Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 19.05.2022 – B 7 K 21.590
Titel:

besonderes Feststellungsinteresse (verneint), Corona, Absonderung, Quarantäne, konkrete Wiederholungsgefahr (verneint), tiefgreifender Grundrechtseingriff, der sich so kurzfristig erledigt, dass eine gerichtliche, Entscheidung nicht zu erlangen ist (verneint), effektiver Rechtsschutz durch vorläufigen Rechtsschutz, allgemeines Rechtsschutzbedürfnis (verneint)

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
GG Art. 19 Abs. 4
Schlagworte:
besonderes Feststellungsinteresse (verneint), Corona, Absonderung, Quarantäne, konkrete Wiederholungsgefahr (verneint), tiefgreifender Grundrechtseingriff, der sich so kurzfristig erledigt, dass eine gerichtliche, Entscheidung nicht zu erlangen ist (verneint), effektiver Rechtsschutz durch vorläufigen Rechtsschutz, allgemeines Rechtsschutzbedürfnis (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21125

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die ihr gegenüber ergangene Anordnung der häuslichen Isolation als Kontaktperson der Kategorie 1 rechtswidrig war.
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1. Die Klägerin war in der „…“ in … tätig. Diese KiTA wurde am 23.03.2021 von einem Kind besucht, das am 30.03.2021 positiv auf Corona getestet wurde. Es war seit dem 23.03.2021 symptomatisch und galt deshalb ab dem 21.03.2021 als infektiös.
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Mit Schreiben vom 02.04.2021 teilte das Landratsamt … der Klägerin mit, dass sie sich als Kontaktperson der Kategorie 1 mit engem Kontakt zu einem COVID-19-Fall vorübergehend in häusliche Isolation zu begeben habe (Behördenakte Bl. 6). Den Beginn der häuslichen Quarantäne setzte es mit dem 01.04.2021 fest. Gegen die „Anordnung“ ihrer Absonderung hat die Klägerin nicht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und auch keine Anfechtungsklage erhoben. Lediglich die Durchführung eines PCR-Tests hat sie mit Schreiben vom 02.04.2021 verweigert (Behördenakte Bl. 17) und mit nicht unterzeichnetem Schreiben vom 05.04.2021 Widerspruch erhoben („Widerspruch PCR-Test Anordnung“ - Behördenakte Bl. 21). In diesem hat sie behauptet, dass überhaupt nicht klar sei, ob und in welchem Rahmen Kontakt zu einer infizierten Person überhaupt stattgefunden haben solle (Behördenakte Bl. 22). Ferner bestehe die Klägerin auf eine schriftliche Bestätigung der Löschung aller persönlicher Daten nach Durchführung des Tests, sowie auf Übergabe einer Kopie ihrer Patientenakte inklusive der konkreten Testergebnisse zum Verbleib bei ihren privaten Unterlagen. Die Absonderung an sich wurde nicht moniert.
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Aus einem Vermerk vom 22.04.2021 (Behördenakte Bl. 2) ergibt sich Folgendes: Am 03. und 04.04.2021 wurde die Klägerin vom Gesundheitsamt angerufen. Die Klägerin teilte mit, dass sie eine Testung weiterhin ablehne. Ihr wurde im Gespräch vom 03.04.2021 mitgeteilt, dass grundsätzlich eine Testpflicht bestehe, ansonsten würde sich die Quarantäne verlängern. Am 07.04.2021 (Tag 15) wurde sie vom Beklagten angerufen und gefragt, ob ein PCR- oder Schnelltest vorgenommen worden sei. Die Klägerin habe angegeben, einen Gurgeltest beim Hausarzt vorgenommen zu haben und auf den Befund zu warten. Dieser würde dem Gesundheitsamt … umgehend zugesendet werden. Auch in Kalenderwoche 15 sei kein Befund eingegangen. Am 22.04.2021 sei immer noch kein Befund eingegangen und somit keine Entlassung autorisiert. Es habe diesbezüglich eine weitere telefonische Kontaktaufnahme mit der Klägerin gegeben. Am Tag des telefonischen Kontakts habe die Klägerin in der KiTa gearbeitet. Die Klägerin habe angegeben, der KiTa-Leitung den Befund bereits vorgelegt zu haben. Sie habe keinen weiteren Kontakt mit dem Gesundheitsamt bezüglich ihrer Quarantäne haben wollen. Jeglicher Kontakt würde über ihren Anwalt laufen. Die Quarantäne sei eigenständig beendet worden. Seitens des Gesundheitsamts seien keine weiteren Maßnahmen zu ergreifen gewesen. Auch wenn die Abschlusstestung nicht durchgeführt worden sei, sei bei der jetzigen Quarantänedauer davon auszugehen, dass keine Infektion vorliege.
