die Beigeladene mit E-Mail vom 5. August 2022 Stellung genommen Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und beigezogenen Behördenakten auch des Klageverfahrens verwiesen.
28
Der durch den Bevollmächtigten der Antragstellerin gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage durch das Verwaltungsgericht angeordnet werden soll, §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kommt hier offensichtlich nicht in Betracht, da die Antragsgegnerin nicht gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Baugenehmigung vom 24. Mai 2022 angeordnet hat. Diese ist vielmehr nach § 212a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kraft Bundesgesetz sofort vollziehbar.
29
Der so ausgelegte Antrag ist bereits unzulässig. Im Übrigen wäre er auch unbegründet.
30
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. Mai 2022 ist nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da der Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung zukommt.
31
Jedoch besteht derzeit kein Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen Antrag. Die Baugenehmigung vom 24. Mai 2022 steht zweifach unter einer aufschiebenden Bedingung im Sinne des Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG: In deren Ziffer IV. 9. ist unter der Überschrift „Aufschiebende Bedingung:“ festgelegt, dass von der Baugenehmigung erst Gebrauch gemacht werden dürfe, wenn der Stellplatzablösevertrag rechtswirksam abgeschlossen und die dort ausgewiesene Ablösesumme an die Stadt … entrichtet sei. Die Stadt … werde die Freigabe der Bauarbeiten nach Erfüllung der Bedingung ausdrücklich schriftlich freigeben. In Ziffer IV. 10. ist darüber hinaus als „aufschiebende Bedingung“ vorgesehen, dass rechtzeitig vor Baubeginn eine Änderungsplanung (Freiflächenplanung) mit Darstellung des nach Art. 7 BayBO notwendigen Kinderspielplatzes zur Prüfung vorzulegen sei. Der Baubeginn könne nach Genehmigung der Änderung erfolgen. Bis zum Eintritt dieser beiden Bedingungen kann die Bauherrin und Beigeladene von der Genehmigung keinen Gebrauch machen, entfaltet der Bescheid also keine Wirkungen, die durch die beantragte gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung suspendiert werden könnten (vgl. VG Augsburg, B.v. 27.8.2003 - Au 8 S 03.719 - BeckRS 2003, 32126 unter II.1.). Dass eine Baugenehmigung auch unter aufschiebenden Bedingungen erteilt werden darf, ergibt sich aus Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG, nach dem ein Verwaltungsakt, auf den wie bei einer Baugenehmigung grundsätzlich ein Anspruch besteht, mit Nebenbestimmungen versehen werden darf, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen sollen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Die Befugnis, in die Baugenehmigung Nebenbestimmungen aufzunehmen, besteht jedoch nicht schrankenlos. Insbesondere ist eine weitgehende Ausklammerung von Genehmigungsvoraussetzungen und anschließende Auslagerung in Nebenbestimmungen unzulässig (BayVGH, B.v. 15.9.1998 - 20 ZB 98.2402 - juris; Decker in Busse/Kraus, BayBO, 145. EL Januar 2022, Art. 68 Rn. 363). Zwar sind weder das Stellplatzrecht nach Art. 47 BayBO noch Art. 7 Abs. 3 BayBO zu dem Erfordernis eines Kinderspielplatzes Teil des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO, gleichwohl kann die Bauaufsichtsbehörde auch deretwegen bei Verstößen die Erteilung der Baugenehmigung verweigern, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO, und insofern auch, um eine Ablehnung des Bauantrages zu vermeiden, aufschiebende Bedingungen in die Baugenehmigung aufnehmen. Durch die in den Ziffern IV. 9 und 10 aufgenommenen aufschiebenden Bedingungen kommt es deshalb auch nicht zu einer weitgehenden Ausklammerung von Genehmigungsvoraussetzungen, da diese Vorschriften betreffen, die außerhalb des Prüfprogramms im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren stehen.
32
Insofern begehrt die Antragstellerin mit ihrem Antrag nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO vorbeugenden Rechtsschutz für den Fall des zweifachen Bedingungseintritts. Ein diesbezüglich erforderliches qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis ließe sich nur dann bejahen, wenn sogleich mit der Schaffung vollendeter Tatsachen im Falle des Bedingungseintritts zu rechnen ist und vorläufiger Rechtsschutz nicht mehr rechtzeitig möglich wäre (VG Augsburg a.a.O.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 67). Davon ist hier nicht auszugehen, da das Gericht die Antragsgegnerin gebeten hat umgehend mitzuteilen, falls die genannten aufschiebenden Bedingungen erfüllt sind. Von dieser Bitte wurde die Antragstellerin in Kenntnis gesetzt und das Gericht würde eine entsprechende Mitteilung der Antragsgegnerin umgehend an sie weiterleiten, woraufhin die Antragstellerin einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage stellen könnte. Über diesen könnte seitens des Verwaltungsgerichts ohne weiteres noch rechtzeitig vor Abschluss der Rohbauarbeiten des Mehrfamilienhauses entschieden werden. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin auf telefonische Anfrage des Berichterstatters am 25. Juli 2022 mitgeteilt, dass die Bauherrin seit Erteilung der Baugenehmigung nicht mehr mit der Stadt … in Kontakt getreten ist. Davon unabhängig ist damit zu rechnen, dass die Antragstellerin als Grundstücksnachbarin von etwa stattfindenden Bauarbeiten auf dem Vorhabengrundstück unmittelbar Kenntnis erlangt. Dass ein Eilantrag des Nachbarn nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO erst mit dem (unmittelbar bevorstehenden) Beginn von Bauarbeiten gestellt wird, dürfte zudem den Regelfall darstellen. Schließlich ist noch anzumerken, dass die Beigeladene nicht sofort nach Bedingungseintritt die Bautätigkeit aufnehmen dürfte, sondern erst nachdem sie mindestens eine Woche zuvor gemäß Art. 68 Abs. 8 BayBO den beabsichtigten Baubeginn bei der Antragsgegnerin angezeigt hat.
