Titel:
Obdachlosenrecht, Übernahme von Kosten für selbstgewählte Unterkunft (abgelehnt)
Normenkette:
LStVG Art. 6
Schlagworte:
Obdachlosenrecht, Übernahme von Kosten für selbstgewählte Unterkunft (abgelehnt)
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21413
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Mietwohnung in …
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Am … … … erhob der Kläger zum Verwaltungsgericht München Klage. Er beantragt (sinngemäß),
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die Beklagte zu verpflichten, die Kosten für eine Anmietung bei … … in … zu übernehmen.
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Am … … … stellte der Kläger einen Eilantrag (ebenfalls gerichtet auf die Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme), der mit Beschluss vom … … … (…) abgelehnt wurde.
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Mit Schriftsatz vom … … … verwies die Beklagte auf ihre Ausführungen im Eilverfahren sowie auf den Gerichtsbeschluss. Ferner trug sie vor, der Kläger habe nach wie vor nicht bei der Beklagten vorgesprochen, um im Obdachlosensystem der Beklagten untergebracht werden zu können. Sie beantragt,
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Mit Schreiben vom … … und … … … verzichteten die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren … Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Soweit vorliegend von einer zulässigen Klage überhaupt ausgegangen werden kann (es ist bereits unklar, inwiefern sich der Kläger mit seinem Begehren an die Beklagte gewandt hat), bleibt diese jedenfalls in der Sache ohne Erfolg.
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1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich kein Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme für eine Mietwohnung bei … …
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Die Beklagte hat als örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Hierzu zählt auch die Beseitigung einer - unfreiwilligen - Obdachlosigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 - BayVBl 1995, 729). Aus dieser gesetzlichen Verpflichtung ergibt sich grundsätzlich ein Anspruch des Betroffenen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Unterbringung durch die Behörde. Ein solcher Anspruch kann allerdings nur dann angenommen werden, soweit und solange der Betroffene die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Hilfe der Sozialleistungsträger beheben kann (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2006 - 4 CE 06.2465 - BayVBl 2007, 439).
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Auch in diesem Fall dient die von der Sicherheitsbehörde zu leistende Obdachlosenfürsorge nicht der „wohnungsmäßigen Versorgung“, sondern der Verschaffung einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2012 - 4 CE 12.1509 - juris Rn. 5). Obdachlose Personen müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen, wobei freilich die Grenze zumutbarer Einschränkungen dort liegt, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung nicht mehr eingehalten sind (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2012 - 4 CE 12.1509 - juris Rn. 5). Dabei steht der Sicherheitsbehörde bei der Auswahl der Unterkunft ein weites Ermessen zu. Ein Anspruch auf Unterbringung in einer konkreten, selbstgewählten Unterkunft (Hotel, vollmöbliertes Appartement o.ä.) unter Übernahme der Kosten besteht unter keinem denkbaren Gesichtspunkt. Die Zurverfügungstellung eines Bettplatzes in einem Mehrbettzimmer ist zur Abwehr der sich aus der Obdachlosigkeit ergebenden Gefahren grundsätzlich ausreichend. Ein Anspruch auf Unterbringung in einem Einzelzimmer ist nur unter engen Voraussetzungen, etwa aufgrund einer dahingehenden gesundheitlichen Notwendigkeit, denkbar.
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Gemessen daran - und abgesehen davon, dass es hier schon zweifelhaft ist, dass der Kläger aktuell unfreiwillig obdachlos ist, ohne sich selbst helfen zu können - steht ihm auch kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine von ihm selbst gewählte Unterkunft zu. Für das Gericht ist es auch nicht ersichtlich, dass eine Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft der Beklagten dem Kläger unzumutbar (weil sie etwa mit Gefahren für seine körperliche Unversehrtheit einhergehen würde) bzw. ermessensfehlerhaft wäre. Die pauschale Behauptung, in den Unterkünften seien „Straftäter, Verbrecher, Terroristen“ untergebracht, ist haltlos. Dem Gericht ist auch nicht bekannt, dass in den Obdachlosenunterkünften der Antragstellerin menschenunwürdige Zustände herrschen würden.
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2. Der Klageantrag auf die Übernahme von Kosten für eine Mietwohnung war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO vollumfänglich abzulehnen.
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3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.