Titel:
Kein Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises allein aufgrund eines Antikörpertest
Normenketten:
BaySchAusnahmV § 2 Nr. 5
IfSG Art. 22a Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 42
Leitsätze:
1. Eine einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage für die Ausstellung eines Genesenennachweises bestand zu keinem Zeitpunkt, so dass einer darauf gerichteten Klage bereits die Klagebefugnis fehlt. (Rn. 25 und 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verordnungs- bzw. Gesetzgeber konnte Nukleinsäurenachweise (PCR-Tests) als einzig mögliche Nachweise der Infektion zur Erlangung des Genesenenstatus bestimmen, ohne gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unzulässige Klage, fehlende Klagebefugnis, keine subjektive Rechtsverletzung, Genesenennachweis, Genesenenstatus nach sechs Monaten, PCR-Test, Antikörpertest, kein Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises allein aufgrund eines Antikörpertest, Klagebefugnis, Corona, Ungleichbehandlung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21431
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Der ungeimpfte Kläger begehrt die Feststellung, dass die Ablehnung der Erteilung eines Genesenennachweises rechtswidrig war.
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1. Der Kläger erkrankte Ende April 2021 an SARS-CoV-2.
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Am 1. Oktober 2021 beantragte er beim Landratsamt K. die Ausstellung eines Genesenennachweises im Sinne der SchAusnahmV oder eines gleichwertigen Dokuments über seine Immunisierung gegen den SARS-CoV-2-Erreger durch Genesung.
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Mit Schreiben vom 6. Oktober 2021 lehnte das Landratsamt K. die Ausstellung eines Genesenennachweises ab und begründete dies damit, dass ein solcher nicht ausgestellt werden könne, da der Kläger kein PCR-Testergebnis vorgelegt habe.
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Am 9. Dezember 2021 beantragte der Kläger im Wege einer einstweiligen Verfügung den Beklagten zur Ausstellung eines Genesenennachweises mit Gültigkeit bis zum 16. März 2022 zu verpflichten. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 - W 8 E … - lehnte das Gericht den Eilantrag ab.
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2. Am 21. Januar 2022 erhob der Kläger Klage und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Er habe sich Ende April 2021 mit dem SARS-CoV-2- Erreger infiziert und sei symptomatisch erkrankt. Die Infektion sei am 7. Mai 2021 mit einem spezifischen Antikörpertest nachgewiesen worden. Ein PCR-Test sei damals nicht durchgeführt worden. Im September 2021 und Januar 2022 habe er mit einem spezifischen Antikörper- und T-Zellen-Test seinen Status erneut überprüfen lassen. Am 5. Januar 2022 sei hierbei ein Coronavirus CoV-2 IgA-AK Wert in Höhe von 477 und ein T-Zellen-Wert von SI 37 festgestellt worden. Mangels Genesenennachweises gelte er als Ungeimpfter und sei daher weitestgehend von der Teilnahme am öffentlichen Leben ausgeschlossen.
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Er habe daher unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises. Es liege eine Ungleichbehandlung vor, da er im Gegensatz zu Personen, die ihre SARS-CoV-2-Erkrankung durch einen PCR-Test hätten nachweisen können, nicht als „Genesener“ gelte, obwohl er ebenfalls an SARS-CoV-2 erkrankt gewesen sei und dies nachweisen könne. Auch die zeitliche Begrenzung des Genesenenstatus, obwohl er nachweislich weiterhin über eine ausreichende natürliche Immunität verfüge, stelle eine ungerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber vollständig geimpften Personen dar, für die eine unbegrenzte Immunisierung angenommen werde, obwohl der Impfschutz mit der Zeit erheblich abnehme. Außerdem lägen die Antikörperspiegel von Geimpften in der Regel weit unter dem des Klägers. Die Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt. Die Anforderungen an die Rechtfertigung seien entsprechend der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung, vorliegend dem fast vollständigen Ausschluss aus dem öffentlichen Leben, erhöht. Zunächst stelle das Vorhandensein eines PCR-Tests als Nachweis einer durchgemachten SARS-CoV-2-Erkrankung keinen rechtfertigenden Differenzierungsgrund dar. Eine durchgemachte SARS-CoV-2-Erkrankung könne ebenso mittels spezifischen Antikörper-Tests nachgewiesen werden. Hierzu verweist der Kläger auf verschiedene Aussagen und Empfehlungen des RKI, der STIKO sowie verschiedener Wissenschaftler und Mediziner, denen dies zu entnehmen sei. Darüber hinaus finde sich weder in der Begründung zur Änderung der SchAusnahmV vom 14. Januar 2022 noch in den Vorgaben des RKI vom 14. Januar 2022 eine Begründung weshalb der Nachweis der Erkrankung nur mittels PCR-Test erbracht werden könne, obwohl der Verordnungsgeber aufgrund der grundrechtsrelevanten Differenzierung begründungspflichtig gewesen sei. Dass eine durchgemachte SARS-CoV-2 Infektion ausschließlich mittel PCR-Test festgestellt werden könne, um den exakten Zeitpunkt der Infektion festzustellen, vermische zwei voneinander unabhängige Fragestellungen. Für die Frage der rechtswidrigen Differenzierung komme es nur darauf an, dass eine durchgemachte SARS-CoV-2 Infektion auch mit einem spezifischen Antikörpertest nachgewiesen werden könne. Welcher Zeitpunkt für den Beginn des Genesenenstatus ausschlaggebend sei, sei davon unabhängig. Mit einem spezifischen Antikörpertest könne die Dauer der Immunität bestimmt werden. Zwar könne mit diesem der Zeitpunkt der Infektion nicht nachgewiesen werden, dies rechtfertige jedoch nicht, den Nachweis hierdurch insgesamt auszuschließen. Vielmehr könne ein bestimmter Zeitraum ab dem Zeitpunkt des serologischen Tests durch den Verordnungsgeber bestimmt werden. Im Übrigen sei die Aussagekraft von PCR-Tests zur Bestimmung des Infektionszeitpunktes nur eingeschränkt geeignet. Dieser könne noch Wochen nach einer durchgestandenen Infektion positiv anschlagen und sei weder zu Diagnosezwecken noch zum Nachweis von Krankheiten geeignet. Dass die Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt sei, zeige auch ein Blick ins europäische Ausland. In Österreich und der Schweiz seien keine PCR-Tests für den Genesenenstatus erforderlich.