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Mit Schreiben vom 26.04.2021 hat die Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch gegen den „Quarantänebescheid“ vom 02.04.2021 erhoben. In diesem Schreiben hat sie u.a. Schadensersatzansprüche von mindestens 5.000,00 Euro angekündigt und die sofortige Aufhebung des Quarantänebescheids erwartet.
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2. Nachdem das Landratsamt … der Bevollmächtigten mit Schreiben vom 30.04.2021 mitgeteilt hatte, dass ein Widerspruch vorliegend nicht statthaft sei, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.05.2021 Fortsetzungsfeststellungsklage erheben lassen und beantragt,
Es wird gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 02.04.2021 über die Anordnung der Absonderung in sog. häusliche Quarantäne rechtswidrig war.
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Im Wesentlichen begründet sie die Zulässigkeit der Klage wie folgt: Der letzte Kontakt zwischen der Klägerin und dem Kind in der KiTA habe am 22.03.2021 stattgefunden. Die Klägerin sei die ganze Zeit über gesund gewesen und habe keinerlei Erkältungssymptome gezeigt. In der Kita werde ein strenges Hygienekonzept durchgesetzt, welches die Erzieherinnen zum Tragen einer OP-Maske verpflichte, die die Klägerin auch zum damaligen Zeitpunkt getragen habe. Die Anordnung einer Quarantäne/Absonderung/Isolation ergehe - oftmals sogar für einige Tage rückwirkend - für etwa 10 bis 14 Tage. In diesem Zeitraum sei zwar (unter Umständen gerade noch) einstweiliger Rechtsschutz möglich, dieser sei in diesem Fall aber nicht wahrgenommen worden, da eine grundlegende Klärung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns mit Beweisanträgen und Beweisaufnahme nicht zu erwarten gewesen sei. Dies sei nur im Hauptsacheverfahren möglich und zulässig. Gerade weil es hier um fundamentale Grundrechtseingriffe in die Rechte der Klägerin gehe und weil insbesondere auch zu jedwedem Zeitpunkt eine Wiederholungsgefahr drohe, seien im konkreten Fall das Rechtsschutzbedürfnis und das Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen. Das objektive Rechtsklärungsinteresse sei zu bejahen (vgl. VG Koblenz, U.v. 10.1.2022 - 3 K 385/21.KO). Bei der Absonderungsanordnung handle es sich um einen gewichtigen, sich typischerweise kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriff. Denn die aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten grundsätzlich erforderliche Befristung einer Quarantäne beschränke sich regelmäßig auf die Dauer des Krankheits- bzw. Ansteckungsverdachts und damit auf einen so kurzen Zeitraum, dass gerichtlicher Rechtsschutz in der Hauptsache nicht mehr zu erlangen sei. Bei der Quarantäneanordnung handle es sich um einen erheblichen Eingriff in die Freiheitsgrundrechte der Klägerin.
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Es bestehe auch eine erhebliche Wiederholungsgefahr. Das liege daran, dass die Klägerin auch in Zukunft Gefahr laufe, als Kontaktperson oder nach einem eigenen positiven PCR-Test einen Quarantänebescheid für 10 bis 14 Tage zu erhalten. Denn - trotz der massiven tatsächlichen und rechtsstaatlichen Bedenken gegen die Geeignetheit eines PCR-Tests zur Feststellung einer SARS-CoV-2-Infektion - werde unbeirrt an der Testmethode und an der anschließenden Anordnung von Quarantäne/Absonderung/Isolation der getesteten Person sowie der Kontaktpersonen festgehalten. Es komme hierbei auch nicht darauf an, ob die Testungen und die darauf basierenden Anordnungen des Beklagten auf einer Allgemeinverfügung oder einer entsprechenden Corona-Testverordnung beruhen würden. Denn in beiden Fällen riskiere die Klägerin sehr konkret erneut eine Maßnahme, die massiv in ihre Grundrechte eingreife und nicht durch das Infektionsschutzgesetz gedeckt sei. Weiterhin würden Kita-Kinder und Schüler auf Basis von positiven PCR- und Schnelltests in Quarantäne abgeordnet werden, teilweise die einzelnen Schüler und Kinder, teilweise die gesamte Klasse oder Gruppe.
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Das Landratsamt … hat für den Beklagten beantragt,
die Klage wird abgewiesen.