33
Schließlich besteht derzeit kein Anlass davon auszugehen, dass die Beigeladene die durch die momentan noch nicht eingetretenen aufschiebenden Bedingungen bewirkte Nichtvollziehbarkeit der Baugenehmigung missachtet und gleichwohl mit dem Bau beginnt.
34
2. Der Antrag wäre jedoch auch dann, wenn er zulässig wäre, unbegründet, weil die im Rahmen der Entscheidung nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin und der Beigeladenen derzeit zu Gunsten letzterer ausfiele:
35
Für die gerichtliche Abwägungsentscheidung spielen vor allem die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens eine maßgebliche Rolle. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Hauptsacheklage dagegen, dass diese mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (BayVGH, B.v. 27.2.2017 - 15 CS 16.2253 - juris Rn. 13; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 89 ff.).
36
Die Hauptsacheklage wird voraussichtlich ohne Erfolg bleiben, sie wäre zwar zulässig, jedoch unbegründet.
37
a) Eine Anfechtungsklage hat nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nämlich nur dann Erfolg, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Dafür genügt nicht die objektive Verletzung einer Rechtsnorm. Die Rechtsverletzung muss sich aus einer Norm ergeben, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn dient (Schutznormtheorie, s. BayVGH, B.v. 23.6.2017 - 15 ZB 16.920 - BayVBl 2019, 596 Rn. 8). Zudem müssen die als verletzt gerügten Normen Teil des Prüfprogramms im Baugenehmigungsverfahren sein, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 145. EL Januar 2022, Art. 66 Rn. 537). Das Prüfprogramm bestimmt sich vorliegend nach Art. 59 BayBO, dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren, da es sich bei dem Vorhaben des Beigeladenen im durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 24. Mai 2022 genehmigten Umfang nicht um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt.
38
Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften zu Lasten der Antragstellerin liegt aller Voraussicht nach nicht vor.
39
b) Es liegt voraussichtlich kein Verstoß gegen die gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 29 - 38 BauGB vor, den die Antragstellerin im Ergebnis rügen könnte. Sowohl das Vorhabengrundstück als auch das der Antragstellerin liegen im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … „Für das Gebiet im Bereich der K.“ der Stadt …, bekannt gemacht am 17. November 1984.
40
aa) Eine materiell-baurechtliche Bindung der Antragstellerin an den einer Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilten Vorbescheid vom 11. Februar 2016 für das Bauvorhaben „Umbau und Renovierung Wohn- und Geschäftshaus S. und Neubau eines Wohnhauses im nördlichen Grundstücksbereich“ scheidet schon deshalb aus, da das damalige Vorhaben in wesentlichen Punkten von dem jetzt streitgegenständlichen abweicht (aliud) und im Übrigen die Geltungsdauer des Vorbescheides zum Zeitpunkt des Eingangs des Bauantrages der Beigeladenen bei der Antragsgegnerin am 3. November 2021 gemäß Art. 71 Satz 2 und 3 BayBO abgelaufen war.
41
bb) Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ist ein Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO festgesetzt, in dem Wohngebäude gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO ihrer Art nach allgemein zulässig sind (soweit kein Unterschied zwischen der Fassung der BauNVO zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans und der heutigen Rechtslage besteht, wird nicht jeweils gesondert die damals geltende Fassung bezeichnet).
42
cc) Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung wurden in der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 24. Mai 2022 Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Grundflächenzahl (0,67 statt 0,4), der Geschossflächenzahl (1,21 statt 1,0) und der Geschossigkeit (III statt II-DG) erteilt. Hierdurch wird die Antragstellerin jedoch nicht in ihren Rechten verletzt.
43
Bei Festsetzungen des Bebauungsplanes zum Maß der baulichen Nutzung und erteilten Befreiungen hiervon hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. Wird von einer nachbarschützenden Festsetzung befreit, führt jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung der Baugenehmigung. Wird von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung befreit, richtet sich der Nachbarschutz lediglich nach den Grundsätzen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme, welches aufgrund der gemäß § 31 Abs. 2 BauGB gebotenen „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung findet (statt vieler BayVGH, B.v. 24.7.2020 - 15 CS 20.1332 - NVwZ-RR 2020, 961 Rn. 21 m.w.N.).