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Auch bestehe kein sachlicher Grund für die Differenzierung hinsichtlich der nachgewiesenen natürlichen Immunität vor und nach 90 Tage nach der Erkrankung. Der Kläger habe nachweislich auch nach 9 Monaten noch eine hohe Antikörperzahl. Ausweislich der Begründung der SchAusnahmV vom 4. Mai 2021 habe sich der Verordnungsgeber dafür, dass nur als genesene Person anzusehen sei, wer eine maximal sechs Monate zurückliegende Infektion per PCR-Test nachweise, auf den damaligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Einschätzungen des RKI bezogen. Hierbei sei auf Studien Bezug genommen worden, welche lediglich einen Untersuchungsraum von 6 bzw. 7,5 Monaten gehabt hätten und die daher schon nicht dazu geeignet gewesen seien, den Genesenenstatus auf 6 Monate zu begrenzen. Jedenfalls seien die damaligen Erkenntnisse aber inzwischen überholt. Hierzu verweist der Kläger auf verschiedene Aussagen des RKI, der STIKO sowie auf verschiedene wissenschaftliche Studien und Aussagen von Medizinern und Wissenschaftlern. Es sei von einer Schutzwirkung von mehr als 1 bis 1,5 Jahren oder gar lebenslanger Immunität auszugehen.
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Weiterhin habe der Verordnungsgeber nicht eindeutig festgelegt, ab welchem Antikörpergrenzwert von einem ausreichenden Schutz auszugehen sei. Der derzeitige BAU-Wert des Klägers liege deutlich über den BAU-Werten, bei denen die Wissenschaft nach einer Impfung von einer Immunität ausgehe. Er habe noch einen ausreichenden natürlichen Immunschutz gegen Corona bzw. einem Schutz vor einer symptomatischen Infektion. Er verfüge darüber hinau über spezifische T-Zellen, die das Infektionsrisiko ebenfalls signifikant senken würden. Die pauschale zeitliche Befristung des Genesenenstatus sei daher nicht mehr sachlich begründet. Die durch eine Erkrankung gewonnene natürliche Immunität sei robust und mit einem äußerst geringen Risiko der Wiedererkrankung verbunden. Auch hierzu beruft sich der Kläger auch verschiedene Studien.
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Die Ungleichbehandlung könne auch nicht durch unterschiedliche Infektiosität bzw. unterschiedliche Erkrankungsrisiken gerechtfertigt werden. Denn auch Geimpfte könnten nach aktuellem wissenschaftlichen Stand das SARS-CoV-2-Virus mindestens in ähnlichen Maße übertragen wie Ungeimpfte und schwer erkranken. Es gebe eine hohe Anzahl an Impfdurchbrüchen und Krankenhausaufenthalten bei Geimpften, welche insbesondere durch die Omikron-Variante zunehme. Es sei daher inzwischen unstreitig, dass Geimpfte erheblich am Infektionsgeschehen teilnehmen würden und auch schwere Krankheitsverläufe mit der Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung im Krankenhaus entwickeln könnten. Darüber hinaus sei wissenschaftlich erwiesen, dass das Wiedererkrankungsrisiko von Genesenen weitaus geringer sei als bei Geimpften. Auch sei die Impfeffektivität drastisch gesunken. Der deutlich längere Immunschutz von Genesenen müsse daher erst Recht vor dem Hintergrund der Omikron-Variante berücksichtigt werden.
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Das Gericht habe die Begründung der Verordnung mit Verweis auf die Einschätzung des RKI und der STIKO vollständig zu überprüfen und könne die Einschätzung des RKI nicht ohne nähere Kontrolle als korrekt unterstellen. Es könne nicht auf eine Unwägbarkeit der wissenschaftlichen Grundlage im Hinblick auf den Genesenenstatus verwiesen werden, da eine Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen vorliege, die die Annahmen des Verordnungsgebers widerlegen würden. Die Beweislast für die rechtmäßige Differenzierung liege beim Verordnungsgeber, da Grundrechtseingriffe vom Gesetzgeber zu begründen und zu plausibilisieren seien. Die Vielzahl der Studien könne nicht einfach mit dem Verwies auf eine (veraltete) Einschätzung des RKI widerlegt werden. Es bedürfe vielmehr einer umfassenden Begründung für die abweichende wissenschaftliche Einschätzung. Sofern dennoch von einer wissenschaftlichen Unwägbarkeit auszugehen sei, müsse jedoch berücksichtigt werden, dass in einem solchen Fall Unsicherheiten nicht ohne weiteres zu Lasten des Grundrechtsträgers gehen dürften.
