Inhalt

VG München, Urteil v. 09.02.2022 – M 7 K 21.3224
Titel:

zur Verteilung von Ausschusssitzen in kommunalen Vertretungskörperschaften

Normenketten:
BayGO Art. 33 Abs. 1 S. 2, S. 5
BayLKrO Art. 27 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 5, Art. 29 Abs. 2 S. 3
Leitsatz:
Es widerspricht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Spiegelbildlichkeit von Ausschusssitzen in den kommunalen Vertretungskörperschaften, wenn die Berücksichtigung einer Ausschussgemeinschaft dazu führt, dass eine nach ihrer Größe ausschussfähige Fraktion oder Gruppe ihren ohne Berücksichtigung dieser Ausschussgemeinschaft zustehenden Ausschusssitz verlieren und somit von einer Vertretung in diesen Ausschüssen gänzlich ausgeschlossen werden. (Rn. 38 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kommunalverfassungsstreit, Besetzung von Ausschüssen im Kreistag, Gebot der Spiegelbildlichkeit, Verlust des einzigen Ausschusssitzes durch Berücksichtigung einer Ausschussgemeinschaft, kommunalverfassungsrechtlicher Innenrechtsstreit, Rechtsschutzbedürfnis, Verteilung von Ausschusssitzen, Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, Ausschussgemeinschaft, Zählgemeinschaft, d´Hondtsches Berechnungsverfahren
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 19.10.2022 – 4 BV 22.871
Fundstelle:
BeckRS 2022, 20670

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, über die Besetzung des Kreisausschusses, des Schulausschusses, des Umwelt- und Verkehrsausschusses und des Kulturausschusses seines Kreistags unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beschließen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Die Kläger, die gewählten Vertreter der AfD, wenden sich gegen die vom Kreistag des Beklagten beschlossene Sitzverteilung in den mit 14 Kreistagsmitgliedern zuzüglich Landrat besetzten Ausschüssen.
2
Nach dem abschließenden Ergebnis der Kreistagswahl 2020 ergab sich im Kreistag des Beklagten bei insgesamt 70 zu vergebenden Sitzen folgende Sitzverteilung:

Partei

Gesamtzahl der gültigen Stimmen

Anzahl der Sitze

Christlich-Soziale Union in Bayern e.V. (CSU)

1.661.476

27

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (GRÜNE)

704.399

12

FREIE WÄHLER/Freie Wähler Kreisverband Dachau e.V. (FREIE WÄHLER/FW)

458.936

8

Alternative für Deutschland (AfD)

238.838

4

Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

512.091

8

Freie Demokratische Partei (FDP)

90.886

1

Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP)

181.492

3

Freie Wähler Dachau e.V. (FREIE WÄHLER DACHAU)

164.794

3

Bündnis für Dachau (Bündnis)

119.201

2

DIE LINKE/DIE PARTEI

57.928

1

Wir - für Heimat, Werte und Zukunft e.V. (WIR e.V.)

