Titel:
Kein Schadensersatz wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs mit 3,0-Liter-Motor (hier: Porsche Cayenne)
Normenketten:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
VO (EG) 715/2007 Art. 5 Abs. 2
StGB § 263 Abs. 1
UWG § 16
Leitsätze:
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2021, 41003; OLG München BeckRS 2020, 53350; BeckRS 2021, 31796; BeckRS 2021, 32277; BeckRS 2021, 32276; BeckRS 2021, 32267; BeckRS 2021, 45184; BeckRS 2021, 47471; BeckRS 2022, 5687; OLG Brandenburg BeckRS 2021, 14845; BeckRS 2021, 14846; OLG Düsseldorf BeckRS 2021, 42101; OLG Köln BeckRS 2020, 10284; OLG Hamm BeckRS 2020, 41423; BeckRS 2021, 48767; OLG Stuttgart BeckRS 2020, 5656; OLG Koblenz BeckRS 2020, 34715; LG München I BeckRS 2021, 32309; LG München II BeckRS 2021, 9731; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 17853; BeckRS 2021, 41437; LG Landshut BeckRS 2021, 15304; LG Ingolstadt BeckRS 2021, 19616; LG Würzburg BeckRS 2021, 32313; BeckRS 2021, 43843; LG Deggendorf BeckRS 2022, 23876. (redaktioneller Leitsatz)
2. Aufgrund mangelnder Einblicksmöglichkeit allgemein gehaltene Behauptungen, die in technischer Hinsicht vollständig offen lassen, nach welchen Kriterien die Software die Abgasnachbehandlung manipuliert, bleiben unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt werden; das gilt auch für oberflächliche Vermutungen, die auch durch Vorlage von Rückrufbescheiden, die gänzlich andere Fahrzeuge betreffen, nicht gestützt werden können. (Rn. 36 und 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Audi AG, 3.0 l V6 Dieselmotor, unzulässige Abschalteinrichtung, Rückrufbescheid, Akustikfunktion, Lenkwinkelerkennung, Getriebemanipulation, Thermofenster, AECD-Steuergerät
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Hinweisbeschluss vom 01.08.2022 – 10 U 62/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21253
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 10.847,05 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klagepartei begehrt die Erstattung des Kaufpreises aus einem am 30.01.2020 abgeschlossenen PKW-Kauf abzüglich eines Nutzungsersatzes als deliktischen Schadensersatzanspruch, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges. Weiterhin begehrt die Klagepartei die Erstattung von Finanzierungskosten, die Feststellung des Annahmeverzugs sowie Freistellung von außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten sowie Zinsansprüche.
2
Die Klageparrtei erwarb im Rahmen eines Kaufvertrags vom 30.01.2020 das streitgegenständliche Fahrzeug Cayenne Diesel mit der Fahrgestellnummer … zum Kaufpreis von 19.112 € netto und mit einem Kilometerstand von 45.124 km (Anlage K1). In dem Fahrzueg ist ein Dieselmotor der Beklagten vom Typ EA 897 oder EA 896 Gen2 mit der Schadstoffnorm Euro 5 verbaut. Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung wies das Fahrzeug eine Gesamtkilometerleistung von ca. 180.000 km auf. Der Kläger finanzierte das Fahrzeug durch ein Darlehen und wandte hierfür Aufwendungen in Höhe von 1.848,79 € auf (Anlage K1a)
3
Das Abgasrückführungssystem des Fahrzeugs ist mit einem sogenannten „Thermofenster“ ausgestattet. Bei der Abgasrückführung wird grundsätzlich zur Reduzierung des Ausstoßes von NOx das Abgas im Rahmen der Abgasrückführung aus dem Auslassbereich des Motors über das Rückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeführt wird, wo das zurückgeführte Abgas einen Teil der Frischladung, die für den nächsten Verbrennungsprozess benötigt wird, ersetzt, wodurch eine Absenkung der Verbrennungstemperatur erreicht wird und weniger Stickoxide entstehen. Durch Verwendung eines Thermofensters wird die Rate des rückgeführten Gases bei bestimmten Außentemperaturen über das Motorsteuergerät reduziert.
4
Ein Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes in Bezug auf das Emissionsverhalten des streitgegenständlichen Fahrzeuges wurde zu keinem Zeitpunkt erlassen. Das Fahrzeug wurde durch den Hersteller … im Rahmen eines freiwilligen Rückrufs einem Softwareupdate unterzogen.
5
Mit Anwaltsschreiben vom 14.01.2022 forderte die Klagepartei die Beklagte mit Fristsetzung zur Zahlung des Kaufpreises abzüglich eines noch nicht bestimmten Nutzungsersatzes Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges auf. Auf diese Forderung ging die Beklagte nicht ein. Für die vorgerichtliche Geltendmachung der Ansprüche machen die Prozessbevollmächtigten des Klägers Gebühren in Höhe von 1.054,10 € geltend.
6
Die Klagepartei behauptet, dass der von der Beklagten entwickelte und hergestellte Dieselmotor des Fahrzeugs mit einer unzulässigen Motorsteuerungssoftware versehen sei. Diese Motorsteuerungssoftware erkenne, ob das Fahrzeug einer Abgasprüfung auf dem Prüfstand unterzogen werde und reduziere in einem solchen Fall unter Verwendung mehrerer Maßnahmen den Abgasausstoß des Fahrzeugs insbesondere in Bezug auf NOx, sodass es im Testbetrieb die Grenzwerte einhalte, während es im realen Straßenverkehr die Euro5-Grenzwerte um ein Vielfaches überschreite.
