Inhalt

VG München, Urteil v. 07.02.2022 – M 5 K 20.6522
Titel:

Rechtmäßigkeit einer dienstliche Beurteilung

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1, Abs. 5
LlbG Art. 54
Leitsätze:
1. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt dahingehend überprüfbar sind, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr BVerwG BeckRS 1965, 30435646). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (stRspr BVerwG BeckRS 1980, 30707085). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zu Recht wird über die Gruppe der zu beurteilenden Beamten der Fachlaufbahn "Verwaltung", Besoldungsgruppe A 14 keine Quote gelegt, wenn die Vergleichsgruppe mit neun Beamten zu klein für die Anwendung einer Quotenvorgabe ist (ebenso VGH München BeckRS 2016, 40034). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Beurteiler, der die dienstlichen Leistungen der zu beurteilenden Beamtin nicht aufgrund eigener dienstlicher Kontakte einschätzen kann, die entsprechenden Kenntnisse durch schriftliche oder mündliche Beurteilungsbeiträge von Personen verschafft, die die Dienstausübung der zu beurteilenden Beamtin aus unmittelbarer eigener Anschauung kennen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
5. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der an der Beurteilung beteiligte unmittelbare Vorgesetzter in derselben Besoldungsgruppe wie die zu beurteilende Beamtin steht, wenn beide unterschiedlichen Fachlaufbahnen und damit Vergleichsgruppen zugehören (Vorgesetzter: Fachlaufbahn "Polizeivollzugsdienst", Beamtin: Fachlaufbahn "Verwaltung") und damit nicht in einer möglichen Beförderungskonkurrenz zueinander stehen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dienstliche Beurteilung, Reihung, Beurteilungsspielraum, Rangniedrigerer unmittelbarer Vorgesetzter, dienstliche Beurteilung, rangniedrigerer unmittelbarer Vorgesetzter, Beförderungskonkurrenz, Fachlaufbahn, Vergleichsgruppe, Anwendung einer Quotenvorgabe
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21476

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der 1980 geborene Klägerin steht als Beamtin (Besoldungsgruppe A 14) in Diensten des Beklagten. Sie war im Beurteilungszeitraum als Sachbearbeiterin der vierten Qualifikationsebene im Bayerischen Landeskriminalamt tätig.
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In einer periodischen dienstlichen Beurteilung vom … Juli 2019 für den Beurteilungszeitraum vom ... Juni 2016 bis … Mai 2019 erhielt die Klägerin ein Gesamturteil von 11 Punkten. Nach erfolglosem Widerspruch erhob sie hiergegen Klage. Während dieses Klageverfahrens (M 5 K 20.2047) hob das Landeskriminalamt mit Schriftsatz vom … August 2020 die Beurteilung vom … Juli 2019 sowie den Widerspruchsbescheid auf. Die als Fortsetzungsfeststellungklage fortgeführte Klage wurde mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom … Januar 2021 abgewiesen.
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Der Klägerin wurde am … September 2020 eine neue dienstliche Beurteilung für den Beurteilungszeitraum vom … Juni 2016 bis … Mai 2019 erteilt. Diese lautete wiederum auf ein Gesamtergebnis von 11 Punkten.
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Mit Schriftsatz vom 30. November 2020, eingegangen bei Gericht am 11. Dezember 2020, hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt,
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die neuerliche dienstliche Beurteilung der Klägerin, dieser übergeben am … Oktober 2020, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue (fehlerfreie) Beurteilung zu erteilen.
