Titel:
Wiederholte Zwangsgeldandrohung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
VwZG Art. 19, Art. 21a, Art. 31, Art. 36, Art. 37
BayBO Art. 47
BayVwVfG Art. 43, Art. 44
Leitsätze:
1. Ob der Grundbescheid rechtmäßig ist, spielt im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich keine Rolle. Entscheidend ist allein, dass der der Vollstreckung zugrundeliegende Verwaltungsakt wirksam (Art. 43 BayVwVfG) und vollstreckbar ist (Art. 19 Abs. 1 VwZVG). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gesetz stellt in Art. 47 Abs. 1 BayBO für die Stellplatzpflicht nur darauf ab, ob durch Anlagen oder ihre Nutzung ein Zu- und Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, nicht aber darauf, ob dieser wegen der Widmung der öffentlichen Verkehrsfläche zur Fußgängerzone hier auch tatsächlich ausgeübt werden kann. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein weiteres Zwangsgeld darf nicht erst dann angedroht werden, wenn das vorher festgesetzte Zwangsgeld bezahlt bzw. beigetrieben oder ein Beitreibungsversuch gemacht worden ist. Die Zwangsvollstreckungsbehörde muss vielmehr nur abwarten, dass das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Androhung ohne Erfolg geblieben ist. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erneute Androhung eines Zwangsgelds, Maßgeblicher Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage, Androhung, Zwangsgeld, wiederholt, vorläufiger Rechtsschutz, Grundbescheid, Vollstreckungsvoraussetzungen, Stellplatzpflicht, Ermessen
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 21.11.2022 – 9 CS 22.2043
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21936
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Nachfristsetzung sowie die Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 40.000,00 Euro durch die Antragsgegnerin und begehrt die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den entsprechenden Bescheid vom 6. Mai 2022.
2
Streitgegenständlich ist die vonseiten der Antragstellerin auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, (…, … …) ausgeübte Nutzung, welche vonseiten der Antragsgegnerin als Wettbüro, vonseiten der Antragstellerin aktuell nur noch als Wettannahmestelle beurteilt wird.
3
Mit Bescheid vom 29. Juni 2018 (im Folgenden: Grundbescheid) versagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Ladens in ein Wettbüro für das streitgegenständliche Grundstück FlNr. …, Gemarkung … (Ziffer 1 des Grundbescheids). Zugleich untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Nutzung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten als Wettbüro und ordnete an, die Nutzung als Wettbüro innerhalb von drei Tagen ab Zustellung des Bescheides einzustellen (Ziffer 2 des Grundbescheides). Die Antragsgegnerin ordnete im Grundbescheid zudem die sofortige Vollziehbarkeit dieser Nutzungsuntersagung an. Für den Fall der Nichteinhaltung der Nutzungsuntersagung wurde der Antragstellerin im Grundbescheid ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,00 Euro angedroht. Die gegen diesen Grundbescheid gerichtete Anfechtungsklage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 18. Mai 2020 (AN 9 K 18.01338) abgewiesen. Das Urteil ist zwischenzeitlich rechtskräftig geworden.
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Mit weiterem Bescheid vom 8. April 2019 bestimmte die Antragsgegnerin eine Nachfrist von drei Tagen, innerhalb derer die Antragstellerin die Nutzungsuntersagung aus dem Grundbescheid vom 29. Juni 2018 zu erfüllen habe. Zugleich drohte die Antragsgegnerin der Antragstellerin für den Fall der Nichteinhaltung der Nutzungsuntersagung ein Zwangsgeld in Höhe von 30.000,00 Euro an. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 22. Februar 2021 (AN 9 K 19.00945) abgewiesen. Den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 5. Mai 2021 zurückgenommen, sodass auch dieses Urteil zwischenzeitlich rechtskräftig geworden ist.
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Im Rahmen einer Baukontrolle vom 8. Februar 2022 wurde durch die Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin festgestellt, dass - so meint die Antragsgegnerin - das Wettbüro weiterhin in Betrieb sei. Am 21. Februar 2022 wurden Lichtbilder durch die Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin gefertigt, wonach - nach Auffassung der Antragsgegnerin - in den Räumlichkeiten diverse Bildschirme mit der Übertragung von Livewetten erkennbar seien. Ein Auszug aus dem Gewerberegister vom 6. Mai 2022 habe zudem ergeben, dass die Antragstellerin weiterhin unter anderem mit der Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Vermittlung von Geschäften aller Art, insbesondere von Sportwetten und Service für Automatenspielgeräte im Gewerberegister eingetragen sei.