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Der Differenzierung liege auch kein legitimer Zweck zugrunde. Sie sei erfolgt, um Druck auf Ungeimpfte auszuüben, damit diese sich impfen lassen würden. Dies stelle keinen verfassungsrechtlich legitimen Zweck dar. Auch eine Eindämmung des Infektionsgeschehens scheide als Zweck der Ungleichbehandlung aus, da dies aufgrund des ähnlichen Übertragungs- und Erkrankungsrisikos nicht durch eine Unterscheidung zwischen Genesenen/Nichtgeimpften und Geimpften erfolgen könne. Als milderes gleich geeignetes Mittel sei es denkbar, in Hinblick auf die zeitliche Befristung des Genesenenstatus, einen in Intervallen erfolgenden Nachweis des Antikörperstatus anzuerkennen. Solche Nachweise habe der Kläger bereits erbracht. Ihm habe daher ein solcher Genesenennachweis zumindest für 90 Tage und mithin bis Anfang April 2022 ausgestellt werden müssen. Eine Impfung käme hingegen als milderes Mittel nicht in Betracht, da es sich bei den zugelassenen Impfstoffen nicht um traditionelle Impfungen handle, sondern um Mittel mit gentherapeutischer Wirkung. Ferner könnten aufgrund der kurzen Entwicklungszeit keine Aussagen über mögliche Langzeitauswirkungen getroffen werden. Es gebe hohe Meldezahlen von Nebenwirkungen und Todesfällen. Ein Verweis auf eine Impfung als milderes Mittel käme daher nur in Betracht, wenn ein positives Risikoprofil anzunehmen wäre. Ein solches sei im Hinblick auf das niedrige Erkrankungsrisiko des Klägers in Abwägung mit den möglichen Nebenwirkungen der Impfungen jedoch nicht gegeben. Überdies sei die medizinische Notwendigkeit einer Impfung für Genesene bereits höchst fraglich. Insbesondere bei Personen mit hohen Antikörperwerten sei eine Impfung nicht erforderlich und könne sogar schädlich sein. Auch seien die Impfstoffe nicht an die neueren Varianten angepasst. Sie seien nur gegen die ursprüngliche Wildvariante entwickelt worden und könnten deshalb für den Kläger schon kein besseres Schutzniveau herstellen.
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Auch falle die Abwägung zwischen dem Schutz der Allgemeinheit vor Infektionen mit den SARS-CoV-2-Virus und einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems gegen die Grund- und Freiheitsrechte des Antragstellers zu seinen Gunsten aus. Er trage nicht mehr zum Infektionsgeschehen bei als Geimpfte und, da das Risiko seiner Reinfektion geringer sei, gehe von ihm kein Risiko der Belastung des Gesundheitssystems aus. Daher müssten für ihn die Erleichterungen der coronabedingten Ge- und Verbote gleichermaßen gelten wie für Genesene mit PCR-Test. Die erheblichen Eingriffe in die Rechte des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG, sein Ausschluss aus dem gesamten sozialen Leben und die Verwehrung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens wie Friseurbesuche, seien daher unverhältnismäßig. Es sei die Schwelle des Willkürverbots überschritten. Hierbei sei auch zu beachten, dass die Infektionstodesrate des SARS-CoV-2-Virus 0,15% betrage und damit im Bereich einer schweren Grippe liege. Bei der vorherrschenden Omikron-Variante sei von einer noch geringeren Infektionstodesrate und trotz höherer Ansteckungsrate von milderen Krankheitsverläufen auszugehen.
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Mit weiteren Schriftsätzen vom 17. Februar 2022 und 3. März 2022 führte der Kläger im Wesentlichen aus, in Bayern seien seit Mai 2021 tausende Genesenennachweise durch die Gesundheitsämter ausgestellt worden. Hierdurch sei über einen langen Zeitraum hinweg eine Verwaltungspraxis geschaffen worden. Auch das Landratsamt K. habe gegenüber dem Kläger einen Rechtsschein gesetzt. Im Rahmen der Beantwortung des Antrags des Klägers auf Ausstellung eines Genesenennachweises, sei es davon ausgegangen, der richtige Adressat zu sein, da es den Kläger sonst wegen eine Unzuständigkeit an das RKI oder eine andere Stelle verwiesen hätte. Da es jedoch in der Sache argumentiert habe, habe es gegenüber dem Kläger einen Rechtsschein gesetzt. Auch wären zahlreiche Gerichte in ihren jüngsten Entscheidungen davon ausgegangen, dass Gesundheitsämter zur Ausstellung von Genesenennachweise zuständig seien. Wären sie dies nicht, würde dies eine erhebliche Rechtsschutzlücke bedingen. Denn auch das RKI dürfte nicht zur Ausstellung eines solchen Nachweises zuständig sein. Auch die Planung von Lockerungen, lasse die Klagebefugnis nicht entfallen, da die Gefahr einer kurzfristigen (Wieder) Einführung der 2G-Maßnahmen bestehe. Jedenfalls sei derzeit auch keine vollumfängliche Aufhebung der Maßnahmen ersichtlich. Ferner bleibe der Kläger durch die Ankündigung einer allgemeinen SARS-CoV-2 Impfpflicht weiterhin beschwert. Aufgrund der Wiederholungsgefahr, der Schwere der tiefgreifenden und lang andauernden Grundrechtsbeeinträchtigungen, die mit der Nichtanerkennung des Genesenenstatus verbunden seien und des Rehabilitationsinteresses, da Ungeimpfte einer erheblichen öffentlichen Kritik bis hin zu unsachlichen Diffamierungen und Stigmatisierungen ausgesetzt seien, bestünde ein berechtigtes (Forsetzungsfeststellungs-)Interesse. Darüber hinaus bestünde ein öffentliches Interesse an einer gerichtlichen Feststellung des Genesenenstatus, da die Frage nicht nur den Kläger, sondern eine Vielzahl von Menschen betreffe.