6
Die Beurteilung stelle eine unerklärliche Verschlechterung dar. Die Beurteilung weiche auch ohne Begründung von Beurteilungsbeiträgen ab. Die Verwendung des Beurteilungsbeitrags des LKD S. erschließe sich nicht. Die Unabhängigkeit des KR W. sei nicht gegeben, was sich nicht zuletzt durch die erneute Beteiligung der mit dem Vorwurf der Befangenheit belasteten Vizepräsidentin S. ergebe. Die Beurteilung hätte auch nicht vor Abschluss des Verfahrens M 5 K 20.2047 erfolgen dürfen. Der KR W. habe keine eigenen Eindrücke von der dienstlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin gehabt. Er habe deshalb die erste rechtswidrige Beurteilung übernommen. Die erste Beurteilung sei quasi kopiert und mit der Vizepräsidentin S. besprochen worden. Vizepräsidentin S. hätte die Klägerin aber nicht beurteilen dürfen. Polizeivizepräsidentin S. habe insbesondere dem LKD S. das Gesamtergebnis vorgegeben und dieser habe lediglich eine Gewichtung innerhalb dieser Vorgabe vornehmen dürfen. Bei der Erstellung der Reihung sei die Klägerin offensichtlich nicht vergleichbar gewesen, u.a. in Ermangelung vergleichbarer Beamten und/oder in Ermangelung von Kenntnis über alle Leistungen der einzelnen Beamten der Vergleichsgruppe.
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Das Landeskriminalamt hat für den Beklagten beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die aufgehobene dienstliche Beurteilung sei lediglich darin fehlerhaft gewesen, dass übersehen worden sei, dass der an sich rangniedrigere unmittelbare Vorgesetzte einer anderen Fachlaufbahn als die Klägerin angehörte und daher nicht gehindert war, formal als unmittelbarer Vorgesetzter bei der Beurteilung zu fungieren. Die notwendigen Beurteilungsbeiträge seien von LKD S. und KD B. durch KR W. eingeholt worden. Vizepräsidentin S. sei ebenfalls als Zwischenvorgesetzte beteiligt gewesen. Sie sei gegenüber der Klägerin nicht voreingenommen. Insbesondere Willkür oder sachfremde Erwägungen seien hinsichtlich der Verschlechterung im Gesamtprädikat gegenüber der vorangegangenen Beurteilung nicht ersichtlich. Vielmehr sei die Beamtin im Beurteilungszeitraum befördert worden, womit ihre Leistungen mit einer anderen Vergleichsgruppe zu vergleichen gewesen seien. Die Erarbeitung der dienstlichen Beurteilungen bei der Bayerischen Polizei durch Erstellung einer Reihung „von unten nach oben“ und eine danach in den Einzelmerkmalen folgende Ausformung sei von der Rechtsprechung nicht beanstandet worden. Insbesondere sei rechtlich nicht zu bemängeln, dass KR W. keine eigenen Eindrücke von der Leistung der Klägerin habe einbringen können.
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Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 16. November 2021 Beweis erhoben zum Zustandekommen der dienstlichen Beurteilung vom … September 2020 für die Klägerin durch Einvernahme von PP P. und KOR W. sowie in der mündlichen Verhandlung vom 7. Februar 2002 durch Einvernahme von VPin a.D. S. als Zeugen.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie insbesondere für das Ergebnis der Beweisaufnahme auf die Niederschriften vom 16. November 2020 und 7. Februar 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung ihrer periodischen Beurteilung vom … September 2020 für den Beurteilungszeitraum … Juni 2016 bis … Mai 2019 und Erstellung einer neuen periodischen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die streitgegenständliche Beurteilung ist rechtlich nicht zu beanstanden und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO analog, da einer dienstlichen Beurteilung keine Verwaltungsaktsqualität zukommt).
14
1. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (BVerwG, U.v. 13.5.1965 - II C 146.62 - BVerwGE 21, 127/129; U.v. 26.6.1980 - II C 8/78 - BVerwGE 60, 245 ständige Rechtsprechung). Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherren vorbehaltenden Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 11.1.1999 - 2 A 6/98 - ZBR 2000, 269). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U.v. 26.6.1980, a.a.O.). Innerhalb des durch die Art. 54 ff. des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaubahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz - LlbG) vom 5. August 2010 (GVBl S. 410) gezogenen Rahmens unterliegt es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene, für zukünftige Personalentscheidungen verwertbare Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im einzelnen sein Gesamturteil stützen will (BVerwG, U.v. 17.12.1981 - 2 C 69/81 - BayVBl 1982, 348). Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen (BVerwG, U.v. vom 16.10.1967 - VI C 44.64 - Buchholz 232, § 15 BBG Nr. 1; U.v. 26.6.1980, a.a.O.). Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung der Beamtin für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke beschränken. Schließlich kann er die aufgezeigten verschiedenen Möglichkeiten, über die Eignung und Leistung der Beamtin ein aussagekräftiges, auch für Dritte verständliches Urteil abzugeben, in abgestufter Form miteinander verwenden bzw. miteinander verbinden. Alle diese Gestaltungsformen einer dienstlichen Beurteilung halten sich in dem von den Laufbahnvorschriften vorgezeichneten rechtlichen Rahmen (vgl. BayVGH, U.v. 23.5.1990 - 3 B 89.02832 m.w.N.; vgl. zum Ganzen auch: VG München, U.v. 7.12.1999 - M 5 K 99.2303).