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Daraufhin erließ die Antragsgegnerin den streitgegenständlichen Bescheid vom 6. Mai 2022, welcher ausweislich ihrer Ausführungen der Antragstellerin am 13. Mai 2022 zugestellt wurde. Anhaltspunkte für einen abweichenden Zeitpunkt der Zustellung des streitgegenständlichen Bescheides finden sich nicht in den Behördenakten sowie der Gerichtsakte.
7
Im streitgegenständlichen Bescheid heißt es wie folgt:
„Die Bauordnungsbehörde der Stadt … erlässt gegenüber der Fa. … UG (haftungsbeschränkt), vertreten durch die Geschäftsführerin Frau … … folgenden Bescheid:
1. Zur Erfüllung der Anordnung Nr. 2 des unanfechtbaren Bescheides vom 29.06.2018, Az. … wird eine Nachfrist von einem Monat ab Zustellung dieses Bescheides bestimmt.
2. Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Frist wird ein Zwangsgeld in Höhe von 40.000,00 EUR angedroht. Dieser Betrag wird nach ungenutztem Ablauf der in Nr. 1 gestellten Frist zur Zahlung fällig, ohne dass es eines weiteren Verwaltungsakts bedarf. Zur Zahlung ist die Fa. … UG (haftungsbeschränkt), vertreten durch die Geschäftsführerin Frau … … verpflichtet.
3. Die Nummer 1 dieses Bescheides in Verbindung mit der unter Nummer 2 ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar.“
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Der Bescheid wird unter anderem damit begründet, dass die Nutzung als Wettbüro laut Anmeldung im Gewerberegister der Stadt … nach wie vor durch die Antragstellerin ausgeführt werde. Bei einer Ortseinsicht am 8. Februar 2022 durch die Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin sei festgestellt worden, dass das Wettbüro weiterhin betrieben werde. Im Eingangsbereich seien Werbeanlagen in Form von Schaufenster- und Türbeklebungen mit der Aufschrift „…“ angebracht gewesen. Das Wettbüro sei mit mehreren Flachbildschirmen, Wettautomaten, einem Kassenbereich sowie Tischen und Stühlen ausgestattet. Auf den Tischen seien Wettscheine ausgelegt gewesen. Da die Bauordnungsbehörde aufgrund gesetzlicher Bestimmungen dazu verpflichtet sei, die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften sowie ergangener Anordnungen zu überwachen, müsse vorliegend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, die Nutzungsuntersagung mit Zwangsmitteln zu vollstrecken. Das angedrohte Zwangsmittel stehe in angemessenem Verhältnis zu seinem Zweck und könne so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt sei. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes sei dem Zweck, die Durchsetzung eines Verwaltungsakts zu erreichen, angemessen, weil die vorausgehenden Zwangsgeldandrohungen erfolglos geblieben seien.
9
Mit Schreiben vom 13. Juni 2022, eingegangen bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach am selben Tag, ließ die Antragstellerin Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und beantragte im Hauptsacheverfahren sinngemäß den Bescheid aufzuheben.
10
Mit Schriftsatz vom 8. August 2022 führte die Antragstellerin zur Begründung ihrer Klage aus, dass der streitgegenständliche Bescheid vom 6. Mai 2022 rechtswidrig sei und die Antragstellerin in ihren Rechten verletze. Einwendungen könnten von der Antragstellerin vorliegend auch gegen den Grundbescheid selbst vorgebracht werden, da die Antragsgegnerin die Nachfrist und Zwangsgeldandrohung mit dem Grundbescheid vom 29. Juni 2018 verknüpft habe. Das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 40.000,00 EUR sei unangemessen hoch und berücksichtige die schwierige wirtschaftliche Lage der Antragstellerin in keiner Weise. Die Höhe des Zwangsgelds berücksichtige nicht die erheblichen Auswirkungen der COVID-Pandemie auf den Betrieb und übersteige die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragstellerin. Bei der Höhe des Zwangsgeldes sei der Antragsgegnerin zudem ein Ermittlungsdefizit unterlaufen, da ihr bereits aus dem Schriftsatz des ehemaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 4. November 2021 zu einem vorangegangenen Zwangsgeld die schwierige wirtschaftliche Lage der Antragstellerin bekannt gewesen hätte sein müssen. Auch bei dem zweiten Zwangsgeld in Höhe von 30.000,00 EUR habe die Antragsgegnerin das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin völlig missachtet und während Gesprächen zu einer etwaigen Stundung des Zwangsgeldes der Antragstellerin einen behördlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt. Dies zeige auch für die streitgegenständliche Androhung eines Zwangsgeldes von 40.000,00 EUR, dass der Antragsgegnerin die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin nicht bewusst seien.
