Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 27.01.2022 – B 3 S 22.43
Titel:

Schulpflicht, Testpflicht, Präsenzunterricht, Sorgetragen

Normenketten:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
BayEUG Art. 76 S. 1 und 2
BayEUG Art. 119 Abs. 1 Nr. 2
Schlagworte:
Schulpflicht, Testpflicht, Präsenzunterricht, Sorgetragen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 21112

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 2 des Bescheids vom 20. Dezember 2021 wird angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid, mit dem er verpflichtet wurde, sicherzustellen, dass seine Kinder die Pflichtschule regelmäßig besuchen.
2
Die beiden Kinder des Antragstellers ( … und …, beide geboren am …) sind seit September … an der Grundschule … eingeschult.
3
Den Kindern des Antragstellers wurde mit ärztlicher Bescheinigung (nicht in der Akte befindlich, wohl Ende des Jahres 2020) bestätigt, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage seien, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Die Schulleitung akzeptierte in der Folge die ärztlichen Bescheinigungen.
4
Ende des Jahres 2021 wurden die PCR -Pool-Testungen für Schulen angekündigt.
5
Mit E-Mail vom 8. Oktober 2021 teilte die Schulleitung dem Antragsteller und seiner Ehefrau mit, dass es neue Bestimmungen zur Umsetzung der Schulpflicht gebe. Da mittlerweile ein guter lmpffortschritt bestehe und es umfassende Hygienebestimmungen gebe, gebe es keinen Anspruch auf Distanzunterricht mehr, wenn die Teilnahme an Tests abgelehnt werde. Genaueres könnten sie dem beigefügten Musterschreiben, das vom Ministerium vorbereitet worden sei, entnehmen. Da die Masken nur noch auf dem Weg zum Platz im Klassenzimmer getragen werden müssten, sei es eine gute Gelegenheit, die Kinder wieder am Präsenzunterricht teilnehmen zu lassen.
6
Hierauf antwortete der Antragsteller unter anderem, dass alle Tests freiwillig seien, soweit ihnen bekannt sei. Sie hätten am 23. März 2021 eine Mail vom Kultusministerium über die Klassenlehrerin Fr. … zur „Einwilligung zur regelmäßigen freiwilligen Teilnahme“ bekommen. Am 14. September 2021 hätten sie wiederum ein Schreiben von Fr. … aus der Schulverwaltung erhalten mit einem Anhang zum Thema PCR-Pooltestung, in dem zu lesen sei: „Die Teilnahme an den PCR-Pooltestungen ist grundsätzlich freiwillig.“ Auch das Schreiben des Kultusministeriums an die Schulbehörden vom 8. Oktober 2021 attestiere, dass kein Testzwang bestehe. Sie wären deshalb weiterhin nicht einverstanden. Die Gründe für die Nicht-Einwilligung seien vielfältig, müssten jedoch nicht näher ausgeführt werden. Es entbehre jeder rechtlichen Grundlage, dass der Distanzunterricht eingestellt werde und zur Erfüllung der Schulpflicht nicht ausreiche. Der BayVGH habe in seinem Beschluss vom 12. April 2021 (20 NE 21.926) ausgeführt, dass bei fehlendem Einverständnis in eine Testung sichergestellt sein müsse, dass Unterrichtsangebote im Distanzunterricht bestünden. Die Kinder würden gerne wieder zur Schule gehen, wenn dies bedingungslos möglich sei, ohne Druck, Angst, Zwang und Diffamierung. Als persönlichen Appell werde noch ergänzt, dass es sie erschrecke, wie Verordnungen, die einer politischen Agenda dienen würden, z. B. um die Impfbereitschaft zu erhöhen, durch die Schule bzw. sie persönlich umgesetzt würden.
7
Da die Kinder des Antragstellers der Testung nicht nachkommen, nehmen sie derzeit nicht am Präsenzunterricht teil.
8
Nachdem den Kindern Verweise ausgesprochen wurden, weil sie nach den Herbstferien nicht erschienen seien, legte der Bevollmächtigte des Antragstellers hiergegen „Rechtsmittel“ ein. Die Kinder hätten für den Fall, dass der Selbsttest verweigert werde, ein Recht auf ein pädagogisches Angebot, welches auch in häuslicher Arbeit wahrgenommen werden könne, was hiermit eingefordert werde. Auch sei treuwidrig, dass durch das ausgesprochene Hausverbot verhindert werde, dass die Kinder die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Benotung durch das Schreiben der notwendigen Tests erfüllten.
9
Mit Schreiben vom 30. November 2021 hörte das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) den Antragsteller zur Frage der zwangsweisen Durchsetzung der Schulpflicht an.
10
Unter dem 20. Dezember 2021, zugestellt am 22. Dezember 2021, erließ das Landratsamt einen Bescheid, mit dem es den Antragsteller verpflichtete, spätestens ab dem 10. Januar 2022 sicherzustellen, dass seine Kinder … und … die Pflichtschule (Grundschule ...) besuchen (Ziffer 1). Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 dieses Bescheids werde ein Zwangsgeld in Höhe von 750,00 Euro je Kind angedroht (Ziffer 2). Unter Ziffer 3 wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 angeordnet.
11
Die Kinder des Antragstellers würden seit 8. November 2021 unentschuldigt nicht am Unterricht teilnehmen. Rechtsgrundlage des Bescheids sei Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, 6, 9 LStVG, Art. 118 Abs. 1 BayEUG. Die in § 12 der 15. BayIfSMV festgelegte Masken- bzw. Testpflicht an Schulen habe für alle Schüler Gültigkeit. Eine Befreiung sei nur in besonders begründeten Einzelfällen nach eingehender Beratung mit der Schulleitung und der Erziehungsberechtigten möglich oder nach Vorlage eines ärztlichen Attestes mit der konkreten Diagnose eines Krankheitsbildes, welche eine Ausnahme rechtfertige. Der BayVGH habe in seinem Beschluss vom 12. Oktober 2021 (25 NE 21.2525) die Regelung zur Erbringung eines Testnachweises für den Besuch des Präsenzunterrichtes bestätigt. Der Antragsteller sei verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Kinder regelmäßig am Unterricht teilnähmen. Da er trotz entsprechender Aufforderung nicht bereit gewesen sei, seiner Verpflichtung nachzukommen, den regelmäßigen Schulbesuch sicherzustellen, würden sie sich veranlasst sehen, dies mit Verwaltungszwangsmitteln durchzusetzen. Ein Einschreiten sei wegen des unentschuldigten Fehlens seit November 2021 geboten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten, da ein ganz erheblicher Verstoß gegen die Schulpflicht vorliege. Durch die Ausfallzeit seit November 2021 drohe den Kindern ein erheblicher Rückstand bei der Integration in die Klassengemeinschaft und ihrer Entwicklung in der Pflichtschule. Gerade diese Versäumnisse könnten nur schwer aufgeholt werden. Deshalb könne nicht zugewartet werden, bis der Bescheid bestandskräftig werde, da dann nochmals wertvolle Zeit vergehen würde. Es müssten deshalb alle verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um weitere Verzögerungen zu verhindern. Der Schulbesuch sei deshalb spätestens ab dem 10. Januar 2022 sicherzustellen, da das Interesse der Allgemeinheit an der Durchsetzung der Schulpflicht sein Interesse am Fernhalten der Kinder von der Pflichtschule überwiege. Der Termin nach den Weihnachtsferien sei geeignet, um den beiden Kindern den Einstieg in den Klassenverbund zu ermöglichen.