44
Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung sind jedoch selbst unter Berücksichtigung der Wannsee-Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 9.8.2018 - 4 C 7/17 - NVwZ 2018, 1808) nicht allgemein drittschützend. Denn ob der Plangeber eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung auch zum Schutze des Nachbarn trifft oder ausschließlich objektivrechtlich ausgestaltet, darf er regelmäßig selbst und ohne Bindung an das Eigentumsrecht des Nachbarn entscheiden. Entscheidend für die Frage des Nachbarschutzes ist, ob die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessensausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll. Dies ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, wobei sich ein entsprechender Wille unmittelbar aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung, aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung oder aus einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs ergeben kann. Nicht ausreichend ist hingegen, wenn die Maßfestsetzung dem Nachbarn nur einen tatsächlichen Vorteil bringt, ohne dessen Schutz im Rechtssinne zu intendieren (BayVGH, B.v. 24.7.2020 - 15 CS 20.1332 - NVwZ-RR 2020, 961 Rn. 23; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 145. EL Januar 2022, Art. 66 Rn. 356 ff.).
45
Diesen Maßstab zugrunde gelegt sind die im zeichnerischen Teil des Bebauungsplans Nr. … der Antragsgegnerin vorgenommenen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung - die Grundflächenzahl von 0,4, die Geschossflächenzahl von 1,0 und die Geschossigkeit von II-DG - nicht drittschützend. Unmittelbar aus dem Bebauungsplan lässt sich kein Wille der Plangeberin, der Stadt …, erkennen, dass die genannten Maßfestsetzungen zumindest auch dem nachbarlichen Interessenausgleich dienen sollen. Im zeichnerischen Teil werden diese lediglich kommentarlos festgesetzt und im Textteil wird unter § 1 Nr. 1 bestimmt, dass für das Maß der baulichen Nutzung die im Plan eingetragenen Grund- und Geschossflächenzahlen (Höchstwerte) gelten, sofern sich nicht durch die im Plan angegebene zulässige Geschosszahl in Verbindung mit der durch Baugrenzen und Baulinien bestimmten überbaubaren Fläche ein geringerer Wert ergibt. Auch auf die Begründung zum Bebauungsplan Nr. … lässt sich kein Nachbarschutz der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung stützen. Dort ist auf Seite 2 unter II. zum Punkt „Maß der baulichen Nutzung“ im Wesentlichen ausgeführt, dass die jeweils vorgeschriebene Geschosszahl weitgehend auf den Gebäudebestand abgestimmt sei, die Grund- und Geschossflächenzahlen seien im Wesentlichen nach dem Gebäudebestand ermittelt und wegen der erheblichen Unterschiede parzellenweise bzw. blockweise festgesetzt worden. Die Berücksichtigung der Bestandsbebauung bei der Festsetzung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung im Bebauungsplan lässt sich nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit als Begründung eines nachbarlichen Austauschverhältnisses lesen, vielmehr ist eine Orientierung am Bestand notwendig, um aus Sicht der Plangeberin städtebauliche Kohärenz herzustellen. Schließlich sind der Kammer keine sonstigen Vorgänge im Zusammenhang mit der Planaufstellung bekannt, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen würden.
46
Insofern bemisst sich der Rechtsschutz der Antragstellerin hinsichtlich der Befreiungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von den genannten Maßfestsetzungen des Bebauungsplans Nr. … nach dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme, welches hier aber nicht verletzt ist (s. dazu nachfolgend unter II. 2. d)).
47
dd) Hinsichtlich der Bauweise setzt der zeichnerische Teil des Bebauungsplans Nr. … die offene Bauweise gemäß § 22 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BauNVO a.F., also mit dem Erfordernis von seitlichen Grenzabständen der Gebäude, fest. Für den drittschützenden Charakter der Festsetzung einer offenen Bauweise für den direkt angrenzenden Nachbarn spricht aufgrund der wechselseitig einzuhaltenden seitlichen Grenzabstände einiges (OVG SH, B.v. 31.8.2006 - 1 MB 25/06 - NJOZ 2007, 809, 811; VGH BW, B.v. 1.3.1999 - 5 S. 49-99 - NVwZ-RR 1999, 492; wohl auch OVG NW, B.v. 20.9.2021 - 7 B 2051/20 - juris Rn. 10; Blechschmidt in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (EZBK), BauGB, 144. EL Oktober 2021, § 22 BauNVO Rn. 49; Hornmann in Spannowsky/Hornmann/Kämper, BeckOK BauNVO, 30. Ed. 15.7.2022, § 22 Rn. 77; Petz in König/Roeser/Stock, BauNVO, 5. Aufl. 2022, § 22 Rn. 34 m.w.N.), was jedoch im Ergebnis dahinstehen kann. Denn selbst wenn man der Festsetzung zur offenen Bauweise Nachbarschutz zubilligt und davon ausgeht, dass das Vorhabengebäude diese Vorgabe durch den grenzständig stehenden Teil des Garagentraktes im Untergeschoss, der über die festgesetzte Geländehöhe aufragt, gegen sie verstößt, könnte sich die Antragstellerin auf diesen Verstoß nicht berufen. Sie wäre zwar zunächst in einer nachbarschützenden Festsetzung des Bebauungsplanes verletzt, da