Titel:
Datenschutzrechtliche Auskunft und Stufenklage bei Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung
Normenketten:
DSGVO Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b, Art. 15
BGB § 242
ZPO § 254, § 256 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsbegehren einer Stufenklage fehlt, wenn die Auskunft dem Kläger die Beurteilung ermöglichen soll, ob ihm dem Grunde nach ein Anspruch zusteht (vgl. BGH BeckRS 2000, 2971). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung handelt es sich nicht mehr um eine stets zulässige Zwischenfeststellungsklage, wenn über den Anspruch auf Prämienrückzahlung in der Sache nicht mehr entschieden wird (Fortführung von LG Detmold BeckRS 2021, 34230 Rn. 26). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für einen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Prämienanpassung besteht ein Feststellungsinteresse nur dann, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unwirksamkeit der angegriffenen Prämienerhöhung spricht (Fortführung von LG Detmold BeckRS 2021, 34230 Rn. 27 f.). (Rn. 21 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Einem Auskunftsanspruch aus Art. 15 DS-GVO steht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, wenn die Auskunft einem vollkommen verordnungsfremden Zweck dienen soll wie etwa der Verfolgung von Leistungsansprüchen (Abweichung zu OLG Köln BeckRS 2022, 12203 Rn. 48 ff.; vgl. auch BGH ZD 2022, 497 Rn. 14, 16). (Rn. 34 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
private Krankenversicherung, Prämienanpassung, datenschutzrechtlicher Auskunftsanspruch, Rechtsmissbrauch, exzessiver Antrag, datenschutzfremder Zweck, Stufenklage, Zwischenfeststellungsklage, Feststellungsinteresse
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Urteil vom 20.07.2023 – 1 U 228/22
Fundstellen:
LSK 2022, 20792
BeckRS 2022, 20792
ZD 2023, 160
Tenor
1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 13.444,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger macht im Wege der Stufenklage insbesondere Ansprüche auf Auskunft und Zahlung gegen die Beklagte geltend, weil er verschiedene Erhöhungen von Beiträgen zu seiner privaten Krankenversicherung für unwirksam hält.
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Für die Klagepartei besteht bei der Beklagten eine private Krankenversicherung.
3
Der Kläger forderte die Beklagte außergerichtlich erfolglos auf, sämtliche Unterlagen zu erfolgten Beitragserhöhungen zu übersenden.
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Der Kläger behauptet, die Unterlagen könnten von ihm in entschuldbarer Weise nicht mehr beigebracht werden. Die an den Kläger adressierten Nachträge zum Versicherungsschein lägen diesem nicht vor und seien dessen Zugriff entzogen. Die Beklagte habe auch in den Tarifen des Versicherungsnehmers Beitragsanpassungen durchgeführt. Die Anpassungen zu den einzelnen Jahren seien unwirksam gewesen. In den Schreiben mit Wirkung für die Jahre 2013, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018 bleibe eine Erklärung darüber, durch welche veränderte Rechnungsgrundlage die jeweilige, individuelltarifliche Anpassung konkret ausgelöst worden sei, gänzlich aus. Die Beklagte äußere sich auch nicht darüber, ob die Anpassung aufgrund einer nicht nur vorübergehenden Veränderung der Rechnungsgrundlage ausgelöst worden sei. Dasselbe gelte hinsichtlich der Frage, ob das Erreichen eines Schwellenwertes diese Anpassung ausgelöst habe. Auch den jeweiligen Nachträgen zum Versicherungsschein lasse sich kein Anpassungsgrund entnehmen. Die Schreiben mit Wirkung für die Jahre 2019, 2020, 2021 enthielten eine allgemeine Mitteilung zur Beitragsanpassung, einen Nachtrag zum Versicherungsschein und ein weiteres Informationsblatt. Anfangs verweise die Beklagte auf die Pflicht zur Überprüfung der Beiträge sowie der Anpassung an die Kosten. Dennoch bleibe eine Erklärung darüber, durch welche Rechnungsgrundlage die jeweilige individuelltarifliche Anpassung konkret ausgelöst worden sei, gänzlich aus. Die Beklagte äußere sich auch nicht darüber, ob die Anpassung aufgrund einer nicht