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Ferner sei zu ergänzen, dass inzwischen auch das PEI und zahlreiche weitere wissenschaftliche Veröffentlichungen das Bestehen einer langen und stabilen Immunität bestätigt hätten. Insbesondere würden Studien belegen, dass eine natürliche Immunität besser vor einer Reinfektion mit der neuen Omikron-Variante BA.2 schütze als eine Impfung. Auch sei die Begründung des RKI zur Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage durch weiterer Studien weiterhin unzureichend, da diesen ebenfalls keine Aussage zur Dauer einer natürlichen Immunität zu entnehmen sei. Dies hätte auch einige Verwaltungsgerichte bestätigt.
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Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2022 verwies der Beklagte zur Klageerwiderung im Wesentlichen auf den Beschluss des VG Würzburg vom 21. Dezember 2021 - W 8 E 21.1606 - und führte weitergehend aus, ein Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises ergebe sich weder aus einfach gesetzlichem Recht noch aus Art. 3 Abs. 1 GG. Für die Ausstellung eines Genesenennachweises sei eine zugrundeliegende Testung durch eine Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweis notwendig. An einer solchen Testung fehle es hier jedoch. Auf den Zeitraum, für den der Genesenenausweis ausgestellt werde, komme es daher nicht an. Eine erweiternde Auslegung der Ausführungen auf der in § 2 Nr. 5 SchAusnahmV bezuggenommen Website dahingehend, dass auch ein Antikörpernachweis zur Ausstellung eines Genesenenausweis genüge, verbiete sich aufgrund des Zweckes der Vorschrift, die Voraussetzungen eines Genesenenausweis klar, rechtssicher und angepasst an den aktuellen Stand der Wissenschaft zu regeln. Zur Erweiterung des Kreises der Genesenen im Vergleich zur Verordnungsbestimmung sei der Beklagte nicht berechtigt. Denn die Bestimmung, welche Personen als Genesene gelten, treffe die hierzu in § 28c Satz 1 IfSG ermächtigte Bundesregierung in der SchAusnahmV. Eine solche Erweiterung des Kreises der Genesenen würde voraussetzen, dass der Verordnungsgeber - ggf. unter Verweis auf fachliche Vorgaben - entscheiden würde, welche konkreten Voraussetzungen für einen hinreichenden Immunschutz bei einem Antikörpernachweis erforderlich seien und für welchen Zeitraum von dessen Fortbestehen auszugehen sei. Zudem lägen nach dem RKI aktuell keine eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse über den immunologischen Schutz eines Antikörpernachweises vor. Auch aus Art. 3 Abs. 1 GG folge kein Anspruch. Die Ungleichbehandlung zwischen dem Kläger und Geimpften oder genesenen Personen, die eine Infektion innerhalb der letzten 90 Tage durch einen PCR-Test nachweisen könnten, sei sachlich gerechtfertigt und auch unter Anlegung eines strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstabes verhältnismäßig. Die aktuelle Regelung trage dem Umstand Rechnung, dass wissenschaftliche Erkenntnisse über den immunologischen Schutz eines Antikörpernachweises aktuell nicht vorlägen. Bei einer solchen Unwägbarkeit der wissenschaftlichen Erkenntnislage, genüge es, wenn sich der Gesetzgeber an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung der ihm verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten orientiere. Laut aktueller Empfehlung des RKI bestehe grundsätzlich weder die Notwendigkeit noch die Empfehlung, vor Verabreichung einer COVID-19-Grundimmunisierung das Vorliegen einer akuten oder durchgemachten SARS-CoV-2-Infektion labordiagnostisch auszuschließen. Impfungen, die trotz bestehender Immunität verabreicht würden, seien im Allgemeinen gut verträglich und unschädlich. Daher sei eine Impfung im vorliegenden Fall auch zumutbar. Die Grundrechte des Klägers müssten demzufolge vor den hochrangigen Rechtsgütern der Allgemeinheit zurücktreten.
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3. In der mündlichen Verhandlung am 6. Mai 2022 beantragte der Kläger:
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Festzustellen, dass die Ablehnung des Beklagten vom 6. Oktober 2021, dem Kläger einen Nachweis über eine Sars-CoV-2-Infektion aufgrund eines spezifischen Antikörpertests als Genesenennachweis mit Gültigkeit bis zum 30. April 2022 auszustellen, rechtswidrig gewesen ist.
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Die Beklagtenvertreterin beantragte,
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist bereits unzulässig und auch unbegründet.
22
Die Änderung der mit Klageschrift vom 21. Januar 2022 ursprünglich als Anfechtungsklage erhobenen Klage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist gemäß § 173 Satz 1 i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO kraft Gesetzes zulässig. § 91 VwGO ist insoweit nicht anwendbar. Der Kläger begehrte ursprünglich die Ausstellung eines Genesenennachweises mit Gültigkeit bis einschließlich 30. April 2022, sodass mit Zeitablauf inzwischen Erledigung eingetreten ist.
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Es kann dahinstehen, ob eine Fortsetzungsfeststellungsklage auch im Falle einer - wie vorliegend - ursprünglich statthaften allgemeinen Leistungsklage statthaft ist (vgl. BayVGH, U.v. 14.1.1991 - 2 B 90.1756 - juris), oder ob sich der Kläger mangels erledigtem Verwaltungsaktes auf eine Feststellungsklage verweisen lassen müsste (vgl. OVG NW, U.v. 14.10.1993 - 1 A 904/90 - juris), da die Klage vorliegend schon mangels Klagebefugnis unzulässig ist.
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Dem Kläger fehlt es an der sowohl bei der Fortsetzungsfeststellungsklage als auch der Feststellungsklage erforderlichen Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.1996 - 8 C 19.94 - BVerwGE 100, 262; BayVGH, Ue.v. 8.3.2010 - 10 B 09.1102 - juris und 10.3.2022 - 22 B 19.197, juris sowie B.v. 3. 2. 2022 - 4 ZB 21.967 - juris).
