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VG Augsburg, Urteil v. 26.04.2022 – Au 8 K 21.1753
Titel:

Keine Erlaubnis zum Halten von Brauenglattstirnkaimanen

Normenketten:
LStVG Art. 37 Abs. 2 S. 1
GG Art. 5 Abs. 3
Leitsätze:
1. Bei Brauenglattstirnkaimanen handelt es sich um gefährliche Tiere einer wildlebenden Art, deren Haltung einer Erlaubnis bedarf. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein berechtigtes Interesse zur Haltung eines gefährlichen Tieres einer wildlebenden Art kann im Einzelfall ein bestehendes Interesse wissenschaftlicher, wirtschaftlicher oder ggf. sonstiger persönlicher Art sein. Bloße Liebhaberei begründet kein berechtigtes Interesse. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Grundsätzlich kann die Verwendung gefährlicher Tiere zur Nachzucht im Einzelfall ein berechtigtes Interesse begründen, wenn auf diese Weise zur Erhaltung einer bedrohten Tierart beigetragen werden kann. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Haltung eines gefährlichen Tieres wildlebender Art (Kaiman), (kein) berechtigtes Interesse, beabsichtigte wissenschaftliche Tätigkeit eines privaten Tierhalters, Arterhaltung und Nachzucht, Brauenglattstirnkaiman, Krokodil, wildlebendes Tier, gefährliches Tier, berechtigtes Interesse, Arterhaltung, Nachzucht, Liebhaberei, Erlaubnis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21190

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung von zwei Brauenglattstirnkaimanen in seiner Privatwohnung.
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Der Kläger ist hauptberuflicher Landwirt und unterhält eine Biogasanlage. Privat ist er an der Haltung von Reptilien interessiert. Seit 2004 ist er Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) und der dieser Gesellschaft untergeordneten Arbeitsgemeinschaft Krokodil (AG Krokodil). Im Oktober 2004 legte der Kläger eine Gefahrenprüfung Terraristik zur Haltung gefährlicher Tiere ab. Seitdem ist er auch Halter einiger nicht meldepflichtiger Tierarten.
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Mit Schreiben vom 29. Januar 2020 beantragte der Kläger die Erlaubnis zur Haltung von jeweils einem männlichen und einem weiblichen Brauenglattstirnkaiman (paleosuchus palpebrosus). Die beiden noch nicht erworbenen Jungtiere wolle er bei sich zu Hause in einem abschließbaren Terrarium aus Holz und Glas mit den Maßen 100 x 50 x 50 cm (gesetzlicher Mindeststandard) halten. Das Terrarium solle sich in einem separaten, ebenfalls abschließbaren Raum mit vergitterten Fenstern befinden. Mit dem Erwachsenwerden sollten die Tiere in ein entsprechend angepasstes Großterrarium umgesetzt werden. Zur Begründung gab er an, wissenschaftlichen Zielen im Sinne der AG Krokodil dienen sowie zur Arterhaltung mit einer gegebenenfalls späteren Nachzucht beitragen zu wollen. Dazu würden u.a. die Wissensermittlung hinsichtlich Haltung, Zucht und Verhaltensforschung der Tiere, der Wissensaustausch darüber mit anderen Mitgliedern der DGHT, die Zurverfügungstellung der Tiere für wissenschaftliche Projekte anderer sowie die eigene Durchführung von laufenden Projekten zusammen mit anderen Tierhaltern, die überragende Fachkenntnisse besäßen, zählen. Zum Nachweis legte er Schreiben der DGHT vom 27. Januar 2020 und vom 23. Oktober 2020 vor. Des Weiteren legte er ein Gutachten von Herr Professor Dr. S. zur rechtlichen Einordung der privaten Tierhaltung vor, welches in Zusammenarbeit mit der DGHT erstellt wurde. Den Schreiben der DGHT sei daher die Qualität einer fachlichen Stellungnahme beizumessen. Zudem fügte der Kläger eine Bestätigung hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit der Universität ... an, wonach er dieser seine Biogasanlage zu Forschungszwecken zur Verfügung stelle.
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Nach Anhörung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9. August 2021 den Antrag auf Haltung von zwei Brauenglattstirnkaimanen (paleosuchus palpebrosus) im Privatanwesen des Klägers ab (Ziffer 1 des Bescheids). Zugleich wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziffer 2 des Bescheids). Es bestünde kein berechtigtes Interesse, welches eine Haltererlaubnis rechtfertige. Eine Gefährdung Dritter sei nicht auszuschließen.
