Titel:
Dienstunfall, Teilruptur LFC, Rücknahme einer Dienstunfallfolge, Amtsermittlung, Kein weiteres Gutachten erforderlich
Normenketten:
BayVwVfG Art. 48
BayBeamtVG Art. 46
Schlagworte:
Dienstunfall, Teilruptur LFC, Rücknahme einer Dienstunfallfolge, Amtsermittlung, Kein weiteres Gutachten erforderlich
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21414
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger steht als verbeamteter Lehrer an der E.-P.-Schule in G. in Diensten des Beklagten.
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Am … Mai 2017 knickte der Kläger beim Sportunterricht auf dem Sportplatz des Sonderpädagogischen Förderzentrums mit dem linken Sprunggelenk um und zog sich verschiedene Verletzungen zu. Mit Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom … Juli 2017 wurde der Unfall als Dienstunfall anerkannt. Als Dienstunfallfolge wurde festgestellt:
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„Sprunggelenksdistorsion links mit subtotaler Ruptur LFTA und mäßiger Teilruptur des LFC“.
4
Mit Schreiben vom … Juni 2018 erklärte der Kläger, weiterhin an unfallbedingten Beschwerden zu leiden. Der Beklagte holte daraufhin weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers sowie ein Gutachten beim Referat für Gesundheit und Umwelt bei der Landeshauptstadt M. ein.
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In dem Gutachten des Gesundheitsamtes vom … November 2018 kommt Dr. med W. u. a. zu dem Ergebnis, dass die „mäßige Teilruptur des LFC“ durch den Radiologen im Haus nicht bestätigt werden konnte, sondern lediglich eine Elongation (nicht unfallbedingt) vorliege. In dem maßgeblichen Bericht des Radiologen Dr. med. G. vom … November 2018 über die Befundung der MRT-Aufnahmen vom … Mai 2017 und vom … August 2018 führt dieser aus, dass in der Ausgangsuntersuchung das LFTA eine inkomplette Ruptur zeige, wobei der erhaltene distale Anteil eine Verdickung und erhöhte Signalintensität als Ausdruck einer Zerrung aufweise. Das LFC sei elongiert, jedoch durchgängig nachweisbar. In der Folgeuntersuchung zeige sich das LFTA im distalen Bereich verdickt und narbig verändert. Das LFC sei unverändert elongiert und durchgängig.
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Mit Schreiben vom … Dezember 2018 teilte das Landesamt für Finanzen dem Kläger mit, dass die mit Bescheid vom … Juli 2017 anerkannte mäßige Teilruptur des LFC nicht habe bestätigt werden können. Es sei daher beabsichtigt, die bisher als Dienstunfall anerkannte Teilruptur des LFC links zurückzunehmen.
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Mit Bescheid vom … Januar 2019 nahm das Landesamt für Finanzen den Bescheid vom … Juli 2017 insoweit zurück, als darin eine mäßige Teilruptur des LFC links als Folge des Dienstunfalls vom … Mai 2017 anerkannt worden ist. Eine Verletzung des LFC links als Dienstunfallfolge werde abgelehnt. Da die Voraussetzungen für die Anerkennung der mäßigen Teilruptur des LFC von Anfang an nicht vorgelegen hätten und dies der Behörde nicht bekannt gewesen sei, sei der Bescheid auch für die Vergangenheit zurückzunehmen.
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Mit Schreiben vom … Februar 2019 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom … Januar 2019 ein, der mit Schreiben vom … Mai 2019 begründet wurde. Unter Vorlage von Stellungnahmen der behandelnden Ärzte des Klägers trägt dieser vor, dass keinerlei Vorerkrankung bei ihm vorliege. Sämtliche Beschwerden seien erst nach und damit ausschließlich im Zusammenhang mit dem Unfallereignis am … Mai 2017 aufgetreten. Es handle sich damit nicht um ein anlagebedingtes Leiden. Im ärztlichen Attest vom … März 2019 führt Dr. P. aus, dass vor dem Dienstunfall im Mai 2017 beim Kläger niemals eine Verletzung oder Veränderung des Sprunggelenkes vorgelegen habe. Seit dieser Zeit habe der Kläger persistierende Beschwerden im Bereich des linken Sprunggelenkes. Die im Mai 2018 durchgeführte Kernspintomographie habe eine stattgehabte Ruptur sowie eine Quetschverletzung des Deltabandes mit Lockerung und Reizung der Peronealsehne und einer Ganglionzyste im Bereich des Sinus tarsi als mögliches Überlastungszeichen und Instabilitätszeichen gezeigt. Klinisch liege eine erhebliche Instabilität des linken Sprunggelenkes vor, vermehrter Talusvorschub und Druckschmerz über dem Deltaband. Im Vordergrund stehe eindeutig eine sehr ausgeprägte laterale Instabilität. Mit Schreiben vom … Mai 2019 bescheinigte die behandelnde Ärztin des Klägers Dr. med. R. aufgrund der aktuell fortbestehenden Beschwerden und der vorhandenen subjektiven Beschwerdefreiheit bis zum Unfallereignis vom … Mai 2017 (richtig: … Mai 2017) einen 100%igen Zusammenhang zwischen der aktuell bestehenden lateralen Instabilität und dem Unfallereignis vom … Mai 2017.