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Das Fahrzeug verfüge neben dem Thermofenster noch über eine sogenannte Akustikfunktion (vgl. Blatt 10 der Klagebegründung) anstatt der bereits bekannten Strategien zur Prüfstandserkennung oder temperaturbedingter Abschalteinrichtungen. Diese Funktion reduziere den Stickoxid-Ausstoß auf dem Prüfstand und stelle eine „Testerkennung“ dar. Insoweit verweist die Klagepartei auf Erkenntnissen zu V6-Motoren der Beklagten mit der Euro-Norm 4 und Euro-Norm 6. In diesem Motoren seien Prüfstand Anerkennungen enthalten und es seien Rückruf erfolgt, woraus zu schließen sei, dass auch bei den entsprechenden Motoren der Euro-Norm 5 Abgasmanipulationen vorhanden seien.
8
Zudem verfüge das streitgegenständliche Fahrzeug über eine sogenannte Lenkwinkelerkennung. Es erkenne anhand Lenkeinschlag, Böschungswinkel und Umgebungstemperatur, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im realen Fahrbetrieb befindet und regele so den Ausstoß des gesundheitsschädigenden Stickoxids dauerhaft.
9
Die Beklagte setze zudem ein sogenanntes „Auxiliary Emission Control Device“ (AECD) ein, mit dessen Hilfe das Emissionskontrollsystem unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren auf dem Prüfstandsmodus eingestellt werden könne. Auch das OBD-System sei manipuliert, weil es die erhöhten Emissionen nicht als Fehler ablege.
10
Die Klagepartei verweist insoweit auf Rückrufbescheid des KBA, die diese als Anlage K5 vorlegt.
11
Die Klagepartei behauptet, dass der Vorstand oder jedenfalls Teile des Vorstands der Beklagten Kenntnis vom Einbau und der Wirkweise der unzulässigen Abschalteinrichtung gehabt hätten. Jedenfalls wäre die Beklagte ihrer insoweit zufallenden sekundären Darlegungslast mangels ausreichender Schilderung der internen Vorgänge im Zusammenhang mit der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht nachgekommen.
12
Die Klagepartei ist der Ansicht, dass sie gegen die Beklagte als Entwickler des Motors einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB hat. Das Verhalten der Beklagten stelle insgesamt als sittenwidrig darstelle. So sei die Vornahme der Manipulationen am Motor bzw. der Systeme der Abgassteuerung und Reinigung und der entsprechenden Täuschungen darüber zur Erzielung eines höheren Gewinns durch Ersparnis von weiteren Entwicklungskosten oder aber aus Unfähigkeit der Entwicklung von zulässigen Motoren zu marktgerechten Preisen erfolgt. Hierbei seien die Aufsichtsbehörden bewusst getäuscht worden, um eine entsprechende Typengenehmigung für die Fahrzeuge zu erlangen sowie die Kunden bewusst getäuscht worden, um einen entsprechenden Absatz zu erzielen.
13
Durch bewusste Verschleierung seien die schwer zu entdeckenden Manipulationen zu dem geheim gehalten worden.
14
Die Klagepartei meint weiterhin, dass bei der Berechnung des Nutzungsersatzes davon auszugehen ist, dass beim streitgegenständlichen Fahrzeug eine Gesamtlaufleistung in Höhe von 300.000 km anzunehmen sei.
15
Die Klagepartei meint weiterhin, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs gegen Zahlung des Kaufpreises im Annahmeverzug befinde.
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Die Klagepartei beantragt (der geänderte Antrag aus dem Schriftsatz vom 19.01.2021, eingegangen am 19.01.2021 um 18.06 Uhr, wurde hier nicht mehr berücksichtigt, da er nach Fristablauf (18.01.2021) einging):
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Marke: … Fahrzeug-Identifizierungs-Nummer (FIN): … an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von EUR 19.112,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs zu zahlen, die sich aus folgender Formel ergibt: Kaufpreis × (Kilometerstand im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung × Kilometerstand bei Kauf) / (in das Ermessen des Gerichts gestellte Gesamtlaufleistung × Kilometerstand bei Kauf).
- 2.2.
-
Die Beklagte wird verurteilt, Finanzierungskosten in Höhe von EUR 1.848,79 nebst Zinsen
hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klagepartei zu bezahlen.
- 3.
-
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in dem Klageantrag zu 1) genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.
- 4.
-
Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von EUR 1.054,10 freizustellen.
17
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
18
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die klägerseits behaupteten Abschalteinrichtungen nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden sei.
19
Das Fahrzeug sei nicht von der im September 2015 bekannt gewordenen sogenannten „Diesel-Thematik“ betroffen. Das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge nicht über die bei den Fahrzeugen mit 1,2 I, 1,6 I, 2,0 I Motoren des Typs EA-189 enthaltene Umschaltlogik die dauerhaft zwischen dem Betrieb auf dem Prüfstand und dem Betrieb auf der Straße unterscheidet und die Abgasrückführung unter Prüfstandbedingungen optimiere.
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Auch liege weder eine Sittenwidrigkeit noch eine besondere Verwerflichkeit des Handelns der Beklagten bzw. ihrer Repräsentanten vor. Bei der Verwendung des sogenannten „Thermofensters“ handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Hinsichtlich der weiteren klägerseits behaupteten abschobt Einrichtungen liege bereits kein substantiierter Vortrag vor. Insoweit verweist die Beklagte auf die durch das KBA durchgeführten Prüfungen. In dem Fahrzeug komme insbesondere auch keine unzulässige Lenkwinkelerkennung zum Einsatz. Eine solche Lenkwinkelerkennung sei schon keine abschobt Einrichtung, sondern diene der Steuerung des elektronischen Stabilitätsprogramms, nicht aber der Abgasreinigung. Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass der Vortrag der, Klagepartei bezüglich einer Getriebemanipulation unsubstantiiert und nicht ein leistungsfähig sei. Eine Getriebemanipulation liege jedenfalls nicht vor. Auch eine Manipulation des OBD-Systems sei nicht gegeben. Ein AECD-Steuergerät sei in dem Streitgegenständen Fahrzeug gar nicht verbaut. Hierbei handele es sich um einen Gattungsbegriff aus dem US-amerikanischen Emissionsrecht, der nicht im Zusammenhang mit einem Hardware-Bauteil stehe. Auch die Behauptung zur Verwendung einer sogenannten Akustikfunktion stelle eine Mutmaßung ins Blaue der Klagepartei dar und entsprechen nicht den Tatsachen.
