Inhalt

SG Würzburg, Beschluss v. 12.01.2022 – S 13 SF 106/21 E
Titel:

Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit bei Synergieefeekten

Normenketten:
RVG § 14
RVGVV Nr. 3102
Leitsätze:
1. Der Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit ist aufgrund des Synergieeffektes als unterdurchschnittlich zu bewerten, wenn der Wortlaut eines an sich umfangreichen Schriftsatzes mit Ausnahme der persönlichen Daten der Aktivpartei und der jeweiligen Verlaufshistorie sowie minimalen Änderungen im Begründungsteil identisch ist mit einer Vielzahl von weiteren Antragsschriftsätzen in weiteren anhängigen Verfahren. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit wird vom Synergieeffekt beeinflusst. Das Fertigen eines standardisierten, aus Textbausteinen bestehenden Schriftsatzes, der lediglich um die persönlichen Daten etc. geändert wurde, ist nicht als sonderlich problembehaftet einzuschätzen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Festsetzung, Verfahrensgebühr, Schriftsätze, Textbausteine, Synergieeefekt, Umfang, Schwierigkeit, Bedeutung, Einstweiliger Rechtsschutz
Rechtsmittelinstanz:
LSG München, Beschluss vom 22.07.2022 – L 12 SF 39/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21854

Tenor

I. Auf die Erinnerung vom 03.12.2021 wird die Kostenfeststellung vom 03.02.2021 in der Angelegenheit S 18 AY 148/20 ER dahingehend ab-geändert, dass die aus der Staatskasse zu zahlende PKH-Vergütung des Erinnerungsgegners auf insgesamt 512,72 Euro festgesetzt wird.
II. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Der Erinnerungsgegner vertrat den Antragsteller in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Würzburg; streitig waren vorläufige Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 entsprechend des Asylbewerberleistungsgesetzes für den Zeitraum vom 01.11.2020 bis 30.04.2021. Der Erinnerungsgegner fertigte einem im Ergebnis knapp 14-seitigen Schriftsatz unter dem 27.10.2020; mit Ausnahme von Änderungen der persönlichen Daten der Antragstellers und der jeweiligen Verfahrenshistorie sowie minimalen Änderungen bzw. Ergänzungen in den Textbausteinen war dieser Schriftsatz identisch mit Antragsschriftsätzen in einer Vielzahl von Fällen, die beim Sozialgericht Würzburg anhängig waren (vgl. S 9 AY 115/21 ER, S 9 AY 147/20 ER, S 12 AY 33/20 ER, S 12 AY 41/20 ER, S 12 AY 44/20 ER, S 12 AY 142/20 ER, S 12 AY 143/20 ER, S 18 AY 28/20 ER, S 18 AY 148/20 ER sowie S 18 AY 158/20 ER). Mit Beschluss vom 10.11.2020 wurde der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sowie der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt. Im Beschwerdeverfahren bezüglich der PKH-Ablehnung wurde mit Beschluss des BayLSG für das erstinstanzliche Verfahren PKH dem Antragsteller bewilligt und der Erinnerungsgegner beigeordnet; das Beschwerdeverfahren bezüglich der „Hauptsache“ endete durch Rücknahme der Beschwerde.
2
Mit Schreiben vom 28.12.2020 beantragte der Antragsgegner die Festsetzung seiner Gebühren aus der PKH; in diesem Zusammenhang wurde eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 300,00 Euro beantragt, eine Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro, eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3204 VV RVG in Höhe von 370,00 Euro, eine erneute Gebührenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro sowie eine sich daraus ergebende Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 113,60 Euro. Mit Schreiben vom 03.02.2021 wurde die PKH-Vergütung des Erinnerungsgegners antragsgemäß festgestellt.
3
Mit Schreiben vom 03.12.2021 wurde dagegen Erinnerung eingelegt; begründet wurde diese im Wesentlichen damit, dass aufgrund vorhandener Synergieeffekte ein Abschlag von 40% auf die Mittelgebühr angemessen sei.
II.
4
Die zulässige Erinnerung ist begründet.
5
Hinsichtlich der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG ergibt sich unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG, dass generell wegen des Streitstandes des hiesigen Verfahrens im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) von einer überdurchschnittlichen Bedeutung für die Antragstellerin ausgegangen werden könnte; allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend nur um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gehandelt hat, in dem generell nur vorläufige und gerade keine abschließenden Regelungen von Gesetzes wegen getroffen werden können. Insofern ist nach Auffassung der Kammer von einer durchschnittlichen Bedeutung des Verfahrens für den Mandanten des Erinnerungsführers auszugehen.
