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OLG Bamberg, Hinweisbeschluss v. 01.08.2022 – 10 U 62/22
Titel:

Kein Schadensersatz wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen im Zusammenhang mit dem Erwerb eines gebrauchten Fahrzeugs mit 3,0-Liter-Motor (hier: Porsche Cayenne)

Normenketten:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826, § 831
VO (EG) 715/2007 Art. 5 Abs. 2
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
StGB § 263 Abs. 1
ZPO § 148, § 522 Abs. 2
Leitsätze:
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2021, 41003; OLG München BeckRS 2020, 53350; BeckRS 2021, 31796; BeckRS 2021, 32277; BeckRS 2021, 32276; BeckRS 2021, 32267; BeckRS 2021, 45184; BeckRS 2021, 47471; BeckRS 2022, 5687; OLG Brandenburg BeckRS 2021, 14845; BeckRS 2021, 14846; OLG Düsseldorf BeckRS 2021, 42101; OLG Köln BeckRS 2020, 10284; OLG Hamm BeckRS 2020, 41423; BeckRS 2021, 48767; OLG Stuttgart BeckRS 2020, 5656; OLG Koblenz BeckRS 2020, 34715; LG München I BeckRS 2021, 32309; LG München II BeckRS 2021, 9731; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 17853; BeckRS 2021, 41437; LG Landshut BeckRS 2021, 15304; LG Ingolstadt BeckRS 2021, 19616; LG Würzburg BeckRS 2021, 32313; BeckRS 2021, 43843; LG Deggendorf BeckRS 2022, 23876. (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch ein - hier nicht vorliegender - verbindlicher Rückruf indiziert nicht für sich allein, dass das Kraftfahrt-Bundesamt bei der Beantragung der Erteilung der Typgenehmigung über das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung arglistig getäuscht wurde. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist nicht Aufgabe eines gerichtlichen Sachverständigen, eine nicht näher beschriebene Divergenz zwischen anderweitig gemessenen Abgaswerten unterschiedlicher Fahrzeugtypen aufzuklären und auch zu erklären. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das „On Board Diagnosesystem“ (OBD) hat keine „abgaswertüberwachende“, sondern eine bloße „funktionsfähigkeitskontrollierende“ Funktion innerhalb des Fahrzeugs. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Audi AG, 3.0 l V6 Dieselmotor, unzulässige Abschalteinrichtung, Rückrufbescheid, Lenkwinkelerkennung, Getriebemanipulation, OBD, Vorabentscheidungsverfahren, Schlussanträgen des Generalanwalt
Vorinstanz:
LG Hof, Endurteil vom 25.05.2022 – 32 O 50/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21252

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 25.05.2022, Az. 32 O 50/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 13.696,98 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 24.08.2022.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klagepartei verlangt aufgrund des Kaufs eines gebrauchten, nicht von der Beklagten hergestellten Pkw mit einem von dieser entwickelten und produzierten Dieselmotor Schadensersatz.
2
Die Klagepartei erwarb am 30.01.2020 einen Pkw Porsche Cayenne, EZ 04.03.2013, mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor, welcher der Abgasnorm Euro 5 unterfällt. Der Kilometerstand betrug 45.124 km, der Netto-Kaufpreis 19.112,00 €. Bei Klageeinreichung betrug der Kilometerstand für das Fahrzeug rund 180.000 km.
3
Ein verbindlicher Rückruf des KBA ist für das Fahrzeug bislang nicht ergangen.
4
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, des Verfahrenshergangs und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 4 i. V. m. Sätze 2 und 3 ZPO).
5
Das Erstgericht hat die Klage, zuletzt gerichtet auf Zahlung von 19.112,00 € nebst Zinsen abzüglich einer laufleistungsabhängigen Nutzungsentschädigung sowie auf weitere Zahlung in Höhe von 1.848,79 € an Finanzierungskosten, Feststellung des Annahmeverzugs und schließlich Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.054,10 € abgewiesen.
6
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klagepartei mit dem Ziel einer Verurteilung zur Zahlung von unter anderem 16.060,50 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung sowie von Finanzierungskosten in Höhe von 1.848,79 €.
7
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung.
8
Die Klagepartei hat wiederholt die Aussetzung des Verfahrens beantragt, was mit Beschluss vom 08.07.2022 sowie sodann mit Beschluss vom 22.07.2022 abgelehnt worden ist.
II.
9
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.
10
Das Erstgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auf die zutreffenden und nach eingehender rechtlicher Prüfung nicht zu beanstandenden Ausführungen kann und wird vollumfänglich Bezug genommen.
11
Die Berufungsbegründung gibt nur Anlass zu folgenden, ergänzenden, Ausführungen:
12
1. Einem Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB steht schon entgegen, dass es an der hinreichend substantiierten Darlegung eines vorsätzlichen und sittenwidrigen schädigenden Verhaltens der Beklagten fehlt.
13
a) Es fehlt zunächst am erforderlichen Nachweis sittenwidrigen Handelns.
14
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2021 - VII ZR 321/20 -, juris, Rn. 13).