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Mit Schreiben vom … September 2019 nahm der Gutachter der Landeshauptstadt M. Dr. med. W. zu den vom Kläger vorgelegten Attesten Stellung. In Zusammenschau sämtlicher erhobener Befunde unter besonderer Würdigung der MRT-Befunde könne die Sprunggelenksdistorsion vom … Mai 2017 nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als wesentliche Ursache für die Sprunggelenksinstabilität angesehen werden. Der Radiologe habe seine Diagnose, wonach das Ligamentum fibulotalare anterius (LFTA) im körperfernen Anteil teilruptiert sei und im Verlauf narbig ausgeheilt sei, bestätigt. Bei einer Teilruptur komme es zu keiner vollständigen Kontinuitätsunterbrechung. Daher sei ein Auseinanderweichen der Stümpfe nicht aufgetreten. Nach narbiger Ausheilung sei somit auch mit keiner lateralen Instabilität zu rechnen. Das Ligamentum fibulocalcaneare (LFC) stelle sich zwar diskret elongiert dar, jedoch ohne Hinweis auf eine frische Traumafolge. Der von Dr. P. beschriebene vermehrte Talusvorschub könne klinisch bestätigt werden, sei aber auch anlagebedingt oder durch ein elongiertes Ligamentum fibulocalcaneare (LFC) erklärbar.
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Mit Widerspruchsbescheid vom … Oktober 2019, dem Kläger zugestellt am … Oktober 2019, wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Die mäßige Teilruptur des LFC links sei nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen worden. Zwar trage die Behörde im Falle einer Aufhebung eines Anerkennungsbescheids grundsätzlich die materielle Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der Rechtswidrigkeit des erlassenen Verwaltungsaktes. Die Behörde genüge ihrer Beweislast bei der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes jedoch schon dadurch, dass sie nachweise, dass beim Erlass des Verwaltungsakts dessen Voraussetzungen nicht nachgewiesen waren. Dies habe zur Folge, dass die Behörde der sie treffenden materiellen Beweislast dann nachgekommen sei, wenn sich im Verfahren herausstelle, dass der Nachweis der Kausalität zwischen Unfall und Körperschaden für den Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsakts nicht zu führen sei. Die Rücknahme sei fehlerfrei erfolgt. Ein schutzwürdiges Vertrauen liege nicht vor. Dem berechtigten Interesse des Klägers werde dadurch genüge getan, dass die bereits endgültig erstatteten Heilbehandlungskosten belassen würden und die vorläufigen Zahlungen unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung für den Fall bewilligt worden seien, dass die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt, nicht notwendig oder nicht angemessen seien. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am … Oktober 2019 zugestellt.
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Mit Schriftsatz vom 14. November 2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
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Der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom … Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … Oktober 2019 wird aufgehoben.
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Die Ausführungen des Beklagten würden den allgemeinen Grundsätzen der Beweislastverteilung widersprechen. Die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung gehe auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zurück. Dort werde die Auffassung jedoch nicht näher begründet. Im Falle der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts trage grundsätzlich die Behörde die Beweislast dafür, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig sei. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn die Unerweislichkeit auf einem gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßenden unlauteren Verhalten des Begünstigten beruhe. Der Beweis sei erst dann geführt, wenn die Behörde nachweise, dass die Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts im Erlasszeitpunkt nicht vorgelegen hätten. Dieser Beweis sei seitens des Beklagten nicht geführt. Aufgrund der Aussage des Radiologen des Referats für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt M. könne nicht davon ausgegangen werden, dass die von Prof. Dr. H. getroffene Diagnose nicht zutreffend sei. Der medizinischen Beurteilung des Amtsarztes komme kein unbedingter Vorrang vor der Beurteilung des behandelnden Privatarztes zu. Durch die amtsärztliche Aussage sei das Nichtvorliegen einer mäßigen Teilruptur des LFC nicht erwiesen. Vielmehr werde das Vorliegen bestätigt. Dass dieses auch anlagebedingt oder durch elongiertes Lig. fibulocalcaneare erklärbar sei, führe nicht dazu, dass die Anerkennung der Teilruptur des LFC als Unfallfolge als rechtswidrig erwiesen werde. Der Radiologe Prof. Dr. H habe sich kürzlich nochmals die Bilder der Untersuchung vom … Mai 2017 angesehen und den damaligen Befund ausdrücklich bestätigt. Dabei habe er sich mit den vorliegenden Befunden befasst.