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Zudem sei die Antragsgegnerin im Rahmen der Ermessensausübung von unzutreffenden Umständen ausgegangen, da sie den streitgegenständlichen Bescheid aufgrund einer Ortskontrolle vom 8. Februar 2022 erlassen habe. Die dortigen Feststellungen seien aber überholt, da die Antragstellerin ihren Betrieb mittlerweile von dem untersagten Wettbüro auf eine zulässige Wettannahmestelle umgestellt habe. Die Antragstellerin habe durch die Entfernung sämtlicher Verweilmöglichkeiten (Tische, Stühle, etc.) und Unterhaltungseinrichtungen (Fernsehbildschirme) das vormalige Wettbüro in eine reine Wettannahmestelle umgewandelt. Eine solche Wettannahmestelle sei im Geltungsbereich des einschlägigen Bebauungsplans Nr. … zulässig und finde sich auch bereits in direkter Nachbarschaft der streitgegenständlichen Räumlichkeiten. Die Antragsgegnerin habe die Nutzungsuntersagung aus dem Jahr 2018 auch nicht hinreichend auf ihre Befolgung durch die Antragstellerin überprüft. Alleine die Ortskontrolle vom 8. Februar 2022 genüge nicht für die Feststellung, dass gegen die Nutzungsuntersagung verstoßen worden sei. Dies gelte insbesondere, da die Antragsgegnerin bei der Kontrolle nur das Vorliegen von Sitzgelegenheiten und TV-Bildschirmen festgestellt habe, welche bloße Indizien für ein Wettbüro seien. Das maßgebliche Abgrenzungskriterium, die Vermittlung von Live-Wetten, habe die Antragsgegnerin hingegen nicht festgestellt.
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Zudem habe das streitgegenständliche Zwangsgeld nicht angedroht werden dürfen, da die vorausgegangenen Androhungen von Zwangsgeldern nicht nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG erfolglos geblieben seien. Vielmehr habe die Antragstellerin gerade den untersagten Betrieb eines Wettbüros eingestellt, sodass nicht von einer Erfolglosigkeit der vorangegangenen Zwangsgeldandrohungen ausgegangen werden könne.
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Abschließend sei die zur Erfüllung der Verpflichtung gesetzte Nachfrist unangemessen kurz, da der Antragstellerin zumindest genügend Zeit zum Umzug ihres Betriebs hätte eingeräumt werden müsse, was bei einer Frist von nur einem Monat nicht der Fall sei.
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Eine Klageerwiderung der Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren steht noch aus.
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Mit Schriftsatz vom 13. Juni 2022 beantragte die Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung der am 13.06.2022 vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhobenen Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 06.05.2022 - Az.: … anzuordnen.
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Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2022 beantragte die Antragsgegnerin sinngemäß, den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuweisen.
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Zur Begründung ihres Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung führt die Antragstellerin aus, dass die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen sei, da der streitgegenständliche Bescheid aufgrund summarischer Prüfung aller Voraussicht nach rechtswidrig sei und die Antragstellerin damit in ihren Rechten verletze. Im Übrigen wiederholt die Antragstellerin ihren Sachvortrag sowie die rechtlichen Ausführungen aus dem Hauptsacheverfahren.
18
Die Antragsgegnerin begründet ihren Antrag im einstweiligen Rechtsschutz damit, dass im Hinblick auf die Androhung des Zwangsgeldes das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege, was sich insbesondere aus der Rechtmäßigkeit der isolierten Zwangsgeldandrohung im streitgegenständlichen Bescheid vom 6. Mai 2022 ergebe. Einwendungen gegen den unanfechtbaren Grundbescheid seien nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG ausdrücklich ausgeschlossen. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch die Zwangsgeldandrohung selbst liege aber nicht vor. Die Antragstellerin habe eine, in einem bestandskräftigen Verwaltungsakt angeordnete, Pflicht nicht rechtzeitig erfüllt. Die sich in den Akten befindlichen Lichtbildaufnahmen zeigten, dass die Antragstellerin Livewetten anbiete. Der Auszug aus dem Gewerberegister bestätige die Nutzung der Räumlichkeiten als Wettbüro. Dies werde auch nachvollziehbar in der Sachverhaltsdarstellung des streitgegenständlichen Bescheids dargelegt.
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Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes sei nicht zu beanstanden, da dieses in der Lage sein müsse, den Pflichtigen zur Vornahme der Handlung, Duldung oder Unterlassung zu bewegen. Die in der Vergangenheit angedrohten Zwangsgelder in Höhe von 20.000,00 und 30.000,00 Euro hätten keine Wirkung gezeigt. Auch habe es die Antragstellerin selbst in der Hand gehabt, der Zahlungsverpflichtung durch die Einstellung der rechtswidrigen Nutzung zu entgehen.