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Zugrunde zu legen sind vorliegend die Art. 54 ff. des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz/LlbG), die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13. Juli 2009, VV-BeamtR, FMBl. S. 190, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung - materielle Beurteilungsrichtlinien), in der Fassung der Änderung durch Bekanntmachung vom 19. Oktober 2017 (FMBl S. 510), sowie die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung, Leistungsfeststellungen nach Art. 30 und 66 des Bayerischen Besoldungsgesetzes/BayBesG - i.V.m. Art. 62 LlbG für die Beamtinnen und Beamten der Bayerischen Polizei und des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 12. Dezember 2017 (Beurteilungsbekanntmachung Polizei und Verfassungsschutz, AllMBl 2018, S. 3). Maßgebend ist, welches Beurteilungssystem und welche Regelungen zum Beurteilungsstichtag (hier: 31.5.2019) gegolten haben (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2000 - 2 C 7/99 - NVwZ-RR 2000, 621 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 14.2.1990 - 1 WB 181/88 - BVerwGE 86, 240).
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angegriffene dienstliche Beurteilung vom … September 2020 rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Es ist rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass die dienstliche Beurteilung vom … Juli 2019 für den Beurteilungszeitraum … Juni 2016 bis … Mai 2019 mit Schriftsatz vom … August 2020 aufgehoben und die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung für den selben Beurteilungszeitraum am … September 2020 vom Beurteiler erstellt und der Klägerin am ... Oktober 2020 eröffnet wurde. Durch diese Abfolge ist klargestellt, dass die Beurteilung vom … Juli 2019 gegenstandslos ist und eine neue dienstliche Beurteilung erstellt wurde, die allein maßgeblich für die Bewertung der dienstlichen Leistungen der Klägerin ist. Ein Abschluss des Klageverfahrens gegen die aufgehobene dienstliche Beurteilung nicht erforderlich, um die Klägerin erneut zu beurteilen und klarzustellen, dass diese Beurteilung allein maßgeblich sein soll.
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b) Auch im vorliegenden Fall wurde die Beurteilung wie bei der Bayerischen Polizei üblich „von unten nach oben“ entwickelt. So wurde eine Reihung auf Fachbereichsebene und danach auf Dienststellenebene gebildet. Ausgehend vom Reihungsergebnis wird die mit den Einzelmerkmalen bewertete dienstliche Beurteilung vom unmittelbaren Vorgesetzten als Entwurf erstellt und dem Beurteiler vorgelegt. Diese Vorgehensweise ist rechtlich nicht zu beanstanden (BayVGH, U.v. 17.12.2015 - 3 BV 13.773 - RiA 2016, 280, juris Rn. 17 ff; U.v. 7.5.2014 - 3 BV 12.2594 - RiA 2014, 277, juris Rn. 55; B.v. 27.7.2012 - 3 ZB 10.2053 - juris Rn. 4 ff. m.w.N.). Im vorliegenden Fall wurde zu Recht über die Gruppe der zu beurteilenden Beamten der Fachlaufbahn „Verwaltung“, Besoldungsgruppe A 14 keine Quote gelegt, da die Vergleichsgruppe mit neun Beamten zu klein für die Anwendung einer Quotenvorgabe war (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.2015 - 3 BV 13.773 - RiA 2016, 280, juris Rn. 19 ff.).
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c) Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass der im Zeitpunkt der Erstellung der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung zuständige Beurteiler, der Zeuge Polizeipräsident P., diese erstellt und letztlich verantwortet hat (vgl. nur BayVGH, B.v. 22.4.2013 - 3 ZB 11.1531 - juris Rn. 3).