21
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Klägerseite sowie der Beklagtenseite jeweils nebst Anlagen, sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 13.01.2022 sowie den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
23
Die Klage wurde ordnungsgemäß gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erhoben. Sie ist zudem beim sachlich (§§ 23, 71 GVG) und örtlich (§ 32 ZPO) zuständigen Gericht erhoben worden. Gemäß § 32 ZPO ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde. Der Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO ist allerdings nicht nur dort, wo die deliktische Handlung selbst durchgeführt wurde, sondern überall, wo ein Teilakt der unerlaubten Handlung verwirklicht worden ist. Vorliegend wird durch die Klagepartei ein deliktischer Anspruch gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. § 826 BGB geltend gemacht, die einen entsprechenden Schadenseintritt infolge einer unerlaubten oder sittenwidrigen Handlung als Anspruchsvoraussetzung normieren. Mithin ist sowohl der Ort des Schadenseintritts, da der Schadenseintritt zum Tatbestand des geltend gemachten Anspruchs gehört, als auch der Ort des Kaufvertragsschlusses, da im vorliegenden Fall nach klägerischem Vortrag bereits durch Abschluss des Kaufvertrags eine Vermögensschädigung eingetreten sein soll, Begehungsort im Sinne des § 32 ZPO. Sowohl der Ort des Kaufvertragsschlusses als auch der Belegenheitsort des Vermögens des Geschädigten (Wohnort) und somit der Ort des Schadenseintritts liegen vorliegend im Gerichtsbezirk des Landgericht Hof.
24
Im Übrigen ergibt sich die Zuständigkeit des Landgerichts Hof jedenfalls aus der rügelosen Verhandlung der Beklagtenparei gem. § 39 ZPO.
25
Die Klage ist unbegründet, da die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches nicht erfüllt sind.
26
1.) 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG
27
Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sowie eine Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG scheitert daran, dass die genannten Vorschriften der EG-FGV sowie der VO 715/2007/EG nicht dem Vermögensschutz eines Kraftfahrzeugerwerbers dienen. (vgl., BGH: VI ZR 252/18 sowie VI ZR 5/20).
28
a) Insoweit schließt sich das Gericht vollumfänglich den nachfolgend zitierten Ausführungen des BGH (Urteil vom 25.05.2020; VI ZR 252/19) an, wonach das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich des § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV liegt:
„aa) Eine Rechtsnorm ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie dasjenige der Allgemeinheit im Auge haben. Nicht ausreichend ist aber, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm nur als ihr Reflex objektiv erreicht wird; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Außerdem muss die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen, wobei in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, zu prüfen ist, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit allen damit zugunsten des Geschädigten gegebenen Haftungs- und Beweiserleichterungen zu knüpfen (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 23. Juli 2019 - VI ZR 307/18, NJW 2019, 3003 Rn. 12 f. mwN; BGH, Urteil vom 27. Februar 2020 - VII ZR 151/18, juris Rn. 34 mwN). Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB setzt schließlich weiter voraus, dass sich im konkreten Schaden die Gefahr verwirklicht hat, vor der die betreffende Norm schützen sollte. Der eingetretene Schaden muss also in den sachlichen Schutzbereich der Norm fallen. Weiter muss der konkret Geschädigte vom persönlichen Schutzbereich der verletzten Norm erfasst sein und zum Kreis derjenigen Personen gehören, deren Schutz die verletzte Norm bezweckt (Senatsurteil vom 23. Juli 2019 - VI ZR 307/18, NJW 2019, 3003 Rn. 14 mwN; BGH, Urteil vom 27. Februar 2020 - VII ZR 151/18, juris Rn. 34 m.w.N.).
bb) Diese Voraussetzungen liegen im Hinblick auf den von dem Kläger geltend gemachten Schaden offensichtlich nicht vor. Die zur vollständigen Harmonisierung der technischen Anforderungen für Fahrzeuge erlassenen Rechtsakte der Europäischen Union zielen vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz vor unbefugter Benutzung, Erwägungsgründe 2, 3, 14, 17 und 23 der Richtlinie 2007/46/EG. Wie bereits ausgeführt, hat der Inhaber der EG-Typgenehmigung gemäß § 6 Abs. 1 EG-FGV für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Artikel 18 in Verbindung mit Anhang IX der Richtlinie 2007/46/EG auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen. Neue Fahrzeuge, für die eine Übereinstimmungsbescheinigung vorgeschrieben ist, dürfen gemäß § 27 Abs. 1 EG-FGV im Inland zur Verwendung im Straßenverkehr nur feilgeboten, veräußert oder in Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung versehen sind.
Die Übereinstimmungsbescheinigung stellt nach dem Erwägungsgrund 0 des Anhangs IX der Richtlinie 2007/46/EG in der Fassung der VO 385/2009/EG eine Erklärung des Fahrzeugherstellers dar, in derer dem Fahrzeugkäufer versichert, dass das von ihm erworbene Fahrzeug zum Zeitpunkt seiner Herstellung mit den in der Europäischen Union geltenden Rechtsvorschriften übereinstimmt. Sie soll außerdem den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ermöglichen, Fahrzeuge zuzulassen, ohne vom Antragsteller zusätzliche technische Unterlagen anfordern zu müssen: Dementsprechend ist bei erstmaliger Zulassung (Erstzulassung) der Nachweis, dass das Fahrzeug einem Typ entspricht, für den eine EG-Typgenehmigung vorliegt, durch Vorlage der Übereinstimmungsbescheinigung zu führen, § 6 Abs. 3 Satz 1 FZV.