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Mit Schriftsatz vom 13. Januar 2020 hat das Landesamt für Finanzen für den Beklagten die Akten vorgelegt und beantragt,
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Grundsätzlich trage der Beamte, der einen Dienstunfall geltend mache, die materielle Beweislast sowohl für das Vorliegen der behaupteten Verletzungen als auch für den Nachweis des Kausalzusammenhangs. Daran ändere auch die Rücknahme der Anerkennung von Unfallfolgen nichts. Es komme zu keiner Beweislastumkehr. Die Rücknahme der mäßigen Teilruptur des LFC links beruhe auf einer Untersuchung des Klägers durch den Amtsarzt Dr. W. Auffallend sei, dass bei den zeitnächsten Befunden zum Unfall (*.7.2017 und …7.2017) keine Hinweise auf eine Instabilität vorgelegen hätten. Erst am … November 2017 werde beschrieben, dass der Kläger eine Instabilität verspüre. Bei einem Unfallzusammenhang wäre sofort eine Instabilität zu erwarten gewesen. Die nochmalige Auswertung des MRT durch die Radiologen des Referats für Gesundheit und Umwelt habe lediglich die narbig ausgeheilte Teilruptur des Ligamentum fibulotalare anterius im körperfernen Anteil ergeben, hinsichtlich des LFC jedoch nur eine nicht unfallbedingte Elongation. Ein Hinweis auf eine frische Traumafolge habe nicht bestanden. Der Nachweis einer Teilruptur des LFC sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit geführt worden. Die vorgelegte E-Mail des Dr. H. sei nicht geeignet, die amtsärztliche Stellungnahme in Zweifel zu ziehen. Einer amtsärztlichen objektiven Stellungnahme sei Vorrang vor einer Stellungnahme des behandelnden Arztes zu geben.
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Am … November 2019 wurde der Kläger am linken Sprunggelenk operiert.
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Mit E-Mail vom … November 2019 nahm Prof. Dr. med. H. - der Radiologe, der die Diagnose am … Mai 2017 gestellt hatte, die Grundlage für den Bescheid vom … Juli 2017 gewesen ist - Stellung und bestätigte seine damals getroffene Diagnose. Die damals vorliegende subtotale Ruptur des LFTA sei eine fast komplette Ruptur, die in aller Regel erst einmal eine Instabilität verursache. Letztere sei bei zeitgleichem Vorliegen einer Teilruptur des LFC in der Regel stärker ausgeprägt. Um die Stabilität beurteilen zu können, stehe die klinische Untersuchung an erster Stelle. Die Stabilität oder Instabilität könne die MRT nicht direkt beurteilen. Eine durchgehende Bandstruktur bedeute nicht automatisch, dass ein Band Stabilität gebe. Wenn der Kläger wegen Talusvorschub (= anteriore Instabilität) operiert werde, gebe es aus seiner Sicht keinen Zweifel an einer funktionellen Instabilität.
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Mit Gesundheitszeugnis vom … Dezember 2019 stellte der Amtsarzt Dr. med. W. abschließend fest, dass die noch angegebenen therapiebedürftigen Beschwerden des Klägers nicht in ursächlichem Zusammenhang mit dem dienstunfallbedingten Körperschaden stehen würden.
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Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2022 Beweis erhoben über das Vorliegen unfallbedingter körperlicher Schäden beim Kläger aufgrund des Dienstunfalls vom … Mai 2017 durch Einvernahme von Dr. med. W. als sachverständigen Zeugen.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie insbesondere wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 2. Februar 2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom … Januar 2019 sowie der Widerspruchsbescheid vom *. Oktober 2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
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1. Die teilweise Rücknahme des bestandskräftigen Bescheids vom … Juli 2017 hinsichtlich der darin anerkannten Dienstunfallfolge „mäßige Teilruptur des LFC links“ ist rechtmäßig.
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Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids vom … Januar 2019 ist Art. 48 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG). Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) nur unter den Einschränkungen des Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zurückgenommen werden.