63.865

1

3
Die Mitglieder von ÖDP, Bündnis für Dachau und DIE LINKE/DIE PARTEI schlossen sich (mit Ausnahme des Klinikbeirats … Kliniken AG sowie des Begleitausschusses „DemokratieLeben“) zu einer Ausschussgemeinschaft zusammen, die insgesamt sechs Kreistagssitze repräsentiert (vgl. Protokoll der Sitzung vom 15. Mai 2020, Bl. 32 der Verwaltungsakte).
4
Im Rahmen seiner konstituierenden Sitzung am 8. Mai 2020 wurden im Kreistag unter dem Tagesordnungspunkt 4 u.a. folgende Beschlüsse gefasst:
1. Die Mitglieder der Ausschüsse des Kreistags werden vom Kreistag aufgrund der Vorschläge der Parteien und Wählergruppen nach d´Hondt, wobei im Falle einer unzulässigen sog. Überkompensation bei den davon betroffenen Ausschüssen/Besetzungen im Einzelfall auf das Verfahren nach Hare-Niemeyer zurückzugreifen ist, ermittelt.
2. Haben dabei mehrere Parteien oder Wählergruppen gleichen Anspruch auf einen Sitz, so ist dieser durch Rückgriff auf die Zahl der bei der Wahl auf diese Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen zu entscheiden.
5
Der Beschluss zu Nr. 1 wurde mit 43 (Ja) zu 28 (Nein) Stimmen, der Beschluss zu Nr. 2 einstimmig gefasst.
6
§ 33 der in der Sitzung vom 15. Mai 2020 unter dem Tagesordnungspunkt 2 einstimmig beschlossenen Geschäftsordnung bestimmt:
§ 33 Bestellung des Kreisausschusses
(1) Dem Kreisausschuss gehören der Landrat und 14 Kreisrätinnen bzw. Kreisräte an (Art. 27 LKrO).
(2) Die Mitglieder des Kreisausschusses werden vom Kreistag aufgrund der Vorschläge der Parteien und Wählergruppen gemäß dem Kreistagsbeschluss vom 08.05.2020 nach d`Hondt ermittelt, wobei im Falle einer unzulässigen sog. Überkompensation im Einzelfall auf das Verfahren nach Hare-Niemeyer zuzugreifen ist. Haben dabei mehrere Parteien oder Wählergruppen gleichen Anspruch auf einen Sitz, wird auf die Zahl der bei der Wahl auf die betreffenden Parteien oder Wählergruppen abgegebenen Stimmen zurückgegriffen. Einzelmitglieder und kleine Gruppen des Kreistags, die aufgrund des Stärkeverhältnisses im Kreisausschuss nicht vertreten wären, können sich zur Entsendung gemeinsamer Vertreter oder Vertreterinnen in den Kreisausschuss zusammenschließen (Ausschussgemeinschaften i.S. Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO). Ausschussgemeinschaften können einen Sprecher oder eine Sprecherin und mindestens einen Stellvertreter oder eine Stellvertreterin benennen.
7
Nach §§ 33 Abs. 1, 37 Abs. 3, 38 Abs. 3, 39 Abs. 2 der Geschäftsordnung besteht der Kreisausschuss, der Schulausschuss, der Umwelt- und Verkehrsausschuss sowie der Kulturausschuss jeweils aus 14 Mitgliedern zuzüglich des Landrats. Die Sitzverteilung in den Ausschüssen wurde ebenfalls in der Sitzung vom 15. Mai 2020 festgelegt (Tagesordnungspunkt 3). Von den insgesamt 14 Sitzen der vorgenannten Ausschüsse entfielen auf die CSU jeweils 6 Sitze, die GRÜNEN jeweils 3 Sitze, die FW jeweils 2 Sitze, die SPD jeweils 2 Sitze und die Ausschussgemeinschaft jeweils 1 Sitz. Auf die AfD entfiel jeweils kein Sitz. Die Bestellung der Mitglieder und Stellvertretungen für diese Ausschüsse erfolgte einstimmig (bei Abwesenheit eines Kreisrats).
8
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 erhob der Kläger zu 1) gegenüber dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration Beschwerde gegen die Ausschusssitzverteilung mit der Begründung, durch die Bildung der Ausschussgemeinschaft sei die Abbildung des Wahlergebnisses in den Ausschüssen nicht gegeben. Nach Abgabe der Beschwerde an die Regierung von Oberbayern teilte diese dem Kläger zu 1) mit Schreiben vom 5. November 2020 mit, dass die Sitzverteilung nach dem Verfahren d´Hondt zulässig und der Kreistagsbeschluss rechtmäßig sei. Auch die Berücksichtigung der Ausschussgemeinschaft bei der Sitzverteilung sei zurecht erfolgt, was unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.117) näher ausgeführt wurde.
9
Mit Schreiben vom 8. März 2021 bat der Kläger zu 1) die Regierung von Oberbayern unter Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Januar 2021 (AN 4 E 20.2678) um erneute Prüfung. Hierauf führte die Regierung von Oberbayern mit Schreiben vom 21. Mai 2021 u.a. aus, das Verwaltungsgericht Ansbach habe zwar bezugnehmend auf zwei Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Rechtsaufassung vertreten, dass Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO verfassungskonform dahingehend auszulegen sei, dass die Bildung von Ausschussgemeinschaften nur zur Vergabe von Ausschusssitzen führen dürfe, soweit dadurch nicht eine größere Gruppe den einzigen ihr zustehenden Sitz verliere. Da es sich bei den angeführten Entscheidungen aber um Eilentscheidungen handele, die trotz ihrer vermeintlichen Eindeutigkeit im Wesentlichen auf einer summarischen Prüfung beruhten, sei nicht beabsichtigt, den Beklagten rechtsaufsichtlich zu einer Änderung der Verteilung der Ausschusssitze anzuhalten. Auf die Ausführungen der Staatsregierung zu einer Schriftlichen Anfrage vom 6. Oktober 2020 wurde verwiesen (LT-Drs. 18/11212).