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Aufgrund richterlichen Hinweises vom 29. Juli 2022 führte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 8. August 2022 ergänzend aus. Die Bauordnungsbehörde der Antragsgegnerin habe am 1. und 4. August 2022 Ortseinsichten durchgeführt. Hierbei sei festgestellt worden, dass in den streitgegenständlichen Räumlichkeiten zwei Reihen von Bildschirmen angebracht seien, von denen die obere Reihe aktuelle Wettquoten angezeigt habe. Auch Sitzgelegenheiten seien weiterhin vorhanden gewesen, sie wären lediglich an die Wand geschoben und mit einem rotweißen Flatterband umwickelt worden. Dem Schriftsatz vom 8. August 2022 waren Lichtbilder beigelegt, welche auf den 1. August 2022 datieren. Die Lichtbilder auf den Seiten 66 und 67 der Gerichtsakte zeigen zwei Reihen von Bildschirmen, wobei die obere Reihe Wettquoten darstellt, sowie zusammengeschobene Sitzgelegenheiten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegenden Behördenakten sowie auf die Gerichtsakten (auch AN 9 K 22.01490) verwiesen.
22
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
23
Antragsgegenstand ist der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2022.
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Hingegen ist davon auszugehen, dass die „Zwangsgeldfestsetzung als Fälligkeitsmitteilung“ vom 6. Mai 2022, welche der Antragstellerin von der Antragsgegnerin ebenfalls übersandt wurde, nicht Gegenstand von Hauptsache- und Eilverfahren sein soll. Der Antragstellervertreter beantragt in der Hauptsache lediglich die Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 2022 und im Eilverfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Anfechtungsklage. Auch in seinen Ausführungen stellt der Antragstellervertreter nur auf die vermeintlich rechtswidrige Zwangsgeldandrohung sowie auf die vermeintlich unzulässige Höhe des Zwangsgelds von 40.000,00 Euro ab. Bei der „Zwangsgeldfestsetzung als Fälligkeitsmitteilung“ handelt es sich aber gerade nicht um einen Verwaltungsakt, dessen Aufhebung mit einer Anfechtungsklage erreicht werden könnte. Es handelt sich vielmehr nur um den deklaratorischen Hinweis auf die kraft Gesetzes eingetretene Fälligkeit des vorangegangenen Zwangsgeldes in Höhe von 30.000,00 Euro.
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1. Der Antrag ist zulässig, § 80 Abs. 5 VwGO
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Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und Art. 21a Satz 1 VwZVG haben Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen.
27
Die Antragstellerin ist nach § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt, da sie als Adressatin des streitgegenständlichen Bescheides möglicherweise in ihren Rechten verletzt ist.
28
2. Der Antrag ist unbegründet.
29
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen.
30
Das Gericht trifft hierbei eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung hat das Verwaltungsgericht insbesondere zunächst die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Wird die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers, weil kein schutzwürdiges Interesse daran besteht, von dem Vollzug eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (Eyermann, VwGO § 80 Rn. 88, 90 ff.; VG München, B.v. 18.03.2021 - M 9 S 21.1324).
31
Gemessen an diesen Maßstäben fällt die gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessensabwägung zulasten der Antragstellerin aus, weil die Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 6. Mai 2022 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
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Die angefochtene Zwangsgeldandrohung erweist sich nämlich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
33
Verwaltungsakte können vollstreckt werden, wenn die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (letztere betreffen das jeweils gewählte Zwangsmittel) gegeben sind und keine Vollstreckungshindernisse vorliegen (VG München, B.v. 16.12.2021 - M 8 S 21.4615). Die vorliegende Zwangsgeldandrohung stützt sich hierbei rechtmäßigerweise auf Art. 37 Abs. 1, Art. 36, Art. 31 und Art. 19 VwZVG.
34
a) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
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(1) Bei der im Grundbescheid vom 29. Juni 2018 unter Ziffer 2 angeordneten Nutzungsuntersagung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, mit welchem die Klägerin zu einem Unterlassen - namentlich dem Unterlassen der rechtswidrigen Nutzung - angehalten werden soll (Art. 18 Abs. 1, Art. 19, Art. 29 Abs. 1 VwZVG).
36
(2) Diese im Grundbescheid angeordnete Nutzungsuntersagung kann nicht mehr mit einem förmlichen Rechtsbehelf angegriffen werden, da der Grundbescheid bestandskräftig geworden ist (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG). Über die Bestandskraft des Bescheides sind sich auch die Beteiligten einig.