12
Der Antragsteller legte am 7. Januar 2022 Widerspruch gegen den Bescheid ein.
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Mit am 17. Januar 2022 eingegangenen Schriftsatz seines Bevollmächtigten ließ der Antragsteller beantragen,
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2021 wird wiederhergestellt.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Kinder die Tests ablehnen würden. Es habe mehrere Gespräche gegeben. Der Antragsteller sei bereit, den Kindern die Angst vor den Tests zu nehmen. Die Kinder weigerten sich nachhaltig. Es könne nicht mehr unternommen werden, als bisher getan worden sei, um die Kinder dazu zu bringen, freiwillig den Test durchzuführen. In seiner eidesstattlichen Versicherung führt der Antragsteller unter anderem aus: Die Kinder hätten sich auf den Wechsel in die Schule im September 2020 sehr gefreut und er und seine Ehefrau hätten ihnen zur Einschulung auch erklären können, dass sie eine Mund-Nasen-Bedeckung benötigten, welche sie anfangs nicht dauerhaft tragen hätten müssen. Die Kinder hätten auch gehorcht, als sie diese ständig im Unterricht haben tragen müssen, selbst als es erste gesundheitliche Probleme gegeben habe (wird näher ausgeführt). Nach dem Ende der Schulschließungen bzw. des Distanzunterrichts im Februar 2021 habe Wechselunterricht stattgefunden und es seien Antigen-Tests eingeführt worden. Diese hätten die Kinder abgelehnt. Der Antragsteller habe ihnen erklärt, dass es wichtig für sie sei, in die Schule zu gehen (Freunde, ausgebildete Lehrer). Er habe ihnen aber auch erklärt, dass die Tests freiwillig seien und die Eltern sie nicht dazu zwingen würden, diese durchzuführen. So sei es durch die Schule und das Kultusministerium mitgeteilt worden. Die Kinder hätten entgegnet, dass sie ihre Freunde auch privat in der Nachbarschaft und beim Sport treffen und das Lernen zuhause gut sei. Eine Ausübung von Zwang, physisch oder psychisch komme für ihn und seine Ehefrau nicht infrage und aufgrund der Vorgeschichte seien sie bereit gewesen, für ihre Kinder da zu sein und sie beim Heimunterricht zu unterstützen. Als nach dem Ende des Schuljahres PCRPool- Testungen angekündigt worden seien, hätten er und seine Ehefrau einen Termin im Schulamt vereinbart, um zu klären, wie es nach den Ferien weitergehen könne. Fr. … vom Schulamt hätte ihnen erklärt, dass die Kinder von zuhause aus unterrichtet würden, soweit die Kinder oder Eltern der Testung widersprechen würden, wie es bislang praktiziert worden sei. Auf Rückfrage bei den Kindern hätten beide bestätigt, dass sie gerne wieder zur Schule gehen wollten. Die Kinder hätten aber erklärt, dass sie nicht bereit seien, sich etwas irgendwo hineinzustecken oder auf einem ekligen Stäbchen „rumzulutschen“. Der Antragsteller habe ihnen vorgeführt, wie zu testen sei, was zu weiterer Ablehnung geführt habe, auch als er ihnen erklärt habe, dass andernfalls die Schule nicht betreten werden dürfte. Sie seien im Anschluss weiterhin mit Lehrplan und Angaben für die zu erledigenden Aufgaben versorgt worden. Dies habe sich mit dem Schreiben vom 8. Oktober 2021 geändert, wonach es hieß, dass sich die Schulpflicht geändert habe und man diese verletze, obwohl mehrfach betont worden sei, dass die Testungen freiwillig seien und mehrfach ein Betretungsverbot ausgesprochen worden sei. Auch im Schreiben des Kultusministeriums vom 8. Oktober 2021 sei festgehalten worden, dass kein Testzwang bestehe, d.h. die Schüler/innen nicht zwangsweise der Schule zugeführt oder getestet würden. Er dürfe als Elternteil ebenso keine Gewalt anwenden oder dazu gezwungen werden. Seine Kinder hätten gelernt „nein“ zu sagen, wenn sie etwas nicht wollten. Es wäre Kindeswohlgefährdung seine Kinder mittels psychischen Drucks zu etwas zu bewegen, das sie nicht wollten. Die Kinder würden die Tests mit den Worten ablehnen, dass sie gesund seien und dies nicht wollten. Er versichere, dass er alles ihm Mögliche und moralisch Vertretbare unternommen habe, um seine Kinder in die Schule schicken zu können.
15
In der eidesstattlichen Erklärung der Ehefrau des Antragstellers (…) führt diese unter anderem aus, dass zu ihrer Erziehung auch gehört habe, dass die Kinder nichts von fremden Personen annehmen, nicht mit Fremden mitgehen und sie sich zu nichts zwingen oder überreden ließen. Als der Wechselunterricht begonnen habe, sei ihnen mitgeteilt worden, dass die Kinder nur am Präsenzunterricht teilnehmen würden dürfen, wenn die Eltern ihre Einwilligung zur Testung geben würden. Sie habe ihren Kindern erklärt, dass sie wieder in die Schule dürften, jedoch nur, wenn sie sich in der Schule selbst in der Nase testen, was beide vehement abgelehnt hätten. Sie habe versucht, ihnen die Notwendigkeit zu erklären, um wieder in die Schule gehen zu dürfen. Sie habe gesagt, dass es auch die Schulkameraden tun würden, worauf … gesagt habe, dass sie immer gesagt habe, wenn jemand vom Hochhaus springe, müsse er das nicht auch machen. … habe gesagt, dass sie es eklig finde, sich mit allen Kindern in der Nase zu bohren. Da die Freiwilligkeit der Testung stets betont worden sei und ihnen auch im Schulamt bestätigt worden sei, sei ihnen nichts anderes übrig geblieben, als die Entscheidung der Kinder zu akzeptieren. Nach der Mitteilung der Schulleitung, dass sich die Schulpflicht geändert habe, habe sie abermals versucht auf die Kinder einzuwirken und den Kindern die Testung nahezulegen. Aufgrund der Vorgeschichte und des Erlebten in der Schule seien die Kinder jedoch bei ihrer Meinung geblieben. Sie versichere, dass sie alles versucht habe, was sie verantworten könne.