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Die Befugnis, die Ausstellung einer Bescheinigung klageweise geltend zu machen, ist nur dann gegeben, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Kläger einen Anspruch auf das begehrte Behördenhandeln hat. Das ist nicht der Fall, wenn durch die Ablehnung des begehrten behördlichen Handelns offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können (vgl. z. B. BVerfG, B.v. 9.1.1991- 1 BvR 207/87 - BVerfGE 83, 182/196; BVerwG, U.v. 17.6.1993- 3 C 3/89 - BVerwGE 92, 313/316; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 28. Auflage 2022, § 42 Rn. 65).
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Dass der Kläger möglicherweise einen subjektiv-rechtlichen Anspruch auf die begehrte Ausstellung des Genesenennachweises gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog gegen den Beklagten hatte, ist nicht ersichtlich. Es besteht bereits keine Anspruchsgrundlage.
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Das Vorbringen des Klägers führt zu keiner anderen Beurteilung.
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Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen im Beschluss im korrespondierenden Eilverfahren vom 21. Dezember 2021 - W 8 E 21.1606 - Bezug genommen.
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Ergänzend ist unter Berücksichtigung des weiteren klägerischen Vortrags auszuführen:
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Eine einfachgesetzliche Anspruchsgrundlage für die Ausstellung eines Genesenennachweises bestand zu keinem Zeitpunkt. Auch in Folge der Änderungen der SchAusnahmV und der Schaffung des § 22a Abs. 2 IfSG ergab sich kein Anspruch des Klägers, denn auch danach sahen weder die bundes- noch die landesrechtlichen einfachgesetzlichen Regelungen die Ausstellung einer landesbehördlichen Bescheinigung vor. Der Beklagte war weiterhin nicht zur Ausstellung des begehrten Dokuments befugt. Die Feststellung bzw. das Bestehen des Genesenenstatus bedurfte keines behördlichen Vollzugs- oder Umsetzungsaktes. Vielmehr ist die Bestätigung einer positiven Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweises (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) mit entsprechendem Datum unmittelbar als Genesenenausweis anzusehen. Denn sowohl aus dem Wortlaut des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 und später des § 22a Abs. 2 IfSG folgte, dass ausschließlich die Bestätigung einer positiven Labordiagnostik mittels Nukleinsäurenachweises (PCR, PoC-PCR oder weitere Methoden der Nukleinsäureamplifikationstechnik) mit entsprechendem Datum als Genesenenausweis anzusehen war. An einer solchen fehlte es hier jedoch unstreitig. Dass eine Behörde einen spezifischen Genesenenachweis ausstellt, war gerade nicht geregelt (vgl. statt vieler BayVGH, B. v. 7.2.2022 - 20 CE 22.226 - juris Rn. 4 ff.). Auch dass § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022, der zur Bestimmung der Gültigkeitsdauer eines Genesenennachweises auf die Vorgaben des RKI im Internet unter der Adresse www.rki.de/covid-19-genesenennachweis verwies, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig und damit nichtig war, führte zu keiner anderen Bewertung, da die Unwirksamkeit des § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 14. Januar 2022 zur Folge hatte, dass die ursprüngliche Fassung des § 2 Nr. 5, die Fassung vom 8. Mai 2021, weiterhin Geltung beanspruchte (BayVGH, B.v. 3.3.2022 - 20 CE 22.536 - juris Rn. 14 ff.).
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Eine Auslegung der Vorschriften über ihren Wortlaut hinaus dahingehend, dass auf Grundlage eines Antikörpernachweises ein Genesenennachweis ausgestellt werden konnte, verbot sich aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Regelung sowie aufgrund ihres Zwecks, im Sinne einer Legaldefinition die Voraussetzungen eines Genesenennachweises klar und rechtssicher zu regeln. Zudem ging der Verordnungsgeber ausweislich der Verordnungsbegründung zur SchAusnahmV (vgl. BR-Drs 347/21 S. 13) ausdrücklich davon aus, dass der Nachweis einer durchstandenen Infektion nur durch einen Nukleinsäurenachweis zu Genüge geführt werden kann und ein Antikörpertest nicht ausreicht, um als genesene Person mit gewissen Privilegierungen zu gelten. Da dies in der Folge nicht abgeändert wurde und Antikörpertests nunmehr im Rahmen des § 22a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 IfSG im Rahmen der Erlangung eines vollständigen Impfschutzes ab dem 1. Oktober 2022 Berücksichtigung finden, ist auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hiervon auch bei Schaffung des § 22a Abs. 2 IfSG weiterhin ausging. Das Nachweisverfahren war somit bewusst auf Nukleinsäurenachweise begrenzt, sodass sowohl § 2 Nr. 5 SchAusnahmV in der Fassung vom 8. Mai 2021 als auch § 22a Abs. 2 IfSG unter Beachtung von Sinn und Zweck der Verordnung ihrem Wortlaut entsprechend auszulegen waren und sind (vgl. BayVGH, B. v. 7.2.2022 - 20 CE 22.226 - juris Rn. 4 ff.; OVG NW, B.v. 2.12.21 - 13 B 1200/21 - BeckRS 2021, 37250 Rn. 6; VG München, B.v. 9.12.2021 - M 26b E 21.5898 und B.v. 6.7.2021 - 26a E 21.3242 - BeckRS 2021, 18817).