nur vorübergehenden Veränderung der Berechnungsgrundlage ausgelöst worden sei. Dasselbe gelte hinsichtlich der Frage, ob das Erreichen eines Schwellenwertes diese Anpassung ausgelöst habe. Lediglich in einem allgemein gehaltenen Erläuterungsschreiben erkläre die Beklagte - ohne jeden Tarifbezug -, dass der maßgebliche Grund der diesjährigen Anpassung in den Leistungsausgaben liege. Auch im Mitteilungsschreiben zum Jahr 2022 lege die Beklagte die maßgeblichen Gründe der Anpassung nicht tarifbezogen dar. Stattdessen führe die Beklagte allgemein aus „wenn sich beispielsweise…” und lasse damit den Bezug zur konkreten Erhöhung sowie die Mitteilung des auslösenden Faktors vermissen. Auch im beigefügten Informationsblatt „Warum ändert sich Ihr Vertrag? Hier finden Sie genauere Informationen“ werde zwar thematisiert, dass die Leistungsausgaben gestiegen, ein Schwellenwert erreicht und eine Anpassung aufgrund einer nicht nur vorübergehenden Veränderung der Berechnungsgrundlage erfolgt sei, jedoch fehle es am Tarifbezug. Dem Nachtrag zum Versicherungsschein lasse sich ein Bezug zu den dargelegten Gründen nicht entnehmen.
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Der Auskunftsanspruch ergebe sich aus Art. 15 DSGVO, § 242 BGB und § 3 Abs. 4 VVG analog. Ein Vorgehen im Wege der Stufenklage sei zulässig. Eine Verjährung sei nicht eingetreten.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei Auskunft über sämtliche von der Beklagten zum Versicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer erteilten Nachträge zum Versicherungsschein seit dem Jahr 2008 bis zum Nachtrag mit Wirkung für das Jahr 2021 zu erteilen, soweit diese die private Krankenversicherung, nicht jedoch die Pflegepflichtversicherung betreffen.
- 2.
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Die Beklagte wird verurteilt, nach Erteilung der Auskunft erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite nach Erteilung der Auskunft einen Betrag in noch zu bestimmender Höhe nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 4.
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf nach Erteilung der Auskunft zu bestimmenden Beitragserhöhungen gezahlt hat.
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Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Stufenklage bereits unzulässig sei. Die begehrte Auskunft diene nicht der Bezifferung des Leistungsanspruchs, sondern der Kläger wolle die Informationen dazu nutzen, um zu überprüfen, ob ein Anspruch dem Grunde nach zustehe.
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Darüber hinaus fehle es für das von der Klägerseite geltend gemachte Auskunftsbegehren an einer Anspruchsgrundlage. Der Klagevortrag sei bereits unsubstantiiert, da er sich auf den Vortrag beschränke, die Unterlagen würden nicht vollständig vorliegen. Wie es zu dem geltend gemachten Verlust der Papiere gekommen sei, bleibe im Dunkeln, eine unverschuldete Unkenntnis werde also bereits nicht substantiiert dargelegt. Das Auskunftsbegehren sei im Übrigen rechtsmissbräuchlich, soweit es auch der Verfolgung von Leistungsansprüchen dienen solle, die wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung, auf die sich die Beklagte berufe, nicht mehr durchsetzbar seien.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des gegenseitigen Vorbringens sowie insbesondere den vertretenen Rechtsauffassungen der Parteien und den diesbezüglich ausgetauschten Argumenten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen ist sie unbegründet.
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Die Klage ist nur hinsichtlich des Klageantrages zu 1) und zu 2) zulässig.
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I. Der Klageantrag zu 3) ist als unbezifferter Leistungsantrag unzulässig. Die Voraussetzungen einer Stufenklage liegen nicht vor. Nach § 254 ZPO kann im Wege der Stufenklage die bestimmte Angabe der Leistung bis zur Rechnungslegung vorbehalten werden, wenn mit der Klage auf Rechnungslegung die Klage auf Herausgabe desjenigen verbunden wird, was der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis schuldet.
