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VG München, Urteil v. 09.08.2022 – M 5 K 21.6497
Titel:

Rechtswidrige Rückforderung von unbefristet gewährten Berufungs-Leistungsbezügen an Professorin

Normenketten:
BayBesG Art. 70
BayHLeistBV § 4
BayVwVfG Art. 38
Leitsatz:
Je länger ein Hochschullehrer bzw. eine Hochschullehrerin an der Hochschule tätig war, desto mehr stellt sich die vom Normgeber bzw. der Universitätsverwaltung zu beantwortende Frage, ob die Rückforderung der vollen gewährten Berufungs-Leistungsbezüge bei einem Wechsel der Hochschule vor Ablauf von drei Jahren noch angemessen ist (hier: einjährige Tätigkeit mit Einwerbung von Mitteln für Forschungsprojekte). (Rn. 29 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Universitätsprofessorin, Berufungs-Leistungsbezüge, Kein Entgeltcharakter, Verhältnismäßigkeit, Rückzahlung des vollen Betrags, Fehlende Erwägungen, Professor, Entgeltcharakter, Rückforderung, fehlende Erwägungen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21419

Tenor

I. Der Bescheid der … Universität M* … vom … März 2021 sowie deren Widerspruchsbescheid vom … November 2021 werden aufgehoben.
II.Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Tatbestand

1
Die Klägerin wurde mit Wirkung zum … April 2014 zur Universitätsprofessorin (Besoldungsgruppe W 2) an der … Universität M* … im Beamtenverhältnis auf Zeit für die Dauer von sechs Jahren ernannt. Für die Dauer der Professur erhielt sie einen befristeten Berufungs-Leistungsbezug in Höhe von 600 EUR/Monat.
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Mit Wirkung zum … April 2020 wurde die Klägerin zur Universitätsprofessorin der Besoldungsstufe W 3 an der … Universität M* … im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ernannt. Mit Schreiben der Universität wurde der Professorin ein Angebot für die Berufung in das Beamtenverhältnis der Besoldungsstufe W 3 unterbreitet, das u.a. lautet:
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„Darüber hinaus erhalten Sie einen Leistungsbezug (in Form eines Berufungs-Leistungsbezugs) in Höhe von 2.400 EUR/Monat. Dieser Leistungsbezug wird unbefristet gewährt.“
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Weiter ist in diesem Schreiben unter der Überschrift „
VI. Wichtige Hinweise“ aufgeführt:
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„Bitte beachten Sie, dass die gewährten unbefristeten und befristeten Leistungsbezüge in voller Höhe zurückzuzahlen sind, wenn innerhalb von drei Jahren seit Gewährung ein Wechsel an eine andere Hochschule erfolgt; diese Rückzahlungsverpflichtung besteht auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 Satz 3 der Vergabegrundsätze der Universität.“
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Die Klägerin nahm mit Schreiben vom … März 2020 das Berufungsangebot an.
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Mit bestandskräftigem Bescheid der Universität vom … März 2020 wurden der Klägerin mit Wirkung zum *. April 2020 unbefristete Berufungs-Leistungsbezüge gem. Art. 70 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) i.V.m. § 3 der Verordnung über die Gewährung von Hochschulleistungsbezügen und einer Nebenamtsvergütung (Bayerische Hochschulleistungsbezügeverordnung - BayHLeistBV) gewährt. Weiter ist dort festgehalten, dass die bisherigen Leistungsbezüge ab dem *. April 2020 entfallen.
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Mit Wirkung zum … März 2021 wurde die Klägerin auf eigenen Antrag aus dem Beamtenverhältnis zum Beklagten entlassen und nahm den Ruf an eine andere Universität (Universität A., außerhalb des Freistaats Bayern) an.
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Mit Bescheid vom *. März 2021 wurde festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet sei, die bisher gewährten Berufungsleistungsbezüge (befristet sowie unbefristet) zurückzuzahlen. Denn es seien im Zeitpunkt des Ausscheidens weniger als drei Jahre seit ihrer Berufung auf die W3-Professur vergangen. Das Landesamt für Finanzen werde die Berufungsleistungsbezüge zurückfordern.