10
Am 18. Juni 2021 erhoben die Kläger Klage gegen die Besetzung der neben dem Landrat mit 14 Kreistagsmitgliedern besetzten Ausschüsse (Kreis-, Schul-, Umwelt- und Verkehrs- und Kulturausschuss) und stellten zugleich einen Eilantrag (M 7 E 21.3225). Zur Begründung führten sie in diesem und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in der Sache im Wesentlichen aus, bei der vom Beklagten nach § 33 Abs. 2 seiner Geschäftsordnung beschlossenen Besetzung dieser Ausschüsse sei auf die aus insgesamt sechs Kreistagsmitgliedern bestehende Ausschussgemeinschaft jeweils ein Sitz entfallen. Hätte sich die Ausschussgemeinschaft nicht gebildet, wäre dieser Ausschusssitz auf die AfD mit 4 Sitzen, nämlich die Kläger, entfallen. Die Kläger hätten sich erfolglos an die Regierung von Oberbayern als Rechtsaufsichtsbehörde sowie an das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration gewandt. Die Bildung der Ausschussgemeinschaft sei unzulässig. Sie könne im Hinblick auf das prinzipielle Mitwirkungsrecht größerer Gruppierungen nur anerkannt werden, wenn dadurch - wie hier - nicht eine ansonsten ausschussfähige andere Partei oder Wählergruppe den einzigen ihr zustehenden Sitz verliere. Deswegen müsse die Ausschussgemeinschaft bei der Sitzverteilung unberücksichtigt bleiben (vgl. BayVGH, B.v. 26.10.2020 - 4 CE 20.2238 m.w.N.). Dies entspreche dem in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG enthaltenen Grundsatz der demokratischen Repräsentation, was weiter ausgeführt wurde. Die Rechtsauffassung der Regierung von Oberbayern, wonach angesichts des Charakters eines Eilbeschlusses eine rechtsaufsichtliche Beanstandung (noch) nicht veranlasst sei, sei rechtsirrig. Die zutreffende Feststellung könne ein Gericht sowohl im Eil- als auch im Hauptsacheverfahren treffen. Es sei nicht ersichtlich, dass im Hauptsacheverfahren hier eine andere Entscheidung getroffen werde. Vorgelegt wurden zwei Tabellen zur Ausschussberechnung. Erwidernd auf den Vortrag des Beklagten trugen die Kläger weiter vor, eine Beiladung sei mindestens fakultativ; hinsichtlich der Ausschussgemeinschaft auch notwendig. Der Beklagte zitiere die ältere, überholte Rechtsprechung. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe sich ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 19.12.2009 - 8 C 17.18) berufen. Dem in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG enthaltenen Grundsatz der demokratischen Repräsentation könne nur entsprochen werden, wenn der Wählerwille, wie er im Wahlergebnis zum Ausdruck komme, nicht nachträglich durch fraktionsübergreifende Absprachen dahingehend konterkariert werde, dass Gruppen wie die Kläger trotz entsprechender Kopfzahl aufgrund der Bildung einer Ausschussgemeinschaft nicht zum Zuge kämen. Das Verhalten der Kläger sei schon aufgrund der Zeitschiene nicht widersprüchlich, da die neuere Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Zustimmung zur Ausschussbesetzung noch nicht vorgelegen habe. Der Kläger zu 1) sei Sprecher seiner Fraktion/Gruppe, was sowohl dem Landrat, als auch den anderen Fraktionen bekannt sei. Vor dem 8. Oktober 2020 habe der Kläger zu 1) keine Kenntnis von der neueren Rechtsprechung gehabt, sondern erst von Parteifreunden mit entsprechender zeitlicher Verzögerung davon erfahren. Daher habe er sich an die aus seiner Sicht zuständige Rechtsaufsichtsbehörde, das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration, gewandt. Der Einwand, der Kläger zu 1) habe sich jederzeit an die Kreisjuristin wenden können, sei lebensfremd. Die Antwort der zuständigen Regierung von Oberbayern sei rechtlich nicht zutreffend, weil sie alleine auf den Charakter einer Eilentscheidung abstelle. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Beschluss vom 26. Oktober 2020 seine geänderte Rechtsauffassung unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung jedoch ausführlich begründet.
11
Die Kläger haben ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verpflichten, über die Besetzung der Ausschüsse seines Kreistags neu zu entscheiden und bei den 14 Mitglieder zählenden Ausschüssen jeweils einen Sitz der Gruppe der Kläger zu geben, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, über die Besetzung der Ausschüsse seines Kreistags unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beschließen. Die Kläger haben zudem klargestellt, dass sich der Klageantrag nur auf die neben dem Landrat 14 Mitglieder zählenden Ausschüsse (Kreis-, Schul-, Umwelt- und Verkehrs- und Kulturausschuss) beziehe.
12
Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat (auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens M 7 E 21.3225) vorgetragen, da die Entscheidung sämtliche Parteien, jedenfalls die Ausschussgemeinschaft, berühre, seien diese notwendig beizuladen. In der Sache wurde ausgeführt, die Klage sei unzulässig. Es bestünden Bedenken bei der Klageart und der Klagebefugnis. Die Kläger hätten sich nicht zur statthaften Klageart erklärt und auch nicht geltend gemacht, möglicherweise in ihrem Recht aus Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO verletzt zu sein. Ob sie überdies Feststellungsklage erheben wollten, sei unklar. Zudem entfiele das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Kläger ihr Anliegen nicht zuvor an die zuständige Behörde, hier den Kreistag, herangetragen hätten. Das Recht auf Klage sei verwirkt. Die Kläger hätten bei der Sitzverteilung in der Sitzung am 15. Mai 2021 mit Ja gestimmt und damit offensichtlich auf ein Korrekturrecht verzichtet. Die Antragstellung und Klageerhebung stellten ein widersprüchliches Verhalten dar. Eine Verwirkung der nicht fristgebundenen Leistungsklage ergebe sich auch aufgrund der bis zur Antragstellung/Klageerhebung verstrichenen 11 Monate. Der Kläger zu 1) habe am 8. Oktober 2020 und am 8. März 2021 Aufsichtsbeschwerde erhoben. Er habe sich fast 7,5 Monate, die anderen Kläger 11 Monate, Zeit gelassen, um gegen die Sitzzuteilung gerichtlich vorzugehen. Hinzu komme, dass ein Klagevorbehalt nicht angesprochen worden sei und in dieser Zeit mehrfach Kreistags- und Ausschusssitzungen stattgefunden hätten. Es sei ein Vertrauen darauf entstanden, dass mit einer Klage, die möglicherweise die bisherige (Ausschuss-)Arbeit zunichte mache, nicht mehr gerechnet werden müsse. Die Klage sei unbegründet. Nach Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO, 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO, 26 Abs. 1 Satz 5 BezO könnten sich Ratsmitglieder zur Entsendung gemeinsamer Vertreter in die Ausschüsse zusammenschließen, wenn sog. Einzelgänger, Fraktionen oder Gruppen ansonsten keinen Sitz in einem Ausschuss erhalten würden, was im Folgenden unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts vertieft wurde. Die Anwendung des Verfahrens nach d´Hondt sei vom Kreistag für alle Ausschüsse vorab wirksam beschlossen worden. Der Kreistag besitze nach ständiger Rechtsprechung Organisationsautonomie und Gestaltungsfreiheit, die durch das Spiegelbildlichkeitsgebot begrenzt werde. Hier sei die Verteilung der Ausschusssitze und die Bildung der Ausschussgemeinschaft rechtmäßig erfolgt, was im Folgenden ausführlich anlehnend an Leisner, BayVBl. 2021, 433, 437 ff., ausgeführt wurde. Zusammenfassend sei die Zulässigkeit einer Ausschussgemeinschaft Ergebnis der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, dass sich sog. Splittergemeinschaften zusammenschlössen und der mit ihr vereinte Stimmenanteil den einer anderen „Solo-Gruppierung“ im Rahmen der Sitzverteilung verdränge. Der Versuch einer Korrektur, etwa im Wege einer verfassungskonformen Auslegung wie es im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes anderen Ortes erwogen werde (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 4 CE 20.1442), werfe verfassungsrechtliche Bedenken im Lichte des eindeutigen Willens des Gesetzgebers auf und bilde jedenfalls aktuell keine hinreichende Entscheidungsgrundlage für eine stattgebende Entscheidung ab. Die Bildung von Ausschussgemeinschaften sei auf kommunaler Ebene vorbehaltslos vorgesehen. Dies stelle eine Konkretisierung dar, wie mit dem Wahlergebnis nach Anwendung entsprechender Sitzzuteilungssysteme umgegangen werden solle. Verliere eine andere politische Kraft dadurch ihr demokratisch errungenes Beteiligungsrecht, sei dies gesetzgeberisch hinzunehmen. Eine Begrenzung des Rechts der Bildung einer Ausschussgemeinschaft, etwa im Wege richterlicher Rechtsfortbildung durch eine verfassungskonforme Auslegung der dies erlaubenden Regelungen wäre vom Gesetzgeber nicht gewollt, stünde mit ihm im Widerspruch und würde damit die Realisierung von Ausschussgemeinschaften davon abhängig machen, ob es sich um die letztverbleibende bzw. von vorneherein einzige Stimme handele. Politische Bündnisse und Minderheitenschutz würden erheblich eingeschränkt. Eine solche Einschränkung sei auch nicht zur Wahrung des Grundsatzes demokratischer Legitimation erforderlich, da die Zählgemeinschaften gerade die Teilnahme von Mandatsträgern sicherstellten, die anderenfalls nicht in den Ausschüssen vertreten wären. Mit weiteren Schriftsätzen wurde unter teilweiser Wiederholung des bisher Vorgebrachten weiter ausgeführt, hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen sei auf die dafür maßgeblichen Komponenten Sitzverteilung, gesetzliche Mitgliederzahl und Art. 27 LKrO sowie § 33 Geschäftsordnung zu verweisen. Letzterer sei erst unmittelbar vor den Besetzungsbeschlüssen verabschiedet worden. Das Berechnungsverfahren nach d´Hondt sei auch in den vorherigen Wahlperioden angewendet worden. Die Bildung der Ausschussgemeinschaft sei erst nach der Sitzung vom 8. Mai 2020 und erstmals in der Sitzung vom 15. Mai 2020 bekannt geworden. Die von den Klägern in Anlage K2 vorgelegte Berechnung