die Baugenehmigung keine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB vom Erfordernis der offenen Bauweise enthält, das Vorhaben aber gleichwohl so genehmigt wurde (sog. versteckter Dispens, vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 - 15 CS 16.1536 - juris Rn. 33). Im Falle eines versteckten Dispenses von einer nachbarschützenden Festsetzung des Bebauungsplanes ergibt sich die Rechtsverletzung des Nachbarn durch die Baugenehmigung selbst, nicht aber durch die nicht existierende Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB (BayVGH a.a.O.). Jedoch wäre es der Antragstellerin in entsprechender Anwendung des § 242 BGB, also unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Verletzung der offenen Bauweise durch einen Teil des Garagentrakts im Untergeschoss des Vorhabengebäudes zu berufen, weil ihr eigenes Gebäude selbst und zwar mit der vollen Wandlänge westlich grenzständig zum Grundstück der Beigeladenen steht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Nachbar unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung gehindert, einen Verstoß gegen bauplanungsrechtliche nachbarschützende Vorschriften geltend zu machen, wenn er in vergleichbarer Weise, also etwa im selben Umfang, gegen diese Vorschriften verstoßen hat (BVerwG, U.v. 9.8.2018 - 4 C 7/17 - NVwZ 2018, 1808 Rn. 23 ff. - Wannsee). Hier verstößt die Antragstellerin sogar in weit größerem Umfang gegen die Festsetzung einer offenen Bauweise im Bebauungsplan Nr. …, weil ihr Wohngebäude über alle Stockwerke hinweg grenzständig zur Beigeladenen hin errichtet ist, wohingegen die Beigeladene mit ihrem Vorhaben nur mit einem Teil des Untergeschosses auf einer Länge von etwa 7,2 m und einer über das festgesetzte Geländeniveau aufragenden Höhe von maximal etwa 3 m (die Brüstung/Absturzsicherung am Südende eingerechnet) auf der Grenze zur Antragstellerin steht. An dieser Wertung ändert auch nichts, dass für den Einbau einer Erdgeschosswohnung in das Bestandsgebäude der Antragstellerin eine Baugenehmigung vom 28. Januar 1997 vorliegt. Vergleichbar der Rechtslage zum bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrecht kann der Antragstellerin auch bei formeller Legalisierung eines Teils ihres Wohngebäudes der Einwand treuwidrigen Verhaltens entgegengehalten werden, weil es für die durch den Bebauungsplan begründete nachbarliche Wechselbeziehung auf die faktische Nichteinhaltung der drittschützenden Festsetzung ankommt. Die Antragstellerin soll mit anderen Worten keine rechtlichen Abwehrmaßnahmen gegen Beeinträchtigungen ergreifen können, die sie auch ihrem Nachbarn spiegelbildlich zumutet. Denn der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz beruht auf einem Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit (OVG NW, U.v. 26.6.2014 - 7 A 2057/12 - juris Rn. 39 ff., Rn. 51-53; Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 22. Ed. 1.5.2022, Art. 6 Rn. 282). Nichts Anderes gilt hinsichtlich der Nachbarunterschrift einer Rechtsvorgängerin der Beigeladenen („Rupp“) auf den Bauvorlagen (OVG NW a.a.O. Rn. 53 s.a. i.S.d. BayVGH, B.v. 1.9.2016 - 2 ZB 14.2605 - juris Rn. 10 ff.). Davon abgesehen würde die Baugenehmigung vom 28. Januar 1997 allenfalls die grenzständige Außenwand des Erdgeschosses abdecken, nicht aber die übrige Außenwand des antragstellerischen Gebäudes. Dass dieses in den Ansichtszeichnungen der Bauvorlagen zeichnerisch im Ganzen dargestellt ist, führt nicht zu einer Gesamtgenehmigung des Gebäudebestandes, da insofern die Baugenehmigung und die Bauvorlagen klar bezeichnet und überschrieben sind („Einbau einer Wohnung in das Erdgeschoss eines bestehenden Gebäudes…“ bzw. „Einbau einer Wohnung“) und auch in der Grundrisszeichnung nur bauliche Veränderungen im Erdgeschoss vorgesehen sind. Schließlich wurde der Einbau der Erdgeschosswohnung durch die Antragstellerin offenbar planabweichend und damit unter Verlust der formellen Legalisierungswirkung der Baugenehmigung ausgeführt, denn anders als auf der Grundrisszeichnung EG und der Ansichtszeichnung West sind nicht sechs, mit Glasbausteinen der Feuerwiderstandsklasse F-90 ausgekleidete Öffnungen eingebracht worden, sondern ausweislich der Fotoaufnahmen auf den Seiten 50 und 91 der Behördenakte … der Stadt … nur ein augenscheinlich öffenbares, größeres Fenster mit zwei Sprossen (welches im Übrigen gegen das nachbarschützende Erfordernis einer öffnungslosen Brandwand verstößt, s. Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO). Ebenfalls kein anderes Ergebnis lässt sich aus der einem Rechtsvorgänger der Antragstellerin erteilten Baugenehmigung vom 2. April 1976 zur Anbringung einer Wetterschutzverkleidung an der Westfassade des heutigen Wohngebäudes der Antragstellerin ableiten, da darin aufgrund des engen Genehmigungsgegenstandes keine Legalisierung des Gesamtbestandes zu sehen ist.
48
ee) Schließlich ist die Antragstellerin auch nicht durch die in Ziffer II. 2 der Baugenehmigung vom 24. Mai 2022 zugelassenen Ausnahmen nach § 30 Abs. 1 BauGB in ihren Rechten verletzt.