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Hiergegen erhob sie fristgemäß Widerspruch. Im Rahmen des Besoldungsangebots auf die W3-Professur sei ihr mündlich zugesichert worden, dass es sich dabei nicht um Bleibeverhandlungen gehandelt habe. Zur Abwehr des Rufs an eine andere Universität sollten ausdrücklich weitere Verhandlungen erst bei Vorliegen entsprechender Angebote geführt werden. Die Berufungs-Leistungsbezüge dürften nach der neueren Rechtsprechung nicht zurückgefordert werden, sie hätten auch Entgeltcharakter. Die vereinbarten Bezüge zuzüglich Berufungs-Leistungsbezügen entsprächen auch ihrem Leistungslevel. Außerdem verbleibe mit ihrem Weggang von der Universität dort eine Programmpauschale, die im Rahmen einer Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft für einen Sonderforschungsbereich gewährt worden sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom … November 2021 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Eine Absprache, ob Leistungsbezüge vor Ablauf von drei Jahren seit der letzten Gewährung aus Anlass von Berufungs- und Bleibeverhandlungen erhöht oder neu vergeben werden könnten, beträfe nur eine neue Gewährung anlässlich von Bleibeverhandlungen. Für die Beurteilung der Festsetzung der Rückforderung nach Weggang innerhalb der dreijährigen Frist sei das irrelevant. Die von der Klägerin zitierte neuere Rechtsprechung betreffe befristete Leistungsbezüge und nicht die Konstellation der ihr gewährten unbefristeten Leistungsbezüge. Die Rückforderung der ausdrücklich gewährten unbefristeten Berufungsleistungsbezüge sei ausdrücklich im Gesetz vorgesehen. Diese Berufungs-Leistungsbezüge hätten auch keinen Entgeltcharakter. Das Leistungsniveau werde bereits vor der Berufung festgestellt. Durch die Berufungs-Leistungsbezüge würde das Vertrauen der Universität manifestiert, dass die Professorin mindestens drei weitere Jahre an der Universität verbleibe. Die Rückforderung sei daher auch verhältnismäßig.
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Am 16. Dezember 2021 hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt,
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Der Bescheid der … Universität M* … über die Feststellung der Rückzahlung von Berufungs-Leistungsbezügen vom *. März 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … November 2021, der Klägerin zugegangen am … November 2021, wird aufgehoben.
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Die neuere Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur Rückforderung befristeter Berufungs-Leistungsbezüge sei auch auf den vorliegenden Fall der unbefristeten Berufungs-Leistungsbezüge anzuwenden. Denn auch diese Leistungsbezüge würden für eine nach Ernennung im Dienstverhältnis erbrachte Leistung gewährt. Den Berufungs-Leistungsbezügen komme auch Entgeltcharakter zu. Schon der Bezeichnung nach seien sie Bestandteile der Besoldung. Nach den Vergabegrundsätzen würden die Berufungs-Leistungsbezüge der Gewinnung von qualifizierten Wissenschaftlern dienen. Sie würden die Wertigkeit zum Ausdruck bringen und es würden entsprechend bewertete Gegenleistungen erbracht. Bei einer Rückzahlung würde die Klägerin im Ergebnis nur entsprechend einer durchschnittlichen Leistung in Forschung und Lehre bezahlt. Das widerspreche den Vergabegrundsätzen der Universität. Außerdem habe sie dazu beigetragen, dass ein Sonderforschungsbereich gefördert worden sei, wobei die Programmpauschale in jedem Fall bei der Universität verbleibe. Auch die Berufsfreiheit falle hier stark ins Gewicht. Denn die von der Klägerin angetretene Professur außerhalb Bayerns sei einer der größten Lehrstühle im Fachgebiet der Klägerin in Europa. Eine entsprechende Stellung hätte die Klägerin an der … Universität erst frühestens nach drei Jahren erreichen können. Das Interesse am beruflichen Fortkommen der Klägerin überwiege daher.