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Vorgelegt wurden Erklärungen der Kinder. … schreibt unter anderem, er dürfe nicht in die Schule, weil er dieses Stäbchen nicht möge. Er finde es eklig und möchte nichts in Mund und Nase stecken. … schreibt unter anderem, dass sie in die Schule möchte, aber nicht an einem Stäbchen lutschen möchte.
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In rechtlicher Hinsicht lässt der Antragsteller ausführen, dass es an einer Befugnis des Landratsamts zum Erlass der Verfügung fehle. Für die getroffene rechtliche Regelung bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage und die Behörde müsse in der Form eines Verwaltungsakts handeln dürfen. Aus den vom Landratsamt angegebenen Vorschriften der Art. 35 Abs. 1 Satz 1 und Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG i.V.m. Art. 76 BayEUG lasse sich nicht entnehmen, dass die Behörde in Form eines Verwaltungsakts handeln dürfe. Es handele sich nach dem Wortlaut um eine reine Gebotsnorm. Sie richte sich ausschließlich an die Erziehungsberechtigten. Es werde nicht geregelt, dass die Behörde die Verpflichtung dieser Personen in eine sie bindende konkrete Verwaltungsentscheidung umsetzen könne und erst recht nicht, ob der Behörde dabei Ermessen zustehe oder nicht (VG Karlsruhe, U.v. 18.9.2018 - 9 K 4575/17). Auch die Systematik des BayEUG spreche gegen eine Befugnis die Verpflichtung im Wege einer Verfügung durchzusetzen. Ausweislich des Abschnitts über die Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, insbesondere des Art. 86 BayEUG können diese gegenüber Schülerinnen und Schülern getroffen werden, nicht gegenüber Eltern. Auch Art. 87, 88 BayEUG adressiere nur die Schüler/innen. Art. 119 Abs. 1 Nr. 1 BayEUG regele lediglich das Unterlassen der Anmeldung eines Schulpflichtigen; Nr. 2 wende sich zwar an die sorgeberechtigten Eltern, stelle aber lediglich klar, dass das aufgeführte Unterlassen entgegen Art. 76 Satz 2 BayEUG eine Ordnungswidrigkeit darstelle und sei keine Anspruchsgrundlage für den Erlass von Verwaltungsakten. Rechtsgrundlage könne auch nicht Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG sein, da das Unterlassen des „Sicherstellens“ keine Anspruchsgrundlage enthalte und auch nicht als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet sei, sodass es an der Tatbestandsvoraussetzung des „Verhütens“ oder „Unterbindens“ fehle. Es bestehe keine materiell-rechtliche Verpflichtung des Antragstellers, die geforderte Handlung des Sicherstellens vorzunehmen. Nach dem Wortlaut des Art. 76 BayEUG seien die Erziehungsberechtigten lediglich dazu verpflichtet, für die Teilnahme „zu sorgen“. Die Verpflichtung dazu sei von der Verpflichtung zum „Erfüllen“ zu unterscheiden (VGH BW, B.v. 14.7.2014 - 9 S 897/14 - juris), welche nur von den Schulpflichtigen erfüllt werden könne. Es seien Fälle denkbar, in denen die Erziehungsberechtigten hinreichend erzieherisch auf ihr Kind einwirken, ihr Handeln aber gleichwohl nicht zum Erfolg führe, etwa wenn das Kind sich nicht nur dem schulischen, sondern auch dem elterlichen Einfluss entziehe. Da der Antragsgegner dem Antragsteller aufgebe, den Besuch durch seine Kinder „sicherzustellen“, was dem Antragsteller aus genannten Gründen nicht immer möglich sei und diese Verpflichtung sich im Gesetz nicht wiederfinde, fehle es an einer Anspruchsgrundlage, auf welche sich die Behörde zum Erlass ihres Verwaltungsakts berufen könne. Der Antragsteller und seine Ehefrau seien ihrer Verpflichtung zum Sorgetragen nachgekommen. Sie hätten alle pädagogischen Maßnahmen ausgeschöpft. Bei dem Sorgetragen handele es sich nicht um etwas objektiv Unmögliches. Die Verantwortung der Erziehungsberechtigten beziehe sich neben der Anmeldung des Kindes an einer Schule darauf, den regelmäßigen Besuch der schulischen Veranstaltungen durchzusetzen und dementsprechend erzieherisch auf das Kind einzuwirken (Wörz/von Alberti/Falckenbach, SchG Kommentar, § 85 Anm. 1; Andrä in Ebert: Schulrecht Baden-Württemberg, 2013, § 85 Rn. 2). Es verstehe sich von selbst, dass dies gewaltfrei zu geschehen habe und es unterliege auch keinen Zweifeln, dass das Sorgetragen ohne körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen oder entwürdigende Maßnahmen anderer Art möglich sei. Der Antragsgegner trage die Beweislast dafür, dass der Antragsteller nicht dafür gesorgt habe, dass die Kinder am Schulunterricht regelmäßig teilnehmen. „Unentschuldigt“ hätten die Kinder auch nicht gefehlt. Die Durchführung der Lollitests durch Kinder sei unzulässig, deren Anordnung mithin rechtswidrig. Ausweislich der Bedienungsanleitung der Herstellerfirma sollen die Proben von medizinischem Fachpersonal entnommen werden und der Probennahmenprozess müsse streng nach den Regeln für die national vorgeschriebenen Probenahmenverfahren durchgeführt werden. Der Antragsgegner verlange von den Kindern sich selbst zu testen, was rechtswidrig sei.
18
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
19
In § 12 Abs. 2 Satz 1 der 15. BayIfSMV sei eine Testpflicht als Zugangsvoraussetzung zum Präsenzunterricht angeordnet worden. Die Verweigerung der Testung und die damit verbundene Nichterfüllung der Zugangsvoraussetzungen führe zu einer Verletzung der Schulpflicht. Die persönliche Einstellung zum Pandemiegeschehen und zu den Testvorgaben könnten nicht (mehr) als zwingende Hinderungsgründe die fehlende Unterrichtsteilnahme rechtfertigen. Die Kinder blieben somit dem Unterrichtsgeschehen unentschuldigt fern. Der Vortrag dieser Pflicht durch Gespräche mit den Kindern und Ausschöpfung aller pädagogischen Maßnahmen nachgekommen zu sein, sei lediglich als Behauptung zu werten. Selbst wenn alle - selbstverständlich rechtlich zulässige - Möglichkeiten der Eltern, meinungsbildend und überzeugend auf ihre Kinder einzuwirken ausgeschöpft wären, bestehe immer noch deren Pflicht, sich hierfür professioneller pädagogischer Hilfe (z. B. auch von Seiten des Jugendamtes) zu bedienen. Die Tests würden in der Schule unter Aufsicht der entsprechend in die Testdurchführung eingewiesenen und umfassend diesbezüglich geschulten und hierzu im Hinblick auf das verwendete Testmaterial berechtigten Lehrkräfte vorgenommen und seien daher weder unzulässig noch rechtswidrig.