sei unbrauchbar, da sie von einer falschen Grundlage ausgehe (64 statt 70 Sitze). Bislang gehe kein Verwaltungsgericht von einer „Rechtsprechung“ des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus. Nicht nur der Gerichtshof, sondern auch das Verwaltungsgericht Ansbach spreche von einer „skizzierten vorläufigen Rechtsauffassung“, welche erst bei der Entscheidung im Hauptsacheverfahren unter ausdrücklicher Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung verfestigt ausgeführt werden und dann in Rechtskraft erwachsen müsse. Bis dahin sei weiterhin vom Bestand und der Bindungswirkung der rechtskräftigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und der Statthaftigkeit der Bildung der Ausschussgemeinschaften in dieser Frage auszugehen. Auch die Rechtsaufsicht habe darauf hingewiesen, dass es sich um einen Beschluss im vorläufigen Rechtsschutz nach summarischer Prüfung handele. Dieser Maßstab entspreche nicht dem einer Prüfung in der Hauptsache. Es spiele für die Verwirkung des Antragsrechts der Kläger zu 2) bis 4) keine Rolle, dass der Kläger zu 1) Fraktionsvorsitzender sei, da er dadurch nicht deren rechtlicher Vertreter sei. Dieser hätte sich schon vor dem 8. Oktober 2020 an die Kreisjuristin wenden können. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sei am 7. August 2020 ergangen. Wesentlich für die Sitzverteilung sei die Rechtslage in diesem Zeitpunkt. Da habe es den Beschluss noch nicht gegeben, sodass die Kläger alle für die Bildung der Ausschussgemeinschaft und die Sitzverteilung gestimmt hätten. Die Sitzverteilung sei rechtswirksam, bis ein Gericht sie rechtskräftig im Hauptsacheverfahren als unwirksam erkläre. Nur das Bundesverfassungsgericht könne das Gesetz kassieren.
13
Mit Beschluss vom 26. Juli 2021 wurden die sechs Mitglieder der Ausschussgemeinschaft im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und mit Beschluss vom 23. November 2021 im Klageverfahren beigeladen.
14
Die Beigeladenen haben im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (M 7 E 21.3225) mit gemeinsamem Schriftsatz vom 5. August 2021 zur Sache Stellung genommen. Sie führten aus, das Bündnis für Dachau sei bei seiner Gründung vor gut 25 Jahren ein Sammlungsbecken für Mitglieder von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ÖDP und Unabhängigen im Stadtgebiet gewesen. Während die erstgenannte Partei nach einer Wahlperiode wieder die Eigenständigkeit gesucht habe, habe die ÖDP bis heute bei den Stadtratswahlen keine eigene Liste aufgestellt - ihre Mitglieder kandidierten auf der Liste des Bündnis für Dachau. Zu den Kommunalwahlen 2020 sei das Bündnis für Dachau erstmals mit einer eigenen Liste auf Kreisebene angetreten. Zuvor hätten dessen Mitglieder auf der Liste der ÖDP für den Kreistag kandidiert, die bei den Wahlen 2014 vier Mandate im Kreistag bei damals 60 Mitgliedern und damit auch einen Sitz in den großen Ausschüssen errungen hätte. Die Listenaufstellung des Bündnis für Dachau sei in der Erwartung erfolgt, nicht nur die Anzahl der Kreistagsmitglieder aus der Stadt zu erhöhen, sondern auch die Gesamtrepräsentation beider Listen im Kreistag zu steigern. Dies sei mit zwei Mandaten zuzüglich drei der ÖDP leicht gelungen. Die Fragmentierung der Stimmen in zwei Teile (Bündnis für Dachau und ÖDP) sei dabei von vornherein klar gewesen, aber vor dem Hintergrund in Kauf genommen worden, dass zumindest über den Zusammenschluss mittels des gesetzlich garantierten Rechts auf Bildung einer Ausschussgemeinschaft keine Schwächung der Ausschussarbeit zu erwarten gewesen sei. Dabei sei noch nicht einmal vorgesehen gewesen, dass es gelingen würde, auch den Vertreter von DIE LINKE/DIE PARTEI für die Ausschussgemeinschaft zu gewinnen. Nunmehr arbeite die sechs Mitglieder umfassende Ausschussgemeinschaft eng zusammen, wie bereits gemeinschaftlich gestellte Anträge zeigten. Die Gruppe der Kläger stelle demgegenüber lediglich vier Kreistagsmitglieder. Es gebe weitere Parteien/Gruppierungen, die keinen Sitz in den streitgegenständlichen Ausschüssen hätten. Diesen stehe es frei, ihrerseits eine (weitere) Ausschussgemeinschaft zu bilden, wie es in Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO und § 33 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung vorgesehen sei. Ob es diese Möglichkeit gebe, spiele allerdings für das Verfahren keine Rolle. Der Gesetzgeber habe mit Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO den Bruch der Spiegelbildlichkeit insofern bewusst vorgenommen, als kleinere Gruppierungen ohne ursprüngliche Repräsentation im Kreisausschuss zu Lasten größerer Gruppierungen Ausschusssitze beanspruchen könnten, unabhängig davon, wie viele Sitze betroffen seien. Im Sinne pluralistischer Meinungsbildung und damit einer größeren Vielfalt seien hier drei Gruppierungen mit sechs Mandaten auf der Basis von 8,5% der Stimmen gegenüber einer Gruppe mit vier Mandaten und 5,6% der Stimmen überlegen. Es