15
Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 Rn. 11, WM 2021, 1609; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 Rn. 29, ZIP 2020, 1715; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 15, BGHZ 225, 316; Urteil vom 12. März 2020 - VII ZR 236/19 Rn. 24, VersR 2020, 1120; jeweils m.w.N.).
16
Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - VI ZR 128/20 Rn. 11, WM 2021, 1609; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 Rn. 29, ZIP 2020, 1715; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 15, BGHZ 225, 316).
17
Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschluss vom 9. März 2021 - VI ZR 889/20 Rn. 12, VersR 2021, 661; Beschluss vom 19. Januar 2021 - VI ZR 433/19 Rn. 14, ZIP 2021, 297; Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 5/20 Rn. 29, ZIP 2020, 1715; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 15, BGHZ 225, 316).
18
Selbst der Einsatz von als unzulässige Abschalteinrichtungen i. S. d. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 anzusehenden Motoreinrichtungen genügt noch nicht allein für die Annahme, dass der Einsatz dieser Einrichtung durch die für die Beklagte handelnden Personen schon aus sich heraus als besonders verwerflich anzusehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 16.09.2021 - VII ZR 321/20 -, juris, Rn. 16).
19
Erforderlich ist vielmehr, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung auch in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen.
20
Sogar ein verbindlicher Rückruf, der hier nicht vorliegt, würde seinerseits nicht für sich allein indizieren, dass das Kraftfahrt-Bundesamt bei der Beantragung der Erteilung der Typgenehmigung über das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung arglistig getäuscht wurde (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2022 - VII ZR 266/20 -, juris, Rn. 20; BGH, Beschluss vom 29.09.2021 - VII ZR 126/21 -, juris, Rn. 14).
21
Damit eine an sich unzulässige Abschalteinrichtung, der noch keine Prüfstandserkennung mit einer entsprechenden Umschaltlogik zu eigen ist, eine Haftung der Beklagten wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB auslösen kann, müssen nach der mittlerweile gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung aber weitere Umstände vorliegen, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 24.03.2022 - VII ZR 266/20 -, juris, Rn. 20, m. w. N.).
22
b) Legt man diese Maßstäbe zugrunde, ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers sowie den getroffenen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten der Beklagten in diesem Sinne als objektiv sittenwidrig zu qualifizieren ist.
23
aa) Schon im Ansatz wenig weiterführend ist die Vorstellung der Klagepartei, dass es Aufgabe eines gerichtlichen Sachverständigen wäre, eine nicht näher beschriebene Divergenz zwischen anderweitig gemessenen Abgaswerten unterschiedlicher Fahrzeugtypen, deren Motoren einer älteren Abgasnorm, der Euro 4-Norm, unterfallen sind (vgl. Anlage K3), aufzuklären und auch zu erklären.
24
Selbst bei Wahrunterstellung der in dem Gutachten vom 25.06.2017, welches zu Abgaswerten von Motoren der EU 4-Norm der Audi AG aus den Modelljahren 2004-2008 eingeholt worden ist, lässt sich eine belastbare und nicht zur Ausforschung führende Darlegung im Hinblick auf den streitgegenständlichen Motor der Beklagten, die wiederum nicht mit der Herstellerin der Motoren des Gutachtens identisch ist, nicht ableiten.
25
Nichts anders ergibt sich aus der Zusammenschau der Behauptungen von entsprechenden und vergleichbaren Abgasmessungen dritter Seite, hier der Deutschen Umwelthilfe, zu deren Beleg allein auf mehrere Präsentationsfolien (Anlage K4) Bezug genommen wird.
26
bb) Dem Grunde nach nichts anderes gilt für die als unzulässige Abschalteinrichtung mit einer Prüfstandserkennung behauptete Zyklus- und Lenkwinkelerkennung.
27
Hier vermögen schon die Bezugnahmen auf vorgelegte Rückrufbescheides des KBA, die einen ganz anderen Motortyp betreffen (Anlage K5: KBA-Referenznummer 010001 - 4,2 TDI V8-Motor) respektive Motoren, die in andere Fahrzeuge von anderen Fahrzeugherstellern verbaut worden sind (KBA-Referenznummer 007130 - Audi A7, Audi A8 3.0 l Euro 5) oder sogar noch nicht einmal den konkreten Motortyp zu erkennen geben (KBA-Referenznumner 009387 - Audi A6, Audi A7), nicht zu überzeugen.
28
Der notwendige Vortrag für das streitgegenständliche Fahrzeug, das zum einen keinen 4,2-l-Dieselmotor aufweist und zum anderen von einem anderen Fahrzeughersteller produziert worden ist, entbehrt somit der erforderlichen Substanz.