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Die Verbindung zwischen Auskunfts- und Leistungsansprüchen in der in § 254 ZPO vorgesehenen Weise ist entsprechend dem Zweck dieser Vorschrift nur dann zulässig, wenn die begehrte Auskunft dazu dient, den Leistungsanspruch zu beziffern oder in sonstiger Weise zu konkretisieren. Die im Rahmen der Stufenklage verfolgte Rechnungslegung ist lediglich ein Hilfsmittel, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des Leistungsanspruchs herbeizuführen (vgl. LG Detmold, Urteil vom 26.10.2021, Az.: 02 O 108/21, BeckRS 2021, 34230).
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Die der Stufenklage eigentümliche Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht deshalb nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dient, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (vgl. BGH, Urteil v. 18.04.2002, VII ZR 260/01, - juris, m.w.N.; BGH, Urteil v. 06.04.2016, VIII ZR 143/15 m.w.N., - juris).
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Gemessen an diesen Maßstäben ist die Stufenklage hier unzulässig.
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Der erforderliche Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsbegehren fehlt insbesondere deshalb, weil die Auskunft dem Kläger die Beurteilung ermöglichen soll, ob ihm dem Grunde nach ein Anspruch zusteht, ob also z.B. ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten der Beklagten vorliegt und ob dieses für einen dem Kläger entstandenen Schaden kausal ist (vgl. BGH, Urteil v. 02.03.2000, III ZR 65/99, - juris; Zöller-Greger, 33. Aufl., § 254 Rn. 6 m.w.N.).
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Die vom Kläger hier begehrte Auskunft über die Beitragsanpassungen und die ihm im Zusammenhang mit den der Beitragsanpassungen übermittelten Informationen soll ihm gerade erst die Beurteilung ermöglichen, ob ihm aufgrund formeller Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen ein Anspruch auf Rückzahlung der Prämien nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zusteht (vgl. LG Detmold aaO).
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II. Da der Klageantrag zu 3) unzulässig ist, gilt dies auch für den Feststellungsantrag gemäß Klageantrag zu 4).
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Wenn über den Prämienrückzahlungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB in der Sache nicht mehr entschieden wird, handelt es sich bei dem Feststellungsantrag nicht mehr um eine stets zulässige Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO (vgl. LG Detmold aaO).
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Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO besteht indes nicht.
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Erforderlich dafür wäre eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Unwirksamkeit der angegriffenen Prämienerhöhung (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Afl. 2020, ZPO, § 256 Rn. 50 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür gibt es jedoch im vorliegenden Fall nicht. Der Kläger trägt insoweit selber vor, dass er ohne Prüfung der mit Klageantrag zu 1) geforderten Informationen derzeit keine Aussage darüber treffen kann, ob die Prämienerhöhungen den gesetzlichen Anforderungen genügten. Konkrete, auf den Einzelfall bezogene Ausführungen zur tatsächlichen Unwirksamkeit von bestimmten Prämienerhöhungen liegen nicht vor.
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Da die Verknüpfung der Auskunftsklage mit dem unbezifferten Leistungsantrag bzw. dem Feststellungsantrag in Form der Stufenklage unzulässig ist, war nicht nur über den Auskunftsanspruch auf der 1. Stufe zu entscheiden. Vielmehr konnte eine Entscheidung über sämtliche Klageanträge ergehen (vgl. LG Detmold aaO).
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Die Klage ist hinsichtlich der Klageanträge zu 1) und zu 2) nicht begründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf die begehrte Auskunft zu.
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I. Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB stützen.
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1. Ein Auskunftsanspruch aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ist dann gegeben, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und wenn der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen (vgl. BGH, Urteil v. 01.08.2013, VII ZR 268/11, NJW 2014, 155 Rn. 20).
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Dazu hat der Kläger nichts vorgetragen. Er behauptet lediglich, die Unterlagen könnten von ihm in entschuldbarer Weise nicht mehr beigebracht werden. Die an den Kläger adressierten Nachträge zum Versicherungsschein lägen diesem nicht vor und seien dessen Zugriff entzogen. Er bestreitet insoweit nicht, sie einmal bereits von der Beklagten erhalten zu haben. Wie es zu dem geltend gemachten Verlust der Papiere gekommen ist, trägt er nicht vor, so dass eine unverschuldete Unkenntnis nicht feststellbar ist.