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Den Antrag begründet der Beklagte u.a. damit, dass der letzte bestätigte Kontakt mit der Indexperson am 23.03.2021 stattgefunden habe. Es sei bereits die Statthaftigkeit der Klage fraglich, da es keinesfalls als geklärt anzusehen sei, dass die Mitteilung in der Form der Isolationsbescheinigung überhaupt als Verwaltungsakt zu verstehen sei. Es fehle das besondere Feststellungsinteresse. Soweit die Klägerin geltend mache, dass es sich um einen Fall eines tiefgreifenden, sich nach seiner Eigenart kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriffs handle, könne dem nicht gefolgt werden. Es fehle insoweit an einem Eingriffsakt, der wegen der sich aus der Eigenart ergebenden kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung habe zugeführt werden können, wie es häufig bei polizeilichen Maßnahmen der Fall sei. Die Klägerin habe insbesondere die Möglichkeit gehabt, Rechtsschutz zu ersuchen, sei es durch Eilrechtsschutz oder Klage. Dies sei unterlassen worden, sodass sich hieraus Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis ergeben würden. Sie stütze ihre Klage auf § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog. Eine Analogie liege nicht vor, da eine planwidrige Regelungslücke nicht erkennbar sei. Die Prozessbevollmächtigte habe Widerspruch eingelegt, obwohl dieser unstatthaft sei. Dass ihr aufgrund der unzutreffenden Wahl des Rechtsbehelfs nunmehr Rechtsschutz zuteilwerden solle, habe die Rechtsprechung sicherlich nicht im Blick gehabt. Dies gebiete auch nicht Art. 19 Abs. 4 GG.
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Es liege auch kein Fall der Wiederholungsgefahr vor. Dessen Voraussetzungen würden nicht vorliegen. An einer hinreichenden Bestimmtheit fehle es, wenn ungewiss sei, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten würden wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes. Seit Erlass der Quarantäneanordnung bis zum heutigen Tage hätten sich die tatsächlichen als auch rechtlichen Umstände wesentlich verändert, sodass nicht anzunehmen sei, dass es in absehbarer Zukunft zu einer vergleichbaren Situation und zum Erlass eines gleichartigen Verwaltungsaktes kommen werde. Die rechtlichen Grundlagen würden stetig angepasst. Auch in tatsächlicher Hinsicht liege bereits jetzt keine im Wesentlichen unveränderten Umstände mehr vor. Das Infektionsgeschehen habe sich stark verändert. Der Impffortschritt und bessere Schutz- und Vorbeugemaßnahmen hätten positive Auswirkungen auf die Pandemielage gezeitigt. Es stehe im Raum, die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Trageweite nicht mehr zu verlängern.
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Mit Schreiben des Gerichts vom 28.04.2022 hat es die Beteiligten u.a. zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Mit Schriftsätzen vom 29.04.2022 bzw. 02.05.2022 nahmen die Beteiligten hierzu Stellung. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin vertiefte hierbei ihre Rechtsauffassung und führte ergänzend an, dass einem Betroffenen nicht zugemutet werden könne, Eilrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, der angesichts einer Rechtsprechung, die nicht gewillt sei, die fundamentalen Fragen des PCR-Tests aufzuklären, von vornherein erfolglos sei. Gerichte seien zur Sachverhaltsaufklärung verpflichtet, dies passiere seit zwei Jahren nicht bei deutschen Gerichten - erst recht nicht in den Eilrechtsverfahren. Es werde seit zwei Jahren stereotyp behauptet, der PCR-Test sei „Goldstandard“ und könne das leisten, was er behaupte. Ein Eilrechtsverfahren sei daher von vornherein aussichtslos, weshalb die Klägerin diesen Weg nicht beschritten habe. Einstweiliger Rechtsschutz hätte im Zweifel auch keinen einzigen Tag der Quarantäne verkürzt, da auch dieser mehrere Tage oder Wochen in Anspruch nehme.
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Wegen der Einzelheiten wird gem. § 84 Abs. 1 Satz 3 und § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Sache konnte gem. § 84 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden. Die Beteiligten wurden dazu mit Schreiben des Gerichts vom 28.04.2022 gehört.
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Die Klage ist unzulässig und hat deshalb keinen Erfolg. Denn die Klägerin hat gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Absonderungsanordnung. Darüber hinaus liegt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht vor.
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I. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Bei der Mitteilung des Beklagten vom 02.04.2021 handelt es sich um einen (erledigten) Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, da mit dieser eine Einordnung der Klägerin als Kontaktperson der Kategorie 1 als Ergebnis eines behördlichen Subsumtionsvorgangs erfolgt ist (vgl. VG Augsburg, U.v. 26.4.2021 - Au 9 K 21.70 - juris
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Rn. 19; Nds. OVG, B.v. 22.10.2020 - 13 ME 386/20 - juris Rn. 12 - Absonderungsanordnung als Dauerverwaltungsakt; VG Bayreuth, U.v. 24.3.2022 - B 7 K 21.1106: betreffend eine infizierte Person; U.v. 7.7.2021 - B 7 K 21.222 - juris Rn. 20: in Bezug auf Verdienstausfallentschädigung).
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II. Für die Fortsetzungsfeststellungsklage fehlt es allerdings am berechtigten Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein und sich insbesondere aus den Gesichtspunkten der konkreten Wiederholungsgefahr, der Rehabilitierung, der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung sowie der Präjudizwirkung für einen beabsichtigten Schadensersatzanspruch ergeben. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 4.3.1976 - 1 WB 54.74; B.v. 24.10.2006 - 6 B 61.06; U.v. 16.5.2013 - 8 C 38/12 - juris Rn. 12; U.v. 12.11.2020 - 2 C 5/19 - juris Rn. 13). Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen.
