Titel:
Abgrabungsrecht, Eilverfahren, Einstellung von Arbeiten, Sofortvollzug
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BayAbgrG Art. 4 Abs. 2 S. 2
Schlagworte:
Abgrabungsrecht, Eilverfahren, Einstellung von Arbeiten, Sofortvollzug
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21404
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Beteiligten streiten über die sofortige Vollziehung einer Einstellung von Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten.
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Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke FlNrn. 386, 411 und 412 jew. Gem. … … Er betreibt auf dem nordwestlich davon gelegenen Grundstück FlNr. 373 Landwirtschaft im Nebenerwerb. Auf dem östlichen Teil des Grundstücks FlNr. 386 sowie auf den nördlichen Teilen der Grundstücke FlNrn. 411, 412 befindet sich eine Kiesgrube, die der Antragsteller nach eigenen Angaben für seinen landwirtschaftlichen Betrieb, etwa durch Entnahme von Kies für Wald- und Wiesenwege, nutzt.
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Im Rahmen einer Ortseinsicht vom 20. September 2021 stellte der Antragsgegner fest, dass auf dem Grundstück FlNr. 411 eine große Menge Erdaushub verfüllt wurde und ein Kiesabbau stattfindet. Ferner konnte festgestellt werden, dass im Bereich der Kiesgrube Abfälle wie z.B. Metallschrott, fahruntüchtige Fahrzeuge, Maschinen und Teile gelagert werden.
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Am 5. Oktober 2021 fand eine erneute Ortseinsicht statt. Dabei konnte erneut festgestellt werden, dass Verfüllarbeiten in einem Teilbereich der Kiesgrube stattfinden und lehmiger Kies bzw. Aushubmaterial verfüllt werden. Ferner konnte festgestellt werden, dass Kies abgebaut wird (Bl. 40 der Behördenakte - BA).
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Mit Schreiben vom 21. Oktober 2021 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass eine baurechtliche Genehmigung für die Kiesgrube nicht vorliege. Der frühere Pächter habe dem Antragsgegner im Jahr 2007 mitgeteilt, dass der Kiesgrubenbetrieb bis 2012 eingestellt würde und keine Abgrabungen und Verfüllungen mehr stattfinden sollten. Der Antragsteller wurde aufgefordert mitzuteilen, wer Betreiber der Kiesgrube sei. Ihm wurde die Möglichkeit gegeben, zur Sach- und Rechtslage Stellung zu nehmen und er wurde darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Antragsteller im Falle der Missachtung kostenpflichtig und zwangsgeldbewehrt zur Mitteilung zu verpflichten.
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Mit Schreiben vom ... November 2021 teilte der Antragsteller mit, dass die Kiesgrube aufgrund einer im Jahre 1936 erteilten, unbefristeten Genehmigung betrieben werde. Der gewerbliche Kiesabbau sei bereits vor vielen Jahren aufgegeben worden. Der bisherige Pächter habe das Grundstück bislang trotz mehrfacher Aufforderung durch den Antragsteller nicht vollständig geräumt. Die Kiesgrube werde nunmehr ausschließlich vom Antragsteller im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs, etwa durch Entnahme von Kies in Kleinmengen für Wald- und Wiesenwege oder durch geringfügige Auffüllungen mit unbelastetem Material, genutzt.
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Mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 forderte der Antragsgegner den Antragsteller u.a. dazu auf, die vom Antragsteller erwähnte Genehmigung bis 17. Dezember 2021 vorzulegen. Sofern diese nicht vorgelegt würde, sei beabsichtigt, die Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten einzustellen. Ferner wurde dem Antragsteller erneut die Möglichkeit gegeben, sich bis zum 17. Dezember 2021 zur Sach- und Rechtslage zu äußern.