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Die Regierung von Oberbayern - Prozessvertretung - hat für den Beklagten beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die von der Klägerseite angeführte Rechtsprechung habe nur befristet gewährte Berufungs-Leistungsbezüge betroffen. Vorliegend gehe es aber um unbefristet gewährte Berufungs-Leistungsbezüge. Diese hätten aber keinen Entgeltcharakter. Das habe der Gesetzgeber bei der jüngsten Änderung des Art. 70 BayBesG ausdrücklich betont. Die Universität habe ihr Interesse, die Klägerin aus Gründen der Planungssicherheit eine gewisse Zeit zu binden, durch die Gewährung der unbefristeten Bleibe-Leistungsbezüge zum Ausdruck gebracht. Die Frist von drei Jahren stelle eine gesetzgeberische Abwägung der widerstreitenden Interessen dar. Auch mit Blick auf das Interesse der Klägerin an ihrem beruflichen Fortkommen sei vorliegend die Rückforderung gerechtfertigt.
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Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 20. Juni 2022, die Regierung von Oberbayern mit Schriftsatz vom 13. Juni 2022 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Streitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich die Beteiligten übereinstimmend mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
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Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der … Universität M* … vom … März 2021 wie auch deren Widerspruchsbescheid vom … November 2021 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Streitgegenständlich ist nur die Rückforderung der unbefristet gewährten Berufungs-Leistungsbezüge in Höhe von 2.400,- EUR monatlich.
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1. Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Berufungs-Leistungsbezüge ist Art. 70 Abs. 3 Satz 2 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG). Danach kann festgelegt werden, dass unbefristet wie befristet vergebene Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge zurückzuzahlen sind, wenn der Professor oder die Professorin innerhalb von drei Jahren seit Gewährung dieser Leistungsbezüge an eine andere Hochschule wechselt.
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Eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung ist in dem Rufangebot der Universität vom … März 2020 unter „VI. Wichtige Hinweise“ festgelegt. Das entspricht auch der in § 2 Abs. 3 Satz 3 der Vergabegrundsätze der Universität festgelegten Selbstbindung der Verwaltung (BayVGH, U.v. 18.8.2017 - 3 BV 16.132 - VGHE 70,188, juris Rn. 40). Der Umstand, dass die Rückzahlungsverpflichtung nicht auch im Festsetzungsbescheid für die Hochschulleistungsbezüge vom … März 2020 aufgenommen ist, steht dem nicht entgegen. Denn das Schreiben vom … März 2020 stellt sich als Zusage analog Art. 38 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) dar (so ausdrücklich: BayVGH, a.a.O., juris Rn. 39; vgl. auch VG Würzburg, U.v. 24.11.2015 - W 1 K 14.811 - juris Rn. 21 ff.; Kathke in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: April 2022, Art. 70 BayBesG Rn. 7). Der Bescheid vom … März 2020 stellt lediglich die formale Voraussetzung für die Auszahlung der Leistungsbezüge dar. Die als Auflage zu qualifizierende Rückforderungsmöglichkeit (VG Würzburg, U.v. 24.112015 - W 1 K 14.811 - juris Rn. 27) ist davon getrennt zu sehen und sowohl in der Zusage im Schreiben vom … März 2020 enthalten wie auch als Grundsatz der Universität bei der Vergabe von Leistungsbezügen in § 2 Abs. 3 Satz 3 der Vergabegrundsätze der Universität festgelegt. Die Universität war auch befugt, aufgrund der Regelung in Art. 70 Abs. 3 Satz 2 BayBesG hinsichtlich der ihrer Ansicht nach zurückzuzahlenden Leistungsbezüge durch Bescheid die Verpflichtung zur Rückzahlung festzustellen (BayVGH, a.a.O., juris Rn. 39).