49
(1) Soweit eine Ausnahme hinsichtlich der Lage des Treppenhauses und des Aufzugsschachtes außerhalb der (nördlichen) Baugrenze gemäß § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 1 Nr. 2 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. … der Stadt … zugelassen wurde, ist die Antragstellerin schon deshalb nicht in eigenen Rechten betroffen, da die entsprechende Baugrenze (§ 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO a.F.) nach Norden hin, zur Straße A. ausgerichtet ist und nicht zum antragstellerischen Grundstück hin. Im Rahmen der Zulassung von Ausnahmen nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. dem Bebauungsplan räumt § 31 Abs. 1 BauGB Vorschriften des Bebauungsplans, die ihrerseits nicht nachbarschützend sind, keine nachbarschützende Wirkung ein. Steht eine Festsetzung unter Ausnahmevorbehalt, hat sie in der Regel keinen drittschützenden Charakter, da jedes dem Bebauungsplan unterworfene Grundstück von vornherein mit der Möglichkeit einer plankonformen Ausnahme vorbelastet ist (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 31 Rn. 21 f.). Im Übrigen sei angemerkt, dass, selbst wenn man davon ausginge, dass sich die zugelassene Ausnahme nicht mehr im Rahmen des durch § 1 Nr. 2 des Bebauungsplans Nr. … Gestatteten bewegt, insbesondere betreffend die maximale Überschreitung der Baugrenze von max. 2,50 m und der Erforderlichkeit des Schutzes historischer Bausubstanz, eine Verletzung der Antragstellerin aus eigenem Recht ausscheiden muss, da es sich um eine von ihrem Grundstück abgewandte Baugrenze handelt.
50
(2) Die übrigen, in Ziffer II. 2 der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassenen Ausnahmen von der Dachform - Flachdach anstatt Dachneigung von 40-55 Grad -, Teilflächen der Fassade abweichend von den Vorschriften über die Fassadengestaltung, Einbau von Rollläden aus Kunststoff oder Metall und Ausführung der straßenseitigen Fenster nicht in Holz (Kunststoff oder Metall) gemäß § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3, § 6 Buchst. c Nr. 5, Buchst. d Nr. 4, Buchst. f Nr. 1 des Textteils des Bebauungsplans Nr. … betreffen allesamt keine nachbarschützenden Belange, weshalb keine Rechtsverletzung der Antragstellerin ersichtlich ist. Die Antragstellerin könnte allenfalls im Gebot der Rücksichtnahme betroffen sein, dessen Verletzung jedoch ausscheidet (s.u. II. 2. d)).
51
c) Ebenso wenig liegt nach summarischer Prüfung ein durch die Antragstellerin rügbarer Verstoß gegen das gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BayBO zu prüfende Abstandsflächenrecht des Art. 6 BayBO vor.
52
Abstandsflächenrechtlich relevant sind hier die östlichen, zum Grundstück der Antragstellerin zeigenden Außenwände des Vorhabengebäudes, wobei im Folgenden zwischen dem grenzständig stehenden Teil des Garagentrakts im Untergeschoss des Vorhabengebäudes und dem übrigen Vorhabengebäude zu unterscheiden ist.
53
aa) Der grenzständig stehende Teil des Garagentraktes im Untergeschoss des Vorhabengebäudes hält, soweit er nicht unterirdisch errichtet ist, die gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 BayBO erforderlichen, nachbarschützenden Abstandsflächen naturgemäß nicht ein. Die Einhaltung von Abstandsflächen ist diesbezüglich auch nicht nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO entbehrlich, da sich in dem grenzständig stehenden Gebäudeteil zwar ein Garagenstellplatz befindet, dieser jedoch mit dem übrigen Untergeschoss baulich und funktional verbunden ist und insofern nicht nur im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayBO selbstständig benutzbare Garage, sondern eben Bestandteil des Vorhabengebäudes insgesamt ist (vgl. VG Würzburg, B.v. 12.5.2022 - W 4 E 22.755 - juris Rn. 23 ff.). Ebenfalls scheidet ein die Grenzbebauung gestattender Vorrang des Planungsrechts nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO aus, da der Bebauungsplan Nr. … der Antragsgegnerin gerade eine offene Bauweise festsetzt, also die Einhaltung von Abstandsflächen einfordert.
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Jedoch kann sich die Antragsgegnerin entsprechend § 242 BGB nicht auf die Verletzung des Abstandsflächenrechts durch das Vorhabengebäude der Beigeladenen berufen, da ihr eigenes Wohngebäude, weil mit der kompletten westlichen Außenwand grenzständig zum Grundstück der Beigeladenen errichtet, ebenfalls die erforderlichen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO nicht einhält. Ein Nachbar kann sich nach Treu und Glauben gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht erfolgreich auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu - gemessen am Schutzzweck der Norm - schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen führen (BayVGH, U.v. 4.2.2011 - 1 BV 08.131 - juris Rn. 37; Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 22. Ed. 1.5.2022, Art. 6 BayBO Rn. 281 ff.). Hier liegt es so, dass die Antragstellerin sogar deutlich massiver, nämlich mit ihrer gesamten westlichen Außenwand und über alle Stockwerke gegenüber dem Grundstück der Beigeladenen die Abstandsflächen unterschreitet. Ein etwaiger Bestandsschutz aus den Baugenehmigungen vom 2. April 1976 und vom 28. Januar 1997 kommt ihr der Beigeladenen gegenüber ungeachtet der Nachbarunterschrift nicht zugute (s.o.).