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Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rücknahme sind im Fall des Klägers erfüllt; Ziffer 2 des Bescheids vom … Juli 2017 ist insoweit rechtswidrig, als dort als Dienstunfallfolge eine „mäßige Teilruptur des LFC links“ festgestellt wurde. Darüber hinaus ist die Aufhebung zeitlich zulässig und das Ermessen wurde ordnungsgemäß ausgeübt.
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a) Der Bescheid vom … Juli 2017 ist insoweit rechtswidrig als dort als Dienstunfallfolge eine „mäßige Teilruptur des LFC links“ festgestellt wurde.
27
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelten im Fall der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts nach § 48 Abs. 1 VwVfG die allgemeinen Beweisgrundsätze. Grundsätzlich trägt derjenige, der aus einer Norm eine ihm günstige Rechtsfolge ableitet, die materielle Beweislast. In der Situation der Rücknahme zuvor anerkannter Dienstunfallfolgen muss deshalb grundsätzlich der Dienstherr nachweisen, dass die Anerkennung der Dienstunfallfolgen rechtswidrig war. Ihm obliegt der Nachweis, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Dienstunfall und den anerkannten körperlichen Leiden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausscheidet (BVerwG, U.v. 6.5.2021 - 2 C 10/20 - NVwZ 2021, 1546, juris Rn. 19 f.). Dies bedeutet vorliegend, dass der Beklagte seiner materiellen Beweislast dadurch genügt, dass er nachweist, dass bei Erlass des Bescheids vom … Juli 2017, mit dem u.a. eine „mäßige Teilruptur des LFC links“ als Dienstunfallfolge festgestellt worden ist, die Voraussetzungen für die Anerkennung dieses Körperschadens nicht vorgelegen haben.
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Dem ist vorliegend Genüge getan. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer „mäßigen Teilruptur des LFC links“ als Folge des zu Recht als Dienstunfall anerkannten Unfallereignisses vom … Mai 2017 lagen zum Zeitpunkt des ursprünglich anerkennenden Bescheids nicht vor.
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aa) Nach der Legaldefinition des Art. 46 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtenversorgungsgesetzes (BayBeamtVG) ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Als Folgen eines Dienstunfalls können nur Körperschäden anerkannt werden, die durch diesen verursacht wurden.
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Ein äußeres, den Dienstunfall verursachendes Ereignis kann dabei nicht nur ein physisch auf den Körper des Beamten einwirkendes Ereignis sein, sondern auch ein solches, das nur mittelbar krankhafte Vorgänge im Körper auslöst, etwa durch die Verursachung eines seelischen Schocks (vgl. BVerwG, U.v. 9.4.1970 - 2 C 49.68 - BverwGE 35, 133, juris Rn. 14). Unter einem Körperschaden im Sinne des Dienstunfallrechts ist jede über Bagatelleinbußen hinausgehende Verletzung der körperlichen oder seelischen Integrität zu verstehen, mithin auch eine als Folge einer Traumatisierung eingetretene seelische Erkrankung (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2009 - 2 C 134.07 - BVerwGE 135, 176, juris Rn. 24).
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Als Ursachen im Rechtssinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung sind nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen (natürlich-logischen) Sinne anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BVerwG, U.v. 25.2.2010 - 2 C 81.08 - NVwZ 2010, 708, juris Rn. 9). Der Ursachenzusammenhang ist nicht schon dann ausgeschlossen, wenn außer dem Unfall auch andere Umstände (namentlich eine anlage- oder schicksalsbedingte Krankheit oder ein anderes Unfallereignis) als Ursachen in Betracht kommen. In derartigen Fällen ist der Dienstunfall vielmehr dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher Betrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg (Körperschaden) beigetragen hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt (vgl. BVerwG, B.v. 7.5.1999 - 2 B 117/98 - juris Rn. 4).
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Löst ein Unfallereignis ein bereits vorhandenes Leiden aus oder beschleunigt oder verschlimmert es dieses, so ist das Unfallereignis dann nicht wesentliche Ursache für den Körperschaden, wenn das Ereignis von untergeordneter Bedeutung gewissermaßen „der letzte Tropfen war, der das Fass zum Überlaufen brachte“ bei einer Krankheit, „die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen war“. Das Unfallereignis tritt dann im Verhältnis zu der schon gegebenen Bedingung (dem vorhandenen Leiden oder der krankhaften Veranlagung) derartig zurück, dass die bereits gegebene Bedingung als allein maßgeblich anzusehen ist (BayVGH, B.v. 30.1.2018 - 3 ZB 15.148 - juris Rn. 5 m.w.N.). Nicht Ursache im Rechtssinn sind demgemäß sogenannte Gelegenheitsursachen, d.h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, d.h. wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2009 - 2 C 134.07 - BVerwGE 135, 176, juris Rn. 26; U.v. 18.4.2002 - 2 C 22.01 - NVwZ-RR 2002, 761, juris Rn. 10 m.w.N.; OVG NW, U.v. 6.5.1999 - 12 A 2983/96 - juris Rn. 50).