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Gemessen daran liegt ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht vor.
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1. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich bei einer Erledigung vor Klageerhebung nicht aus der Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für einen potentiell angestrebten Staatshaftungsprozess (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 118).
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2. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses der Klägerin zu bejahen. Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 38/12 - juris Rn. 16).
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Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen, es bestehen diesbezüglich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Ansehen der Klägerin in der Öffentlichkeit oder in ihrem sozialen Umfeld durch die Absonderung herabgesetzt worden ist, da die Klägerin insbesondere aus der Masse der Personen, die Adressat einer Absonderungsanordnung geworden sind, nicht herausgestochen ist.
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3. Auch kann sich die Klägerin nicht auf das Vorliegen einer konkreten Wiederholungsgefahr berufen. Dazu ist nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Darüber hinaus müssen die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 38/12 - juris Rn. 13).
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Daran fehlt es hier (vgl. VG Augsburg, U.v. 26.4.2021 - Au 9 K 21.70 - juris; VG Hamburg, U.v. 27.7.2021 - 3 K 2485/21 - juris Rn. 21; VG Aachen, U.v. 14.3.2022 - 7 K 2555/21 - juris Rn. 38: offengelassen; VG Düsseldorf, GB.v. 17.1.2022 - 29 K 7114/20 - juris Rn. 36; VG Minden, U.v. 1.4.2022 - 7 K 2792/20 - juris Rn. 18; U.v. 1.4.2022 - 7 K 2802/20 - juris Rn. 16). Seit dem Erlass des Bescheids vom 02.04.2021 hat sich die Sach- und Rechtslage maßgeblich geändert. Es ist daher fernliegend, dass es in absehbarer Zukunft zu einer mit den Gegebenheiten im April 2021 vergleichbaren Situation und zum Erlass eines gleichartigen Verwaltungsakts kommen wird.
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Rechtsgrundlage für die Absonderungsanordnung im konkreten Fall war u.a. die AV Isolation in der Bekanntmachung vom 25.02.2021, geändert mit Bekanntmachung vom 09.03.2021. Diese wurde seit Anordnung der Quarantäne von Kontaktpersonen der Kategorie 1 wiederholt geändert und fortentwickelt. Während in der AV Isolation zum damaligen Zeitpunkt Kontaktpersonen der Kategorie 1 geregelt wurden, ist in der derzeit gültigen AV Isolation vom 12.04.2022 (Inkrafttreten am 13.04.2022 und Außerkrafttreten am 30.06.2022) eine Absonderung wegen dieser Fallgruppe nicht ausdrücklich vorgesehen. Auch die Absonderung für „Infizierte“ ist inzwischen anders befristet (nach Ziff. 4.2 spätestens nach Ablauf von zehn Tagen).
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Aber auch in tatsächlicher Hinsicht liegen bereits im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine im Wesentlichen unveränderten Umstände mehr vor, sodass der Eintritt einer mit dem Geschehen im Frühling 2021 vergleichbaren Situation in absehbarer Zukunft ausgeschlossen ist. Seit dem Erlass der streitgegenständlichen Mitteilungen hat sich das Infektionsgeschehen immer wieder sowohl in positiver als auch in negativer Weise verändert. Während das Auftreten neuer Mutationen zur Verstärkung des Infektionsgeschehens führte, wirken sich der Impffortschritt, die Ausweitung der Testmöglichkeiten und bessere Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise die in vielen Bereichen - zuletzt reduzierte - eingeführte Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske, positiv auf das Infektionsgeschehen aus, schließlich auch eine zunehmende „Durchseuchung“ der Bevölkerung. Von in absehbarer Zukunft im Wesentlichen gleichbleibenden tatsächlichen Umständen kann vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden (vgl. dazu auch VG Augsburg, U.v. 26.4.2021 - Au 9 K 21.70 - juris Rn. 29; VG Minden, U.v. 1.4.2022 - 7 K 2802/20 - juris Rn. 16 bis 18; U.v. 1.4.2022 - 7 K 2792/20 - juris Rn. 18 bis 20; VG Düsseldorf, GB.v. - 29 K 7114/20 - juris Rn. 36 bis 47).
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Mit dem Eintritt einer mit den Umständen im April 2021 vergleichbaren Situation kann deshalb in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden.
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4. Soweit die Klägerin geltend macht, ein Feststellungsinteresse bestehe wegen der tiefgreifenden Beeinträchtigung ihrer Grundrechte, gegen den gerichtlicheren Rechtsschutz aufgrund ihrer kurzfristigen Dauer nicht zu erreichen gewesen sei und der damit zusammenhängenden Garantie eines effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, führt auch dieses nicht zur Zulässigkeit der Klage.