20
Im Hinblick auf die Sicherstellung des Schulbesuchs und die damit verbundene Erziehung und Bildung der Kinder in der Gemeinschaft könne auch das persönliche Empfinden des Antragstellers alle pädagogischen Möglichkeiten seien ausgereizt keinen Ausschlag zugunsten des persönlichen Aussetzungsinteresses geben. Die mit dem Schulbesuch verbundene Erziehung und Bildung der Kinder verlange einen möglichst regelmäßigen Schulbesuch ohne lange Fehlzeiten.
21
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
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1. Das Gericht legt den Antrag so aus (§ 122 Abs. 1, § 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)), dass der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 1 des Bescheids wiederherzustellen, sowie gegen Ziffer 2 anzuordnen, da gemäß Art. 21a Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) Rechtsbehelfe bereits kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden.
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2. Der in obiger Weise auszulegende Antrag ist zulässig, aber unbegründet, soweit er sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheids vom 20. Dezember 2021 richtet.
24
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen.
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Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
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Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag im oben genannten Umfang abzulehnen, da der Widerspruch des Antragstellers insoweit nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.
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a. Der Antragsgegner hat das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheids in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO (noch) genügenden Weise schriftlich begründet, indem er auf die Gefahren und Nachteile einer weiteren Fernhaltung der Kinder von der Schule hingewiesen hat (Fortdauer der fehlenden Teilnahme am Präsenzunterricht, Verlust sozialer Bindungen im Klassenverband, Rückstand bei der Entwicklung). Die Tatsache, dass sich hier die Gründe, die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO für den Sofortvollzug berücksichtigt sind, teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsakts decken, steht der Annahme einer ausreichenden Begründung nicht entgegen (VG Hamburg, B.v. 27.2.2006 - 15 E 340/06 - BeckRS 2006, 27112; VG München, B.v. 14.12.2021 - M 3 S 21.6390 - juris Rn. 12).
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b. Die Interessensabwägung geht im vorliegenden Fall zu Lasten des Antragstellers aus, da sich Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids des Antragsgegners nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtmäßig erweist.
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aa. Rechtsgrundlage von Ziffer 1 des Bescheids ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) in der in der Bayerischen Rechtssammlung (BayRS 2011-2-I) veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. April 2020 (GVBl. S. 236). Danach können die Sicherheitsbehörden, soweit sie nicht anderweitig hierzu ermächtigt sind, Anordnungen für den Einzelfall nur treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen, zu verhüten oder zu unterbinden.
30
Gemäß Art. 76 Satz 1 und 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), das zuletzt durch Gesetz vom 23. Juli 2021 (GVBl. S. 432) geändert worden ist, sind die Erziehungsberechtigten verpflichtet, auf die gewissenhafte Erfüllung der schulischen Pflichten einschließlich der Verpflichtung nach Art. 56 Abs. 4 Satz 4 BayEUG und der von der Schule gestellten Anforderungen durch die Schülerinnen und Schüler zu achten und die Erziehungsarbeit der Schule zu unterstützen. Die Erziehungsberechtigten müssen insbesondere dafür sorgen, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchen. Gemäß Art. 118 Abs. 1 BayEUG kann, wer ohne berechtigten Grund dem Unterricht oder einer verbindlichen Schulveranstaltung fernbleibt, obwohl er der Schulpflicht unterliegt, auf Antrag der Schule von der Kreisverwaltungsbehörde durch ihre Beauftragten zwangsweise der Schule zugeführt werden. Mit Geldbuße kann gemäß Art. 119 Abs. 1 BayEUG belegt werden, wer als Schulpflichtige oder Schulpflichtiger am Unterricht oder an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen (Art. 56 Abs. 4 Satz 3) vorsätzlich nicht teilnimmt (Nr. 4) oder entgegen Art. 76 Satz 2 nicht dafür sorgt, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchen (Nr. 2).
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Zur Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 76 Satz 2 BayEUG können nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG vollziehbare Anordnungen getroffen werden. Weder Art. 118 Abs. 1 BayEUG noch Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG treffen abschließende Regelungen; vielmehr bleibt daneben Raum für die zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht gegenüber Erziehungsberechtigten minderjähriger Schulpflichtiger (VG Augsburg, B.v. 7.5.2002 - Au 9 S 02.507 - juris Rn. 17; bestätigt durch BayVGH, B.v. 20.8.2002 - 7 CS 02.1302 - Rn. 20; VG München, B.v. 14.12.2021 - M 3 S 21.6390 - juris; bestätigt durch BayVGH, B.v. 7.1.2022 - 7 CS 21.3152 - BeckRS 2022, 179 Rn. 7, 14). Ob sich Art. 35 Abs. 1 Satz 1 und Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG i.V.m. Art. 76 BayEUG - wie der Bevollmächtigte der Antragstellerseite meint - nicht entnehmen lasse, dass die Behörde in Form eines Verwaltungsakts handeln dürfe (für das baden-württembergische Landesrecht ablehnend VG Karlsruhe, U.v. 18.9.2018 - 9 K 4575/17 - juris) kann damit dahinstehen.
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bb. Die Kammer versteht die Formulierung „sicherstellen“ in Ziffer 1 des Bescheids nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht dahingehend, dass eine andere Handlung als das gesetzlich vorgeschriebene „sorgetragen“ gefordert wird. Gemäß Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adressat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird. Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte. Bei der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die Begründung des Verwaltungsakts. Die Begründung hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsgehalt. Sie ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, so dass sie in aller Regel unverzichtbares Auslegungskriterium ist (BVerwG, U.v. 16.10.2013 - 8 C 21/12 - NVwZ 2014, 889 Rn. 14). Der Gesetzeswortlaut muss aber in der Verfügung nicht wiederholt werden (arg. e contrario Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 37 Rn. 27, 33).
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Ausweislich der Begründung des Bescheids (Seite 2) sei der Antragsteller verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass seine Kinder regelmäßig am Unterricht der Pflichtschule teilnehmen. Da er bisher trotz entsprechender Aufforderung nicht dazu bereit gewesen sei, seiner Verpflichtung nachzukommen für seine Kinder den regelmäßigen Schulbesuch sicherzustellen, sehe sich das Landratsamt veranlasst, diese Verpflichtung mit Verwaltungszwangsmitteln durchzusetzen.