37
Diesbezüglich kann auch der Vortrag des Antragstellervertreters nicht verfangen, die Antragsgegnerin habe das streitgegenständliche Zwangsgeld mit dem Grundbescheid vom 29. Juni 2018 verknüpft, sodass nunmehr auch der Grundbescheid angegriffen werden könne. Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Bescheid lediglich eine Nachfrist für die Erfüllung der damaligen Nutzungsuntersagung gesetzt und für den Fall der Nichteinhaltung der Frist ein Zwangsgeld angedroht. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Fristsetzung ist gerade eine gesetzliche Voraussetzung, welche Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG für die Androhung von Zwangsmitteln normiert. Was die vom Antragstellervertreter angeführte, vermeintliche Verknüpfung der streitgegenständlichen Frist mit dem Grundbescheid an dessen Bestandskraft ändern soll, ist dem Gericht nicht ersichtlich.
38
(3) Ob der Grundbescheid - hier die Nutzungsuntersagung vom 29. Juni 2018 - rechtmäßig ist, spielt im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich keine Rolle. Entscheidend ist allein, dass der der Vollstreckung zugrundeliegende Verwaltungsakt wirksam (Art. 43 BayVwVfG) und vollstreckbar ist (Art. 19 Abs. 1 VwZVG).
39
An der Wirksamkeit des Grundbescheids bestehen vorliegend keine Zweifel. Entgegen der Auffassung des Antragstellervertreters ist der Grundbescheid insbesondere nicht nichtig.
40
Nichtig ist ein Verwaltungsakt nach Art. 44 BayVwVfG unter anderem dann, wenn er unter einem besonders schweren Fehler leidet, welcher offensichtlich ist (Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG), oder wenn den Verwaltungsakt aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann (Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG).
41
Das Vorbringen des Antragstellervertreters zum vermeintlichen Unvermögen der Antragstellerin, Stellplätze auf ihrem in einer Fußgängerzone befindlichen Grundstück zu errichten, kann weder eine Nichtigkeit nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG, noch eine Nichtigkeit nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG begründen.
42
Es ist dem Gericht bereits nicht ersichtlich, wie eine öffentlich-rechtliche Anforderung, welche wohl auch Grund für die damals von der Antragsgegnerin angenommene materielle Baurechtswidrigkeit des Wettbüros war, zur Nichtigkeit der Nutzungsuntersagung im Grundbescheid führen soll. Die Baugenehmigung wurde im Grundbescheid seinerzeit aufgrund eines Verstoßes des geplanten Wettbüros gegen die einschlägige Sanierungssatzung der Antragsgegnerin versagt. Auch die Nutzungsuntersagung wurde im Grundbescheid auf diese bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit sowie auf die formelle Baurechtswidrigkeit der Nutzung gestützt.
43
Darüber hinaus leidet die Forderung zur Errichtung von Stellplätzen auch nicht an einem besonders schwerwiegenden, offensichtlichen Fehler, wie es Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG für eine Nichtigkeit erfordert. Die gesetzliche Stellplatzpflicht nach Art. 47 BayBO besteht namentlich auch für bauliche und andere Anlagen, die nicht unmittelbar an Verkehrsflächen, die uneingeschränkt befahrbar sind, liegen. Dies sind z. B. Wohnsowie Geschäfts- und Verwaltungsgebäude in Fußgängerzonen, die nur beschränkt, etwa für den Anlieger- und Lieferverkehr zu bestimmten Zeiten mit Kraftfahrzeugen befahrbar sind (VGH Mannheim, U.v. 27.04.1983 - 3 S 34/83). Das Gesetz stellt in Art. 47 Abs. 1 BayBO für die Stellplatzpflicht nur darauf ab, ob durch Anlagen oder ihre Nutzung ein Zu- und Abfahrtsverkehr zu erwarten ist, nicht aber darauf, ob dieser wegen der Widmung der öffentlichen Verkehrsfläche zur Fußgängerzone hier auch tatsächlich ausgeübt werden kann (BayVGH, U.v. 06.05.1974 - 322 I 73; Busse/Kraus/Würfel, BayBO Art. 47 Rn. 99 f.).
44
Der Forderung zur Errichtung von Stellplätzen kann vorliegend auch grundsätzlich nachgekommen werden. Die Forderung ist nicht aus tatsächlichen Gründen nicht ausführbar im Sinne des Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG, da Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 und 3 BayBO die Möglichkeit zur Herstellung der notwendigen Stellplätze in der Nähe des Baugrundstücks sowie die Möglichkeit zur Übernahme der Kosten für die Herstellung notwendiger Stellplätze durch Ablösungsvertrag vorsieht.