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Der Beurteiler muss sich die erforderliche Kenntnis zur Bewertung von Eignung, Befähigung und fachlichen Leistungen durch Informationen solcher Beschäftigten des Dienstherrn verschaffen, die die dienstlichen Leistungen unmittelbar beurteilen können, wenn er die dienstlichen Leistungen der Beamtin nicht aus eigener Anschauung kennt (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerwG, U.v. 27.11.2014 - 2 A 10.13 - BVerwGE 150, 359, juris Rn. 22; U.v. 1.3.2018 - 2 A 10.17 - BVerwGE 161, 240, juris Rn. 22; U.v. 17.9.2020 - 2 C 2.20 - BVerwGE 169, 254, juris Rn. 37). Hierfür kommen vorrangig schriftliche oder mündliche Beurteilungsbeiträge von Personen in Betracht, die die Dienstausübung der zu beurteilenden Beamtin aus unmittelbarer eigener Anschauung kennen. Sie müssen in Umfang und Tiefe so beschaffen sein, dass sie die Erstellung der dienstlichen Beurteilung in der erforderlichen Differenzierung ermöglichen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2017 - 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366, juris Rn. 21; U.v. 17.9.2020 - 2 C 2.20 - BVerwGE 169, 254, juris Rn. 37).
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Der Beurteiler ist einerseits an die Feststellungen und Bewertungen Dritter nicht in der Weise gebunden, dass er sie in seine Beurteilung „fortschreibend“ übernehmen muss (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2014 - 2 A 10.13 - BVerwGE 150, 359, juris Rn. 24; U.v. 2.3.2017 - 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366, juris Rn. 23). Es ist andererseits aber auch nicht in das Ermessen des Beurteilers gestellt, ob und wie er einen Beurteilungsbeitrag berücksichtigt. Erst auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung, die auch die durch den Beurteilungsbeitrag vermittelten Erkenntnisse einzubeziehen hat, trifft der Beurteiler seine Bewertungen in eigener Verantwortung (BVerwG, U.v. 5.11.1998 - 2 A 3.97 - BVerwGE 107, 360, juris Rn. 14 ff.). Der Beurteiler kann etwa die tatsächliche Entwicklung - insbesondere bestimmte Vorkommnisse - außerhalb des Zeitraums des Beurteilungsbeitrags besonders gewichten oder zu einer abweichenden Bewertung gelangen (BVerwG, U.v. 5.11.1998 - 2 A 3.97 - BVerwGE 107, 360, juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 27.8.2015 - 6 B 649/15 - NVwZ 2016, 332, juris Rn. 9). Er übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann rechtmäßig aus, wenn er die Beurteilungsbeiträge in seine Überlegungen einbezieht und Abweichungen nachvollziehbar begründet (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2017 - 2 C 21.16 - BVerwGE 157, 366, juris Rn. 23; U.v. 1.3.2018 - 2 A 10.17 - BVerwGE 161, 240, juris Rn. 33; zum Ganzen jüngst auch: BVerwG, U.v. 9.9.2021 - 2 A 3/20 - IÖD 2022, 14, juris Rn. 32 f.).
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Der Beurteiler, der Zeuge P., hat die Beurteilungsbeiträge, die ihm im Gespräch mit der Vizepräsidentin, der Zeugin S., vermittelt wurden, bei seiner Beurteilung berücksichtigt. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Beurteiler, der die dienstlichen Leistungen der zu beurteilenden Beamtin nicht aufgrund eigener dienstlicher Kontakte einschätzen kann, die entsprechenden Kenntnisse durch schriftliche oder mündliche Beurteilungsbeiträge von Personen verschafft, die die Dienstausübung der zu beurteilenden Beamtin aus unmittelbarer eigener Anschauung kennen. Es ist rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Kenntnisverschaffung in erster Linie durch die Vizepräsidentin S. mündlich an den Beurteiler weitergegeben wurde. Denn diese hat die Beurteilungseindrücke der verschiedenen Vorgesetzten berücksichtigt, mit denen die Klägerin zusammengearbeitet hat. Wenn der Beurteiler dies für seine Überzeugungsbildung für ausreichend erachtet, kann hierin kein Rechtsverstoß gesehen werden. Denn die (frühere) Vizepräsidentin war aufgrund ihrer dienstlichen Funktion in die Arbeit der Klägerin eingebunden und konnte Eindrücke über deren dienstliche Leistungen gewinnen. Als weitere Vorgesetzte der unmittelbaren Vorgesetzten der Klägerin konnte sie auch deren Eindrücke sammeln und an den Beurteiler weitergeben. Hierbei kann auch die schriftliche Stellungnahme der Zeugin S. ohne Datum, eingegangen am … Oktober 2020 beim Landeskriminalamt (Bl. 25 ff. der Behördenakte), berücksichtigt werden. Denn die materiellen Grundlagen der Bewertung der dienstlichen Leistungen der Klägerin änderten sich nicht dadurch, dass ein anderer Beurteiler und ein anderer unmittelbarer Vorgesetzter die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung vorgenommen haben, nachdem die frühere Beurteilung vom … Juli 2019 lediglich aufgrund formaler Gründe aufgehoben worden war.