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Mit der Bezugnahme auf den Gesetzeswortlaut wird deutlich, dass vom Antragsteller das Sorgetragen und nicht mehr verlangt wird. Auch in der Antragserwiderung wird darauf abgestellt, dass die Eltern meinungsbildend und überzeugend auf ihre Kinder einzuwirken haben und notfalls professionelle Hilfe zu Rate ziehen müssen. Durch diese Auslegung wird dem Gesetzeswortlaut Rechnung getragen und zwischen der Erfüllung durch den Pflichtigen selbst und den Einwirkungspflichten des Erziehungsberechtigten unterschieden. Diese Differenzierung ist - insoweit im Einklang mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe in seinem Urteil vom 18. September 2018 - 9 K 4575/17 - (juris Rn. 35) - erforderlich. Bei diesem „sicherstellen“ handelt es sich nicht um etwas objektiv Unmögliches. Die Verantwortung der Erziehungsberechtigten bezieht sich in diesem Zusammenhang neben der Anmeldung des Kindes an einer Schule darauf, den regelmäßigen Besuch der verpflichtenden schulischen Veranstaltungen durchzusetzen und dementsprechend erzieherisch auf das Kind einzuwirken. Es versteht sich von selbst, dass dies gewaltfrei zu geschehen hat, und es unterliegt auch keinen Zweifeln, dass dies ohne körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen oder entwürdigende Maßnahmen anderer Art möglich ist (vgl. zum Sorgetragen: VGH BW, B.v. 14.7.2014 - 9 S 897/14 - BeckRS 2014, 54436).
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Das vom Antragsgegner geforderte „sicherstellen“ darf im Ergebnis jedoch nicht darauf abzielen, dass das Landratsamt die Verpflichtung des Antragstellers und seiner Ehefrau erst und nur dann als erfüllt ansieht, wenn die Kinder ihre Schulpflicht wieder erfüllen, da es durchaus vorkommt, dass sich Kinder dem elterlichen Einfluss vollständig entziehen (dazu näher unten). So verstanden begegnet die Formulierung keinen Bedenken.
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Für die Erfüllung der Schulpflicht sind damit auch die Eltern verantwortlich. Solange die Kinder und Jugendlichen der Schulpflicht im engeren Sinne unterliegen - also spätestens bis zum Eintritt der Volljährigkeit - können und müssen die jeweils zuständigen Behörden die Befolgung dieser Pflicht daher gegebenenfalls zunächst von den Eltern einfordern und dann auch mit Zwangsmitteln gegenüber den Eltern durchsetzen (Rux, Schulrecht, 6. Auflage 2018, § 2 Rn. 389).
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cc. Die unstreitig schulpflichtigen Kinder des Antragstellers kommen seit 8. November 2021 der Schulpflicht und der daraus folgenden Schulbesuchspflicht nicht nach, da sie am Unterricht infolge der vorgeschriebenen, aber nicht durchgeführten Testung nicht teilnehmen konnten.
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dd. Nach § 12 Abs. 2 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BayIfSMV) vom 23. November 2021 (BayMBl Nr. 816) ist die Teilnahme am Präsenzunterricht, an sonstigen Schulveranstaltungen oder schulischen Ferienkursen in Präsenz sowie an der Mittags- und Notbetreuung für Schülerinnen und Schüler nur erlaubt, wenn sie drei Mal wöchentlich einen Testnachweis nach § 4 Abs. 6 Nr. 1, 2 erbringen oder in der Schule unter Aufsicht einen über die Schule zur Verfügung gestellten und dort zu verwendenden Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben (Satz 1). Für Schülerinnen und Schüler der Grundschulstufe gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass an die Stelle dreier wöchentlicher Selbsttests nach Entscheidung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zwei wöchentliche PCR-Pool Testungen treten können; in diesem Fall ist an jedem Montagmorgen ein zusätzlicher Testnachweis zu erbringen oder ein Selbsttest unter Aufsicht vorzunehmen (Satz 2). Die Schulpflicht bleibt unberührt (Satz 3).
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Satz 3 der Regelung wurde mit § 1 Nr. 3 Buchst. a der Änderungsverordnung in § 13 Abs. 2 14. BayIfSMV vom 1. September 2021, der Vorgängerregelung von § 12 Abs. 2 15. BayIfSMV, eingefügt. Der Begründung der Änderungsverordnung (abgedruckt in BayMBl Nr. 716) ist hierzu zu entnehmen, dass durch die Ergänzung klargestellt werden sollte, dass die Schulpflicht von den Testerfordernissen nach § 13 Abs. 2 Satz 1 [14. BayIfSMV] unberührt bleibt. Testverweigernde Schülerinnen und Schüler hätten bislang die Schulpflicht durch Teilnahme am Distanzunterricht erfüllen können. Seither sei das umfangreiche Sicherheitsnetz zur Gewährleistung eines schulischen Regelbetriebs auf vielen Ebenen weiterentwickelt worden. Die sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch unter Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften voranschreitende Impfkampagne, die Vorgaben des detaillierten Rahmenhygieneplans Schulen sowie insbesondere die Teststrategie hätten dazu beigetragen, dass Schülerinnen und Schüler an Bayerns Schulen wieder flächendeckend in den Präsenzunterricht zurückkehren könnten und auch kein verpflichtender Mindestabstand mehr einzuhalten sei. Vor diesem Hintergrund sei deklaratorisch festzuhalten, dass die Schulpflicht von dem Testerfordernis nach § 13 Abs. 2 Satz 1 [14. BayIfSMV] unberührt bleibe. Die Schulpflicht sei in erster Linie eine Pflicht zum Besuch des Präsenzunterrichts (vgl. Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG). Schülerinnen und Schüler, die nicht geimpft bzw. genesen seien, sich nicht den erforderlichen Tests unterzögen und deshalb nicht am Unterricht teilnehmen könnten, verletzten daher grundsätzlich ihre Schulpflicht (vgl. Art. 56 Abs. 4 Satz 3 und Art. 119 Abs. 1 Nr. 4 BayEUG), Erziehungsberechtigte ihre Pflicht, auf den Unterrichtsbesuch ihrer Kinder hinzuwirken (vgl. Art. 76 Satz 2, Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG). Schülerinnen und Schüler, die die erforderlichen Testnachweise nicht erbrächten, seien nicht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BaySchO aus zwingenden Gründen verhindert, am Unterricht oder einer sonstigen verbindlichen Schulveranstaltung teilzunehmen und fehlten damit unentschuldigt.