45
(4) Auch hat die Antragstellerin diese Pflicht zur Unterlassung der Nutzung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten als Wettbüro zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht erfüllt, Art. 19 Abs. 2 VwZVG.
46
Maßgeblicher Zeitpunkt ist hierbei allein, der Zeitpunkt der Zwangsgeldandrohung und Nachfristsetzung, d.h. der Erlass des streitgegenständlichen Bescheides am 6. Mai 2022. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Nutzungsuntersagung vonseiten der Antragstellerin nach Überzeugung des Gerichts nicht befolgt.
47
Nicht maßgeblich ist vorliegend hingegen der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung. Dieser wäre nur dann maßgeblich, wenn streitgegenständlich die Nutzungsuntersagung aus dem Grundbescheid wäre, da für Klagen gegen Nutzungsuntersagungen der Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung bzw. letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (OVG Münster, U.v. 19.12.1995 - 11 A 2734/93; Busse/Kraus/Decker, BayBO Art. 76 Rn. 294), was aufgrund der Hauptsacheakzessorietät des Eilverfahrens wohl auch für Entscheidungen nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen Nutzungsuntersagungen gilt (Schoch/Schneider, VwGO § 80 Rn. 414, 416 u. 418; Eyermann/Hoppe, VwGO § 80 Rn. 106). Streitgegenständlich ist vorliegend aber gerade nicht die Nutzungsuntersagung im Grundbescheid, sondern die Zwangsgeldandrohung, für welche auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung abzustellen ist (so zutreffend auch OVG Münster, B.v. 24.01.2020 - 19 B 1361/19; VG München, B. v. 18.03.2021 - M 9 S 21.1324). Dies gilt auch deshalb, weil etwaige Änderungen der Sach- und Rechtslage, welche den zu vollstreckenden Anspruch selbst betreffen, in isolierten Vollstreckungsverfahren, wie dem vorliegenden, nicht mehr gehört werden sollen (vgl. ausführlich hierzu BayVGH, B.v. 19.02.2021 - 1 ZB 20.2691).
48
Zwar trug der Antragstellervertreter im Schriftsatz vom 13. Juni 2022 allgemein vor, dass die Antragstellerin die streitgegenständlichen Räumlichkeiten nicht mehr als Wettbüro nutze. Angaben dazu, seit wann diese Nutzung nicht mehr bestehe, machte der Antragstellervertreter allerdings nicht. Auch aus dem ergänzenden Vortrag des Antragstellervertreters vom 13. Juli 2022 ergibt sich nichts Anderes. Hier wurde zwar vorgetragen, wie die Nutzung als Wettbüro aufgegeben worden sein soll, namentlich durch das Herausnehmen der Bildschirme sowie Sitzgelegenheiten aus den streitgegenständlichen Räumlichkeiten. Aussagen dazu, ab wann diese vermeintliche Änderung der Nutzung erfolgt sei, geschweige denn, dass die Änderung der Nutzung bereits am maßgeblichen 6. Mai 2022 bestanden habe, bleibt der Antragstellervertreter aber schuldig.
49
Es bestehen für das Gericht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt vom 6. Mai 2022 die untersagte Nutzung eines Wettbüros durch die Antragstellerin nicht (mehr) ausgeübt wurde. Das Gegenteil ist nach Überzeugung des Gerichts vielmehr der Fall. Aufgrund der Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 8. August 2022 wird der Vortrag der Antragstellerin, sie habe die untersagte Nutzung eines Wettbüros zwischenzeitlich aufgegeben, in Gänze als unglaubhaft bewertet. Die Antragsgegnerin hat aufgrund des gerichtlichen Hinweises vom 29. Juli 2022 am 1. sowie am 4. August 2022 Baukontrollen durchgeführt. Hierbei sei festgestellt worden, dass in den streitgegenständlichen Räumlichkeiten zwei Reihen von Bildschirmen angebracht worden seien, von denen die obere Reihe aktuelle Wettquoten angezeigt habe. Auch Sitzgelegenheiten seien weiterhin vorhanden gewesen, sie wären lediglich an die Wand geschoben und mit einem rotweißen Flatterband umwickelt gewesen. Nach den zutreffenden Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist das Vorhandensein von Sitzgelegenheiten allerdings zwar ein Indiz, aber keine unabdingbare Voraussetzung für die Bejahung eines Wettbüros. Dass es an Sitzgelegenheiten fehlt, hindert nicht die Annahme eines Wettbüros (BayVGH, B.v. 21.05.2015 - 15 CS 15.9).