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Unter dem … Dezember 2021 erwiderte der Antragsteller, dass es ihm nicht möglich sei, die Genehmigung von 1936 vorzulegen. Weiterhin bat der Antragsteller um Verlängerung der Frist zur Vorlage. Mit Schreiben vom 23. Februar 2022 verlängerte der Antragsgegner die Frist zur Vorlage der Genehmigung bis 1. April 2022. Unter dem … März 2022 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, dass ihm die Vorlage der Genehmigung weiterhin unmöglich sei. Die Genehmigung befinde sich im Besitz des bisherigen Pächters, der diese nicht herausgebe. Die Genehmigung sei dem bisherigen Pächter von der Mutter des Antragstellers anlässlich der Verpachtung überlassen worden.
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Mit Bescheid vom 25. Mai 2022 ordnete der Antragsgegner die sofortige Einstellung der Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten auf den Grundstücken FlNrn. 386, 411 und 412 (Nr. 1) und die sofortige Vollziehbarkeit der Einstellung an (Nr. 2). Für den Fall, dass die Nr. 1 des Bescheids nicht oder nicht vollständig befolgt werden sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 EUR angedroht (Nr. 3).
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Die Maßnahme stütze sich auf Art. 4 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Abgrabungsgesetzes (BayAbgrG). Von einer Anhörung habe aufgrund der Dringlichkeit der Anordnung abgesehen werden können. Zudem sei eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse notwendig. Ferner habe der Antragsgegner dem Antragsteller mehrfach Gelegenheit gegeben, sich zur Sach- und Rechtslage zu äußern. Die Anordnung der sofortigen Einstellung der Tätigkeiten habe erlassen werden können, weil diese im Widerspruch zu öffentlichen Vorschriften getätigt worden seien. Bereits die formelle Illegalität von Abgrabungsarbeiten genüge, um ein auf Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG gestütztes Einschreiten zu rechtfertigen. Die vom Antragsteller vorgenommenen Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten seien genehmigungspflichtig. Der Antragsteller habe eine entsprechende Genehmigung nicht vorlegen können. Die Nachweispflicht obliege dem Antragsteller als Eigentümer bzw. Betreiber der Kiesgrube. Das Ermessen sei dahingehend ausgeübt worden, dass die Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten eingestellt worden seien. Ein milderes Mittel sei nicht ersichtlich. Ein Abwarten bis zur Vorlage der Genehmigung durch den bisherigen Pächter sei nicht ermessensgerecht, weil nicht absehbar sei, ob eine solche Genehmigung existiere, ob sie weiterhin gültig sei und ob sie einen Abbau bzw. eine Verfüllung im vom Antragsteller vorgenommenen Ausmaß zulasse. Die Maßnahme richte sich gegen den Antragsteller als Zustands- und Handlungsstörer. Die Einstellung der Arbeiten sei geeignet, erforderlich und angemessen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung werde im überwiegenden öffentlichen Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung angeordnet. Es sei nicht Absicht des Gesetzgebers, dass eine rechtswidrig eingeleitete bzw. nicht durch Vorlage einer Genehmigung gedeckte Abgrabungsmaßnahme rechtswidrig fertiggestellt bzw. weitergeführt werden könne. Die Tätigkeiten des Antragstellers schafften ferner für andere Bauherrn den Anreiz, ebenfalls ungenehmigte Maßnahmen durchzuführen, weil der Anschein erweckt werde, dass sowohl die Gemeinde als auch das Landratsamt nicht gegen die Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten einschreite. Die Höhe des Zwangsgelds sei angemessen, weil die Fortführung der Abgrabung und die damit verbundene Entnahme von Bodenschätzen zu erheblichen Einnahmen führten.
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Mit am 20. Juni 2022 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz erhob der Antragsteller Klage und beantragt zugleich sinngemäß im Wege des Eilrechtsschutzes,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 25. Mai 2022 wiederherzustellen.