liege auf der Hand, dass die Mitglieder von Ausschussgemeinschaften nicht damit einverstanden sein könnten, während der laufenden Wahlperiode - faktisch rückwirkend - ihrer Rechte „beraubt“ zu werden, ohne dass dies im Hauptsacheverfahren rechtskräftig entschieden sei. Sonst hätten sich Bündnis für Dachau und ÖDP schon bei der Listenaufstellung für die Kommunalwahl anders verhalten. Die Gefahr, von der Ausschussarbeit ausgeschlossen zu werden, hätte eine andere Strategie erfordert. Es wäre wohl nicht zu einer eigenständigen Kandidatur des Bündnis für Dachau gekommen, sondern bei der zuvor praktizierten Listeneinheit mit der ÖDP geblieben. Es sei unverständlich, wieso es von der zufälligen Zusammensetzung bei den nach Sitzen größeren Gruppierungen abhängen solle, ob sich kleinere, nicht vertretene Gruppierungen überhaupt zur Ausschussarbeit zusammenfinden dürften oder nicht. Hinsichtlich der Behauptung der Kläger, die Ausschussgemeinschaft habe „ihre Ausschusssitze (…) schon gar nicht auf demokratischer Grundlage“ erhalten, sei zu fragen, was demokratischer sein könne, als die Bestellung von Ausschussmitgliedern auf Grund einer einstimmig (mit den Stimmen der Kläger) verabschiedeten Geschäftsordnung, die sich vollständig an der Landkreisordnung orientiere. Im Gegenteil würde eine Wegnahme der Ausschusssitze deren Mitglieder in ihren demokratischen Rechten verletzen.
15
Mit Beschluss vom 6. August 2021 hat das Gericht den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, über die Besetzung des Kreisausschusses, des Schulausschusses, des Umwelt- und Verkehrsausschusses und des Kulturausschusses seines Kreistags unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts bis zum 30. September 2021 neu zu beschließen (M 7 E 21.3225).
16
In Folge dessen hat der Kreistag des Beklagten mit Kreistagsbeschlüssen vom 16. September 2021 über die Besetzung der streitgegenständlichen Ausschüsse neu entschieden. Den Beigeladenen wurde das jeweilige Mandat entzogen (Beschluss Nr. 1) und der jeweilige Ausschusssitz den Klägern (in unterschiedlicher Besetzung) zugeteilt (Beschlüsse Nr. 2-5). Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Dort ist zudem unter dem Tagesordnungspunkt 1 vor dem Beschluss Nr. 1 (Mandatsverlust) Folgendes ausgeführt: „Beschluss: Auf Grundlage der Rechtsauffassung des Gerichts mit VG Beschluss vom 06.08.2021 unter Az. M 7 E 21.3225 wird beschlossen: 1. (…)“.
17
Mit Schriftsatz vom 23. September 2021 erklärte die Klagepartei in Ansehung dieser Beschlüsse die Hauptsache für erledigt. Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2021 wurde weiter ausgeführt, der Beklagte habe die beschließenden Ausschüsse nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts neu besetzt. Diese Ausschussbesetzung gelte offensichtlich für den Rest der laufenden Sitzungsperiode. Insbesondere sei in den Beschlüssen kein Vorbehalt zu einer nur vorläufigen Geltung festgehalten worden. Somit könne mit der Klage in der Hauptsache nicht mehr das Ziel verfolgt werden, die Ausschüsse entsprechend der Fraktionsstärke der Kläger mit jeweils (auch) einem der Kläger zu besetzen. Dies sei der klassische Fall der Erledigung der Hauptsache. Es verhalte sich hier nicht anders als wenn der Beklagte nach Erhebung einer Zahlungsklage an den Kläger vorbehaltlos Zahlung leiste. Die Klagepartei habe dann kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Für den Fall, dass das Gericht dies wider Erwarten anders beurteile, werde um einen richterlichen Hinweis gemäß §§ 173 VwGO, 139 ZPO gebeten. Es wäre zu prüfen, ob die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage aufrechtzuerhalten wäre. In der Sache wurde weiter vorgetragen, die Änderung der Rechtsprechung halte sich im Rahmen der juristischen Auslegung, was in der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Oktober 2020 deutlich werde. Hiernach sei entscheidend, dass der Gesetzestext eine Aufspaltung der Sitzverteilung in zwei zeitlich getrennte Schritte nicht hergebe. Dies geschehe jedoch, wenn die Zusammensetzung des Plenums im Nachhinein dahingehend geändert werde, dass Gruppierungen gebildet würden, die sich in dieser Zusammensetzung den Wählern nicht zur Wahl gestellt hätten. Dies widerspreche dem in Art. 28 Absatz 1 Satz 2 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG enthaltenen Grundsatz der demokratischen Repräsentation, wonach die Ausschüsse als verkleinerte Abbilder des Plenums dessen Zusammensetzung und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln müssten. Dies ergebe sich auch aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2003 (8 C 18.03), aus der im Folgenden zitiert wurde. Der Vortrag des Beklagten, der dieser Entscheidung zugrundeliegende Fall unterscheide sich von dem vorliegenden, habe keinen Erfolg. Es mache im Ergebnis keinen Unterschied, ob sich Fraktionen oder einzelne Mitglieder zusammenschlössen, um durch die Bildung einer