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Die Weigerung, der infektionsschutzrechtlich in § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV angeordneten Zugangsvoraussetzung nachzukommen und deshalb nicht am Präsenzunterricht teilnehmen zu können, führt daher jedenfalls seit dem Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der 14. BayIfSMV vom 5. Oktober 2021 (im Folgenden: Änderungsverordnung, BayMBl Nr. 715) und damit zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids zu einer Verletzung der sich aus Art. 129 Abs. 1 BV und Art. 35 Abs. 1 BayEUG ergebenden Schulpflicht. Seit diesem Zeitpunkt besteht eine unbedingte Testpflicht für schulpflichtige Schülerinnen und Schüler (BayVGH, B.v. 7.1.2022 - 7 CS 21.3152 - BeckRS 2022, 179 Rn. 9, 12). Die Schulpflicht wird in der Regel durch Besuch des Präsenzunterrichts erfüllt (vgl. insoweit auch § 19 Abs. 4 Satz 3 Bayerische Schulordnung (BaySchO), wonach Distanzunterricht schulrechtlich nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig ist). Dem steht nicht entgegen, dass die Schulpflicht während der Zeiten, in denen durch infektionsschutzrechtliche Bestimmungen Schulschließungen bzw. Wechselunterricht angeordnet waren, nicht entfallen war. Allerdings war die Präsenzpflicht im Unterricht für Schülerinnen und Schüler während der Schulschließungen infektionsschutzrechtlich aufgehoben bzw. während des Wechselunterrichts zeitweise ausgesetzt. Bereits seit Erlass der 14. BayIfSMV vom 1. September 2021 (BayMBl Nr. 615) sind Schulschließungen und damit Distanzunterricht bzw. Distanzlernen infektionsschutzrechtlich nicht mehr vorgesehen. Schule findet seit Beginn des Schuljahres 2021/2022 grundsätzlich in Präsenz statt. Durch Einfügung des deklaratorischen Hinweises in § 13 Abs. 2 Satz 3 14. BayIfSMV (jetzt § 12 Abs. 2 Satz 3 15. BayIfSMV) hat der Verordnungsgeber ab Inkrafttreten der Änderungsverordnung zum 6. Oktober 2021 (vgl. § 2 der Änderungsverordnung) klargestellt, dass die Schulpflicht nur noch durch Teilnahme am Präsenzunterricht erfüllt werden kann. Hierin liegt zugleich eine Abkehr von der nach Erlass der infektionsschutzrechtlichen Zugangsbeschränkung in § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV vom 5. März 2021 (BayMBl Nr. 171) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 9. April 2021 (BayMBl Nr. 261) eröffneten Möglichkeit, der fortbestehenden Schulpflicht bei Verweigerung der erforderlichen Testungen durch Teilnahme am Distanzunterricht nachkommen zu können (vgl. insoweit die Begründung zur 12. BayIfSMV, BayMBl Nr. 262). Damit haben Schülerinnen und Schüler jedenfalls seit dem 6. Oktober 2021 kein Wahlrecht mehr zwischen Distanz- und Präsenzunterricht. Ein Verstoß des Antragstellers gegen die Pflicht nach Art. 76 Satz 2 BayEUG entfällt daher auch nicht etwa deswegen, weil seinen Kindern Distanzunterricht nach § 19 Abs. 4 BaySchO zu erteilen wäre. Weder ist die Schule derzeit von einer Schließung betroffen bzw. die Klasse oder ein Kurs der Kinder des Antragstellers ausgeschlossen, § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a) BaySchO, noch der Ausschluss der Kinder des Antragstellers i.S.v. § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b) BaySchO durch die zuständigen Behörden zum Schutz von Leben oder Gesundheit angeordnet oder genehmigt. Die letztgenannte Regelung umfasst bereits ihrem Wortlaut nach nicht den Fall, dass bei Geltung der Zugangsbeschränkung mit Testpflicht nach § 12 Abs. 2 Satz 1 der 15. BayIfSMV ein Schüler an der Teilnahme am Präsenzunterricht lediglich deshalb gehindert ist, weil er die Testpflicht nicht erfüllt (vgl. VG München, B.v. 14.12.2021 - M 3 S 21.6390 - juris).
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Die Testobliegenheit hat sich damit zur Testpflicht gewandelt. Dass es dem Willen des Verordnungsgebers entspricht, die Schulpflicht ab dem 6. Oktober 2021 auch gegenüber den Schülerinnen und Schülern durchzusetzen, die - wie die Kinder des Antragstellers - den infektionsschutzrechtlich auferlegten Tests nicht nachkommen und deshalb am Präsenzunterricht nicht teilnehmen können, ist auch der insofern weiterhin maßgeblichen Begründung zur Änderungsverordnung zu entnehmen (BayVGH, B.v. 7.1.2022 - 7 CS 21.3152 - BeckRS 2022, 179 Rn. 13 f.). Soweit der Antragsteller auf ein Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 8. Oktober 2021 verweist, wird der Unterschied zwischen der vorliegend gegebenen Testpflicht und einem - nicht angeordneten - Testzwang verkannt. Von einem Testzwang wäre nur auszugehen, wenn die Kinder des Antragstellers zwangsweise (etwa mithilfe der Polizei oder des Ordnungsamtes) der Schule zugeführt und dort unter Anwendung unmittelbaren Zwangs getestet würden. Eine derartige Anordnung ist auch im vorliegenden Fall nicht Gegenstand des im Hauptsacheverfahren angefochtenen Bescheids (BayVGH, B.v. 7.1.2022, a.a.O. Rn. 20).
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Dass die Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV, beruhend auf § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG (Auflagen für die Fortführung des Schulbetriebs), auf einer verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage beruht, wurde ebenfalls bereits obergerichtlich geklärt. Auch die erkennende Kammer hat bei der gebotenen summarischen Prüfung keine durchgreifenden Bedenken, dass die vorgenannten Bestimmungen eine ausreichende Verordnungsermächtigung für den durch sie erfolgenden Grundrechtseingriff darstellen und sie insbesondere auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen. Die wesentliche Entscheidung, dass der Schulpflicht grundsätzlich durch Teilnahme am Präsenzunterricht nachzukommen ist, hat der bayerische Gesetzgeber in Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG getroffen. Die Testpflicht ist ebenfalls nach summarischer Prüfung verhältnismäßig. Auf die Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes in seinem Beschluss vom 7. Januar 2022 - 7 CS 21.3152 - (BeckRS 2022, 179 Rn. 16 ff.) wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen.
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dd. Die von der Ehefrau des Antragstellers vorgenommene Unterweisung ihrer Kinder zu Hause stellt keinen Unterricht im Sinne des Art. 76 Satz 2 BayEUG dar. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayEUG haben die Schulen den in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag zu verwirklichen; die Schulen haben dabei das verfassungsmäßige Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder zu achten (Art. 1 Abs. 3 BayEUG). Die Schulpflicht (Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEUG) wird erfüllt durch den Besuch der in Art. 36 Abs. 1, 2 BayEUG genannten Schulen; eine Beschulung durch die Eltern ist dagegen nicht vorgesehen.
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Vorliegend sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Kinder des Antragstellers einen Anspruch auf Hausunterricht durch die Schule hätten. Die Voraussetzungen für Hausunterricht nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BayEUG liegen nicht vor, insbesondere werden von dem Antragsteller keine gesundheitlichen Bedenken gegen die Testung vorgebracht.