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Der Grundgedanke dieser aus der gesetzlichen Unfallversicherung und der Kriegsopferversorgung übernommenen Kausaltheorie liegt darin, dass der Dienstherr nicht für Folgen haften soll, die nicht seiner Risikosphäre zugerechnet werden können. Die beamtenrechtliche Unfallfürsorge darf nicht dazu führen, dass dem Beamten jedes denkbare Risiko abgenommen wird, auch wenn es sich in gar keiner Weise aus dem Dienst ableitet; vielmehr kann nur eine solche Risikoverteilung sinnvoll sein, die dem Dienstherrn die eigentümlichen und spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit auferlegt, dagegen dem Beamten mindestens die Risiken belässt, die sich aus seinen persönlichen Anlagen und etwa bereits bestehenden Beeinträchtigungen seines Gesundheitszustandes ergeben. Körperschäden auch psychischer Art sind so dem individuellen Lebensschicksal des Beamten und damit seinem Risikobereich zuzurechnen, wenn der Körperschaden jederzeit auch außerhalb des Dienstes bei einer im Alltag vorkommenden Belastungssituation hätte eintreten können (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.2002 - 2 C 22/01 - NVwZ-RR 2002, 761, juris Rn. 11).
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Für das Vorliegen eines Dienstunfalls, eines Körperschadens und der Ursächlichkeit des Dienstunfalls für den Körperschaden ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko bzw. die materielle Beweislast, sowohl für das Vorliegen des behaupteten Körperschadens als auch dafür, dass die Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Bleibt nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht offen, ob die anspruchsbegründenden Voraussetzungen erfüllt sind, geht dies damit zu Lasten des Beamten. Ein Anspruch ist nur dann zuzuerkennen, wenn sowohl das Vorliegen des behaupteten Körperschadens als auch der Kausalzusammenhang mit dem Dienstunfallgeschehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sind (st. Rspr.; vgl. BVerwG, U.v. 22.10.1981 - 2 C 17/81 - NJW 1982, 1893, juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 11.3.1997 - 2 B 127/96 - juris Rn. 5).
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bb) Gemessen an diesen Vorgaben ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger durch den Dienstunfall am … Mai 2017 nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine „mäßige Teilruptur des LFC links“ erlitten hat und damit die Voraussetzungen für die Anerkennung dieses Körperschadens nicht vorlagen.
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(1) In seinem Gutachten vom … November 2018 kommt der sachverständige Zeuge Dr. med. W. zu dem Ergebnis, dass eine „mäßige Teilruptur des LFC“ durch den Radiologen im Hause nicht bestätigt habe werden können, sondern lediglich eine Elongation (nicht unfallbedingt).
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An der Sachkunde und Unparteilichkeit des sachverständigen Zeugen bestehen für die Kammer keine Zweifel. Das Gericht folgt dessen überzeugenden und in sich schlüssigen Ausführungen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO; vgl. Redeker in Redeker/von Oertzen, VwGO, 17. Auflage 2022, § 108 Rn. 3a). Der sachverständige Zeuge hat den Kläger persönlich untersucht und sich mit seiner gesundheitlichen Situation ausführlich befasst. Auch hat er alle relevanten Gutachten und Befunde sowie die relevanten MRT-Aufnahmen der Akten umfassend ausgewertet. Seine Folgerungen beruhen sowohl auf eigenen medizinischen Erkenntnissen als auch auf den in den Akten befindlichen ärztlichen Befunden sowie insbesondere dem Befundbericht des Radiologen des RGU vom … November 2018.
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In seiner Stellungnahme vom … September 2019 begründet er dies schlüssig damit, dass die vorliegenden MRT-Aufnahmen vom … Mai 2017 sowie vom … August 2018 zeigten, dass das Ligamentum fibulotalare anterius (LFTA) im körperfernen Anteil teilruptiert und im Verlauf narbig ausgeheilt sei, das Ligamentum fibulocalcaneare (LFC) sich jedoch nur diskret elongiert darstelle, ohne Hinweis auf eine frische Traumafolge (das wäre z.B. eine Kontinuitätsunterbrechung). Bei einer Teilruptur - die hier beim LFTA vorliege - komme es zu keiner vollständigen Kontinuitätsunterbrechung. Deshalb sei ein Auseinanderweichen der Stümpfe, wie es bei einer kompletten Ruptur möglich wäre, nicht aufgetreten. Nach narbiger Ausheilung sei somit auch mit keiner lateralen Instabilität zu rechnen. Der von Dr. P. im ärztlichen Attest vom … März 2019 beschriebene vermehrte Talusvorschub könne klinisch bestätigt werden, sei aber auch anlagebedingt oder durch ein elongiertes LFC erklärbar.