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bb) Soweit das Vorhabengebäude im Übrigen nicht grenzständig errichtet werden soll, hält es die gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4, Abs. 5 Satz 1 BayBO erforderlichen Abstandsflächen auf Basis der in Ziffer IV. 8 des Baugenehmigungsbescheids vom 24. Mai 2022 und im Abstandsflächenplan … vom 28. Januar 2022 bauaufsichtlich festgesetzten fiktiven Geländeverlaufs, wenn auch nur knapp, ein. Dies ergibt sich aus dem genannten Abstandsflächenplan, der Bestandteil der Baugenehmigung ist und weder durch die Antragstellerseite angegriffen wurde noch an für die Kammer erkennbaren Mängeln leidet.
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Die bauaufsichtliche Festsetzung einer von der natürlichen Geländeoberfläche abweichenden Geländehöhe als Bezugspunkt für die Ermittlung der Wandhöhe ist auf Basis des Art. 54 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BayBO als Ermessenentscheidung möglich (BayVGH, B.v. 27.7.2021 - 1 CS 21.1294 - juris Rn. 9). Hierbei ist jedoch insbesondere zu berücksichtigen, dass die fiktive Festsetzung wegen ihrer Auswirkungen auf die für die Abstandsfläche relevante Wandhöhe des Bauvorhabens ohne hinreichend Beachtung nachbarlicher Interessen dessen Rechte verletzen kann (BayVGH, B.v. 25.5.2021 - 15 ZB 20.2128 - juris Rn. 7 ff. unter Wiedergabe der Ausgangsentscheidung des VG Regensburg). Eine fiktive Festsetzung ist aber dann möglich, wenn der ursprüngliche Geländeverlauf nicht mehr feststellbar ist (BayVGH, B.v. 23.2.2021 - 15 CS 21.403 - juris Rn. 99). Grundsätzlich sachgerecht bei der bauaufsichtlichen Festsetzung des Geländeverlaufs ist eine Orientierung an der Höhenlage der Verkehrsflächen (BayVGH, B.v. 25.5.2021 a.a.O.).
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Angesichts der Ausführungen der Antragsgegnerin im Bescheid vom 24. Mai 2022 zur amtlichen Festsetzung des Geländeverlaufs in Ziffer IV. 8 und angesichts der ergänzenden Stellungnahme vom 3. August 2022 bestehen für das Verwaltungsgericht bei summarischer Prüfung keine Anhaltspunkte dafür und ist auch von Antragstellerseite nichts vorgetragen, dass diese mit dem Zweck erfolgt ist, zulasten der Antragstellerin die erforderliche Abstandsflächentiefe zu unterlaufen. Die Antragsgegnerin stützt die fiktive Festsetzung auf den nicht mehr zweifelsfrei rekonstruierbaren ursprünglichen Geländeverlauf infolge von erheblichen, aber zeitlich nicht mehr rekonstruierbaren Aufschüttungen und Abgrabungen und zieht die fiktive Geländelinie sodann sachgerecht im Verlauf der jeweiligen westlichen bzw. östlichen Gebäudeaußenwand von der Oberkante Gehsteig der Straße A. im Norden bis zur Oberkante Gehsteig der S. im Süden. Daran ist ausweislich der oben dargestellten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nichts auszusetzen. Zwar können Aufschüttungen bzw. Abgrabungen eine neue, natürliche Geländeoberfläche bilden, allerdings erst nach mindestens 25 oder gar 30 Jahren (Kraus in Busse/Kraus, BayBO, 145. EL Januar 2022, Art. 6 Rn. 191; BayVGH, B.v. 17.4.2015 - 15 CS 14.2612 - juris Rn. 7). Dass derart lange Zeiträume im vorliegenden Fall abgelaufen sein sollen, ist nicht ersichtlich.
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Selbst wenn man aber unterstellte, dass die bauaufsichtliche Festsetzung des Geländeverlaufs rechtsfehlerhaft erfolgt ist und in Folge dessen jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Antragstellerin im Erfordernis der Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO verletzt ist, so könnte sie sich auch auf diesen Verstoß entsprechend § 242 BGB nicht berufen, da sie selbst durch ihr vollständig grenzständig zum Vorhabengrundstück errichtetes Wohngebäude ungleich stärker gegen das Abstandsflächenrecht verstößt als das Vorhabengebäude, welches zum Großteil gegenüber der Grundstücksgrenze zur Antragstellerin zurückversetzt ist (s.o.).
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cc) Die im streitgegenständlichen Bescheid erteilte Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO hinsichtlich einer teilweisen Überlappung der inneren Abstandsflächen zwischen dem Vorhabengebäude und dem im Süden des Grundstücks der Beigeladenen befindlichen Gebäudebestand betrifft die Antragstellerin nicht in eigenen Rechten.