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Der Antragsteller nahm auf die Ausführungen aus dem Schreiben vom *. November 2021 Bezug. Ferner seien die Anordnungen rechtswidrig. Eine behördliche Genehmigung erlösche nicht deshalb, weil diese nicht vorgelegt werden könne. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung hindere den Antragsteller an der erforderlichen Rekultivierung der Kiesgrube und der Instandsetzung seiner Wald- und Wiesenwege. Der Antragsgegner habe nicht berücksichtigt, dass der Antragsteller aufgrund seines landwirtschaftlichen Betriebs einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zum Kiesabbau in geringen Mengen zum Unterhalt der Wald- und Wiesenwege habe.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen auf den Bescheid verwiesen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei rechtmäßig. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege das Suspensivinteresse des Antragstellers. Die Einstellung der Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten sei rechtmäßig und verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, auch im zugehörigen Klageverfahren (M 1 K 22.3140), und auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ist zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Mai 2022 ist entfallen, weil der Antragsgegner in Nr. 2 des Bescheids die sofortige Vollziehbarkeit der Einstellung in Nr. 1 angeordnet hat.
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2. Der Antrag ist unbegründet.
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Das Gericht der Hauptsache kann gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn die vorzunehmende, eigene Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Maßgeblich dafür sind in erster Linie die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt nach gebotener, aber auch ausreichender summarischer Prüfung als voraussichtlich rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt nach vorläufiger Betrachtung hingegen als voraussichtlich rechtmäßig, so ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, sofern ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
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Ausgehend davon ergibt die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmende summarische Prüfung, dass die Klage keine Erfolgsaussichten hat, da der angefochtene Verwaltungsakt - der Bescheid des Antragsgegners vom 25. Mai 2022 - voraussichtlich rechtmäßig ist.
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a) Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs. Die Begründung des Antragsgegners unter II. 5. des Bescheids vom 25. Mai 2022 genügt den Anforderungen an die Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Antragsteller selbst hat keine Einwände dagegen erhoben.
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b) Nach der im Verfahren des Eilrechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden, summarischen Prüfung hat die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Anttragsgegners vom 25. Mai 2022 voraussichtlich keinen Erfolg. Die sofortige Einstellung der Arbeiten ist danach rechtmäßig. Das Zwangsgeld begegnet in seiner Höhe ebenfalls keinen Bedenken, sodass der Bescheid nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Demnach überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
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aa) Die sofortige Einstellung der Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten in Nr. 1 des Bescheids ist rechtmäßig.
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(1) Die Grundsätze für Baueinstellungen nach der BayBO lassen sich auf eine auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG erlassene Einstellung von Arbeiten übertragen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer (Abgrabungs)-Einstellungsverfügung ist demnach der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw., wenn eine solche nicht stattfindet, der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Es handelt sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Eine solche Verfügung muss deshalb nicht nur im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig sein. Die Behörde muss auch in der Folgezeit die Verfügung unter Kontrolle halten und prüfen, ob neue sachliche oder rechtliche Gesichtspunkte eine Anpassung oder Aufhebung erforderlich machen (BayVGH, B.v. 10.5.2005 - 14 ZB 04.3407 - juris Rn. 11).
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(2) Die sofortige Einstellung der Arbeiten ist nach summarischer Prüfung formell rechtmäßig, insbesondere bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Anhörung des Antragstellers.
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(a) Gem. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist einem Beteiligten vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Die Anhörung ist dabei formfrei; wie sie im Einzelnen erfolgen soll, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben (Kallerhoff/Mayen in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 28 Rn. 44).
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Der Antragsteller wurde vor Erlass des Bescheids angehört. Der Antragsgegner gab ihm mehrmals Gelegenheit zur Stellungnahme; dies mit Schreiben vom 21. Oktober 2021 und vom 2. Dezember 2021. Auch wenn sich das erstgenannte Schreiben nicht auf eine beabsichtigte Einstellung der Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten, sondern auf eine Verpflichtung zur Mitteilung über den aktuellen Betreiber bezieht, hat der Antragsgegner den Antragsteller jedenfalls mit letztgenanntem Schreiben vom 2. Dezember 2021 zur Vorlage der Genehmigung aufgefordert. Ferner wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten kostenpflichtig und zwangsgeldbewehrt eingestellt würden, wenn die Genehmigung nicht innerhalb der Frist vorgelegt würde. Das Schreiben endete zudem damit, dass dem Antragsteller ausdrücklich - dies zudem unter Verweis auf die Vorschrift des Art. 28 BayVwVfG - die Möglichkeit gegeben wurde, sich zur Sach- und Rechtslage zu äußern. Die dem Antragsteller mit Schreiben vom 23. Februar 2022 eingeräumte Verlängerung der Vorlagefrist bis 1. April 2022 ändert daran nichts, insbesondere war eine erneute Anhörung nicht erforderlich. Der Antragsgegner wies erneut darauf hin, dass das Ausbleiben der Vorlage der Genehmigung eine Einstellungsverfügung nach sich ziehen würde. Der Antragsteller wurde somit angehört.