29
Die sodann ohne nähere Darlegung aufgestellte Behauptung, wonach sich bei einem Einschlag des Lenkrads um mehr als 15 ° der Stickstoffoxid-Ausstoß dauerhaft erhöhe, erweist sich nicht minder als reine Spekulation als die gleichlaufende Behauptung des Vorhandenseines einer „Auxiliary Emission Control Device“ (AECD), mit der offenbar eine Schaltpunktveränderung für ein Automatik-Getriebe verbunden wird. Das „On Board Diagnosesystem“ (OBD) hat schließlich, anders als die Klagepartei dies offenbar annimmt, von vornherein keine „abgaswertüberwachende“, sondern eine bloße „funktionsfähigkeitskontrollierende“ Funktion innerhalb des Fahrzeugs. Überdies kann es ohne unzulässige Abschalteinrichtung keine unzulässige „Nichtanzeige“ einer solchen durch das OBD, wäre dies von dessen Funktionsumfang und -auftrag umfasst, geben.
30
c) Der Vortrag der Klagepartei führt auch nicht zu einer sekundären Darlegungslast der Beklagten zu den technischen Gegebenheiten des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
31
Grundsätzlich trägt der Geschädigte, der sich auf einen Schadensersatzanspruch gemäß § 826 BGB beruft, die volle Darlegungs- und Beweislast für die Anspruchsvoraussetzungen (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, vor § 284 Rn. 34).
32
Die Annahme einer sekundären Darlegungslast setzt voraus, dass der darlegungs- und beweisbelasteten Partei die nähere Darlegung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die gegnerische Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt oder es ihr zuzumuten ist, nähere Angaben zu machen. Die Voraussetzungen für eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten sind hier nicht erfüllt. Um eine Ausforschung zu vermeiden, muss der unstreitige oder zu beweisende Vortrag des Beweispflichtigen greifbare Anhaltspunkte für seine Behauptung liefern (Greger, in: Zöller, a.a.O, m.w.N.).
33
2. Ansprüche der Klagepartei aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 StGB sind ebenfalls nicht gegeben. Diese würden jeweils den Nachweis eines deliktischen Handelns bzw. einer vorsätzlichen Täuschungshandlung voraussetzen. Ein solcher Nachweis kann von der Klagepartei auf der Grundlage des bisherigen Vortrags nicht angenommen werden, zumal selbst bei anzunehmendem Vorhandensein von unzulässigen Abschalteinrichtungen auch im klägerischen Fahrzeug zunächst nur von einem Fahrlässigkeitsvorwurf auszugehen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 10.11.2021 - VII ZR 415/21 -, juris, Rn. 37).
34
3. Der Klagepartei steht auch kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG zu.
35
§ 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sowie die Art. 5 (EG) Nr. VO 715/2007 stellen keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, da das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich dieser Normen liegt.
36
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. VI ZR 5/20 und Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19).
37
Der Senat sieht auch keinen Anlass, das vorliegende Verfahren gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) in dem dort anhängigen Verfahren C-100/21 auszusetzen.
38
Der Gerichtshof selbst weist in ständiger Gerichtspraxis daraufhin, dass den Schlussanträgen des Generalanwalts keine präjudizielle oder sonstige Bedeutung zukommen (vgl. EuGH, PM 95/2022 v. 02.06.2022, Hinweis: „Die Schlussanträge sind für den Gerichtshof nicht bindend. Aufgabe der Generalanwältin oder des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Die Richterinnen und Richter des Gerichtshofs treten nunmehr in die Beratung ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.“).
39
Der Senat gibt zu bedenken, dass es in der Vergangenheit wiederholt Vorabentscheidungsverfahren, insbesondere auch im Zusammenhang mit Klagen vor deutschen Gerichten gegen die hiesige Beklagte, gegeben hat, die ohne eine für das erkennende Gericht gegebenenfalls maßgebliche Entscheidung des Gerichtshofs beendet worden sind (vgl. EuGH, Bes. v. 18.05.2020 - C-759/19; EuGH, Bes. v. 15.07.2020 - C-808/19, C-809/19).
40
Es entspricht zudem der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine schuldhafte Verletzung der sich aus einem Sekundärrechtsakt ergebenden Pflichten eine Haftung hierfür begründen kann, grundsätzlich dem jeweiligen nationalen Recht unterliegt und die nationalen Gerichte dabei allein die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu beachten haben (vgl. EuGH, Urt. v. 16.02.2017 - C-219/15, Schmitt ./. TÜV Rheinland LGA P. GmbH -, Rn. 59 f.).
III.
41
Der Senat kommt nach ausführlicher Überprüfung der Sach- und Rechtslage, insbesondere unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens zu dem Ergebnis, dass das Urteil des Erstgerichts aus Sicht des Rechtsmittelführers nicht zu beanstanden und eine Abänderung zu dessen Gunsten nicht veranlasst ist.
42
Der Senat sieht sodann im vorliegenden Verfahren weder eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch eine Notwendigkeit, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts herbeizuführen (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Schließlich erscheint eine mündliche Verhandlung mangels erwartbarer entscheidungserheblicher Erkenntnisse hieraus auch nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).
43
Es wird daher empfohlen, die Berufung - auch aus Kostengründen - zurückzunehmen. Auf die in Betracht kommende Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. KV Nr. 1220, 1222) sowie die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bedeutung eines Hinweisbeschlusses für die adäquate Beratung eines, wenn auch rechtsschutzversicherten, Mandanten (BGH, Urt. v. 16.09.2021 - IX ZR 165/19 -, juris) wird vorsorglich hingewiesen.