Es kann hier dahinstehen, welche Rechtsbedeutung die Übereinstimmungserklärung hat (vgl. Schröder, DVBl 2017, 1193, 1195 ff.), ob sie - wie der Kläger meint - nicht gültig war, und ob § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV in Verbindung mit Art. 18 der Richtlinie 2007/46/EG nach Zweck und Inhalt auch dazu dienen sollen, das Interesse des Käufers eines Neuwagens an der (zügigen) Erstzulassung oder dasjenige des Käufers eines Gebrauchtwagens an dem Fortbestand der Betriebserlaubnis zu schützen, § 5 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV in Verbindung mit § 25 Abs. 2 und 3 EG-FGV (vgl. auch OLG Braunschweig, ZIP 2019, 815, 822 ff.; LG Stuttgart, EuGH-Vorlage vom 13. März 2020 - 3 O 31/20, juris Rn. 161 ff.; Artz/Harke, NJW 2017, 3409, 3413; Armbrüster, ZIP 2019, 837, 839 ff.; zu §§ 20 ff. StVZO Senatsurteil vom 17. Oktober 1978 - VI ZR 236/75, WM 1979, 17, 18, juris Rn. 15). Der Kläger - Käufer eines gebrauchten, nach wie vor zugelassenen Fahrzeugs - verlangt von der Beklagten nämlich nicht etwa Erstattung von Schäden, die ihm durch eine verzögerte Erstzulassung oder auch durch das aufgrund der Nebenbestimmungen zu der Typgenehmigung erforderlich gewordene Software-Update entstanden seien. Inhalt seines Vorwurfs ist vielmehr, dass er von der Beklagten zu der Übernahme einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst worden sei; dementsprechend verlangt er von der Beklagten die Erstattung des von ihm an den Verkäufer entrichteten Kaufpreises. Aus diesem Vorwurf kann der Kläger aber in Bezug auf § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nichts für sich herleiten. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt nicht im Aufgabenbereich der Norm. Die Revision des Klägers zeigt keine Anhaltspunkte dafür auf, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen; solche sind auch nicht ersichtlich. Schon gar nicht ersichtlich ist im Übrigen, dass die entsprechenden Regelungen im Rahmen des deliktischen Schadensrechts nach §§ 823 ff. BGB einen Vorteilsausgleich ausschließen. Das Gemeinschaftsrecht hindert die nationalen Gerichte nicht daran, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz der gemeinschaftsrechtlich. gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Anspruchsberechtigten führt (vgl. nur EuGH, Urteil vom 13. Juli 2006, C-295/04 bis C-298/04, EuZW 2006, 529 Rn. 94 mwN). Insoweit ist es mit dem unionsrechtlichen Effizienzgebot vereinbar, nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung einen Ersatzanspruch zu versagen, der zu einer ungerechtfertigten Bereicherung führen würde (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - KZR 75/10, BGHZ 190, 145 Rn. 63 mwN zum Kartellschadensersatz).
cc) Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 267 Abs. 3 AEUV) wegen der Auslegung der genannten Vorschriften ist entgegen der Ansicht der Revision des Klägers nicht veranlasst. Ein Vorabentscheidungsersuchen ist erforderlich, wenn sich eine entscheidungserhebliche und der einheitlichen Auslegung bedürfende Frage des Unionsrechts stellt. Das ist hier nicht der Fall. Die Rechtslage ist im Hinblick auf § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wie dargestellt von vornherein eindeutig („acte clair“, vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs 283/81, NJW 1983, 1257, 1258; BVerfG, NVwZ 2015, 52 Rn. 35)"
29
b) Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt offensichtlich auch nicht im Aufgabenbereich des Art. 5 VO 715/2007/EG. Insoweit schließt sich das Gericht vollumfänglich den nachfolgend zitierten Ausführungen des BGH (Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20) an:
„aa) Gemäß Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007/EG hat der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig; Satz 2 regelt Ausnahmefälle. Die Verordnung 715/2007/EG dient, wie sich aus ihren Erwägungsgründen ergibt, der Vollendung des Binnenmarktes durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung der Emissionen von Kraftfahrzeugen (Erwägungsgründe 1, 27) sowie dem Umweltschutz, insbesondere der Verbesserung der Luftqualität (Erwägungsgründe 1, 4 bis 7). Erwähnt sind ferner die Senkung der Gesundheitskosten und der Gewinn zusätzlicher Lebensjahre (Erwägungsgrund 7). Auch hier fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass die Verordnung, insbesondere ihr Art. 5, dem Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen Fahrzeugerwerbers dienen könnte.