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Der Beurteiler hat angegeben, dass er nach diesen Erläuterungen der Grundlagen der Beurteilung - u.a. mit der Darstellung der „Stärken“ und „Schwächen“ der dienstlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin - geprüft habe, ob diese stimmig sei, die Führungseignung aufgenommen sei und ob die Beamtin im Beurteilungszeitraum befördert worden sei. Insofern hat der Beurteiler eine eigene Wertung vorgenommen, die für das Gericht nur eingeschränkt überprüfbar ist (§ 114 Satz VwGO entsprechend). Soweit die Leistungseinschätzung des Beurteilers von der Einschätzung des LKD S. in der E-Mail vom … Mai 2019 (Behördenakte Bl. 32) abweicht, in der der LKD S. die Stärken der Klägerin „eher im konzeptionellen Bereich, ihrer Selbständigkeit, in der Zusammenarbeit mit Vorgesetzten und der Kollegialität“ sieht, hat er das plausibel damit begründet, dass eben die Leitungsebene der Behörde nicht immer zufriedenstellend durch die Klägerin mit einbezogen worden war. Das ist ein Unterschied zur Einbindung des unmittelbaren Vorgesetzten, dem dieser Blickwinkel fehlt.
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Es stellt auch keine unerklärbare Verschlechterung dar, dass sich die Klägerin gegenüber ihrer vorangegangenen Beurteilung im Amt A 13 um einen Punkt nach ihrer Beförderung in ein Amt A 14 auf nunmehr 11 Punkte verschlechtert hat. Nach einer Beförderung muss sich ein Beamter mit einer neuen Vergleichsgruppe messen. Hinzu kommt, dass - wie der Zeuge KOR W. angegeben hat - die Leistungsdichte innerhalb der Besoldungsgruppe A 14 sehr hoch ist. Ein entsprechendes Ergebnis hält sich im Rahmen des gerichtlich nicht zu überprüfenden Beurteilungsspielraums. Das wird auch in Nr. 3.3 Sätze 2 und 3 der Beurteilungsbekanntmachung Polizei und Verfassungsschutz unterstrichen: Dort ist eine gesonderte Begründung bei einer Verschlechterung im Gesamturteil um mindestens drei Punkte gefordert, wenn diese Änderung nicht auf die Anlegung eines anderen Bewertungsmaßstabs, zum Beispiel nach einer Beförderung, zurückzuführen ist.
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Anhaltspunkte für einen Rechtsverstoß bei der Ausübung des dem Beurteiler zustehenden Beurteilungsspielraums sind nicht ersichtlich. Es ergaben sich auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beurteiler gegenüber der Klägerin voreingenommen wäre und so weder Willens oder in der Lage ist, den Beamten sachlich und gerecht zu beurteilen (BVerwG, U.v. 23.4.1998 - 2 C 16.97 - BVerwGE 106, 318, juris Rn. 13 ff.). Die Angaben des Beurteilers zum Zustandekommen des Leistungsvergleichs haben hierfür nichts ergeben. Die Klagepartei hat hierzu in der mündlichen Verhandlung auch nichts weiter ausgeführt.