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Es wird lediglich gerügt, dass die Durchführung eines Lollitests durch Kinder aufgrund der Bedienungsanleitung des Herstellers (…) unzulässig sei. Insoweit sei angemerkt, dass sich auf der Webseite des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (https://www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7447/pcr-pooltests-an-grund-und-foerderschulen.html, abgerufen am 26.1.2022) die Gebrauchsanweisung des Herstellers (...) findet. Darin wird unter „So wird der Test gemacht“ beschrieben, dass jedes Kind ein Stäbchen für den Pooltest aus der Verpackung auspackt und die Seite mit dem Wattebausch in den Mund zu nehmen hat, sodass insoweit eine Eigenanwendung für möglich erachtet wird. Auch die von Antragstellerseite vorgelegte Bedienungsanleitung sieht die Probenahme durch medizinisches Fachpersonal im Übrigen nicht zwingend vor („sollte“).
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Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV steht es den Schülern und den Eltern jedenfalls frei, drei Mal wöchentlich einen Testnachweis nach § 4 Abs. 6 Nr. 1, 2 15. BayIfSMV zu erbringen. Diese Alternative wird durch § 12 Abs. 2 Satz 2 15. BayIfSMV - anders als die Möglichkeit zur dreimaligen wöchentlichen Selbsttestung in der Schule - nicht ausgeschlossen, was auch dadurch deutlich wird, dass auch bei dem Angebot von PCRPool- Testungen weiterhin an jedem Montagmorgen ein zusätzlicher Testnachweis zu erbringen oder ein Selbsttest unter Aufsicht vorzunehmen ist (Satz 2 2. Halbsatz). Dies bestätigt auch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus auf seiner Webseite (https://www.km.bayern.de/allgemein/meldung/7451/haeufig-gestellte-fragen-faq-zu-den-pooltests.html Frage „Ist eine Teilnahme an den PCRPool- Testungen verpflichtend?“, abgerufen am 26.1.2022). Die Vorschrift belässt den betreffenden Schülerinnen und Schülern bzw. den Eltern damit die Wahl, den Test entweder durch geschultes Personal, etwa in einem Testzentrum, bei einem Arzt oder in der Apotheke und damit außerhalb der Wahrnehmungsmöglichkeiten der Mitschüler vornehmen zu lassen, oder aber an der PCRPool- Testung teilzunehmen.
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Die Bedenken gegen die Maskenpflicht werden im vorliegenden Verfahren, wohl angesichts der erteilten freistellenden ärztlichen Bescheinigung, die der Antragsgegner augenscheinlich akzeptiert, nicht als Grund dafür angeführt, dass Hausunterricht zu gewähren wäre. Auch die 15. BayIfSMV führt die Befreiungsmöglichkeiten aus gesundheitlichen Gründen für alle Maskenpflichten in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 15. BayIfSMV fort, wonach von der Maskenpflicht Personen befreit sind, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Maske aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, solange dies vor Ort sofort insbesondere durch Vorlage eines schriftlichen ärztlichen Zeugnisses im Original nachgewiesen werden kann, das den vollständigen Namen, das Geburtsdatum und konkrete Angaben zum Grund der Befreiung enthalten muss.
48
ee. Die Kinder des Antragstellers sind weder vom Schulbesuch beurlaubt noch haben sie einen Anspruch hierauf. Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BaySchO, können Schülerinnen und Schüler auf schriftlichen Antrag in begründeten Ausnahmefällen vom Unterricht in einzelnen Fächern befreit oder vom Schulbesuch beurlaubt werden. Ein derartiger Ausnahmefall ist vorliegend - unabhängig vom nicht vorgelegten schriftlichen Antrag - nicht gegeben. Die Testpflicht trifft die Kinder des Antragstellers nicht in irgendeiner anderen Weise als andere Kinder. Auch was den Schulbesuch an sich angeht, ist nicht ersichtlich, dass dieser für die Kinder des Antragstellers - unter Berücksichtigung der Möglichkeit zur Maskenpflichtbefreiung - mit (gegenüber der Situation anderer Kinder) weitergehenden Gefährdungen oder anderweitigen Belastungen verbunden wäre. Die Möglichkeit der Beurlaubung nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BaySchO soll Ausnahmesituationen Rechnung tragen, nicht aber ein Wahlrecht der Eltern eröffnen, ob ihre Kinder die Schule besuchen (VG München, B.v. 14.12.2021 - M 3 S 21.6390 - juris Rn. 24).
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ff. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren lediglich summarischen Prüfung spricht viel dagegen, dass der nach Art. 76 Satz 2 BayEUG hierzu verpflichtete Antragsteller bislang alles getan hat, seine minderjährigen schulpflichtigen Kinder zu einer regelmäßigen Teilnahme am verpflichtenden Präsenzunterricht unter Durchführung der vorgeschriebenen Tests anzuhalten. In diesem Zusammenhang reicht es nicht aus, lediglich zu behaupten, die Kinder seien nicht bereit, unter Erfüllung der Testpflicht die Schule wieder zu besuchen und dass die Erziehungsberechtigten sämtliche gewaltfreien Mittel genutzt haben, um auf die Kinder einzuwirken. Es geht vorliegend darum, dass der Antragsteller meinungsbildend auf seine Grundschulkinder einwirken und sie von der Notwendigkeit und Angemessenheit der Testungen überzeugen und ihnen vor Augen führen soll, dass der durch Testungen begleitete Präsenzunterricht die bessere Alternative zu Schulschließungen und Distanzunterricht ist. Da die Schule ein abwesendes Kind nicht - vor allem nicht gegen den Willen der Erziehungsberechtigten - überzeugen kann, liegt es an dem Antragsteller als Erziehungsberechtigtem dies zu tun. Hierzu soll er durch den streitgegenständlichen Bescheid unter Androhung von Zwangsgeld angehalten werden. Eltern können sich daher für die Fernhaltung ihres Kindes von der Schule nicht auf gegenläufige eigene Erziehungsvorstellungen berufen. Der Antragsteller ist verpflichtet, auf die Teilnahme seiner Kinder am Präsenzunterricht hinzuwirken, auch wenn das Kind eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende infektionsschutzrechtliche Zugangsvoraussetzung hinnehmen muss, die er selbst oder das Kind ablehnt (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2022 - 7 CS 21.3152 - BeckRS 2022, 179 Rn. 25, 27, 29). Zwar erkennt die Kammer an, dass - wie der Bevollmächtigte des Antragstellers vorträgt - Fälle denkbar sind, in denen die Erziehungsberechtigten hinreichend erzieherisch auf ihr Kind einwirken, ihr Handeln aber gleichwohl nicht zum Erfolg führt, etwa wenn das Kind sich nicht nur dem schulischen, sondern auch dem elterlichen Einfluss entzieht. Dass dieser Einflussverlust im vorliegenden Fall bei den Kindern des Antragstellers bereits so weit