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Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat. Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren. Die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziert ebenfalls nicht nach diesen beiden Kriterien. Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte. Umgekehrt gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern (BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - juris Rn. 30 bis 31), insbesondere, wenn das Rechtsschutzinteresse bereits im Eilverfahren befriedigt werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 39).
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Im Zusammenhang mit den verhängten Absonderungsanordnungen und den Fortsetzungsfeststellungsklagen, über die bundesweit an verschiedenen Verwaltungsgerichten entschieden worden ist, gibt es keine einheitliche Rechtsprechung, ob und unter welchen Umständen diese „Fallgruppe“ herangezogen oder abgelehnt wird. Es gibt Gerichte, die diese „Fallgruppe“ mit dem Argument ablehnen, dass im Zeitraum der Absonderung Eilrechtsschutz möglich gewesen wäre (vgl. VG Augsburg, U.v. 26.4.2021 - 9 K 21.70 - juris Rn. 31; VG Hamburg, U.v. 27.7.2021 - 3 K 2485/21 - juris Rn. 26). Andere Gerichte argumentieren nicht mit dem möglichen Eilrechtsschutz, sondern damit, dass die Absonderungsanordnung keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstelle und lehnen damit die „Fallgruppe“ ab (vgl. VG Minden, U.v. 1.4.2022 - 7 K 2792/20 - juris Rn. 37 und 7 K 2802/20 - juris Rn. 35; VG Düsseldorf, GB.v. 17.1.2022 - 29 K 7114/20 - juris Rn. 55). Wiederum andere Gerichte gehen davon aus, dass die Voraussetzungen dieser „Fallgruppe“ erfüllt seien und damit ein besonderes Feststellungsinteresse vorliege (vgl. VG Aachen, U.v. 14.3.2022 - 7 K 2555/21 - juris Rn. 38 ff.; VG Koblenz, U.v. 10.1.2022 - 3 K 385/21.KO - juris Rn. 17). Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes lässt die Frage eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses offen (B.v. 4.1.2021 - 2 B 366/20 - juris Rn. 13: Beschwerde gegen einen Beschluss hinsichtlich eines Aussetzungsantrags bezüglich einer Absonderung in häuslicher Quarantäne).
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Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- und -verfassungsgerichts lassen sich keine klaren Schlussfolgerungen für die vorliegende Konstellation der Absonderung als „Corona-Maßnahme“ ableiten.
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Das Bundesverwaltungsgericht geht grundsätzlich davon aus, dass ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein und sich u.a. insbesondere aus dem Gesichtspunkt der schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigung ergeben kann. Die gerichtliche Feststellung muss geeignet sein, die betroffene Position des Klägers zu verbessern. Bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist grundsätzlich nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.2020 - 2 C 5/19 - juris Rn. 13 bis 15 m.w.N.).
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Das Bundesverfassungsgericht stellt bei Hoheitsakten primär darauf ab, ob sie sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränken, in der die Betroffenen „eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen“ können (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 6.7.2016 - 1 BvR 1705/15 - juris Rn. 14 am Ende; B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris
34
Rn. 28). Die Zulässigkeit eines Rechtsschutzbegehrens ist vom Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses bei der Verfolgung eines subjektiven Rechts abhängig. Damit der Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nicht unzumutbar beschränkt wird, dürfen an ein solches Rechtsschutzbedürfnis keine aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Anforderungen gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 26). Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährt aufgrund prozessualer und materieller Unterschiede einen Anspruch auf Überprüfung eines Hoheitsaktes im Hauptsacheverfahren und nicht nur auf Rechtsschutz in einem Eilverfahren (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 29). Der Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren kann durch das Eilverfahren grundsätzlich nicht überflüssig werden (BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 33). In versammlungsrechtlichen Fällen geht es beispielsweise davon aus, dass u.U. bei einer Stattgabe im vorläufigen Rechtsschutz ein entsprechendes Feststellungsinteresse für eine Anfechtungsklage auf objektive Klärung der Rechtmäßigkeit eines Hoheitsakts nicht mehr besteht (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 39: Mögliche belastende Wirkungen durch die Art der Begründung der Verbotsverfügung reichen für die Annahme des Feststellungsinteresses nur dann, wenn sie ein besonderes Gewicht haben [mit Blick auf das Rehabilitierungsinteresse]).
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Die vorangehenden Erwägungen zugrunde gelegt, kann die entscheidende Kammer kein besonderes Feststellungsinteresse zugunsten der Klägerin erkennen. Es fehlt deswegen, weil im Zeitraum der Absonderung vorläufiger Rechtsschutz erreichbar gewesen wäre, der die Grundrechte der Klägerin effektiv hätte schützen können. Hierbei verkennt das Gericht die grundsätzliche Auffassung nicht, dass Rechtsschutz an sich in der Hauptsache gewährt werden soll. Aufgrund der Besonderheiten der „Fallgruppe“ der Quarantäne liegt ein sachlicher Grund vor, dass effektiver Rechtsschutz durch die Möglichkeit eines Eilantrags ausreichend gewährleistet wird.