50
Das Gericht ist von diesen Ausführungen der Antragsgegnerin überzeugt. Die Ausführungen sind detailreich und durch Lichtbilder belegt. Die Lichtbilder auf den Seiten 66 und 67 der Gerichtsakte datieren auf den 1. August 2022 und zeigen zwei Reihen von Bildschirmen sowie die zusammengeschobenen Sitzgelegenheiten. Daher musste auch der Bitte des Antragstellervertreters um einen gerichtlichen Hinweis sowie um einen Augenschein zum Nachweis dafür, dass die Nutzung als Wettbüro vorliegend eingestellt wurde, nicht nachgegangen werden. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der hohen Missbrauchsgefahr und dem damit einhergehenden geringen Beweiswert, welcher im Rahmen eines solchen Nachweises bestehen würde. Für Lichtbilder der Antragstellerin oder einen gerichtlichen Augenschein könnten Bildschirme und Sitzgelegenheiten namentlich für nur wenige Stunden entfernt und sodann wieder in die streitgegenständlichen Räumlichkeiten zurückgestellt werden.
51
(5) Auch die Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG sind - entgegen der Auffassung des Antragstellervertreters - gewahrt.
52
Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Jedoch ist erst dann, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels (hier die vormaligen Androhungen der Zwangsgelder im Grundbescheid vom 29. Juni 2018 sowie im Bescheid vom 8. April 2019) erfolglos geblieben ist, die Androhung eines weiteren Zwangsgelds zulässig, Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG.
53
Dies bedeutet aber nicht, dass ein weiteres Zwangsgeld erst dann angedroht werden darf, wenn das vorher festgesetzte Zwangsgeld bezahlt bzw. beigetrieben oder ein Beitreibungsversuch gemacht worden ist. Die Zwangsvollstreckungsbehörde muss vielmehr nur abwarten, dass das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Androhung ohne Erfolg geblieben ist (BayVGH, B.v. 29.07.2002 - 20 ZB 02.1265; VG München, B.v. 16.12.2021 - M 8 S 21.4615).
54
Anhaltspunkte dafür, dass die mit den bisherigen Bescheiden angedrohten Zwangsgeldern nicht fällig geworden sind, sind dem Gericht bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich. Insbesondere kann es nicht überzeugen, wenn der Antragstellervertreter meint, die vorangegangenen Zwangsgelder seien erfolgreich gewesen, da die Nutzung des Wettbüros zwischenzeitlich zu einer bloßen Wettannahmestelle umgestellt wurde. Denn das Gegenteil ist nach Überzeugung des Gerichts der Fall; die streitgegenständlichen Räumlichkeiten werden ausweislich der Lichtbilder vom 1. August 2022 weiterhin als Wettbüro genutzt.
55
b) Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen für die erneute Androhung eines Zwangsgeldes liegen vor.
56
Insbesondere sind entgegen der Auffassung des Antragstellervertreters weder die Höhe des Zwangsgeldes noch die der Antragstellerin gesetzte Frist zu beanstanden.
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(1) Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens 15,00 EUR und höchstens 50.000,00 EUR. Reicht das gesetzliche Höchstmaß nicht aus, so kann es überschritten werden (Art. 31 Abs. 2 Satz 3 VwZVG). Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG soll das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen, wobei nach Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist.
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Angesichts des legitimen Ziels der Antragsgegnerin, die Antragstellerin zur Einhaltung des materiellen Baurechts, insbesondere der Anordnung im Grundbescheid vom 29. Juni 2018 anzuhalten und baurechtswidrige Nutzungen in ihrem Stadtgebiet zu verhindern, ist das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 40.000,00 EUR nicht zu beanstanden. Hierfür spricht, dass bisherige Androhungen von Zwangsgeldern in Höhe von 20.000,00 EUR und 30.000,00 EUR keine Wirkung gezeigt haben, da die Antragstellerin die Nutzung des Wettbüros nach Überzeugung des Gerichts bis heute nicht aufgegeben hat.
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Auch die Einwände des Antragstellervertreters, die Höhe des Zwangsgelds hätte die COVID-19-Beschränkungen für die Antragstellerin nicht berücksichtigt und würde deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit übersteigen, konnten das Gericht nicht vom Gegenteil überzeugen.
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Um den nötigen Nachdruck zu erzielen, soll das Zwangsgeld so bemessen werden, dass der Pflichtige keinen Vorteil aus der Nichterfüllung der Anordnung ziehen kann. Hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalles und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigen sind (BayVGH, U.v. 16.09.2010 - 1 CS 10.1803; VG München, B.v. 05.05.2014 - M 18 S 14.1867). Unter Berücksichtigung dieses weiten Entscheidungsspielraums erscheint das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 40.000,00 EUR nach summarischer Prüfung nicht als unangemessen. Hierbei ist auch maßgeblich, dass - wie die Antragsgegnerseite zu Recht anführt - die Zwangsgeldandrohung nicht in jedem Fall in eine Zahlungsverpflichtung umschlägt, sondern nur dann, wenn der Pflichtige der jeweiligen Anordnung nicht nachkommt. Ob es tatsächlich zu einer Zahlungspflicht kommt, hängt daher maßgeblich vom selbstbestimmten Verhalten des Pflichtigen ab (so auch VG München, U.v. 11.05.2015 - 8 K 14.50).