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Dagegen ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
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unter Aufhebung des Bescheids vom 9. August 2021 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Erlaubnis zum Halten von zwei Brauenglattstirnkaimanen an dessen Wohnsitzadresse zu erteilen.
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Seine Begründung zur Haltung der Kaimane würde die Anforderungen an das Vorliegen eines berechtigten Interesses erfüllen. Die wissenschaftlichen Gründe habe er durch mehrere Nachweise glaubhaft dargelegt. Anzuführen sei insbesondere der Nutzen der Haltung für die DGHT. Zudem sei für das Vorliegen eines wissenschaftlichen Interesses nicht bereits eine bestehende Zusammenarbeit mit einer Universität oder Hochschule notwendig. Vielmehr genüge es, dass der Kläger der DGHT zugesagt habe, für zukünftige wissenschaftliche Projekte zur Verfügung zu stehen. Eine tatsächliche Teilnahme an universitären Projekten sei auch wegen der Kontakte der DGHT als sehr wahrscheinlich einzustufen. Das allgemein bestehende wissenschaftliche Interesse des Klägers komme zudem in seiner bereits bestehenden Zusammenarbeit mit der Universität ... zum Ausdruck. Eine andere Auslegung der Voraussetzung des wissenschaftlichen Interesses würde zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit führen. So sei die Wissenschaftsfreiheit ein Jedermann-Grundrecht, womit auch das privat-wissenschaftliche Tätigwerden des Klägers im Rahmen der DGHT geschützt sei. Zudem werde er durch die Versagung im Wesensgehalt seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 101 BV eingeschränkt. Die Haltung von gefährlichen Tieren werde einem Neuhalter wie ihm unmöglich gemacht. Es bestünden auch keine Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Klägers, sowohl in persönlicher, als auch in fachlicher Hinsicht. So habe der Kläger mit seinen Ausführungen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens hinreichend dargelegt, dass er zur artgerechten Tierhaltung fähig sei. Die Befürchtung von entgegenstehenden Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum und Besitz habe der Kläger durch das im gerichtlichen Verfahren vorgelegte, die Haltung konkretisierende Sicherheitskonzept (Anlage K6) ausgeräumt. Dieses beinhalte auch ein „Worst-Case-Szenario“.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Durch das Halten der gefährlichen Tiere im Privathaushalt würden erhebliche Gefahren für die Haltungsperson sowie auch für unbeteiligte Dritte entstehen. Zwar seien aktuell solche Gefahren aufgrund der Vorlagen von Haltungskonzepten durch den Kläger ausgeschlossen. Jedoch sei aufgrund der hohen Lebenserwartung der Kaimane nicht davon auszugehen, dass der Kläger diese dauerhaft bei sich behalten könne. Eine spätere anderweitige Unterbringung sei zudem meist schwierig. Somit sei unsicher, wie lange eine gefahrenlose Haltung erfolgen könne. Einerseits bestehe die Gefahr einer späteren tierschutzwidrigen Haltung der Kaimane. Andererseits gehe von möglichen Ausbrüchen der Kaimane eine Gefahr für Leib und Leben der Nachbarn aus. Die Nachbarschaft sei durch Wohnbebauung geprägt. Zudem befinde sich in unmittelbarer Nähe - circa 100 Meter von dem Anwesen des Klägers entfernt - ein Kindergarten. Überdies sei das berechtigte Interesse vom Kläger nicht hinreichend nachgewiesen worden (z.B. durch Vorlage einer unmittelbar von einer Universität ausgestellten Bestätigung der wissenschaftlichen Mitarbeit). So sei insbesondere für die Ausübung der Forschungsfreiheit nicht zwingend eine eigene Haltung durch den Kläger auf seinem Privatgrundstück erforderlich.
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In der mündlichen Verhandlung teilte der Vertreter der Beklagten mit, dass an der Ziffer 2 des Bescheids nicht festgehalten werde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, sowie die beigezogenen Behördenakten und auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid der Beklagten vom 9. August 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung von zwei Brauenglattstirnkaimanen (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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1. Die unter Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides getroffene Versagungsentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden, da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Halten von zwei Brauenglattstirnkaimanen (paleosuchus palpebrosus) gem. Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG nicht vorliegen.
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Nach Art. 37 Abs. 1 LStVG bedarf der Erlaubnis, wer ein gefährliches Tier einer wildlebenden Art oder einen Kampfhund halten will. Die Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse nachweist, gegen seine Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen und Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz nicht entgegenstehen (Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG).