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(b) Ob die Anhörung gem. Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 BayVwVfG entbehrlich war, konnte deshalb dahinstehen.
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(3) Auch in materieller Hinsicht ist die sofortige Einstellung der Arbeiten nicht zu beanstanden.
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(a) Rechtsgrundlage der angefochtenen Einstellung der Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten ist die abgrabungsrechtliche Generalklausel des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG. Danach können die Abgrabungsbehörden die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die für Anlagen nach Art. 1 BayAbgrG gelten, sowie die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Die vom Antragsteller vorgenommenen Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten stellen Abgrabungen zur Gewinnung von nicht dem Bergrecht unterliegenden Bodenschätzen sowie Aufschüttungen, die unmittelbare Folge von Abgrabungen sind, im Sinne des Art. 1 BayAbgrG dar.
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(aa) Um ein auf Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG gestütztes Einschreiten, vergleichbar einer Baueinstellung nach Art. 75 Bayerische Bauordnung (BayBO), zu rechtfertigen, genügt bereits die formelle Illegalität der vorliegenden Abgrabungstätigkeiten. Bereits der Entstehungsgeschichte des BayAbgrG lässt sich die enge Beziehung zum Bauordnungsrecht entnehmen, da die Materie des Abgrabungsrechts, vor der Schaffung des BayAbgrG im Jahre 1999, in der BayBO geregelt war. Hinzukommt, dass die BayBO und das BayAbgrG im Grundsatz dieselbe Struktur und Systematik aufweisen. All dies spricht dafür, dass sämtliche Maßnahmen, für deren Erlass in den Art. 75 und 76 BayBO Sonderbefugnisnormen bestehen, im Abgrabungsrecht über die abgrabungsrechtliche Generalklausel erlassen werden können und zudem die hinsichtlich der Art. 75 und Art. 76 BayBO entwickelten Grundsätze, vorbehaltlich etwaiger abgrabungsrechtlicher Besonderheiten, auf die Konstellation des abgrabungsaufsichtlichen Einschreitens nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG übertragen werden können. Eine derartige Einstellung der Abgrabungs- und Wiederverfüllarbeiten aufgrund fehlender Genehmigung, wie vorliegend, dient demgemäß dazu, ebenso wie eine Maßnahme nach Art. 75 BayBO, den Adressaten auf das förmliche Genehmigungsverfahren zu verweisen (zum Ganzen VG München, U.v. 16.2.2017 - M 11 K 16.3938 - juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 20.7.2017 - 1 CS 17.642 - juris Rn. 5).
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(bb) Die vom Antragsgegner durch Lichtbilder dokumentierten Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten des Antragstellers bedürfen einer Abgrabungsgenehmigung, Art. 6 Abs. 1 BayAbgrG. Sie sind insbesondere nicht genehmigungsfrei nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayAbgrG. Danach bedürfen Abgrabungen mit einer Grundfläche bis zu 500 m² und einer Tiefe bis zu 2 m keiner Abgrabungsgenehmigung.