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d) Es ist auch rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass der Zeuge W. die streitgegenständliche Beurteilung als unmittelbarer Vorgesetzter mit verantwortet hat. Denn insoweit lässt Nr. 12.5 der Beurteilungsbekanntmachung Polizei und Verfassungsschutz die Beteiligung bzw. die Erstellung der Beurteilung durch einen unmittelbaren Vorgesetzten zu, der in derselben Besoldungsgruppe wie die zu beurteilende Beamtin steht, wenn diese unterschiedlichen Vergleichsgruppen zugehören. Das ist vorliegend der Fall, da der Zeuge W. der Fachlaufbahn „Polizeivollzugsdienst“ angehört, die Klägerin der Fachlaufbahn „Verwaltung“. Dabei ist von Sinn und Zweck des in Nr. 11.5 Sätze 1 und 2 der materiellen Beurteilungsrichtlinien vorgegebenen grundsätzlichen Ausschlusses des unmittelbaren Vorgesetzten von der Beteiligung bei der Beurteilung nicht nur eines anderen Beamten, der derselben Besoldungsgruppe angehört, auszugehen, sondern auch, wenn der unmittelbare Vorgesetzte einer niedrigeren Besoldungsgruppe als der zu beurteilende Beamte angehört. Denn diese Regelung soll verhindern, dass ein Beamter, der in einer möglichen Beförderungskonkurrenz zu dem zu beurteilenden Beamten steht, als unmittelbarer Vorgesetzter bei der Beurteilung beteiligt wird. Eine solche mögliche Beförderungskonkurrenz ist aber auch nicht auszuschließen, wenn der als unmittelbare Vorgesetzte fungierende Beamte einer um eine Stufe niedrigeren Besoldungsgruppe als der zu beurteilende Beamte angehört. Entsprechend ist auch die hiervon in Nr. 12.5 der Beurteilungsbekanntmachung Polizei und Verfassungsschutz zugelassene Ausnahme für den Fall anzunehmen, dass der als unmittelbare Vorgesetzte fungierende Beamte einer um eine Stufe niedrigeren Besoldungsgruppe als der zu beurteilende Beamte angehört, wenn dieser einer anderen Vergleichsgruppe - wie vorliegend - bei der dienstlichen Beurteilung unterfällt. Denn dann ist eine mögliche Beförderungskonkurrenz ausgeschlossen.
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Wie der Zeuge W. - im Zeitpunkt der Erstellung der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung der unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin - in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, konnte dieser zwar keine eigenen Eindrücke zur Leistungsbewertung der Klägerin einbringen. Er hat jedoch sowohl auf die schriftlichen Stellungnahmen der früheren unmittelbaren Vorgesetzten LKD S. und KD B. zurückgegriffen und vor der Erstellung der streitgegenständlichen Beurteilung zusätzlich mit diesen beiden Beamten mündlich Kontakt aufgenommen. Dabei können die schriftlichen Stellungnahmen zur aufgehobenen dienstlichen Beurteilung vom … Juli 2019 berücksichtigt werden, da sich an der materiellen Grundlage der dienstlichen Beurteilung für den Beurteilungszeitraum … Juni 2016 bis … Mai 2019 nichts geändert hat. Der Zeuge W. hat die Beurteilung auf dieser Grundlage entworfen und sein Einverständnis mit der dienstlichen Beurteilung erklärt. Die Erarbeitung der in den Einzelmerkmalen ausgeformten Beurteilung nach dem Ergebnis der Reihung ist - wie oben dargestellt - rechtlich nicht zu beanstanden.