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3. Es mag sein, dass die Universität grundsätzlich berechtigt ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die unbefristet gewährten Berufungs-Leistungsbezüge zurückzuzahlen sind. Denn in der vorliegenden Konstellation der Gewährung von unbefristeten Berufungs-Leistungsbezügen an eine Professorin als Beamtin auf Lebenszeit in der Besoldungsgruppe W 3 kann durchaus ein Vorrang der Belange der Universität vor den Karrierechancen der Professorin gesehen werden. Dem entspricht die Intention der in Art. 70 Abs. 3 Satz 2 BayBesG geregelten Rückzahlungsverpflichtung (LT-Drs. 16/3200, S. 418; Kathke in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: April 2022, Art. 70 BayBesG Rn. 15).
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Art. 12 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland - Grundgesetz/GG mag bei der Rückzahlungsverpflichtung von befristet beschäftigten Hochschullehrern, denen ein befristeter Berufungs-Leistungsbezug gewährt wird, ein so hohes Gewicht beizumessen sein, dass mit Blick auf deren lange Ausbildungsdauer und der fehlenden Möglichkeit, im akademischen Mittelbau eine unbefristete Anstellung zu erlangen, in diesen Fällen eine Rückzahlungsverpflichtung als unverhältnismäßig erscheint (ausdrücklich: BayVGH, a.a.O., juris Rn. 46).
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Vorliegend handelt es sich jedoch um den Fall einer Professorin im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in der Besoldungsgruppe W 3. Diese hat bei der … Universität eine unbefristete Anstellung. Wechselt diese die Hochschule, mag das ein weiterer Karriereschritt auf Lehrstühle mit höherer wissenschaftlicher Reputation sein. Diese Karrierechancen haben aber ein wesentlich geringeres Gewicht als das Interesse eines befristet beschäftigten Hochschullehrers, eine unbefristete Beschäftigung im Hochschulbereich zu erhalten.
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Zudem kann den Berufungs-Leistungsbezügen im vorliegenden Fall kein Entgeltcharakter zugemessen werden. Auch wenn im Änderungsantrag einiger Abgeordneter des Bayerischen Landtags vom 4. April 2018 (LT-Drs. 17/21511), vom Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes am 25. April 2018 einstimmig dem Landtag zur Zustimmung empfohlen (LT-Drs. 21870, S. 2), davon die Rede ist, dass die Leistungsbezüge keine Gegenleistung zu den Tätigkeiten des Hochschullehrers oder der Hochschullehrerin an der Hochschule darstellten, so ist das keine legislatorische Festlegung. Vielmehr muss im Einzelfall geklärt werden, ob den Berufungs-/Bleibe-Leistungsbezügen (nicht doch) der Charakter einer Gegenleistung zukommt.
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Zwar ist im Schreiben vom … März 2020 ausdrücklich davon die Rede, dass aufgrund der von der Klägerin bislang gezeigten Leistungen das finanzielle Berufungsangebot unterbreitet werde, das auch die unbefristeten Berufungs-Leistungsbezüge umfasst. Das Ausschöpfen der Entlohnungsskala mag für eine Gesamthonorierung der erwarteten Leistung (nach der Diktion des Klägerbevollmächtigten „Marktwert“) sprechen (vgl. hierzu BayVGH, a.a.O., Rn. 48). Andererseits lag vor der Berufung der Klägerin an die … Universität auch ein externes Angebot vor (so E-Mail von Dr. B. an die Klägerin vom …2.2020, Anlage K 3). Das wird auch in der Klagebegründung vom 21. Januar 2022 bestätigt. Dort ist davon die Rede, dass die Klägerin Ende Januar 2020 einen Ruf auf eine Full Professur an die Universität A. erhalten hatte und im Berufungsverfahren an der Universität B. an erster Stelle gesetzt worden war. Damit erhalten die Berufungs-Leistungsbezüge eine wesentliche Prägung in dem Sinn, dass diese nicht ohne weiteres als Gegenleistung für geleistete Dienste anzusehen sein würden, sondern dazu dienen, die Klägerin als Professorin auf eine W 3-Stelle zu gewinnen bzw. an der … Universität zu halten (vgl. hierzu BayVGH, a.a.O., Rn. 48).