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Der Grund, warum die Einlegung eines Eilantrags den effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in diesem Fall wahrt, liegt darin, dass durch diesen nicht nur vorläufiger, sondern gleichsam endgültiger Rechtsschutz erlangt werden kann. Absonderungsanordnungen unterlagen bzw. unterliegen einer zeitlichen Befristung. Durch eine Entscheidung zugunsten bzw. zulasten der Antragsteller wird die Hauptsache vorweggenommen, da über eine Klage regelmäßig innerhalb des Absonderungszeitraums realistisch gesehen nicht entschieden wird. Da die Folgen von Absonderungsanordnungen nicht revisibel sind, muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 33: zu einem versammlungsrechtlichen Fall). Mit anderen Worten erhöht sich die Intensität der Prüfung der Rechtmäßigkeit der behördlichen Maßnahme durch das Verwaltungsgericht. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wird in Fällen der Quarantäne dadurch Rechnung getragen, dass die Erfolgsaussichten der Hauptsache im Rahmen des Eilverfahrens nicht nur summarisch, sondern abschließend geprüft werden (vgl. VG Augsburg, U.v. 26.4.2021 - Au 9 K 21.70 - juris Rn. 31). Bei der Überprüfung durch das Gericht werden strenge Maßstäbe an die Rechtmäßigkeit der Absonderungsanordnung gestellt. Die Prüfintensität kommt einer Prüfung im Rahmen einer Hauptsacheklage gleich. Im Rahmen dieses „Massenverfahrens“ besteht die behördliche Ermittlung des Sachverhalts bei Kontaktpersonen in der Regel daraus, dass einige wenige Vermerke angefertigt sowie PCR-Test-Ergebnisse eingeholt werden, woraus das Gesundheitsamt seine Schlüsse für oder gegen eine Absonderungsanordnung zieht. Wenn diese Ermittlungen z.B. nicht ausreichend sind oder sonst Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anordnung bestehen (z.B. offene Erfolgsaussichten, Aktenlage ist unübersichtlich, es bestehen Zweifel daran, ob der behördenseits festgestellte Sachverhalt die Entscheidung über die Absonderungsanordnung trägt), wird durch das Verwaltungsgericht zeitnah die aufschiebende Wirkung der (noch einzulegenden) Anfechtungsklage angeordnet, da bei Absonderungsanordnungen im Zweifel für die Freiheit des jeweiligen Antragstellers zu entscheiden ist. Dass es der Klägerin unzumutbar gewesen war, noch während der laufenden Quarantänezeit Eilrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, obwohl sie u.a. wegen eines PCR-Tests in wiederholtem Kontakt mit dem Gesundheitsamt war, kann nicht konstatiert werden. Die Klägerin hat eine Unzumutbarkeit nicht glaubhaft dargelegt und diese Umstände liegen ersichtlich auch in keiner Weise vor.
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Entscheidend für die Wirksamkeit des Gerichtsschutzes ist nicht eine wie immer geartete „optimale“ oder „maximale“ Ausgestaltung der Schutztechniken und -verfahren, sondern die Sicherung der materiellen Rechte selbst (vgl. Schmidt-Aßmann in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, 95. EL Juli 2021, GG Art. 19 Abs. 4 Rn. 21). Auch, wenn die bloße Gewährung von Eilrechtsschutz in gewissen Konstellationen als ungenügend bezeichnet wird, hätte dieser im hiesigen Fall die materiellen Rechte der Klägerin gesichert. Diese Annahme wird nicht zuletzt dadurch unterstrichen, dass das Bundesverfassungsgericht jedenfalls in versammlungsrechtlichen Fällen Eilrechtsschutz in den Fällen als grundsätzlich ausreichend erachtet, wenn dem Antragsteller stattgegeben wird (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - juris Rn. 39). Wenn diese Feststellung zum Schutz des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit gilt - einem herausragenden (Kommunikations-)Grundrecht, das im Kollektiv ausgeübt wird - muss dies erst Recht in den Fällen einer - auch nachhaltigen - Beschränkung eines Individualgrundrechts gelten. Explizit im Hinblick auf die Organtransplantation weist das Bundesverfassungsgericht auf die Möglichkeit des Eilrechtsschutzes hin, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache zu spät käme (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 6.7.2016 - 1 BvR 1705/15 - juris Rn. 17), mit der Folge, dass für das spätere Verfahren kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse angenommen wird.
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Das Ergebnis, dass Eilrechtsschutz einem effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gleichkommt, wird noch durch eine weitere Erwägung getragen. Legt man diesem Fall den Zweck eines Urteils zugrunde, besteht dieser in der Regel darin, die Beteiligten zu befrieden und Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen. Ein Beschluss im Eilverfahren kann den Befriedungszweck eines Urteils erreichen, wenn durch diesen die Hauptsache vorweggenommen wird, weil dadurch Tatsachen geschaffen werden, die nicht umkehrbar sind.