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a) Bei den Brauenglattstirnkaimanen handelt es sich um gefährliche Tiere einer wildlebenden Art. Wildlebend sind alle Tierarten, die üblicherweise nicht in menschlicher Obhut gehalten werden. Gefährlich sind solche Tiere, wenn der Umgang mit ihnen wegen der ihnen eigentümlichen Veranlagungen oder Verhaltensweisen zu Verletzungen oder Schäden führen kann. Dies ist zum Beispiel bei Löwen, Tigern, Bären sowie großen oder giftigen Schlangen der Fall. Auf die spezifische Eigenschaft des einzelnen Tieres (Gutmütigkeit, Gezähmtheit) kommt es für die Begründung der Erlaubnispflicht nicht an.
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Zwar ist der Brauenglattstirnkaiman nicht in der Beispielsliste gefährlicher Tiere (Stand: März 2017; Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: Oktober 2019, Anhang 3b), die vom Bayerischen Staatsministerium des Innern zur verwaltungsinternen Verwendung den Regierungen und Kreisverwaltungsbehörden als unverbindliche Handreichung zur Verfügung gestellt worden ist, aufgeführt. Bei dieser Liste handelt es sich jedoch ausdrücklich nur um eine Beispielsliste, wie mit dem in sie einführenden Wortlaut „insbesondere“ zum Ausdruck kommt. Der Brauenglattstirnkaiman gehört zur Gattung der Krokodile. Krokodile werden typischerweise nicht in menschlicher Obhut gehalten, sondern leben frei in der Nähe von Gewässern. Aufgrund ihrer eigentümlichen Veranlagung zum Beutefang ist bei ihnen eine hohe Reaktionsschnelligkeit im Zusammenspiel mit einer starken Bisskraft ausgeprägt. Diese Eigenschaften sind aufgrund ihrer Nichtbeherrschbarkeit für den Menschen als generell gefährlich anzusehen. Auch wenn der Brauenglattstirnkaiman nur ein „kleines“ Krokodil ist, ist von einer Gefährlichkeit auszugehen. Nach der Stellungnahme des Fachtierarztes für Reptilien Herrn T. vom 10. Februar 2020 kann ein adulter Brauenglattstirnkaiman massive Bissverletzungen mit Weichteilverletzungen verursachen. Diese Einschätzung teilt auch die Abteilung „Öffentliche Sicherheit und Ordnung“ des zuständigen Landratsamts mit Schreiben vom 10. März 2020, wonach schwere Bissverletzungen zu befürchten seien. Gegenteiliges wurde auch von der Klägerseite nicht eingewandt.
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b) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis, weil er bereits kein berechtigtes Interesse nachweisen kann. Auf seine Zuverlässigkeit und das vorgelegte Sicherheitskonzept kommt es insoweit nicht an.
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aa) Ein berechtigtes Interesse wird nur ausnahmsweise anerkannt. Der Begriff des „berechtigten Interesses“ ist restriktiv auszulegen, um nicht das Tatbestandsmerkmal entgegen der Absicht des Gesetzgebers seiner beschränkenden Funktion in der Praxis weitestgehend zu berauben, was den sicherheitsrechtlichen Zielen der Vorschrift zuwiderliefe (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2006 - 24 CS 06.437 - juris Rn. 19, U.v. 19.3.2019 - 10 BV 18.1917 - juris Rn. 45; VG Würzburg, B.v. 13.11.2009 - W 5 S 09.988 - juris Rn. 15). Gem. Nr. 37.4.1 der Vollzugsbekanntmachung kann ein berechtigtes Interesse ein im Einzelfall bestehendes Interesse wissenschaftlicher, wirtschaftlicher oder ggf. sonstiger persönlicher Art sein. Bloße Liebhaberei begründet kein berechtigtes Interesse (BayVGH, B.v. 9.5.1996 - 24 CS 96.161 - BayVBl 1997 S. 436). Ebenso wenig kann eine besondere Sachkunde im Umgang mit gefährlichen Tieren einer wildlebenden Art ein berechtigtes Interesse an der hobbymäßigen Haltung der Tiere begründen (BayVGH, B.v. 18.1.2010 - 10 CS 09.3017 - juris Rn.9). Angesichts der mit der Haltung von gefährlichen Tieren wildlebender Art verbundenen Risiken für Leben, Gesundheit, Eigentum und Besitz, die auch bei Zuverlässigkeit des Halters und sachgerechter und sicherer Unterbringung der Tiere nicht vollständig ausgeschlossen werden können, genügt auch die nur in den Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG bzw. Art. 101 BV geschützte allgemeine Handlungsfreiheit nicht für die Begründung eines berechtigten Interesses. Vielmehr muss mit der Haltung des gefährlichen Tiers ein Zweck verfolgt werden, der es rechtfertigt, das Restrisiko für die genannten Rechtsgüter hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 18.1.2010 - 10 CS 09.3017 - juris Rn.9, B.v. 20.3.2006 a.a.O., B.v. 17.08.2005 - 24 CS 05.959 - juris Rn. 21; Luderschmid in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 37 Rn. 47; Körner/Mehringer, PdK Bayern, LStVG, Art. 37 Erl. Nr. 5.2). Die Beweislast für das Vorliegen eines berechtigten Interesses im Erlaubnisverfahren liegt beim Kläger, wie sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut ergibt (vgl VG Würzburg, B.v. 13.11.2009 - W 5 S 09.988 - juris Rn. 15, 17; Luderschmid in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Art. 37 Rn. 56).