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Der Kläger hatte auch keinen Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Ein solcher Anspruch für Personen, die zwar mit SARS-Cov-2 infiziert waren, deren Infektion jedoch länger als gesetzlich festgesetzt zurücklag und sie nicht per Nukleinsäurenachweis nachweisen können, ist nicht ersichtlich. Es besteht weder eine behördliche Praxis, aus der sich ein Gleichbehandlungsanspruch ergeben könnte, noch ergibt sich ein Anspruch aufgrund eines Verstoßes der Regelung selbst gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
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Zunächst besteht keine behördliche Praxis des Beklagten, Genesenennachweise auszustellen, schon gar nicht für Personen, welche an SARS-Cov-2 erkrankt waren, die die Infektion jedoch nicht per Nukleinsäurenachweis nachweisen können und deren Infektion länger als gesetzlich festgesetzt zurückliegt. Dies ist dem Gericht aus zahlreichen weiteren Verfahren bekannt. Allenfalls hatten die Landratsämter eine Bestätigung über den Zeitpunkt der Nukleinsäuretestung ausgestellt. Fälle, in denen der Beklagte Personen, welche an SARS-Cov-2 erkrankt waren, die Infektion jedoch nicht per Nukleinsäurenachweis nachweisen konnten, einen Genesenennachweis ausgestellt hat, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Doch selbst wenn derartige Genesenennachweise tatsächlich ausgestellt worden wären, so würden diese Einzelfälle nicht zu einem Gleichbehandlungsanspruch des Klägers führen, da die Behörden wie erläutert zu einer solchen Ausstellung nicht befugt waren und der Kläger keine Gleichbehandlung „im Unrecht“ für sich beanspruchen kann (vgl. statt vieler BVerwG, U.v. 26.2.1993 - 8 C 20/92 - juris Rn. 14 m.w.N.).
34
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aufgrund eines Verstoßes der Regelung über den Genesenennachweis gegen Art. 3 GG, da die Regelung keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung des Klägers bedingt.
35
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den, die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund, variieren je nach Regelungsgegenstand, den Differenzierungsmerkmalen und der Eingriffsintensität von einem Willkürverbot bis hin zu einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerfG, B.v. 07.02.2012 - 1 BvL 14/07 - BVerfGE 130, 240-262 - juris; BVerwG, U. v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - juris Rn. 76).
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Selbst unter Anlegung eines strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstabes gebot Art. 3 Abs. 1 GG nicht die Gleichbehandlung des Klägers mit Geimpften oder genesenen Personen, deren Infektion noch nicht länger als die festgesetzte Genesenenstatusdauer zurückliegt und die diese per Nukleinsäurenachweis nachweisen konnten.
37
Ein solcher Anspruch scheiterte bereits daran, dass der Kläger seine Infektion nicht per Nukleinsäurenachweis nachweisen konnte. Die Differenzierung zwischen Personen, die ihre Infektion per Nukleinsäurenachweis nachweisen können, und solchen, welche infiziert waren, aber über keinen solchen Nachweis verfügen, stellt zwar eine Ungleichbehandlung dar, diese war jedoch gerechtfertigt.
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Der Verordnungs- bzw. Gesetzgeber konnte Nukleinsäurenachweise als einzig mögliche Nachweise der Infektion zur Erlangung des Genesenenstatus bestimmen, ohne gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen. Zunächst gelten PCRTests als das zuverlässigste Verfahren, um einen Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 abzuklären, sie zeichnen sich durch eine sehr hohe Sensitivität und Spezifität aus und gelten als „Goldstandard“ für die Diagnostik (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin, 8/2021 25. Februar 2021, S. 3; Hinweise zur Testung von Patientinnen und Patienten auf SARS-CoV-2, Direkter Erregernachweis durch RT-PCR: Allgemein, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html, Stand: 20.5.2022, zuletzt abgerufen am 29.7.2022). Nukleinsäurenachweise waren daher legitimes und geeignetes Mittel zum Nachweis einer SARS-CoV-2-Infektion. Zwar weisen auch serologische Nachweise von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern auf eine früher durchgemachte oder noch bestehende SARS-CoV-2 Infektion hin, sie lassen nach derzeitigem Kenntnisstand jedoch weder eine eindeutige Aussage zur Infektiosität noch zum Immunstatus zu. Insbesondere ist nicht etabliert, ob und in welchem Ausmaß ein positiver Antikörpertest mit einem immunologischen Schutz vor transmissionsrelevanter SARS-CoV-2 Infektion bzw. vor leichter oder schwerer COVID-19 Erkrankung einhergeht (vgl. BVerfG, B.v. 27.4.2022 - 1 BvR 2649/21 - juris Rn. 201; RKI: Hinweise zur Testung von Patientinnen und Patienten auf SARS-CoV-2, Antikörpernachweise Indirekter Nachweis einer Infektion, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html, Stand: 20.5.2022, zuletzt abgerufen am 29.7.2022; RKI: Fachliche Vorgaben des RKI für COVID-19-Genesenennachweise https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Genesenennachweis-old.html, Stand: 3. Februar 2022, außer Kraft seit 19.3.2022, zuletzt abgerufen am 29.7.2022). Es bestehen keine gesicherten Erkenntnisse, ab welchen Werten im Rahmen eines Antikörpertestergebnisses von einer ausreichenden Immunität ausgegangen werden kann (vgl. RKI, COVID-19 und Impfung, Antworten auf häufig gestellte Fragen <FAQ>, https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html#:~:text=Die%20STIKO%20empfiehlt%20seit%20Dezember,Abstand%20von%20%3E3%20Monaten%20einzuhalten, Stand: 14. April 2022, zuletzt aufgerufen am 5.5.22; Epidemiologisches Bulletin, 1/2022, 6. Januar 2022 - online vorab- Beschluss der STIKO zur 15. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung, S. 12,13; Hinweise zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 Antikörpernachweise zum Nachweis stattgehabter Infektionen, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Vorl_Testung_nCoV.html; jsessionid=8D54B2EA96351EC 745BA956219E20B87.internet082?nn=2386228#doc13490982bodyText28 Stand: 20.5.2022, zuletzt abgerufen am 29.7.2022). Außerdem ist die Interpretation von Antikörpertestergebnissen nach wie vor schwierig (vgl. PEI, Antikörper nach SARS-CoV-2-Infektion - neue Erkenntnisse über die Sensitivität und Nachweisdauer von Antikörpertests, Aktualisiert: 21.1.2022) und ein positiver Antikörpertest erlaubt keine Rückschlüsse hinsichtlich des Infektionszeitpunktes. Angesichts dessen stellen Antikörper- und T-Zellentests schon kein geeignetes milderes Mittel dar, um den Genesenenstatus i.S.d. Regelung festzustellen, weshalb der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber nicht dazu verpflichtet war, es zu ermöglichen auf eigene Kosten Antikörper- und T-Zellentests vorzulegen, um als genesen zu gelten (vgl. BVerfG, B.v. 27.4.2022 - 1 BvR 2649/21 - juris Rn. 201; SächsOVG, B.v. 25.5.2022 - 3 B 162/22 - juris). Darüber hinaus durfte sich der Gesetzgeber bei der Regelung des Genesenenstatus und damit einhergehend dem Nachweis hierüber schon alleine im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis aus Gründen der Verfahrensvereinfachung am Regelfall, dem Nachweis von SARS-CoV-2 Infektionen durch PCR-Tests, orientieren und musste nicht allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Denn der Gleichheitssatz fordert nicht eine immer mehr individualisierende und spezialisierende Gesetzgebung, die letztlich die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs gefährdet (vgl. BVerfG, Be.v. 10.04.1997 - 2 BvL 77/92 - BVerfGE 96, 1, LS und 24. 5. 2005 - 2 BvR 1683/02 - BVerfGK 5, 254 - juris Rn. 29). Allerdings müssen die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit stehen (vgl. BVerfG, Be.v. 23.6.2015 - 1 BvL 13/11 - BVerfGE 139, 285 - juris Rn. 77 und 29.1.2019 - 2 BvC 62/14 - BVerfGE 151, 1). Dabei ist im Rahmen von Massenvorgängen - wie der Erteilung des Genesenenstatus - der Spielraum für typisierende und pauschalierende Regelungen erhöht, da sie standardisierte Verwaltungsverfahren erzwingen (vgl. OVG NRW, B.v. 22.1.2021 - 13 B 58/21 - juris Rn. 10; VG Würzburg, B.v. 19.3.2021 - 8 E 21.357 - juris Rn. 30; Wollenschläger in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 3 Rn. 202; Boysen in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 99). Vorliegend ist es im Hinblick darauf, dass Nukleinsäuretests seit dem Bestehen der Regelung über denGenesenenstatus sowie Impfungen zur Erlangung des Impfstatus, welcher die gleichen Rechte einräumte wie der Genesenenstatus, breit verfügbar waren, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Verwaltungsaufwand für die Prüfung individuell vorgelegter Antikörper- und T-Zellentests für nicht vertretbar hielt. Der Gesetzgeber konnte daher festlegen, dass mit Vorliegen eines positiven Nukleinsäuretestergebnis automatisch der Genesenenstatus bestand, das Testergebnis selbst als Nachweis hierüber galt und nicht jeweils eine Einzelprüfung des Genesenenstatus und darauffolgend die Ausstellung eines Genesenennachweises erfolgte (vgl. Sächs OVG, B.v. 25.5.2022 - 3 B 162/22 - juris Rn. 18 ff.). Erst recht müsste der Gesetz- und Verordnungsgeber keine (ausnahmsweise) Einzelfallbeurteilung anhand eines reinen Antikörpertests zulassen.
39
Auch wenn ein Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines Genesenennachweis aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG schon mangels Vorliegen eines Nukleinsäurenachweises ausscheidet, kommt ein solcher Anspruch auch nicht aufgrund der zeitlichen Beschränkung des Genesenenstatus ab Testung in Betracht. Denn auch diese bedingt keinen ungerechtfertigten Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
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Zwar stellte die zeitliche Begrenzung des Genesenenstatus eine Ungleichbehandlung von Genesenen wie dem Kläger, deren Infektion länger als die festgelegten Genesenenstatusdauer zurückliegt, gegenüber Geimpften und Genesenen, deren Infektion innerhalb der zeitliche Begrenzung des Genesenenstatus lag, dar. Die Ungleichbehandlung ist jedoch gerechtfertigt.