bb) Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nicht aus dem Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts (effet utile) und den hierzu angeführten Urteilen des EuGH vom 17. September 2002 - C-253/00 (DVBl 2002, 1620) und vom 25. Juli 2008 - C-237/07 (NVwZ 2008, 984). Danach kann die volle Wirksamkeit der Regelung von gemeinschaftsrechtlichen Qualitätsnormen, die unter anderem dem lauteren Handel und der Markttransparenz dienen, voraussetzen, dass deren Beachtung im Wege eines Zivilprozesses durchgesetzt werden kann, den ein Wirtschaftsteilnehmer gegen einen Konkurrenten anstrengt (EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - C-253/00, DVBl 2002, 1620 Tz. 30 ff.). Weiter kann es mit dem zwingenden Charakter einer Richtlinie, die den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt, unvereinbar sein, grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit der Richtlinie auferlegte Verpflichtung von einer betroffenen Person geltend gemacht werden kann. Deshalb müssen Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung von Grenzwerten betroffen sind, bei den zuständigen Behörden, ggf. unter Anrufung des zuständigen Gerichts, die in der Richtlinie für diesen Fall zwingend vorgesehene Erstellung eines Aktionsplans erwirken können (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 - C-237/07, NVwZ 2008, 984 Tz. 35 ff.). In beiden Fällen ging es um die Durchsetzung der Beachtung von gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, die mit dem Wettbewerbsschutz bzw. dem Gesundheitsschutz zumindest auch die Interessen der jeweiligen Kläger (Konkurrent; von Grenzwertüberschreitungen unmittelbar Betroffener) im Blick hatten. Nach der Rechtsprechung des EuGH können einem Einzelnen wegen der Verletzung von Gemeinschaftsrecht auch Schadensersatzansprüche gegen eine andere Privatperson zustehen. Voraussetzung ist aber (ähnlich wie für Entschädigungsansprüche gegen den Staat, vgl. nur EuGH, Urteil vom 24. März 2009 - C-445/06, NVwZ 2009, 771 Tz. 20), dass das verletzte Gemeinschaftsrecht dem Einzelnen Rechte verleiht (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 2001 - C-453/99, GRUR 2002, 367 Tz. 23, 25 zu Art. 85, 86 EG-Vertrag). Aus dem Grundsatz des effet utile ergibt sich dagegen nicht das Gebot, dem Einzelnen Schadensersatzansprüche gegen eine Privatperson für die Verletzung objektiven Gemeinschaftsrechts zu gewähren und damit individuelle Interessen durchzusetzen, die die jeweilige gemeinschaftsrechtliche Bestimmung nicht schützt. Es ist daher weder notwendig noch gerechtfertigt, im Anwendungsbereich des § 823 Abs. 2 BGB bei der Verletzung von Unionsrecht contra legem auf den individualschützenden Charakter der verletzten Norm zu verzichten und unabhängig davon Schadensersatz zu gewähren (entgegen Wagner in MünchKommBGB, 7. Aufl., § 823 Rn. 481).
cc) Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger aus einer Verletzung des Art. 5 VO 715/2007/EG eine Haftung der Beklagten auf Schadensersatz in Form der Rückabwicklung eines ungewollt abgeschlossenen Kaufvertrages auch unter Berücksichtigung des effet utile nicht herleiten. Er würde damit sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht durchsetzen, das durch die Verordnung nicht geschützt ist.“
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b) Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liegt offensichtlich auch nicht im Aufgabenbereich des Art. 5 VO 715/2007/EG. Insoweit schließt sich das Gericht vollumfänglich den nachfolgend zitierten Ausführungen des BGH (Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20) an:
„aa) Gemäß Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007/EG hat der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig; Satz 2 regelt Ausnahmefälle. Die Verordnung 715/2007/EG dient, wie sich aus ihren Erwägungsgründen ergibt, der Vollendung des Binnenmarktes durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung der Emissionen von Kraftfahrzeugen (Erwägungsgründe 1, 27) sowie dem Umweltschutz, insbesondere der Verbesserung der Luftqualität (Erwägungsgründe 1, 4 bis 7). Erwähnt sind ferner die Senkung der Gesundheitskosten und der Gewinn zusätzlicher Lebensjahre (Erwägungsgrund 7). Auch hier fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass die Verordnung, insbesondere ihr Art. 5, dem Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen Fahrzeugerwerbers dienen könnte.
bb) Anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision nicht aus dem Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts (effet utile) und den hierzu angeführten Urteilen des EuGH vom 17. September 2002 - C-253/00 (DVBl 2002, 1620) und vom 25. Juli 2008 - C-237/07 (NVwZ 2008, 984). Danach kann die volle Wirksamkeit der Regelung von gemeinschaftsrechtlichen Qualitätsnormen, die unter anderem dem lauteren Handel und der Markttransparenz dienen, voraussetzen, dass deren Beachtung im Wege eines Zivilprozesses durchgesetzt werden kann, den ein Wirtschaftsteilnehmer gegen einen Konkurrenten anstrengt (EuGH, Urteil vom 17. September 2002 - C-253/00, DVBl 2002, 1620 Tz. 30 ff.). Weiter kann es mit dem zwingenden Charakter einer Richtlinie, die den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt, unvereinbar sein, grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit der Richtlinie auferlegte Verpflichtung von einer betroffenen Person geltend gemacht werden kann. Deshalb müssen Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung von Grenzwerten betroffen sind, bei den zuständigen Behörden, ggf. unter Anrufung des zuständigen Gerichts, die in der Richtlinie für diesen Fall zwingend vorgesehene Erstellung eines Aktionsplans erwirken können (EuGH, Urteil vom 25. Juli 2008 - C-237/07, NVwZ 2008, 984 Tz. 35 ff.). In beiden Fällen ging es um die Durchsetzung der Beachtung von gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, die mit dem Wettbewerbsschutz bzw. dem Gesundheitsschutz zumindest auch die Interessen der jeweiligen Kläger (Konkurrent; von Grenzwertüberschreitungen unmittelbar Betroffener) im Blick hatten. Nach der Rechtsprechung des EuGH können einem Einzelnen wegen der Verletzung von Gemeinschaftsrecht auch Schadensersatzansprüche gegen eine andere Privatperson zustehen. Voraussetzung ist aber (ähnlich wie für Entschädigungsansprüche gegen den Staat, vgl. nur EuGH, Urteil vom 24. März 2009 - C-445/06, NVwZ 2009, 771 Tz. 20), dass das verletzte Gemeinschaftsrecht dem Einzelnen Rechte verleiht (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 2001 - C-453/99, GRUR 2002, 367 Tz. 23, 25 zu Art. 85, 86 EG-Vertrag). Aus dem Grundsatz des effet utile ergibt sich dagegen nicht das Gebot, dem Einzelnen Schadensersatzansprüche gegen eine Privatperson für die Verletzung objektiven Gemeinschaftsrechts zu gewähren und damit individuelle Interessen durchzusetzen, die die jeweilige gemeinschaftsrechtliche Bestimmung nicht schützt. Es ist daher weder notwendig noch gerechtfertigt, im Anwendungsbereich des § 823 Abs. 2 BGB bei der Verletzung von Unionsrecht contra legem auf den individualschützenden Charakter der verletzten Norm zu verzichten und unabhängig davon Schadensersatz zu gewähren (entgegen Wagner in MünchKommBGB, 7. Aufl., § 823 Rn. 481).