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Auch das vom Antragstellervertreter angeführte Bestehen eines Ermittlungsdefizits hinsichtlich der vom ehemaligen Vertreter der Antragstellerin am 4. November 2021 vorgetragenen fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Antragstellerin wird vor dem Hintergrund der Beugefunktion des Zwangsgeldes sowie der bisherigen erfolglosen Vollstreckungsversuche vom Gericht nicht geteilt. Die Antragstellerin ist auch nicht verpflichtet die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes detailliert zu begründen, geschweige denn in der Begründung auf jeglichen nur denkbaren Umstand einzugehen (BayVGH, U.v. 16.09.2010 - 1 CS 10.1803; VG München, B.v. 05.05.2014 - M 18 S 14.1867).
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(2) Auch die unter Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides vom 6. Mai 2022 gesetzte Frist von einem Monat ab Zustellung des Bescheides erscheint dem Gericht - insbesondere angesichts des seit dem Erlass des Grundbescheids im Jahr 2018 verstrichenen Zeitraums - nach summarischer Prüfung als angemessen (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).
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Insbesondere kann es nicht überzeugen, wenn der Antragstellervertreter meint, die der Antragstellerin gesetzte Frist müsse zumindest für einen Umzug ihres Betriebs genügen, was bei der vorliegenden Frist von einem Monat nicht der Fall sei. Der Antragstellervertreter verweist zu Unrecht auf das Urteil der Kammer vom 20. April 2020 (VG Ansbach, U.v. 20.04.2020 - AN 9 K 19.00476), da die dortigen Ausführungen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sind. Im dortigen Verfahren war - anders als im vorliegenden - nicht die Nutzungsuntersagung für einen Betrieb, sondern für eine Wohnung streitgegenständlich. Die beiden Fälle sind bereits deshalb nicht vergleichbar, da es sich bei einer Wohnung um den persönlichen Rückzugsort des Pflichtigen (und ggf. seiner Familie) handelt und daher die Nutzungsuntersagung für eine Wohnung den Pflichtigen regelmäßig mit besonderer (nicht nur rein wirtschaftlicher) Härte treffen wird.
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(3) Die Zwangsgeldandrohung wurde auch entsprechend Art. 36 Abs. 7 Satz 1 und 2 VwZVG zugestellt. Hierfür spricht das Anschriftenfeld im streitgegenständlichen Bescheid, welches mit „Zustellungsurkunde“ überschrieben ist. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Zustellung sind dem Gericht nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich.
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c) Auch Ermessensfehler sind dem Gericht - nach summarischer Prüfung - bei der Androhung des Zwangsgeldes nicht ersichtlich.
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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde, § 114 Satz 1 VwGO, Art. 40 BayVwVfG. Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Bescheid erkannt, dass es sich bei den Vorschriften der Verwaltungsvollstreckung um Ermessensvorschriften handelt (vgl. nur den Wortlaut des Art. 29 Abs. 1 VwZVG). Hierfür sprechen die Formulierungen auf Seite 3 des streitgegenständlichen Bescheides „danach ist die Durchsetzung eines Verwaltungsaktes mittels Zwangsgeld möglich…“ sowie „das angedrohte Zwangsmittel steht in angemessenem Verhältnis zu seinem Zweck“.
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Hierbei kann auch die Argumentation des Antragstellervertreters nicht überzeugen, die Antragsgegnerin habe bei Erlass des Bescheides den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, da der Bescheid nur auf die Ortseinsicht vom 8. Februar 2022 gestützt worden sei und die Räumlichkeiten zwischenzeitlich nicht mehr als Wettbüro genutzt würden. Denn nach Überzeugung des Gerichts nutzte die Antragstellerin die streitgegenständlichen Räumlichkeiten zum maßgeblichen Zeitpunkt am 6. Mai 2022 als Wettbüro. Überzeugende Anhaltspunkte bestehen für die gegenteilige Auffassung nach dem zuvor Gesagten nicht.
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3. Der Antrag war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Kammer in Anlehnung an Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von einem Streitwert in Höhe von 20.000,00 EUR ausgegangen ist, der für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wurde (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).