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bb) Nach diesen Maßstäben kann zwar grundsätzlich die Verwendung gefährlicher Tiere zur Nachzucht im Einzelfall ein berechtigtes Interesse begründen, wenn auf diese Weise zur Erhaltung einer bedrohten Tierart beigetragen werden kann. (BayVGH, B.v. 18.1.2010 - 10 CS 09.3017 juris Rn. 9; VG Würzburg, B.v. 13.11.2009 - W 5 S 09.988 - juris Rn. 16).
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Im vorliegenden Fall kann sich der Kläger, der in seinem Antrag auf Erteilung der Erlaubnis angegeben hat, dass er die Tiere zum Zweck der Arterhaltung und Nachzucht halten will, jedoch nicht auf ein berechtigtes Interesse berufen, weil Brauenglattstirnkaimane nicht zu den bedrohten Tierarten gehören. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) stuft den Brauenglattstirnkaimane (paleosuchus palpebrosus) als ungefährdet (stable) ein, während bedrohte Tierarten als gefährdet (vulnerable), stark gefährdet (endangered), vom Aussterben bedroht (critically endangered) oder in freier Wildbahn ausgestorben (extinct in the wild) eingestuft werden (www.iucnredlist.org/species/46587/3009946).
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cc) Des Weiteren hat der Kläger auch kein (sonstiges) wissenschaftliches Interesse nachgewiesen, soweit er u.a. vorträgt, der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DGHT) zugesagt zu haben, für künftige wissenschaftliche Projekte zur Verfügung zu stehen, und das Angebot bestehe, an universitären Projekten teilzunehmen, sowie sich selbst privat wissenschaftlich betätigen zu wollen. Die Haltung der Kaimane diene der Forschung im Sinne der AG Krokodil. Dazu legte er u.a. zwei Schreiben der DGHT vom 27. Januar 2020 und vom 23.Oktober 2020 vor.
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Grundsätzlich kann zwar nach dem Willen des Gesetzgebers gerade im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG bei wissenschaftlichen (Forschungs-)Interessen das berechtigte Interesse bejaht werden (LT-Drs. 12/3092, 5; Schwabenbauer in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.9.2021, Art. 37 LStVG Rn. 69). Die Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG schützt „die auf wissenschaftlichen Eigengesetzlichkeiten beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe“ (BVerfG, B.v. 4.11.2010 - 1 BvR 3389/08 - BVerfGE 111, 333/354; BVerfG, U.v. 24.11.2010 - 1 BvF 2/05 - BVerfGE 128, 1/40). Unter Wissenschaft wird jede Tätigkeit verstanden, die nach Inhalt und Form als ernster und planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist (BVerfG, U.v. 29.5.1973 - 1 BvR 424/71 u.a. - BVerfGE 35, 79 [113]). Dabei kann sich „Jedermann“ auf den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Var. 2 GG berufen. Die Grundrechtsträgerschaft des Art. 5 Abs. 3 GG ist jedoch insoweit mit dem Tatbestand der wissenschaftlichen Betätigung qualifikationsmäßig gebunden Damit können sich neben der hochschulrechtlich verfassten Grundrechtsträgereigenschaft auch Privatpersonen, solange die inhaltlich-methodischen Anforderungen, die der verfassungsrechtliche Wissenschaftsbegriff fordert, erfüllt sind, auf Grundrechtsschutz berufen (vgl. Gärditz in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand August 2019, Art. 5 Abs. 3, Rn. 127). Reine Hobbytätigkeit, die sich keiner eigenständigen wissenschaftlichen Methoden bedient oder keine wissenschaftlichen Erkenntnisziele verfolgt, sondern sich lediglich thematisch auf anerkannten Forschungsfeldern bewegt oder für den Hausgebrauch verfügbare wissenschaftliche Tests anwendet, wie beispielsweise der Hobbyornithologe, der mit dem Feldstecher Vögel beobachtet, ist sog. Nichtwissenschaft (Gärditz in: Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand August 2019, Art. 5 Abs. 3, Rn. 61).