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4. Die Feststellung der Verpflichtung zur Rückzahlung der gesamten an die Klägerin bezahlten unbefristeten Berufungs-Leistungsbezüge im Zeitraum vom *. April 2020 bis … März 2021 stellt sich deshalb als rechtswidrig dar, da jegliche konkrete Auseinandersetzung mit der Frage fehlt, ob die Rückzahlungsverpflichtung der in dem Tätigkeitszeitraum an der … Universität an die Klägerin gezahlten Berufungs-Leistungsbezüge in vollständiger Höhe verhältnismäßig ist. Weder Art. 70 BayBesG noch § 3 BayHLeistBV oder die Vergabegrundsätze für die Leistungsbezüge beinhalten eine Vorgabe zur Klärung der Verhältnismäßigkeit eines Rückzahlungsverlangens der vollen gewährten Leistungsbezüge. Auch der Bescheid der … Universität vom *. März 2021 wie deren Widerspruchsbescheid vom … November 2021 setzen sich mit dieser Problematik nicht ansatzweise auseinander.
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Dabei drängt sich aber die Frage auf, ob und wie der tatsächlich abgeleistete Anteil des Dreijahreszeitraums die volle Rückzahlungspflicht beeinflusst. Denn je länger ein Hochschullehrer bzw. eine Hochschullehrerin an der Hochschule tätig war, desto mehr stellt sich die Frage, ob die Rückforderung der vollen gewährten Berufungs-Leistungsbezüge noch angemessen ist. Dabei können gerade gegen Ende des Dreijahreszeitraums erhebliche Rückzahlungsbeträge erreicht werden, obwohl mit fortschreitendem Zeitablauf das Berufungs- bzw. Halteinteresse der Universität entsprechend geringer zu bewerten ist. Wie diese beiden Gegenpole in einen angemessenen Ausgleich zu bringen sind, ist Sache des Normgebers bzw. der Universitätsverwaltung und kann nicht im Rahmen der Regelung der Rückzahlungsmodalitäten nach Art. 15 Abs. 2 BayBesG erfolgen, sondern muss im Rahmen der Frage der Rückzahlungsverpflichtung als solcher geklärt werden (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 50; zu Zweifeln an der vollen Rückzahlungspflicht auch VG Würzburg, U.v. 24.11.2015 - W 1 K 14.811 - juris Rn. 33 f.).
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Mit Blick auf den vorliegenden Fall, in dem die Klägerin einen Zeitraum von einem Jahr an der Universität tätig war, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es unverhältnismäßig ist, die vollen Berufungs-Leistungsbezüge zurückzufordern, da die Professorin immerhin ein Drittel des von der … Universität bezweckten Zeitraums abgeleistet hat. Auch wenn die Situation mit Beamtenanwärtern der dritten Qualifikationsebene nicht vergleichbar ist, sei doch darauf hingewiesen, dass in Nr. 75.2.2 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 22.12.2020, FMBl 2011, S. 9, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 22.10.2018, FMBl S. 186) festgelegt ist, dass sich bei einem Ausscheiden nach der Ernennung zum Beamten/Beamtin auf Probe der zurückzuzahlende Betrag der Anwärterbezüge für jedes volle geleistete Dienstjahr um ein Fünftes reduziert. Diese Verwaltungsvorschriften zeigen, dass sich die Frage nach einem „Abschmelzen“ (so: BayVGH, a.a.O., Rn. 50) eines Rückzahlungsbetrages nach geleisteten Dienstjahren dem Dienstherrn aufdrängt und gelöst werden muss. Aber auch nach dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. August 2017 (3 BV 16.132 - VGHE 70, 188, juris Rn. 50) hatte die Universität Veranlassung, dieser Frage nachzugehen. Schließlich fehlt auch eine Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls. Dabei muss sich die Universität mit der Argumentation auseinandersetzen, ob und inwieweit sich das Einwerben von Mitteln für Forschungsprojekte durch die Klägerin auf die Rückzahlungsverpflichtung auswirkt.
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5. Der Beklagte hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.