Zählgemeinschaft die Beschickung der Ausschüsse zu beeinflussen. In beiden Fällen werde der verfassungsrechtlich gebotene Spiegelbildlichkeitsgrundsatz konterkariert. Die Bildung von Ausschussgemeinschaften erfolge nach der Wahl und auch nicht durch die Wähler. Der Wähler wisse nie, wer gewählt werde oder in die Ausschüsse komme. Er wisse aber, wem er seine Stimme gebe und ihn deswegen in das Parlament bzw. Kommunalparlament entsende und welcher politischen Partei oder Wählergruppe dieser angehöre. Damit werde nicht nur die Zusammensetzung des Plenums, sondern auch diejenige der Ausschüsse in der Wahlkabine bestimmt und nicht in späteren Verhandlungen der Gewählten. Zudem widerspreche die Möglichkeit, durch einen nachträglichen Zusammenschluss von Einzelmitgliedern oder Gruppen die Fraktion einer politischen Partei von der Ausschussarbeit auszuschließen, der in Art. 21 GG zum Ausdruck kommenden Wertung des Verfassungsgesetzgebers. Mit Schriftsätzen vom 2. und 4. Februar 2022 wurde der Vortrag weiter vertieft. Es sei zwischen der Vorläufigkeit der Entscheidung nach § 123 VwGO, deren Regelungsgehalt schon nach der gesetzlichen Bezeichnung vorläufig sei, und der Begründung der Entscheidung zu differenzieren. Das Gericht habe im Beschluss vom 6. August 2021 seine Rechtsauffassung ohne einen Hinweis auf etwaige Vorläufigkeit dargelegt. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe im Beschluss vom 7. August 2020 seine Rechtsauffassung zu Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO gerade nicht als vorläufig bezeichnet. Die hilfsweise Verfolgung des Klageanspruchs in der Hauptsache, gegebenenfalls als Fortsetzungsfeststellungsklage, sei alternativ zum Erledigungsrechtsstreit möglich. Die Rechtsprechung des Gerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bewegten sich eindeutig im Rahmen der Gesetzesauslegung. Eine Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG komme nicht in Frage, da es nicht um die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes gehe. Art. 100 Abs. 2 und 3 GG kämen ebenfalls nicht in Frage. Die erhobene Eventualwiderklage sei unzulässig, wenn sie von einer außerhalb des Verfahrens liegenden Bedingung abhängig wäre.
18
Die Kläger beantragen zuletzt,
Der Beklagte wird verpflichtet, über die Besetzung der Ausschüsse seines Kreistags unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beschließen.
19
Der Beklagte beantragt zuletzt,
Klageabweisung.
20
Mit Schriftsatz vom 24. September 2021 widersprach der Beklagte der Erledigungserklärung der Kläger. In der Sache wurde unter Bezugnahme auf die einstweilige Anordnung des Gerichts und über das bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Vorgetragene hinaus mit weiteren Schriftsätzen ausgeführt, die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und dem sich hieran anschließenden Verwaltungsgericht vorgenommene verfassungskonforme Auslegung sei nicht haltbar und die teilweise aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (8 C 17.08) verwendete Argumentation auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Das Verwaltungsgericht verstoße ebenso wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof offensichtlich bei der verfassungskonformen Auslegung des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO gegen die Grundsätze dieses Normerhaltungsbehelfs, der nur bei vorliegenden echten verfassungsrechtlichen Zweifeln anwendbar sei. Die vom Bundesverfassungsgericht (1 BvR 2142/11) aufgestellten Grundvoraussetzungen für eine verfassungskonforme Auslegung würden verkannt, was vertiefend dargestellt wurde. Es fehle bereits an einer normativen Grundlage als Anlass und Anknüpfungspunkt. Der Wortlaut des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO sei eindeutig und gebe keinen Anknüpfungspunkt für eine einschränkende Auslegung für den einzelnen Fall des einzigen Sitzverlusts. Das Verwaltungsgericht führe für die gegenteilige Auffassung keine überzeugenden Gründe an. In dem der vorgenannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde liegenden Fall sei es um die Mandatsmehrung von definitiv vertretenen Koalitionären zulasten einer Partei gegangen, was mit Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO nichts zu tun habe. In jedem Fall habe es keine entsprechend anzuwendende gesetzliche Regelung einer Ausschussgemeinschaft als echte Ausnahme vom Grundsatz der Spiegelbildlichkeit gegeben. Die gesetzlich erlaubte Summierung von Stimmen ergebe schlicht, dass kleinere Parteien in Summe im Verhältnis eine größere überholen und statt derer repräsentiert sein könnten. Dies sei Sinn und Zweck der Gemeinschaftsbildung, ungeachtet dessen, ob dadurch die überholte Partei ihren einzigen Sitz verliere - dies sei de lege lata unbeachtlich. Dadurch werde weder der Repräsentationsgrundsatz noch das Demokratiegebot berührt oder gar verletzt, auch der Erfolgswert einer Stimme bleibe unberührt bzw. gewahrt. Stimmsummierungen