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d) Schließlich ist die Antragstellerin auch nicht im bauplanungsrechtlich in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und § 31 Abs. 2 BauGB („unter Würdigung nachbarlicher Interessen“) verorteten Gebot der Rücksichtnahme verletzt.
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Das drittschützende Rücksichtnahmegebot wird aktiviert, „wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“ (BVerwG, U.v. 5.12.2013 - 4 C 5/12 - NVwZ 2014, 370 Rn. 21). Die Anforderungen, die das Rücksichtnahmegebot an die Zulässigkeit des Vorhabens stellt, hängen wesentlich von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des durch das Vorhaben Betroffenen ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, desto weniger muss er sich in Rücksichtnahme üben. Es ist also darauf abzustellen, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 15.10.2019 - 15 ZB 19.1221 - juris Rn. 15; B.v. 5.4.2019 - 15 ZB 18.1525 - BeckRS 2019, 7160 Rn. 9).
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Soweit der Antragstellerbevollmächtigte eine erdrückende Massigkeit des Bauvorhabens insbesondere infolge der Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich Geschossigkeit bzw. Dachform, Grund- und Geschossflächenzahl rügt, dringt er damit nicht durch. Eine diesbezügliche Verletzung des drittschützenden Rücksichtnahmegebots liegt nach der Rechtsprechung nämlich erst dann vor, wenn dem Vorhaben in der Gesamtschau eine „erdrückende“ oder „abriegelnde“ Wirkung, gleich einer „Gefängnishofsituation“ zukommt (BayVGH, B.v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 12; NdsOVG, B.v. 15.1.2007 - 1 ME 80/07 - juris Rn. 13: „Dem Grundstück muss gleichsam die Luft zum Atmen genommen werden.“). Dies kann vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden anzunehmen sein (BayVGH, a.a.O.). Bejaht hat die Rechtsprechung eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots etwa für ein 12-geschossiges Gebäude in einer Entfernung von 15 m zum 2 ½-geschossigen Nachbarwohnhaus (BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris Rn. 32 ff.) und für drei 11,5 m hohe Düngekalksilos im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnhaus (BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - juris Rn. 12 ff.), hingegen verneint für einen Höhenunterschied von wenigen Metern bei einem Abstand zwischen beiden Gebäuden von etwa 2 m (SächsOVG, B.v. 17.12.2014 - 1 B 216/14 - juris Rn. 10 ff.; w.N. zur Rspr. bei Söfker in EZBK, BauGB, 144. EL Oktober 2021, § 34 Rn. 142).
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Diesen Maßstab zugrunde gelegt, scheidet eine erdrückende Wirkung des Vorhabengebäudes aus. Die Antragstellerin belässt es diesbezüglich bei der bloßen Behauptung einer erdrückenden Wirkung, ohne dies in irgendeiner Weise zu konkretisieren und es ist zu ihren Lasten zu berücksichtigen, dass die von ihr vorgetragene erdrückende Wirkung des Vorhabengebäudes - wenn man sie einmal unterstellte - auch daher rührte, dass ihr eigenes Gebäude keine Abstandsflächen auf dem eigenen Grundstück einhält, obwohl dies nach dem Bebauungsplan und Art. 6 BayBO den Regelfall darstellen würde (VG Würzburg, B.v. 8.8.2012 - W 5 S 12.630 - juris Rn. 27 ff., das in diesem Fall von Rechtsmissbräuchlichkeit spricht). Schließlich ist davon auszugehen, dass das Vorhabengebäude jedenfalls nicht wesentlich höher als das Bestandsgebäude der Antragstellerin ausfällt. Ausweislich der Schnittzeichnung A-A der Bauvorlagen zum Genehmigungsbescheid vom 28. Januar 1997 zugunsten der Antragstellerin und ihres Ehemanns zum Einbau einer Wohnung in das Erdgeschoss beträgt die Firsthöhe ihres Wohnhauses am südlichen Ende etwa der Gebäudemitte gemessen ab der (damaligen) Oberkante Geländehöhe 11,68 m und am nördlichen Ende etwa 10,15 m. Das Vorhabengebäude weist auf Basis des bauaufsichtlich festgesetzten Geländeverlaufs gemäß Abstandsflächenplan ein Höhenprofil von 9,80 m einschließlich des zurückgesetzten zweiten Obergeschosses nahe der Nordgrenze des Beigeladenengrundstücks (6,57 m ohne das zweite Obergeschoss) über 10,32 m auf Höhe des nördlichen Drittels (7 m ohne das zweite Obergeschoss) bis 10,85 m kurz vor dem südlichen Ende des Vorhabengebäudes (7,88 m ohne das zweite Obergeschoss) auf. Ausweislich der Ansichtszeichnungen aus den Bauvorlagen, die die Antragstellerseite nicht in Frage gestellt hat, überragt das Wohngebäude der Antragstellerin mit seiner Firsthöhe das Vorhabengebäude sogar. Selbst wenn man aber das am südlichen Ende des Vorhabengebäudes eingezeichnete niedrigere Bestandsgelände zugrunde legte, käme man auf eine Gesamthöhe des Vorhabengebäudes von 12,72 m und damit würde eine erdrückende Wirkung anhand des oben dargestellten Prüfungsmaßstabes ausscheiden.