39
Der sachverständige Zeuge stützt sich dabei maßgeblich auf den Bericht des Radiologen des Referats für Gesundheit und Umwelt (RGU) Dr. med G. vom … November 2018. Dieser hat die beiden MRT-Aufnahmen beurteilt und wie folgt Stellung genommen: In der Ausgangsuntersuchung vom … Mai 2017 zeige das LFTA eine inkomplette Ruptur, wobei der erhaltene distale Anteil eine Verdickung und erhöhte Signalintensität als Ausdruck einer Zerrung aufweise. Das LFC sei elongiert, jedoch durchgängig nachweisbar. In der Folgeuntersuchung vom … August 2018 zeige sich das LFTA im distalen Bereich nun verdickt und narbig verändert. Das LFC sei unverändert elongiert und durchgängig.
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In der mündlichen Verhandlung konkretisierte und erläuterte der sachverständige Zeuge Dr. med. W. seine Ausführungen. Die Einschätzung, dass das LFC durch den Unfall nicht gerissen und auch nicht angerissen worden sei, habe er auf die entsprechenden Bildgebungen gestützt. Die Aufnahmen seien von ihm zusammen mit dem Radiologen im Haus (Dr. med. G.) in Augenschein genommen und ausgewertet worden. Auch in dem Befund der radiologischen Praxis in Gr* … vom … August 2018 werde das LFC als intakt dargestellt. Im Befundbericht der S* … Klinik vom *. September 2018 sei festgehalten, dass bei einer „gehaltenen Aufnahme“ keine laterale Aufklappbarkeit festgestellt worden sei. Warum dieselbe Klinik im Schreiben vom *. Mai 2019 einen hundertprozentigen Zusammenhang zwischen der aktuell bestehenden lateralen Instabilität und dem Unfallereignis vom … Mai 2017 benenne, könne er nicht nachvollziehen. Im ärztlichen Attest vom … März 2019 werde das LFC nicht erwähnt. In der E-Mail von Prof. Dr. H. vom … November 2019 werde lediglich medizinisch beschrieben, dass bei einer Ruptur und Teilruptur mehrerer Bänder, also auch des LFC, das Sprunggelenk instabiler sein könne, als bei der Ruptur lediglich eines Bandes. Auch dem Befundbericht des medizinischen Versorgungszentrums G. vom … Juli 2018 könne er keinen Hinweis auf eine Teilruptur des LFC entnehmen. Dort sei beim ersten Untersuchungstermin eine gut mögliche Beugung und Streckung (Flex/Ext) beschrieben worden. Auch beim zweiten Termin sei keine Instabilität beschrieben worden. Sowohl diesem Befundbericht als auch dem Befundbericht der S. Klinik sei keine laterale Instabilität zu entnehmen. Dies bedeute, dass das Sprunggelenk außen aufklappbar wäre. Eine Außenaufklappbarkeit sei bei einer Teilruptur eher gegeben als bei einer Elongation. Das lasse sich jedoch nicht pauschal sagen. Für ihn stehe im Vordergrund, dass laut dem Befundbericht vom … Juli 2018 der Kläger erstmalig im November 2017 von einer zunehmenden Instabilität gesprochen habe. Ein konkreter Befund werde nicht festgehalten. Jedenfalls sechs Wochen nach dem Unfall ohne weitere Verletzungszeichen hätte bei einer Teilruptur des LFC eine Instabilität festgestellt werden müssen. Der Talusvorschub sei die Folge eines verlängerten LFC. Wäre das LFC gerissen gewesen, hätte sich das Band als solches nicht verlängert. Der Radiologe des RGU habe bei den Aufnahmen keine Zerrung festgestellt. Eine Zerrung wäre dann festzustellen, wenn sich bei einer Teilruptur zusätzlich die Dehnung eines Bandes ergeben hätte. Bei dem anderen Band (LFTA) seien Zeichen einer Zerrung zu sehen, was auf einen Riss verbunden mit einer Dehnung hindeute. In den Aufnahmen des LFC sei das nicht zu sehen gewesen. Im Befund der radiologischen Praxis Gr. vom … August 2018 sei keine Narbenbildung des LFC beschrieben, was ebenfalls auf eine fehlende Teilruptur hinweise. In aller Regel gehe die Teilruptur eines Bandes mit einer Zerrung einher. Ein elongiertes, anlagebedingt verlängertes Band könne auch gezerrt werden. Dann müssten entsprechende Zeichen im MRT festgestellt werden können. Dies habe aber weder der Radiologe des RGU Dr. med. G. noch die radiologische Praxis Gr. beschrieben. Der Radiologe des RGU habe ihm bei einer Besprechung gezeigt, dass man auf dem MRT das LFC in seiner ganzen Länge sehe. Auch Gr. habe keine narbigen Veränderungen festgestellt, was bei einer Teilruptur hätte der Fall sein müssen.