cc) Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger aus einer Verletzung des Art. 5 VO 715/2007/EG eine Haftung der Beklagten auf Schadensersatz in Form der Rückabwicklung eines ungewollt abgeschlossenen Kaufvertrages auch unter Berücksichtigung des effet utile nicht herleiten. Er würde damit sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht durchsetzen, das durch die Verordnung nicht geschützt ist.“
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2.) § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB
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Der Klagepartei steht auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB zu. Auch insoweit kann vollumfänglich auf das Urteil des BGH vom 30.07.2020, VI ZR 5/20 verwiesen werden:
„Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB setzt haftungsbegründend voraus, dass sämtliche objektiven und subjektiven Merkmale des Betrugstatbestands im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB (als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB) erfüllt sind. Es kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls durch welches Verhalten im Zusammenhang mit der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 17) in strafrechtlich relevanter Weise getäuscht worden ist und […] beim Kläger einen strafrechtlich relevanten Irrtum erregt hat (vgl. allgemein zu Täuschung und Irrtum im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal: Brand, wistra 2019, 169, 171 ff.; Brand/Hotz, NZG 2017, 976, 977 f.; Eggert in Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 1895 b f.; Hefendehl in MünchKommStGB, 3. Aufl., § 263 Rn. 124, 252; Isfen, JA 2016, 1, 2 f.). Denn jedenfalls fehlt es an der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden.
a) Der subjektive Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB setzt die Absicht voraus, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Dabei müssen der vom Täter erstrebte Vermögensvorteil und der verursachte Vermögensschaden einander „spiegelbildlich“ entsprechen (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10, juris Rn. 10), das eine muss also „gleichsam die Kehrseite des anderen“ sein (Stoffgleichheit; BGH, Urteile vom 6. Mai 1954 - 5 StR 74/54, BGHSt 6, 115, 116, juris Rn. 11; vom 4. Dezember 2002 - 2 StR 332/02, wistra 2003, 180, juris Rn. 6). Dazu müssen erstrebter Vermögensvorteil und eingetretener Vermögensnachteil durch dieselbe Vermögensverfügung vermittelt sein (BGH, Urteile vom 6. Mai 1954 - 5 StR 74/54, BGHSt 6, 115, 116, juris Rn. 12; vom 29. Mai 1987 - 3 StR 242/86, BGHSt 34, 379, 391, juris Rn. 49). Der Vorteil muss dem Täter oder dem Dritten direkt aus dem geschädigten Vermögen zufließen (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 2 StR 332/02, wistra 2003, 180, juris Rn. 6). Für die Absicht, einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, genügt es, dass es dem Täter auf den Vermögensvorteil als sichere und erwünschte Folge seines Handelns ankommt, mag auch der Vorteil von ihm nur als Mittel zu einem anderweitigen Zweck erstrebt werden (BGH, Beschluss vom 23. Februar 1961 - 4 StR 7/61, BGHSt 16, 1, 6, juris Rn. 15; Beschluss vom 9. Juni 2009 - 5 StR 394/08, NStZ 2009, 506 Rn. 21), etwa weil es sich bei ihm um ein notwendiges Zwischenziel zur Erreichung eines Endziels handelt (Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 263 StGB Rn. 118, 121; Brand/Hotz, NZG 2017, 976, 979).
b) Um eine tragfähige Aussage zur Stoffgleichheit zwischen dem vom Opfer erlittenen Vermögensschaden und dem vom Täter erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteil zu treffen, bedarf es der Feststellung des Vermögensschadens (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 3 StR 115/11, DAR 2013, 159 Rn. 7).
aa) Ein Vermögensschaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB tritt ein, wenn die Vermögensverfügung des Getäuschten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unmittelbar zu einer nicht durch Zuwachs ausgeglichenen Minderung des Gesamtwerts seines Vermögens führt (Prinzip der Gesamtsaldierung; st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, BGHSt. 60, 1 Rn. 31 mwN). Die Bewertung des Vermögensschadens im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB erfolgt nach objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten. § 263 StGB schützt weder das bloße Affektionsinteresse noch die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit noch die Wahrheit im Geschäftsverkehr, sondern allein das Vermögen (BGH, Urteile vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, BGHSt 60, 1 Rn. 32; vom 16. Juni 2016 - 1 StR 20/16, NJW 2016, 3543 Rn. 35; Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 263 StGB Rn. 88, 101). Entgegen der Ansicht der Revision liegt daher allein im Abschluss eines Vertrages, den der Betroffene ohne die Täuschung nicht geschlossen hätte, noch kein Vermögensschaden im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB (Dannecker in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 263 StGB Rn. 101 mwN; zu den engen Voraussetzungen des Vermögensschadens unter dem Gesichtspunkt des persönlichen Schadenseinschlags vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2014 - 5 StR 182/14, NStZ 2014, 517 Rn. 12; Urteil vom 12. Juni 2018 - 3 StR 171/17, NStZ-RR 2018, 283). Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot und Analogieverbot (vgl. BVerfGE 126, 170, 226 ff. zu § 266 StGB; BVerfGE 130, 1, 47 zu § 263 StGB) sind die Anforderungen an die Feststellung eines Vermögensschadens im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB andere als an die Feststellung eines Schadens im Sinne von § 826 BGB (vgl. zu letzterem Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 44 ff.).