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e) Es ist auch rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass die Zeugin Vizepräsidentin a.D. S. dem Beurteiler, PP P., dies wesentlichen Erkenntnisse über die dienstlichen Leistungen der Klägerin im Beurteilungszeitraum vermittelt hat. Denn die (frühere) Vizepräsidentin war aufgrund ihrer dienstlichen Funktion in die Arbeit der Klägerin eingebunden und konnte Eindrücke über deren dienstliche Leistungen gewinnen. Sie stand in der Behördenhierarchie als weitere Vorgesetzte über der Klägerin und konnte Leistungseindrücke sammeln. Die Zeugin S. hat dabei in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass aufgrund der Aufgabenstellung der Klägerin - Erarbeitung eines Organisations- und Personalentwicklungskonzepts der Abteilung 3 - die Arbeit der Klägerin häufig Bezug zur Leitungsebene hatte. Daher hatte die Zeugin als weitere Vorgesetzte einen Einblick in die Tätigkeit und Aufgabenerfüllung der Klägerin. Das war nicht erst dann der Fall, als die Zeugin die Leitung der Führungsgruppe übernahm. Die Zeugin hat erläutert, dass das dienstliche Leistungsbild der Klägerin anhand der vorgegebenen Einzelkriterien beurteilt wurde. Die Vergleichsgruppe waren die Beamtinnen und Beamten der Besoldungsgruppe A14 in der Fachlaufbahn „Verwaltung“. Der Vergleich ist im Rahmen der Reihungsbesprechungen und der folgenden Bewertung in den Einzelmerkmalen erfolgt. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Zeugin S. hat von ihr wahrgenommene Stärken der dienstlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin einbezogen (Engagement, Eigeninitiative und Selbstständigkeit), aber auch Punkte, bei denen sie Leistungsdefizite der Beamtin gesehen hat (Information der Leitungsebene, Struktur ihrer Vorlagen). Das zeigt sich so auch in den Einzelmerkmalen, die in den entsprechenden Merkmalen durchweg mit 11 Punkten bewertet wurden und Nr. 2.1.3 „Eigeninitiative, Selbstständigkeit“ mit 12 Punkten. Das steht auch in Einklang mit dem Vorschlag, den LKD S. in seiner E-Mail vom … Mai 2019 (Bl. 32 der Behördenakte) unterbreitet hat. Soweit die Zeugin S. das Leistungsbild der Klägerin insoweit eingeschränkt sah, dass sie sich eine bessere Information der Leitungsebene gewünscht hätte, dies aber gegenüber der Beamtin nicht ausdrücklich als Kritikpunkt angegeben hat, so hat sich das in den hierfür relevanten Einzelmerkmalen nicht nachhaltig negativ ausgewirkt. Zudem ist bei einer Beamtin der 4. Qualifikationsebene zu erwarten, dass sie erkennt, dass die Zustimmung zu Entscheidungen in der Zusammenarbeit mit anderen Behörden mit der Leitungsebene abgestimmt werden bzw. diese hierüber informiert werden sollte. Hierzu hat die Zeugin in ihrem Schreiben, das am … Oktober 2019 beim Landeskriminalamt eingegangen ist (Bl. 25 ff. der Behördenakten) auf Seite 3 ein konkretes Beispiel angeführt. Die Struktur der Schreiben der Klägerin wurde von den unmittelbaren Vorgesetzten angesprochen (siehe hierzu auch Stellungnahme KD B. vom 23.9.2019, Bl. 18 ff. der Behördenakte, S. 4 am Ende). Das wird auch durch die Zeugin S. unterstrichen, die von entsprechenden Mitteilungen der Vorgesetzten der Klägerin berichtet hat. Mit diesen Angaben ist die dienstliche Beurteilung auch hinreichend plausibilisiert.
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f) Auch eine Verletzung des Beteiligungsrechts der Gleichstellungsbeauftragten (Art. 18 Abs. 3 des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes/BayGlG, Nr. 11.7 der materiellen Beurteilungsrichtlinien) ist nicht ersichtlich. Im Rahmen der Erstellung der Beurteilung vom … Juli 2019 wurde die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten von der Klägerin nicht förmlich beantragt. Das ist nach dem Schreiben der Gleichstellungsbeauftragten vom … März 2020 (Bl. 35 f. der Behördenakte) nicht erfolgt. Erst im Widerspruchsverfahren hat sich die Klägerin an die Gleichstellungsbeauftragte gewandt, worauf diese die zitierte eher allgemein gefasste Stellungnahme abgegeben hat. Nach der Aufhebung der Beurteilung vom … Juli 2019 (Schriftsatz vom … August 2020) bis zur Erstellung der hier streitgegenständlichen Beurteilung vom … September 2020 hat sich die Beamtin nach Aktenlage nicht erneut an die Gleichstellungsbeauftragte gewendet.
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2. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).