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Zudem ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, weshalb eine Bezifferung der Ansprüche ohne die begehrte Auskunft nicht möglich sein sollte. Die Höhe der jeweiligen Prämienerhöhungen ist aus Kontoauszügen ersichtlich. Darüber hinaus behauptet der Kläger, dass die Begründungsschreiben zu den jeweiligen Prämienerhöhungen nicht den gesetzlichen Anforderungen genügten. Damit stehen ihm sämtliche Informationen zur Geltendmachung eines etwaigen Rückzahlungsanspruches zur Verfügung.
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2. Das Auskunftsbegehren des Klägers stellt sich im Übrigen hier auch deshalb als rechtsmissbräuchlich dar, weil es nach dem Willen des Klägers auch der Verfolgung von Leistungsansprüchen dienen soll, die wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung, auf die sich die Beklagte berufen hat, nicht mehr durchsetzbar sind (vgl. LG Detmold aaO).
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Bereicherungsrechtliche Rückerstattungsansprüche verjähren gemäß § 195 BGB innerhalb von 3 Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
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Für die Entstehung des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist auf die jeweilige monatliche Prämienzahlung abzustellen, weil erst damit ein Rückforderungsanspruch entstehen und fällig werden kann.
32
Die erforderliche Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Versicherungsnehmers liegt mit Erhalt der Mitteilungsschreiben über die jeweilige Prämienanpassung vor. Es genügt die Kenntnis von den Prämienanpassungen als solche; der Versicherungsnehmer muss nicht den Schluss gezogen haben, dass diese unwirksam sein könnten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 07.04.2017 - 20 U 128/16 -, juris, Rn. 15; OLG Köln, Urteil vom 28.01.2020 - 9 U 138/19 -, juris, Rn. 157-164).
33
Danach war es dem Kläger ohne weiteres möglich und zumutbar, die Beitragsanpassungen jeweils im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe anzugreifen. Erhebliche Zweifel an der Rechtslage bestanden nicht. Dass Prämienanpassungen gerichtlich überprüfbar sind, wurde soweit ersichtlich allgemein nicht angezweifelt. Ob das Begründungerfordernis für die Anpassung gewahrt wurde, ist seit jeher ebenso eine Frage des Einzelfalles wie die Überprüfung der Berechnungen der Einzelprämie. Dass die Rechtsposition des Klägers möglicherweise stärker gewesen wäre, wenn sich die Ansicht durchgesetzt hätte, dass die Unabhängigkeit des Treuhänders - als ein Baustein der Überprüfung - der gesonderten Beurteilung durch die Zivilgerichte obliege, führt gleichfalls nicht zu erheblichen Zweifeln an der Rechtslage (vgl. LG Detmold aaO).
34
II. Der Auskunftsanspruch des Klägers lässt sich auch nicht auf § 15 DSGVO stützen. Ihm steht der sich aus § 242 BGB ergebende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Es handelt sich dabei um einen Grundsatz, der als nationale Ausformung auch im Rahmen des § 15 DSGVO Geltung beansprucht. Danach ist die Ausübung eines Rechts u.a. nicht erlaubt, wenn der Anspruchsinhaber eine formale Rechtsstellung ausnutzt oder etwas geltend macht, an dem er kein schützenswertes Eigeninteresse hat (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 80. Aufl. 2021, § 242 Rn. 49 f.; LG Detmold aaO).
35
Nach dem Vortrag des Klägers soll das begehrte Auskunftsbündel ausschließlich der Verfolgung von Leistungsansprüchen dienen. Dabei handelt es sich um einen vollkommen verordnungsfremden Zweck. Nach dem Erwägungsgrund 63 DS-GVO dient das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO dem Betroffenen vielmehr dazu, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. So soll Art. 15 DSGVO eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Datenverarbeitungsvorgänge ermöglichen. Der Betroffene soll den Umfang und Inhalt der gespeicherten Daten beurteilen können. Die Auskünfte dienen auch dazu, der betroffenen Person die Wahrnehmung der weiteren Rechte nach der Datenschutzgrundverordnung zu ermöglichen, vor allem das Recht auf Berichtigung nach Art. 16 DSGVO, auf Löschung nach Art. 17 DSGVO und auf Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 18 DSGVO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 03.09.2019 - 20 W 10/18, LG Detmold aaO).