6
Aufgrund der Bewilligung von PKH und des Bezugs von Leistungen nach dem AsylbLG ergibt sich, dass die Einkommens- und Vermögenssituation des Antragstellers als erheblich unterdurchschnittlich einzuschätzen ist.
7
Hinsichtlich des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit des Erinnerungsführers ist auszuführen, dass diese durch die Kammer als unterdurchschnittlich eingeschätzt wird. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Umstand, dass der Erinnerungsgegner einen knapp 14-seitigen Schriftsatz unter dem 27.10.2020 als Antragsschriftsatz übersandte, sondern vielmehr daraus, dass der Wortlaut dieses Schriftsatzes mit Ausnahme der persönlichen Daten des Antragstellers und der jeweiligen Verlaufshistorie sowie minimalen Änderungen im Begründungsteil identisch ist mit einer Vielzahl von weiteren Antragsschriftsätzen in weiteren anhängigen Verfahren. Der Erinnerungsführer weist somit zu Recht auf die Rechtsprechung des BSG sowie der Landessozialgerichte bezüglich vorhandener Synergieeffekte hin. Diese Effekte sind vorliegend - wie eben beschrieben - sehr ausgeprägt. Aber auch sonst liegt der Umfang der Tätigkeit des Erinnerungsgegners im vorliegenden Verfahren unter dem Umfang, der bei sonstigen Verfahrens vor dem Sozialgericht Würzburg anfällt. So mussten keine Befundberichte gesichtet und insbesondere keine umfangreichen Gutachten geprüft werden. Auch ist aufgrund der sehr kurzen Verfahrensdauer gerade keine wiederholte Einarbeitung über einen längeren Zeitraum hinweg für den Erinnerungsgegner notwendig gewesen, was ebenfalls zu einer Reduzierung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit gehört.
8
Hinsichtlich der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit des Erinnerungsgegners ist auszuführen, dass das Eilverfahren aufgrund seines Streitgegenstandes keine größeren rechtlichen Probleme beinhaltete. Hinzu kommt die Tatsache, dass es bei Verfahren nach dem einstweiligen Rechtsschutz nur der Glaubhaftmachung von Tatsachen bedarf, der Erinnerungsgegner muss somit gerade keine volle Überzeugung des Gerichts von Tatsachen erwirken. Insofern ist der Anforderungsmaßstab an die anwaltliche Tätigkeit diesbezüglich eingeschränkt. Darüber hinaus ist auch im Bereich der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit der oben bereits angeführte Synergieeffekt anzuführen; so ist das Fertigen eines standardisierten, aus Textbausteinen bestehenden Schriftsatzes, der lediglich um die persönlichen Daten etc. geändert wurde, als nicht sonderlich problembehaftet einzuschätzen. Insgesamt kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass auch das Kriterium der anwaltlichen Tätigkeit als unterdurchschnittlich einzuschätzen ist.
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Somit liegen hinsichtlich der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG ein durchschnittliches, zwei unterdurchschnittliche sowie ein erheblich unterdurchschnittliches Kriterium im Sinne des § 14 Abs. 1 RVG vor; insgesamt erscheint somit - wie vom Erinnerungsführer angeregt - ein 40%iger Abzug von der Mittelgebühr als angemessen; gleiches gilt für die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3204 VV RVG, wobei anzuführen ist, dass der Beschwerdeschriftsatz gleichlautend mit dem Antragsschriftsatz ist, weshalb sich das Gericht in seiner Auffassung bestätigt sieht, in den vorliegenden Fällen dem Synergieeffekt eine erhebliche Bedeutung beizumessen.
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Daraus ergibt sich vorliegend eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 180,00 Euro sowie eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3204 VV RVG in Höhe von 222,00 Euro, für beide Instanzen jeweils die Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro und sich insgesamt eine daraus ergebende Umsatzsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 70,72 Euro, mithin insgesamt 512,72 Euro.
11
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.