bb) Bei einem - wie hier - durch behauptetes betrügerisches Verhalten bewirkten Vertragsabschluss ergibt ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsabschluss, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist. Dabei sind die beiderseitigen Vertragsverpflichtungen zu vergleichen (Eingehungsschaden). Dieser zunächst durch die rein rechnerische Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen vertraglichen Ansprüche bestimmte Schaden materialisiert sich mit der Erbringung der versprochenen Leistung des Geschädigten (Erfüllungsschaden) und bemisst sich nach der Differenz zwischen dem wirtschaftlichen Wert der Leistung und demjenigen der Gegenleistung, soweit eine solche vom Täter erbracht wird (BGH, Urteile vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, BGHSt 60, 1 Rn. 31; vom 16. Juni 2016 - 1 StR 20/16, NJW 2016, 3543 Rn. 34; Beschluss vom 7. Dezember 2010 - 3 StR 434/10, juris Rn. 10; vgl. auch Senatsurteil vom 19. Juli 2011 - VI ZR 367/09, NJW-RR 2011, 1661 Rn. 16). Ergibt sich danach ein Wertgefälle zum Nachteil des durch die Täuschung Betroffenen, weil er etwa gegen Bezahlung des vollen Kaufpreises eine minderwertige Ware erhält, so liegt ein Vermögensschaden vor (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2014 - 1 StR 359/13, BGHSt 60, 1 Rn. 33 m.w.N.).
cc) Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger vorliegend dann einen Vermögensschaden erlitten, wenn das von ihm erworbene Fahrzeug im Hinblick auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und etwaige damit verbundene Risiken den vereinbarten und gezahlten Kaufpreis nicht wert war. Die Vermögenseinbuße ist dann auf die Differenz zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem Wert des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs zu beziffern (vgl. hierzu Brand, wistra 2019, 169, 174; Brand/Hotz, NZG 2017, 976, 978 f.; Hefendehl in MünchKommStGB, 3. Aufl., § 263 Rn. 593 f.; Isfen, JA 2016, 1, 4; Riehm, DAR 2016, 12, 13).
c) Es besteht keine Stoffgleichheit dieser etwaigen Vermögenseinbuße des Klägers mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter der Beklagten (§ 31 BGB) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte (im Ergebnis ebenso OLG Bamberg, BeckRS 2019, 21335 Rn. 25 f.; OLG Koblenz, Urteil vom 6. Februar 2020 - 6 U 1219/19, juris Rn. 39; BeckRS 2020, 7196 Rn. 32; OLG Stuttgart, Urteil vom 7. August 2019 - 9 U 9/19, juris Rn. 31 f.).
aa) Eine Absicht der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten, sich bzw. die Beklagte an dem Gebrauchtwagenverkauf unmittelbar zu bereichern, ist aus Rechtsgründen schon deshalb ausgeschlossen, weil sie bzw. die Beklagte aus dem Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Autohaus S. GmbH über den streitgegenständlichen Gebrauchtwagen keinen unmittelbaren Vorteil ziehen konnten (vgl. Brand/Hotz, NZG 2017, 976, 979). Ein etwaiger dem Kläger entstandener Schaden kann stoffgleich allenfalls mit dem Vorteil sein, der der Autohaus S. GmbH [Verkäufer, Anm. des Gerichts] aus dem Fahrzeugverkauf zugeflossen ist.
bb) Aber auch eine Absicht der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten, der Autohaus S. GmbH [Verkäufer, Anm. des Gerichts] einen mit dem Schaden des Klägers stoffgleichen Vermögensvorteil zu verschaffen, kann - weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten - ausgeschlossen werden. Insbesondere kann die Bereicherung der Autohaus S. GmbH um den Anteil des Kaufpreises, der über den Wert des Fahrzeugs hinausging, nicht als notwendiges und beabsichtigtes Zwischenziel zur Erreichung der eigenen Ziele der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten angesehen werden. Wie der Senat in seinem Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 (ZIP 2020, 1179 Rn. 22, 25) zu einer Haftung der Beklagten aus § 826 BGB ausgeführt hat, bestand - wovon das Berufungsgericht auch im vorliegenden Fall ausgegangen ist - das Ziel der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit unzulässiger Abschalteinrichtung darin, diese Fahrzeuge kostengünstiger als ihr sonst möglich zu produzieren, möglichst viele von ihnen abzusetzen und damit ihren Gewinn zu erhöhen. Dieses Ziel ließ sich mit dem Verkauf der Neuwagen erreichen. Die Erreichung des Ziels setzte dagegen nicht notwendig voraus, dass bei etwaigen späteren Zweit- oder Drittverkäufen derselben Fahrzeuge als Gebrauchtwagen zugunsten des jeweiligen Gebrauchtwagenverkäufers ein etwaiger über dem Wert des jeweiligen Fahrzeugs liegender Kaufpreis erneut realisiert würde. Dem steht nicht entgegen; dass die Beklagte das Unwerturteil, sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB gehandelt zu haben, vor Aufdeckung des sogenannten Dieselskandals auch im Hinblick auf unwissende Gebrauchtwagenkäufer traf (Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, ZIP 2020, 1179 Rn. 16, 25) und sie von einem Wiederverkauf der Fahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt ausgehen musste. Auch mag sie ein allgemeines Interesse an einem Gebrauchtwagenhandel mit von ihr hergestellten Fahrzeugen zu „guten“ Preisen gehabt haben. Mit diesem Interesse geht aber nicht - insbesondere nicht im Sinne eines notwendigen Zwischenziels - die Absicht einher, mit jedem erneuten Verkauf desselben Fahrzeugs den jeweiligen Gebrauchtwagenverkäufer um einen etwaigen den eigentlichen Wert des Fahrzeugs übersteigenden Anteil am Kaufpreis zu bereichern. Erst recht kann den verfassungsmäßigen Vertretern der Beklagten eine solche Absicht nicht schon im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs und einer damit möglicherweise einhergehenden betrügerischen Tathandlung unterstellt werden.“
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Der Klagepartei steht auch kein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zu. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 826 BGB besteht unabhängig davon nicht, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, bereits deshalb nicht, da eine Sittenwidrigkeit des Beklagtenverhaltens sowohl in objektiver als auch und subjektiver Hinsicht ebenso wenig substantiiert vorgetragen wurde wie ein Schädigungsvorsatz der Beklagten (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019 - 10 U 134/19; OLG Celle, Urteil vom 18.12.2019 - 7 U 511/18; OLG München, Beschluss vom 29.8.2019 - 8 U 1449/19; OLG Koblenz, Urteil vom 21.10.2019 - 12 U 246/19).