36
Der Kläger macht vorliegend keines der vorgenannten Interessen geltend. Das Auskunftsbegehren soll sich nach seinem klar geäußerten Willen allein darin erschöpfen, etwaige geldwerte Ansprüche gegen die Beklagte zu prüfen. Damit trifft das Begehren des Klägers nicht einmal den Titel der Verordnung, nämlich den Datenschutz. Ein Begehren, das sich derart weit von dem Regelungsinhalt einer Rechtsgrundlage entfernt hat, ist nicht schützenswert. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber nicht etwa ein situationsunabhängiges Auskunftsrecht von Verbrauchern gegenüber Unternehmen schaffen wollte, welches im allgemeinen Rechtsverkehr nicht besteht. Vielmehr hat er die zu erteilenden Auskünfte explizit an den Zweck des Datenschutzes gebunden (vgl. LG Detmold aaO).
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III. Ebenso wenig kann der Kläger aus § 810 BGB (analog) einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Auskunft herleiten.
38
§ 810 BGB begründet unter den in der Norm genannten Voraussetzungen ein Einsichtsrecht in Urkunden, die sich in fremdem Besitz befinden. Das Auskunftsbegehren des Klägers ist nicht von § 810 BGB gedeckt, da er keine Einsicht in Urkunden nehmen will, die sich im Besitz der Beklagten befinden, sondern die Übersendung von Abschriften dieser Urkunden begehrt. Zwar kann der Besitzer der Urkunde nach § 810 BGB gegebenenfalls berechtigt sein, Abschriften von Urkunden zu erteilen (vgl. dazu BeckOGK/J. F. Hoffmann, 1.12.2021, BGB § 810 Rn. 16). Eine Verpflichtung dazu besteht jedoch nicht, da der Anspruchsinhalt des § 810 BGB auf ein passives Tun, d.h. eine Duldung der Einsichtnahme gerichtet ist und nicht auf ein aktives Tun in Form einer Auskunftserteilung (vgl. MüKoBGB/Habersack, 8. Aufl. 2020, BGB § 810 Rn. 13).
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IV. Ein Auskunftsanspruch lässt sich auch nicht aus § 3 VVG herleiten.
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1. Nach § 3 Abs. 3 VVG kann der Versicherungsnehmer nur eine Ersatzausfertigung des Versicherungsscheins verlangen, wenn das Original vernichtet wurde oder er aus einem anderen Grunde den Besitz verloren hat. Der Vortrag des Klägers zum Besitzverlust von Unterlagen ist bereits unsubstantiiert. Darüber hinaus begehrt der Kläger umfassend Auskunft über alle Beitragsanpassungen sowie die Zuverfügungstellung von Unterlagen, welche die mindestens die im Einzelnen näher bezeichneten Informationen enthalten. Die Regelung des § 3 Abs. 3 VVG begründet indes nicht einen Anspruch auf Übersendung der Mitteilungen, mit denen der Versicherer nach § 203 Abs. 2 VVG erfolgte Beitragsanpassungen begründet hat.
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2. Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 3 Abs. 4 VVG. Der in Satz 1 geregelte Anspruch des Versicherungsnehmers, vom Versicherer Abschriften der vertragsbezogenen Erklärungen zu verlangen, betrifft nur eigene Erklärungen des Versicherungsnehmers, nicht solche des Versicherers oder Dritter (vgl. Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 2. Auflage 2016, § 3 Rn. 51).
42
V. Ein Auskunftsanspruch des Klägers folgt auch nicht aus § 666 BGB i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB. Die Regelung des § 666 BGB findet gemäß § 675 Abs. 1 BGB auf einen Dienst- oder Werkvertrag Anwendung, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Dabei handelt es sich um jede selbständige Tätigkeit wirtschaftlicher Art zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 80. Aufl. 2021, § 675 Rn. 2). Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Krankenversicherungsvertrag handelt es sich nicht um einen Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Es fehlt auf Seiten der Beklagten als Versicherer an der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen.
43
Die Klage war damit insgesamt abzuweisen.
44
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 1 ZPO. Bei der Festsetzung des Streitwerts ist das Gericht den Angaben des Klägers gefolgt.