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Das Gutachten des sachverständigen Zeugen Dr. med. W., das durch die Stellungnahme vom … September 2019 sowie die Ausführungen des sachverständigen Zeugen in der mündlichen Verhandlung ergänzt und erläutert wurde, ist nachvollziehbar und weist keine offen erkennbaren Mängel auf. Vielmehr werden die Ausführungen durch andere ärztlicher Befunde bestätigt:
42
So wurde von der W. Klinik im zusammenfassenden Befundbericht vom … Juli 2018 festgehalten, dass beim Kläger beim ersten Termin am … Juli 2017 kein Druckschmerz über dem Außen- und Innenknöchel festgestellt wurde und die Beugung und Streckung gut möglich war. Beim zweiten Termin am … Juli 2017 habe es keinen Spontan- oder Druckschmerz, keine Schwellung und keine Instabilität gegeben. Erst im Termin vom … November 2017 habe der Kläger von einer Instabilität berichtet. Eine Röntgen-Kontrolle habe keinen pathologischen Befund erbracht.
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Im Befundbericht der S. Klinik vom … September 2018 wird zwar eine geringe laterale Instabilität festgestellt, jedoch keine laterale Aufklappbarkeit bei „gehaltenen Aufnahmen“.
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Schließlich stellte die Radiologische Praxis M. Gr. … im MRT vom … August 2018 fest, dass das LFTA geringfügig narbig verdickt sei, das LFC und LFTP hingegen intakt.
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(2) Die Ausführungen des sachverständigen Zeugen werden durch anderweitige ärztliche Stellungnahmen nicht durchgreifend in Frage gestellt.
46
Prof. Dr. med. H. diagnostiziert zwar in seinem Bericht vom … Mai 2017 eine subtotale Ruptur des LFTA sowie eine mäßige Teilruptur des LFC. Dies wird jedoch nicht näher begründet. Mit E-Mail vom … November 2019 bestätigt er nochmals seine Diagnose, ohne jedoch auf die Ansicht des sachverständigen Zeugen Dr. med. W. einzugehen, der das Vorliegen einer Teilruptur des LFC verneint, und zu begründen, woran die Teilruptur des LFC festgemacht werde. Es wird eher allgemein ausgeführt, dass eine subtotale Ruptur des LFTA erst einmal eine Instabilität verursache, die bei zeitgleichem Vorliegen einer Teilruptur des LFC in der Regel stärker ausgeprägt sei. Bei einer klinischen Untersuchung im medizinischen Versorgungszentrums G. dürften auch Instabilitätszeichen vorgelegen haben. Die Stabilität oder Instabilität eines Gelenks könne das MRT nicht beurteilen, sondern in erster Linie die klinische Untersuchung. Wenn der Kläger von einer so renommierten Fußorthopädie wie in der S. Klinik wegen Talusvorschub (anteriore Instabilität) operiert werde, gebe es aus seiner Sicht keine Zweifel an einer funktionellen Instabilität. Der sachverständige Zeuge Dr. med. W. hingegen hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt, warum eine Teilruptur des LFC nicht vorgelegen hat (s.o.).
47
Auch das ärztliche Attest von Dr. P. vom … März 2019 kann die nachvollziehbaren Ausführungen des sachverständigen Zeugen nicht in Zweifel ziehen. In dem Attest wird ausgeführt, dass der Kläger vor dem Dienstunfall nie eine Verletzung oder Veränderung des Sprunggelenks gehabt und eine Vorerkrankung nicht vorgelegen habe. Klinisch liege eine erhebliche Instabilität des linken Sprunggelenks vor, vermehrter Talusvorschub und Druckschmerz über dem Deltaband. Im Vordergrund stehe eindeutig eine sehr ausgeprägte laterale Instabilität. Es müsse davon ausgegangen werden, dass das ursächliche Trauma der Dienstunfall gewesen sei, ohne Vorschädigung. Zum konkreten Zustand des LFC wird in dem Attest jedoch keine Aussage gemacht. Insbesondere wird nicht näher dargelegt, worauf die Instabilität konkret zurückzuführen ist, also ob eine Teilruptur des LFC zwingend vorgelegen haben muss. Der sachverständige Zeuge hat zu den Ausführungen in dem Attest Stellung genommen und schlüssig dargelegt, dass der vermehrte Talusvorschub klinisch bestätigt werden könne, dieser aber auch anlagebedingt oder durch ein elongiertes LFC erklärbar sei. Die attestierte sehr ausgeprägte laterale Instabilität könne so z.B. bei einer kompletten Ruptur des LFTA auftreten. Der von dem sachverständigen Zeugen selbst erhobene Befund einer lateralen Stabilität werde hingegen durch den Befundbericht der S* … Klinik vom … September 2018 bestätigt.