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Ausgehend von diesen Maßstäben ist die beabsichtigte Tätigkeit des Klägers nach seinem bisherigen Vorbringen und den vorgelegten Dokumenten der DGHT und des Rechtsgutachtens von Herrn Prof. Dr. S „Heimtierhaltung und Verfassungsrecht“, nicht als wissenschaftliche Tätigkeit zu qualifizieren bzw. nicht nachgewiesen. Das Vorbringen des Klägers beinhaltet lediglich Absichtserklärungen und Behauptungen. Auch die Ausführungen in den übersandten Dokumenten sind nur sehr allgemein gehalten. Im Empfehlungsschreiben der DGHT vom 27. Januar 2020 befinden sich Ausführungen zur Mitgliedschaft des Klägers in der DGHT und der AG Krokodil sowie zu Gesprächen über die Haltungsbedingungen von Kaimanen. Die Zuverlässigkeit des Klägers wird bestätigt. Nur im letzten Satz des Schreibens wird festgestellt, dass die Haltung durch den Kläger einen Beitrag zur Arterhaltung darstellen und gleichzeitig zur Wissensvermittlung beitragen würde, ohne dies jedoch näher zu konkretisieren oder zu begründen. Im zweiten Schreiben der DGHT vom 23. Oktober 2020 wird darüber hinaus die Tätigkeit der DGHT näher dargestellt und erklärt, dass der Kläger einen wichtigen Beitrag zum Arterhalt sowie Wissensaustausch rund um die Haltung leisten kann. Des Weiteren wird die Bereitschaft des Klägers zur Beteiligung an zukünftigen wissenschaftlichen Projekten bestätigt. Auch hier fehlen jedoch Darstellungen, welche konkreten Projekte realisiert werden sollen. Der Hinweis auf eine Anfrage von der Universität ... und der Universität ... auf Abgabe von Blut von Krokodilen für ein Forschungsprojekt zu Evolutionsschritten, die der als fachlicher Beistand in der mündlichen Verhandlung anwesende Vertreter der DGHT nochmals wiederholt hat, steht ebenso in keinem Zusammenhang mit der geplanten Haltung der Tiere durch den Kläger. So hat auch der Bevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass konkrete Projekte für den Kläger nicht vereinbart seien.
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Das Rechtsgutachten des Prof. Dr. S. beschreibt ebenfalls nur allgemein die Tätigkeit der DGHT und deren außeruniversitärer Befassung und stammt aus dem Jahr 2018. In diesem Zusammenhang geht es auch auf die Wissenschaftsfreiheit privater Tierhalter ein (S. 92 ff, S. 148). Es weist jedoch keinen konkreten Bezug zur (beabsichtigten) Tätigkeit des Klägers auf. Wegen der engen Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 2 LStVG ist jedoch zu fordern, dass sich die Absicht des Klägers, an wissenschaftlichen Projekten teilzunehmen, bereits hinreichend konkretisiert hat (vgl. VG Würzburg, B.v.13.11.2009 - W 5 S 09.988 - juris Rn.15). Erst bei einer hinreichend konkreten und zeitlich absehbaren Zusammenarbeit mit einem Forschungsprojekt ist es gerechtfertigt und der Gesellschaft zumutbar, das Restrisiko für die genannten Rechtsgüter hinzunehmen.
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Diese Voraussetzungen machen unter Berücksichtigung der Fachdisziplin bzw. des Forschungs(um) feldes grundsätzlich auch einen Neueinstieg in die Forschung nicht unmöglich. Der Tierhalter kann solche Planungen mit Belegen und konkretisierten Projektplänen in ihm zumutbarer Weise nachweisen. Es muss insoweit zumindest erkennbar sein, dass sich der Umfang der wissenschaftlichen Tätigkeit mit den Tieren zur reinen Hobbyhaltung deutlich abgrenzt.
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Auch die bereits bestehende Zusammenarbeit mit der Universität ... hinsichtlich seiner Biogasanlage stellt keinen hinreichenden Nachweis dar, der eine zukünftige Betätigung an universitären bzw. im o.g. Sinne wissenschaftlich Projekten mit den Kaimanen vermuten lässt. Zwischen dem zur Verfügung stellen einer Biogasanlage und der Teilnahme an Forschungsprojekten mit Reptilien besteht kein inhaltlicher Zusammenhang. Insbesondere entstehen dem Kläger mit dem zur Verfügung stellen der Biogasanlage und der Lieferung von Substrat keine zusätzlichen, über seine normale Berufstätigkeit hinausgehenden Aufgaben.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Kläger trägt als unterlegener Teil die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.