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Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ergibt sich für die Antragstellerin auch nicht daraus, dass durch den grenzständigen Teil des Garagentrakts des Vorhabengebäudes das im Erdgeschoss befindliche, größere und augenscheinlich öffenbare Fenster in der westlichen Außenwand des antragstellerischen Wohngebäudes zugebaut würde. Zum einen wurde dieses Fenster abweichend von der Baugenehmigung vom 28. Januar 1997, die in der westlichen Außenwand des Erdgeschosses sechs durch Glasbausteine im Brandschutzstandard F-90 ausgefüllte Fensteröffnungen vorsah, eingebaut und genießt insofern keinen Bestandsschutz. Weiter ist es brandschutzrechtlich wegen des sich aus Art. 28 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 8 Satz 1 BayBO ergebenden Erfordernisses einer öffnungslosen Brandwand materiell-baurechtlich unzulässig, was im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots zu Lasten der Antragstellerin eingestellt werden darf (OVG SH, B.v. 26.3.2021 - 1 MB 7/21 - juris Rn. 14 f.). Das Erfordernis der öffnungslosen Brandwand dient auch dem Nachbarschutz - hier dem der Beigeladenen - da die Brandwand als Gebäudeabschlusswand den Brandüberschlag auf das Nachbargebäude verhindern soll (BayVGH, B.v. 8.3.2018 - 15 CE 17.2599 - juris Rn. 58). Davon abgesehen verbleiben der Antragstellerin die nach Süden ausgerichteten bodentiefen Terrassentüren bzw. -fenster zu Zwecken der Belichtung und Belüftung, weshalb nicht davon auszugehen ist, dass die Vorgaben des Art. 45 Abs. 2 BayBO verletzt werden. Schließlich ist auch hier zu berücksichtigen, dass das Verschließen des Fensters auf der Westseite des Wohngebäudes der Antragstellerin durch Teile des Vorhabengebäudes auch darauf beruht, dass die Antragstellerin selbst ihr Grundstück nach Westen hin durch die grenzständige Bebauung maximal ausnutzt (VG Ansbach, U.v. 5.12.2012 - AN 9 K 11.01747 - BeckRS 2013, 45435).
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Insofern ergibt sich auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme zu Lasten der Antragstellerin daraus, dass die bauplanungsrechtliche Vorschrift des Art. 6 BayBO und die bauplanungsrechtlich vorgeschriebene offene Bauweise durch einen Teil des Untergeschosses des Vorhabengebäudes verletzt sind (s.o.).
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Soweit die Antragstellerseite schließlich noch darauf abstellt, dass sich das Vorhabengebäude nicht in die nähere und weitere, durch historische Bebauung geprägte Umgebung einfüge und den Wert der vorhandenen, klassisch bebauten Grundstücke wie desjenigen der Antragstellerin mindere, so ist dies unbehelflich. Zunächst bestimmt gemäß § 30 Abs. 1 BauGB der Bebauungsplan Nr. … der Stadt … den Zulässigkeitsrahmen für das Bauvorhaben und innerhalb dieses Rahmens hält sich das Vorhabengebäude der Beigeladenen, von den rechtlich durch die Antragstellerin nicht zu beanstandenden Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB abgesehen. Im Übrigen sind Beeinträchtigungen des Ortsbildes oder eine hier weitestgehend ins Blaue hinein behauptete Wertminderung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots in der Regel und auch hier nicht rügbar. Einen allgemeinen Rechtssatz, dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu werden, gibt es nicht (BVerwG, B.v. 13.11.1997 - 4 B 195/97 - NVwZ-RR 1998, 540; BayVGH, B.v. 29.9.2021 - 9 CS 21.2175 - juris Rn. 23; OVG Magdeburg, B.v. 3.2.2015 - 2 M 152/14 - NVwZ-RR 2015, 687, 689; SächsOVG, B.v. 22.1.2013 - 1 B 376/12 - juris Rn. 18 f.). Ob, wie der Antragstellerbevollmächtigte vorträgt, Immobilienkäufer, die den Standort … wegen der historischen Bebauung wählten, im Zweifel vom Erwerb einer Immobilie, die unmittelbar an einen derartigen Fremdkörper grenzte, Abstand nähmen, ist ein Rahmen des Rücksichtnahmegebots nicht berücksichtigungsfähiger Belang. Schließlich muss eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots auch unter Berücksichtigung der antragstellerseits nicht explizit gerügten, in Ziffer II.2. der Baugenehmigung zugelassenen gestalterischen Ausnahmen ausscheiden.
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d) Weitere im Rahmen des Art. 59 BayBO zu prüfende Belange, in denen die Antragstellerin verletzt sein könnte, sind nicht ersichtlich.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene keinen eigenen expliziten Sachantrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen muss, § 162 Abs. 3 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 und 1.5 des aktuellen Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da der angegriffene Bescheid vom 24. Mai 2022 die Errichtung eines Mehrfamilienhauses genehmigt, erscheint es für das Hauptsacheverfahren angemessen einen Aufschlag auf die Untergrenze von 7.500,00 EUR vorzunehmen und den Streitwert diesbezüglich mit 10.000,00 EUR anzusetzen. Im einstweiligen Rechtsschutz ist dieser Streitwert sodann regelmäßig nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs auf ½ herabzusetzen, sprich auf 5.000,00 EUR.