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Gesicherte Erkenntnisse, wonach die nach einer überstandenen Infektion bestehende Immunität auch über einen Zeitraum von 90 Tagen nach der zugrundeliegenden Testung hinaus fortbesteht, gibt es nicht (vgl. etwa RKI: Fachliche Vorgaben des RKI für COVID-19-Genesenennachweise https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Genesenennachweis-old.html, Stand: 3. Februar 2022, außer Kraft seit 19.3.2022, zuletzt abgerufen am 29.7.2022). Nach der fachlichen Einschätzung des RKI, deutet die bisherige wissenschaftliche Evidenz darauf hin, dass Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion mit der Deltavariante oder einer früheren Virusvariante einen im Vergleich zur Reinfektion mit der Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion mit der Omikronvariante haben (vgl. BVerfG, B. v. 27.4.2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 175, 201). Die vorliegenden Studien zeigten danach insbesondere, dass es unter zuvor Infizierten und nicht geimpften Personen häufig zu Reinfektionen komme (RKI: Fachliche Vorgaben des RKI für COVID-19-Genesenennachweise https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Genesenennachweis-old.html, Stand: 3. Februar 2022, außer Kraft seit 19.3.2022, zuletzt abgerufen am 29.7.2022). Die vom Kläger vorgelegten zahlreichen Studien und Aussagen verschiedenster Mediziner und Wissenschaftler, denen er entnimmt, Genesene seien weitaus länger als sechs Monate vor SARS-CoVInfektionen bzw. schweren Krankheitsverläufen geschützt, führen zu keiner abweichenden Bewertung. Weder führen sie dazu, dass eine geklärte Sachlage in Bezug auf den Schutz Genesener gegen Infektionen oder schwere Krankheitsverläufe vorliegt, noch sind sie dazu geeignet, die Expertise des Robert-Koch-Instituts zu erschüttern, dessen Einschätzung der Gesetzgeber im Bereich des Infektionsschutzes mit § 4 IfSG besonderes Gewicht eingeräumt hat, indem er ihm die Aufgabe zugewiesen hat, die zur Beurteilung von Maßnahmen der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten benötigten Informationen zu erheben und zu evaluieren. Hierzu gehört es auch, die Erkenntnisse zu solchen Krankheiten durch Auswertung und Veröffentlichung der Daten zum Infektionsgeschehen in Deutschland und durch die Auswertung verfügbarer Studien aus aller Welt fortlaufend zu aktualisieren und für die Bundesregierung und die Öffentlichkeit aufzubereiten (BVerfG, B.v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - juris Rn. 178). Anhaltspunkte für eine insoweit unzureichende Aufgabenerfüllung, sind schon angesichts des dynamischen Pandemieverlaufs mit dem Auftreten mehrerer Virusvarianten nicht ersichtlich (BVerfG, B.v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - juris Rn. 191). Sie ergeben sich insbesondere auch nicht durch die vom Kläger vorgelegten Veröffentlichungen, da diese lediglich belegen, dass unterschiedliche wissenschaftliche Aussagen zur Dauer des Immunschutzes nach einer durchgemachten Corona-Erkrankung existieren, wobei anzumerken ist, dass sich der Großteil der durch den Kläger vorgelegten Veröffentlichungen bzgl. der Dauer des Immunschutzes lediglich auf eine Schutzwirkung gegen die Delta-Variante beziehen und nicht auf die Omikron-Varianten. Aufgrund der unterschiedlichen Aussagen zu Dauer des Immunschutzes bestehen dahingehend wissenschaftliche Unwägbarkeiten, weshalb die Möglichkeiten des Gesetzgebers begrenzt waren, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen. In diesen Fällen genügt es, wenn er sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung der ihm verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten orientiert (BVerfG, B. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u. a. - juris, Rn. 171). Dieser Spielraum gründet auf der durch das Grundgesetz dem demokratisch in besonderer Weise legitimierten Gesetzgeber zugewiesenen Verantwortung dafür, Konflikte zwischen hoch- und höchstrangigen Interessen trotz ungewisser Lage zu entscheiden (BVerfG, Be.v. 22.4.2022 -1 BvR 2649/21 - Rn. 152 u. 19.11.2021 -1 BvR 781/21 u.a. - Rn. 171 m.w.N.). Ihm kam daher bei der Festsetzung der zeitlichen Begrenzung des Genesenenstatus ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Be.v. 22.4.2022 - 1 BvR 2649/21 - Rn. 152 und 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. - Rn. 185). Dieser Einschätzungsspielraum besteht aufgrund des nach wie vor anhaltenden Diskurses im fachwissenschaftlichen Bereich auch in tatsächlicher Hinsicht (BVerfG, B.v. 13.5.2020 - 1 BvR 1021/20 - juris Rn. 10; BayVGH, B. v. 7.3.2022 - 20 N 21.1926 - juris Rn. 36). Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber seinen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten haben könnte, wenn er der fachlichen Einschätzung des RKI folgt. Vielmehr hat auch das Bundesverfassungsgericht (B.v. 27.4.2022 - 1 BvR 2649/21 - juris Rn. 201) festgestellt, dass es keine gesicherten Erkenntnisse, wonach die nach einer überstandenen Infektion bestehende Immunität auch über einen Zeitraum von 90 Tagen nach der zugrundeliegenden Testung hinaus fortbesteht, gibt.
42
Soweit sich der Kläger darauf beruft, er habe einen Anspruch auf Ausstellung eines Genesenennachweises gehabt, da ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliege, weil der Impfstatus im Gegensatz zum Genesenenstatus unbefristet bestehe, ist ihm - ungeachtet dessen, dass ein solcher Anspruch bereits mangels Nukleinsäurenachweis ausscheidet - insbesondere entgegenzuhalten, dass inzwischen aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass für einen guten Schutz vor Infektion mit der Omikron-Variante drei Antigenkontakte notwendig sind (vgl. GfV, 3. Aktualisierte Stellungnahme zur Immunität von Genesenen m.w.N., https://g-f-v.org/3-aktualisierung-immunitaet-genesener/, zuletzte aufgerufen am 29.7.2022) eine zeitliche Beschränkung des Impfstatus für nur zweifach Geimpfte besteht, da diese ab 1. Oktober 2022 nunmehr keinen Impfstatus mehr innehaben (vgl. § 22a Abs. 1 IfSG).
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Die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG zu der Frage, ob § 22a Abs. 2 IfSG verfassungskonform ist, ist unter Berücksichtigung des oben Gesagten nicht angezeigt. Nach Überzeugung des Gerichts ist eine Verfassungswidrigkeit nicht gegeben. Die Klage ist daher bereits unzulässig.
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Ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme, wäre die Klage infolge der vorstehenden Erwägungen auch mangels Anspruchs auf Ausstellung eines Genesenennachweis unbegründet.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
46
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.