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In dieser Konstellation - so wie sie diesem Fall zugrunde liegt - ist ein gerichtliches Eilverfahren dazu geeignet, ausreichend effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten.
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Legt man dem Fall weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, ändern diese nichts an dem Ergebnis. In einer Entscheidung vom 05.12.2001 (2 BvR 527/99 - juris), die die Prozessbevollmächtigte zitiert hat, ging es um Ausländer, die sich gegen Abschiebungshaftanordnungen gewendet haben. Ein Beschwerdeführer strengte ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren an, in dem er obsiegte. Ob die Fallgruppe der tiefgreifenden Grundrechtsbeeinträchtigung im Ergebnis vorlag, ließ das Bundesverfassungsgericht offen, weil es in dem Fall auf das Rehabilitierungsinteresse rekurrierte (vgl. BVerfG, B.v. 5.12.2001 - 2 BvR 527/99 - juris Rn. 37 ff.). Dieser Fall ist deshalb nicht auf den streitgegenständlichen Fall übertragbar, denn weder ist die Klägerin gegen die Absonderungsanordnung effektiv vorgegangen, noch ist sie durch jene stigmatisiert worden.
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Aber auch eine Entscheidung vom 09.06.2020 ändert nichts an dem Ergebnis (1 BvR 1230/20 - juris). In diesem Fall wurde eine Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung von Eilrechtsschutz gegen coronabedingte Beschränkungen des Schulbetriebs sowie der Kinderbetreuung durch Allgemeinverfügung erhoben. Das Bundesverfassungsgericht hat diese aufgrund ihrer Subsidiarität nicht zur Entscheidung angenommen, mit dem Hinweis, dass eine Anfechtungsklage in Gestalt einer Fortsetzungsfeststellungsklage fortgeführt werden könne. Das erforderliche Feststellungsinteresse liege angesichts der typischerweise auf kurze Geltung angelegten und häufig mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen grundrechtlicher Freiheiten verbundenen Corona-Verbote vor (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 9.6.2020 - 1 BvR 1230/20 - juris Rn. 9). Allerdings liegen im hiesigen und dortigen Fall unterschiedliche Streitgegenstände vor, die nicht vergleichbar sind. Im Rahmen der Absonderung handelt es sich um punktuelle Anordnungen, während sich die Beschränkung des Schulbetriebs auf einen größeren Adressatenkreis erstreckt. Zudem handelt es sich bei der Prüfung der Beschränkung des Schulbetriebs sowie der Kinderbetreuung um hauptsächlich rechtliche Fragen, bei der auch das Interesse der Allgemeinheit am Bestand der Anordnung ein ganz anderes Gewicht als das Individualinteresse hat (vgl. VG München, B.v. 28.4.2020 - M 26 S 20.1657 - juris Rn. 32 ff.; BayVGH, B.v. 18.5.2020 - 20 CS 20.1056 - juris Rn. 5 ff.: hier wurde sogar aus Rechtsschutzgründen - Art. 19 Abs. 4 GG - eine Antragsänderung aufgrund der kurzen Geltungsdauer der angefochtenen Maßnahme zugelassen, vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2020 - 20 CS 20.1056 - juris Rn. 4; BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 9.6.2020 - 1 BvR 1230/20 - juris Rn. 16 ff.). Zudem wurde im dortigen Fall zunächst (erfolglos) um Eilrechtsschutz nachgesucht und auch eine Klage gegen die Allgemeinverfügung erhoben (vgl. VG München, B.v. 28.4.2020 - M 26 S 20.1657 - juris Rn. 7). Durch ihr Verhalten haben die dortigen Antragsteller bzw. Kläger bereits frühzeitig gezeigt, dass sie ein Interesse an der Klärung der Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung haben und sind die notwendigen Schritte dafür gegangen. Daran fehlt es hier, da die Klägerin erst nach Beendigung ihrer Absonderung gegen die Quarantäne mit dem - wenn auch unzulässigen - Widerspruch bzw. mit der hiesigen Klage vorgegangen ist.
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Dieser Auffassung steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen, die sich in der Regel mit Materien befasst hat, die mit dem Infektionsschutzrecht nicht vergleichbar sind. In einer Grundsatzentscheidung zu den Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse vom 16.05.2013 (BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - juris; ähnlich auch U.v. 20.6.2013 - 8 C 39/12 - juris) ging es um eine glücksspielrechtliche Nutzungsuntersagung, die einen Dauerverwaltungsakt darstellt, der nicht lediglich auf kurze Zeit befristet ist. Die Klägerin hatte in jener Entscheidung bereits eine Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Das Bundesverwaltungsgericht hatte damals festgestellt, dass sich eine sachliche Rechtfertigung für die Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses daraus ergebe, dass eine großzügigere Handhabung dem Kläger mangels berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses keinen relevanten Vorteil bringen könnte und auch nicht dazu erforderlich ist, maßnahmespezifische Rechtsschutzlücken zu vermeiden (vgl. BVerwG U.v. 16.5.2013 - 8 C 14/12 - juris Rn. 34). So liegen die Dinge auch hier, denn das maßgebliche Begehren, die Absonderung vorzeitig zu beenden, kann mit der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht mehr erreicht werden bzw. wäre eine Feststellung mit keinerlei Vorteil verbunden, da dem dahinterstehenden möglicherweise betroffenen Grundrecht nicht mehr zur Geltung verholfen werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht geht ausdrücklich davon aus, dass eine Hauptsacheentscheidung in jedem Einzelfall oder gar ein vollständiger Instanzenzug durch Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich nicht gewährleistet wird, zumal die Sach- und Rechtslage, trotz Erledigung der Hauptsache, jedenfalls im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO Berücksichtigung findet.