fortgeschritten wäre, kann bei summarischer Prüfung nicht festgestellt werden. Vielmehr legen es die Umstände nahe, dass die Eltern ihren Einfluss nicht dergestalt ausüben wollen, dass sie ihre Kinder von der Notwendigkeit der Test- und Schulpflicht überzeugen wollen. Vor allem die E-Mail vom 24. Oktober 2021 wonach die Kinder gerne wieder zur Schule gehen würden, wenn dies bedingungslos möglich sei, ohne Druck, Angst, Zwang und Diffamierung, spricht dafür, dass die Verweigerungshaltung vielmehr der Überzeugung des Antragstellers entspringt. Gleichzeitig wurde als persönlicher Appell noch ergänzt, dass es sie erschrecke, wie Verordnungen, die einer politischen Agenda dienen würden, z. B. um die Impfbereitschaft zu erhöhen, durch die Schule bzw. persönlich umgesetzt würden, während gerichtlich vorgetragen wird, dass die Kinder die Tests verweigern würden, weil sie sich das Teststäbchen nicht in die Nase führen möchten. Der Antragsteller und seine Ehefrau beschreiben ihre Kinder selbst als zugängliche junge Menschen, die sich gut integrieren. Es überzeugt daher nicht, dass sie in diesem Thema vollkommen verschlossen sein sollen. Der Antragsteller trägt aber nicht einmal vor, dass er den Kindern erklärt hat, dass sich die (rechtliche) Lage geändert hat und der anfangs zur Verfügung stehende Distanzunterricht nun schlicht nicht mehr vorgesehen ist und sie zurück in den Präsenzunterricht müssen. Ebenso wenig wird vorgebracht, dass erläutert worden sei, dass die Testungen anfangs freiwillig waren, nunmehr aber verpflichtend durchzuführen sind. Es geht aus dem Vorbringen und den Akten nicht hervor, ob der Antragsteller seit der geltenden Regelung überhaupt jemals seine Kinder zur Schule gebracht hat, damit vor Ort - für die Lehrkräfte ersichtlich - die Verweigerungshaltung der Kinder bewertet werden konnte. Die Kammer ist den Beschreibungen der Kinder zufolge sowie nach allgemeiner Lebenserfahrung zuversichtlich, dass derartige Bestrebungen bei den …jährigen Kindern zur Einsicht führen werden. Schließlich haben sie auch verstanden, dass sie bei ihrer Einschulung verpflichtet waren, eine Maske zu tragen, was ihnen in ihrem vorherigen Leben unbekannt gewesen sein dürfte. Dass Regeln und Pflichten sich ändern, ist gerade Kindern, die mit zunehmendem Alter sowohl mehr Rechte als auch Pflichten erfahren, durchaus geläufig. Die Kammer zweifelt auch nicht an dem Vermögen der Eltern, die Kinder einfühlsam zu informieren und anzuleiten. Notfalls sind sie aber auch gehalten - wie der Antragsgegner zu Recht ausführt - sich professioneller pädagogischer Hilfe zu bedienen.
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Nachdem die Kinder des Antragstellers die Schulpflicht verletzt haben und die Erziehungsberechtigten gemäß Art. 76 Satz 1 und 2 BayEUG dafür sorgen müssen, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchen, wobei der Verstoß dagegen gemäß Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG eine Ordnungswidrigkeit darstellt, war nach pflichtgemäßen Ermessen darüber zu entscheiden, ob das Landratsamt zur Verhütung bzw. Unterbindung dieser Ordnungswidrigkeit für den Einzelfall eine Anordnung gegenüber den Erziehungsberechtigten erlässt. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Zwar wird im - zugegebenermaßen - sehr knapp gefassten Bescheid nicht ausdrücklich herausgestellt, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Ein Ermessensausfall ist darin aber nicht zu erkennen. Das Landratsamt verkennt nicht, dass Entscheidungsspielraum besteht. Es führt aus, dass die Anordnung ergeht, weil der Antragsteller bisher trotz entsprechender Aufforderung nicht bereit gewesen sei, seiner Verpflichtung nachzukommen. Aus diesem Grund hält das Landratsamt ein Einschreiten für geboten und wägt im Anschluss die Schulpflicht, die im Grundgesetz (Art. 7 GG) wurzelt, gegen das elterliche Erziehungsrecht ab. Weniger einschneidende Maßnahmen sind vorliegend zur Durchsetzung der elterlichen Verpflichtung zur Sicherstellung des regelmäßigen Schulbesuchs der Kinder des Antragstellers nicht ersichtlich.
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Die Gesamtwürdigung legt den Schluss nahe, dass der Antragsteller den ihm - schulrechtlich - durch Art. 76 Satz 2 BayEUG auferlegten Pflichten bislang nicht (in ausreichendem Maße) nachgekommen ist, sondern die Entscheidung der Kinder maßgeblich beeinflusst hat.
52
Auch eine Folgenabwägung kommt zu keinem anderen Ergebnis.
53
c. Hinsichtlich Ziffer 2 des Bescheids hat der Widerspruch aller Voraussicht nach Erfolg. Gegen die Zwangsgeldandrohung wurde von Antragstellerseite zwar nichts Substantielles vorgetragen und es ist nicht so, dass sich in dem Bescheid vom 20. Dezember 2021 zur Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 keinerlei Ausführungen finden würden. Der Antragsgegner führt eine Rechtsgrundlage an und die Begründung beinhaltet Ausführungen zu (einzelnen) Voraussetzungen der Zwangsgeldandrohung. Eine Zwangsgeldandrohung steht als Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (Art. 19 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1 VwZVG). Bei der Androhung eines Zwangsgelds (Art. 31 Abs. 1 VwZVG) steht dessen Höhe ebenfalls im Ermessen der Behörde (Art. 31 Abs. 2 VwZVG). Bei der Bestimmung der Höhe des Zwangsgeldes ist nach Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen zu schätzen. Hierbei steht der Behörde innerhalb des gesetzlichen Rahmens (15 Euro bis 50.000 Euro) ein weiter Entscheidungsspielraum zu, bei dem die Umstände des Einzelfalls und die persönlichen Verhältnisse des Pflichtigen zu berücksichtigten sind. Eine besondere Begründung für die geschätzte Höhe des wirtschaftlichen Interesses ist regelmäßig nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 9.11.2021 - 9 ZB 19.1586 - BeckRS 2021, 36719 Rn. 10). Jedoch fehlt es im angefochtenen Bescheid zumindest hinsichtlich der Höhe an entsprechenden Ermessenserwägungen des Landratsamts, so dass insoweit von einem Ermessensausfall auszugehen sein dürfte (BayVGH, B.v. 15.6.2021 - 9 ZB 19.50 - BeckRS 2021, 16361 Rn. 7), der auch nicht durch das Nachschieben weiterer Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt werden kann.
54
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Der Antragsgegner unterliegt lediglich hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung und damit nur zu einem geringen Teil.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des Verfahrens auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.2, 38.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.