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Vorliegend legt die Bilddokumentation des Antragsgegners (Bl. 10-52; Bl. 77-83 d. BA) nahe, dass die bislang vom Antragsteller durchgeführten Arbeiten auf seinen Grundstücken eine Tiefe von mehr als 2 m erreicht haben oder jedenfalls bei weiteren Arbeiten erreichen werden. Der mittels der Bilddokumentation vermittelte Eindruck zeigt, dass die vom Antragsteller vorgenommenen Tätigkeiten das genehmigungsfreie Maß deutlich überschreiten und es sich nicht um lediglich marginale Abgrabungs- und Verfüllarbeiten handelt. Diesbezüglich hat auch der Antragsteller nichts vorgetragen. Anhaltspunkte für eine genehmigungsfreie Abgrabung nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2-6 BayAbgrG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
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(cc) Eine Abgrabungsgenehmigung hat der Antragsteller jedenfalls nicht vorlegen können, sodass zu seinen Lasten davon auszugehen ist, dass die Tätigkeiten formell illegal sind. Er verweist zwar auf eine angeblich existierende Genehmigung von 1936, die noch im Besitz des ehemaligen Pächters der Kiesgrube und dem Antragsteller bislang nicht ausgehändigt worden sei. Diese konnte der Antragsteller jedoch auch nach mehrmaliger Aufforderung durch den Antragsgegner nicht vorlegen. Das Risiko der Nichtauffindbarkeit der Abgrabungsgenehmigung trägt der Antragsteller. Beruft sich ein betroffener Eigentümer (hier der Antragsteller) gegenüber einer bauordnungsrechtlichen Eingriffsmaßnahme als ihm zugutekommende Einwendung auf Bestandsschutz - etwa aufgrund einer ursprünglich erteilten, aber nicht auffindbaren legalisierenden Baugenehmigung -, so trägt dieser hierfür die materielle Beweislast und damit das Risiko der Nichterweislichkeit (BayVGH, B.v. 10.11.2021 - 15 ZB 21.1329 - juris Rn. 10 m.w.N.). Dies gilt gleichermaßen im Abgrabungsrecht. Ferner ist völlig unklar, ob eine solche Genehmigung überhaupt existiert, um welche Art von Genehmigung es sich handelt und ob sie die vom Antragsteller vorgenommenen Abgrabungs- und Verfülltätigkeiten umfasst.
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(b) Nachdem die Abgrabungsarbeiten bei summarischer Prüfung voraussichtlich genehmigungspflichtig, aber nicht genehmigt sind, entsprach die angeordnete Einstellung der Arbeiten auch pflichtgemäßem Ermessen. In der Regel besteht ein öffentliches Interesse daran, die Fortführung unzulässiger Abgrabungsarbeiten zu verhindern. Wegen der Vergleichbarkeit der Einstellung nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG mit der Baueinstellung nach Art. 75 BayBO ist auch im vorliegenden Fall von einem intendierten Ermessen auszugehen (BayVGH, B.v. 2.8.2000 - 1 ZB 97.2669 - juris Rn. 5). An die Ermessensüberprüfung sind daher nur geringe Anforderungen zu stellen (Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 145. EL 2022, Art. 75 Rn. 83 ff.). Anhaltspunkte für das Vorliegen von Ermessensfehlern im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung nach § 114 VwGO sind im Übrigen nicht ersichtlich.
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bb) Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des angegriffenen Bescheids begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Höhe des Zwangsgelds.
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Gemäß Art. 31 Abs. 2 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens fünfzehn und höchstens fünfzigtausend Euro, wobei das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen soll. Das wirtschaftliche Interesse ist gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 3 VwZVG nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen. Innerhalb dieses Rahmens darf die Höhe des Zwangsgeldes so bemessen werden, dass der Betroffene - unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit, der Hartnäckigkeit seines Verhaltens (erster Verstoß oder Wiederholungsfall), der abzuwehrenden Gefahr und seinem wirtschaftlichen Interesse an der Nichtbefolgung des Verwaltungsakts - voraussichtlich Anlass sieht, die ihm auferlegte Pflicht zu erfüllen (Marwinski in Brandt/Domgörgen, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 4. Aufl. 2018, E. III. 5. B, Rn. 46). Der Antragsgegner hat das Zwangsgeld unter Berücksichtigung der mit der Fortführung der Abgrabung verbundenen Einnahmen durch die Entnahme von Material in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf EUR 10.000,00 festgesetzt. Dagegen hat auch der Antragsteller keine Einwände erhoben.
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cc) Demnach überwiegt mangels Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache nach summarischer Prüfung das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
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3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es erscheint angemessen, den für die Hauptsache anzunehmenden Auffangstreitwert von EUR 5.000,00 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.