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Auch spricht eine neuere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 12.11.2020 - 2 C 5/19 - juris) nicht gegen die Auffassung der Kammer. Dort ging es um eine Rechtsreferendarin, die gegen die Auflage eines Kopftuchverbots vorgegangen ist. Aus dem Tatbestand der Entscheidung ergibt sich nicht, dass diese Auflage für sofort vollziehbar erklärt worden ist, sodass die Referendarin um vorläufigen Rechtsschutz dagegen hätte nachsuchen können. Zudem legte die Referendarin in jenem Fall - zum Zeitpunkt, als sie noch beschwert war - Widerspruch gegen die Auflage ein, der erst mit Antritt der Strafrechtsstation im März 2015 zurückgewiesen wurde, Klage wurde im April 2015 erhoben, im Mai 2015 wurde die Auflage mit Ablauf der Strafstation aufgehoben. Dass der Referendarin in diesem Fall ein berechtigtes Feststellungsinteresse zugesprochen wurde, liegt auf der Hand, denn ansonsten hätte sie keine Klärung der Rechtmäßigkeit der Auflage und u.a. auch des Eingriffs in ihre Religions- und Glaubensfreiheit erhalten. Der hiesige Sachverhalt unterscheidet sich aber von jenem, den das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, weil die Klägerin hier einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hätte stellen können.
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Durch die hier erörterte „Fallgruppe“ soll sichergestellt werden, dass der von einer tiefgreifenden Grundrechtsbeeinträchtigung Betroffene nicht prinzipiell allein deshalb rechtsschutzlos bleibt, weil der Eingriff, gegen den er um Rechtsschutz nachsucht, sich bereits vor der Entscheidung über das Rechtsschutzgesuch oder sogar bereits vor Antragstellung erledigt hat. Diese Fallgruppe hat dagegen nicht den Sinn, den von einem - sei es auch tiefgreifenden - Grundrechtseingriff Betroffenen die Einhaltung der für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes allgemein geltenden Regeln des jeweiligen Verfahrensrechts zu ersparen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 12.9.2003 - 2 BvR 1220/03 - juris Rn. 3 f.: Antrag eines Strafgefangenen auf Feststellung, dass seine frühere Unterbringung in einer doppelt belegten Einzelzelle rechtswidrig war). Übertragen auf diesen Fall folgert das Gericht, dass die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes ausreicht, um effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu wahren, und die Klägerin gehalten ist, diesen in Anspruch zu nehmen, wenn es ihr möglich und zumutbar ist.
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Nach alledem liegt ein besonderes Feststellungsinteresse trotz einer grundrechtsrelevanten Maßnahme mit lediglich kurzer Dauer nicht vor, weil eine gerichtliche Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz hätte erlangt werden können.
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III. Darüber hinaus fehlt es der Fortsetzungsfeststellungsklage am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2014 - 8 B 47/14 - juris Rn. 19). Es fehlt insbesondere, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann, wobei kein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, Vorb. § 40 Rn. 38). Die Klägerin hat die Absonderung zunächst hingenommen und ist nicht sogleich effektiv gegen sie vorgegangen. Ihr Verhalten erscheint daher widersprüchlich, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es der Bevollmächtigten offensichtlich zuvorderst darum geht, im Verfahren der hiesigen Klägerin die Aussagekraft von PCR-Testungen gerichtlich überprüfen zu lassen, ohne dass dies jedoch konkret auf die Person der Klägerin bezogen zu einer Verbesserung der Rechtposition führen könnte. Da die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht die Verpflichtung des Gerichts zu einer Sachentscheidung einschließt, wenn der Bürger des beantragten Rechtsschutzes nicht (mehr) bedarf, ist die Klage auch unnütz und damit mangels allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (vgl. BVerwG, B.v. 16.10.1989 - 7 B 108/89 - juris Rn. 9).
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IV. Nach alledem ist die Klage unzulässig und mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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V. Das Gericht lässt die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 124a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu, da die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage in der streitgegenständlichen Konstellation obergerichtlich nicht geklärt ist und von der untergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet wird.