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Schließlich bestätigt die ärztliche Bescheinigung der S. Klinik vom … Mai 2019 zwar, dass anhand der aktuell fortbestehenden subjektiven Beschwerden und der vorhandenen subjektiven Beschwerdefreiheit bis zum Unfallereignis vom … Mai 2017 (richtig: … Mai 2017) ein 100%iger Zusammenhang zwischen der aktuell bestehenden lateralen Instabilität und dem Unfallereignis bestehe. Der sachverständige Zeuge führte dazu jedoch überzeugend aus, dass er dies nicht nachvollziehen könne. Denn im Befundbericht der S. Klinik vom … September 2018 sei festgehalten, dass bei einer „gehaltenen Aufnahme“ keine laterale Aufklappbarkeit festgestellt worden sei.
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(3) Der vom Klägerbevollmächtigten hilfsweise gestellte Beweisantrag wird abgelehnt. Denn die Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. med. W. sind überzeugend und nachvollziehbar; eine weitere Beweiserhebung hat sich dem Gericht daher nicht aufgedrängt. Eine weitere Beweiserhebung muss sich dem Gericht nur dann aufdrängen, wenn das Gutachten für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder unzureichend ist, weil es grobe fachliche Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht, ungeeignet ist, weil ein anderer Sachverständige über bessere Forschungsmittel verfügt oder wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters bestehen (st. Rspr. vgl. BVerwG, B.v. 20.2.1998 - 2 B 81/97 - juris Rn. 4; SächsOVG, B.v. 10.10.2013 - 2 A 731/11 - juris Rn. 10; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 86 Rn. 79).
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Die ist vorliegend nicht der Fall. Für die Kammer bestehen keine Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des sachverständigen Zeugen. Dieser hat den Kläger persönlich untersucht und sich mit seiner gesundheitlichen Situation ausführlich befasst. Das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten sowie die Erläuterungen dazu sind geeignet und ausreichend, dem Gericht die für seine Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Es besteht kein Anlass an der Geeignetheit, der Sachkunde oder der Unvoreingenommenheit des Gutachters zu zweifeln, so dass keine weitere Begutachtung durch das Gericht veranlasst war. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten steht hinsichtlich der Frage, ob eine mäßige Teilruptur des LFC links vorliegt, auch nicht Aussage gegen Aussage. Denn wie oben dargestellt, wird die Ansicht des sachverständigen Zeugen durch andere, in der Akte befindliche medizinische Befunde bestätigt. Wohingegen die Ansicht von Prof. Dr. H. nicht weiter begründet und auch nicht durch andere ärztliche Befunde bestätigt wird. Insbesondere in der E-Mail vom … November 2019 werden eher allgemeine und vage Ausführungen gemacht, ohne sich mit den Ausführungen des sachverständigen Zeugen Dr. med. W. auseinander zu setzen.
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cc) Nachdem die Voraussetzungen für die Anerkennung einer „mäßigen Teilruptur des LFC“ als Dienstunfallfolge nicht vorgelegen haben, war der Bescheid vom … Juli 2017 insoweit rechtswidrig.
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b) Die in Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG normierte Jahresfrist für die Rücknahme ist vorliegend unproblematisch gewahrt, nachdem der Beklagte erst aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom … November 2018 Kenntnis von allen entscheidungserheblichen Tatsachen erlangte.
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c) Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte zu dem Ergebnis kommt, dass im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an einer Aufhebung der als rechtswidrig erkannten Anerkennung das Vertrauen des Klägers auf den Fortbestand der Regelung überwiegt. Insbesondere ist dem in Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes dadurch Rechnung getragen, dass die bereits endgültig erstatteten Heilbehandlungskosten dem Kläger belassen wurden und die vorläufigen Zahlungen unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung für den Fall bewilligt wurden, dass die Aufwendungen nicht dienstunfallbedingt, nicht notwendig oder nicht angemessen sind.
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2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).