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Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 826 BGB liegt beim Geschädigten, also beim Kläger. Zwar ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 28.01.2020 - VIII ZR 57/19 = NJW 2020, S. 1740 [1741] m.w.N.). Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Das Gericht hat in diesen Fällen in die. Beweisaufnahme über diese Umstände einzutreten. Die Partei kann mithin eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für jedenfalls möglich hält (stRspr; (BGH, Urteil vom 28.01.2020 - VIII ZR 57/19 = NJW 2020, S. 1740 [1741] m.w.N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (BGH, Urteil vom 28.01.2020 - VIII ZR 57/19 = NJW 2020, S. 1740 [1741] m.w.N.).
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Allerdings ist eine solche, aufgrund mangelnder Einblicksmöglichkeit allgemein gehaltene Behauptung, die in technischer Hinsicht vollständig offen lässt, nach welchen Kriterien die Software die Abgasnachbehandlung manipuliert, dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt werden. Auch wenn bei der Annahme einer solchen Willkür Zurückhaltung geboten ist (BGH, Urteil vom 28.01.2020 - VIII ZR 57/19 = NJW 2020, S. 1740 [1741] m.w.N.), so stellen sich im vorliegenden Fall die Behauptungen, dass die Beklagte mehrere Maßnahmen in der Motorsteuerungssoftware verwende, die erkennen, ob das Fahrzeug einer Abgasprüfung auf dem Prüfstand unterzogen werde und nur für die Prüfstandsituation eine ordnungsgemäße Abgasrückführung vornehme, als willkürliche Behauptung dar, für die es keine Anhaltspunkte gibt.
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So ergibt sich aus dem Sachvortrag der Klagepartei schon nicht, wie die bestrittene Akustikfunktion überhaupt funktioniere. Vorgebracht wird lediglich, dass diese zunächst lediglich für eine Reduzierung der Motorgeräusche entwickelt wurde, später jedoch zur Manipulation der Emissionen eingesetzt worden sei. Ähnlich oberflächlich bleibt der Sachvortrag zur bestrittenen Lenkwinkelerkennung, der Getriebemanipulation sowie zum Einsatz eines sogenannten AECD-Steuergeräts.
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Es bleibt bei allem letztlich lediglich bei oberflächlichen Vermutungen, die auch durch Vorlage von Rückrufbescheiden, die gänzlich andere Fahrzeuge betreffen (sämtlich …-Fahrzeuge - Anlage K5), nicht gestützt werden können.
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4. § 831 BGB i.V.m. § 826 BGB
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Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten aus § 831 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 826 BGB sind ebenfalls nicht gegeben.
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§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB stellt keine Zurechnungsnorm, sondern einen eigenständigen Haftungstatbestand dar. Vorliegend stützt der Kläger seine Klage jedenfalls nicht ausdrücklich auf diese Anspruchsgrundlage. Ebenso wie zu einem Handeln bzw. einer Kenntnis von Organen der Beklagten fehlt es auch an jedwedem Vorbringen des Klägers in Bezug auf konkrete Verrichtungsgehilfen. Eine Haftung der Beklagten scheidet daher aus.
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5. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG
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Auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG besteht nicht. Auch bei § 16 UWG handelt es sich um ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Zwar stützt die Klagepartei ihren Anspruch nicht explizit auf diese mögliche Anspruchsgrundlage, jedoch schildert sie, dass die Beklagte durch die Abgasangaben ihre Kunden getäuscht habe.
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Der Tatbestand setzt voraus, dass jemand in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt.
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Es fehlt bereits an einem hinreichend substantiierten, klägerischen Vortrag darüber, welche unwahren Behauptungen die Beklagte vorgeblich verbreitet hat. Allein die pauschale Behauptung von falschen Emissionswerten stellt sich als nicht einlassungfähig und als Behauptung „ins Blaue“ dar. Zudem wurden die durch standardisierte, behördliche Prüfverfahren gemessenen Werte richtig angegeben. Überdies ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte i.S. von § 16 UWG den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorrufen wollte. Der Vorwurf der Klagepartei geht im Kern dahin, dass die Beklagte mit der Einhaltung der Grenzwerte der entsprechenden Euro-Norm geworben hat. Diese mussten aber alle vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten. Damit wäre also kein besonderer Vorteil angepriesen. Zudem war diese Behauptung angesichts der Tatbestandswirkung der Genehmigung sowie ausweislich des Umstands, dass das streitgegenständliche Fahrzeug die entsprechenden Grenzwerte im Rahmen standardisierter Verfahren eingehalten hat, auch nicht unrichtig.
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Nachdem dem Hauptsacheantrag bereits kein Erfolg beschieden ist, sind auch die Nebenanträge zu Annahmeverzug und Verzinsung unbegründet. Aus dem gleichen Grund steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltsgebühren und Erstattung der Finanzierungskosten zu.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.