seien gesetzlich durch hierfür vorgesehene Zusammenschlüsse vorgesehen. Hierdurch sei angelegt, dass entstehende Stimmmehrungen kleinere Stimmenanteile verdrängen könnten, wenn es um einen Sitz gehe. Ob es der einzige Sitz sei, müsse unberücksichtigt bleiben. Das durch die Spiegelbildlichkeit zu wahrende Abbild des Kreistags in den Ausschüssen bemesse sich nach dem innerparteilichen Kräfteverhältnis, welches sich alleine durch die jeweils errungene Stimmenzahl und nicht durch die absolute Größe abbilde. Der als verfassungskonforme Auslegung verkaufte gewollte Normeingriff habe die Folge eines faktischen Nichtanwendungserlasses für den Einzelfall durch die Fachgerichtsbarkeit, was im Folgenden weiter unterlegt wurde. Zudem berge das Auslegungsergebnis eine erhebliche Rechtsunsicherheit, denn die Statthaftigkeit einer Ausschussgemeinschaft hänge stets davon ab, ob dadurch eine andere politische Gruppierung nicht doch ihren dann entscheidenden einzigen Sitz verlieren könne. Dies mache dem Wähler praktisch unmöglich zu wissen, wer in die Ausschüsse komme. Der Wählerwille werde durch die Wahl des Auszählungssystems und der ungewissen fallabhängigen Bildung einer Ausschussgemeinschaft gegebenenfalls doppelt verzerrt. Dies habe der bayerische Gesetzgeber nicht gewollt. Die aktuelle Rechtsauffassung habe vielmehr Bestätigung in der jüngsten Stellungnahme der Bayerischen Staatsregierung gefunden. Der in Rn. 37 des Eilbeschlusses enthaltene richterliche Hinweis auf eine alternative Ermöglichung allseitiger Beteiligung durch Änderung der Berechnungsmethode und/oder Modifizierung der Ausschussgröße verbiete sich als hierfür jeweils völlig sachfremder Gesichtspunkt. Es verbleibe bei der verfassungsrechtlich höchst bedenklichen und zumindest rechtswidrigen Anwendung von Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO durch die vorliegende Nichtzulassung der Ausschussgemeinschaft. Es werde daher angeregt, trotz vermeintlich gerichtsseitig angenommener Bindungswirkung zu allen Beschlüssen/Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wegen des bisherigen Fehlens eines dortigen Urteils vor einer Entscheidung in der Hauptsache die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO im Lichte der Bildung einer Ausschussgemeinschaft wegen möglichen Verstoßes gegen den Grundsatz der repräsentativen Demokratie (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) dem Bundesverfassungsgericht konkret zur Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG vorzulegen. Die mit dem Kreistagsbeschluss vom 16. September 2021 bewirkte Neubesetzung der Ausschüsse gelte nicht für den Rest der laufenden Sitzungsperiode. Die klägerische Behauptung, der Beschluss enthalte keinen Vorbehalt hinsichtlich seiner nur vorläufigen Geltung, sei falsch. In dem Protokoll (S. 3) werde auf die einstweilige Anordnung des Gerichts Bezug genommen. Eine solche stelle eine Form des vorläufigen Rechtsschutzes dar, sodass eine vorläufige, d.h. für den Zwischenraum bis zur Entscheidung in der Hauptsache geltende Regelung aufgrund gerichtlicher lediglich summarischer Prüfung zu treffen sei. Die Anordnung diene daher der Sicherung eines Rechts oder der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses, sie führe jedoch nicht zu einer rechtskräftigen Klärung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Versagung des begehrten Verwaltungsakts oder des klärungsbedürftigen Rechtsverhältnisses. Eine verbindliche Entscheidung über diese Frage trotz zwischenzeitlicher Erledigung der Hauptsache herbeizuführen, sei gerade der Sinn der Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO; sie sei daher nur in einem Hauptsacheverfahren möglich. Die neu vorgenommene Sitzverteilung habe daher nur vorläufigen Charakter. Ein eigener Vorbehalt der Vorläufigkeit sei kraft Rechtsnatur der Anordnung nicht erforderlich. Im Gegenteil gelte die Sitzverteilung nur bis zur rechtskräftigen Klärung in der Hauptsache. Zudem käme die klägerische Auffassung dann tatsächlich einer Vorwegnahme der Hauptsache gleich, welche jedoch unstatthaft und ausweislich des Eilbeschlusses auch nicht bezweckt sei. Vor diesem Hintergrund sei die einseitige Erledigungserklärung der Kläger höchst bedenklich. Wenn diese meinten, für die Hauptsache kein Rechtsschutzbedürfnis mehr zu haben, so folge daraus als alleinige Konsequenz die Klageabweisung. Aufgrund der rechtskundigen Vertretung seien die Spielräume verfahrensleitender Maßnahmen des Gerichts eng. Der Klägervertreter bringe ausdrücklich zum Ausdruck, wie er sich die weitere Verfahrensgestaltung vorstelle. Auch handele es sich hier nicht um hinweisfähige Rechts- oder Tatsachenfragen zum klärungsbedürftigen Streitgegenstand selbst i.S.v. § 139 ZPO. In diesem Lichte seien die Ausführungen der Kläger zur Zahlungsklage verfehlt. Die Hauptsache bleibe rechtshängig und sei entscheidungsbedürftig und -fähig. Weiter werde für den Fall, dass das Gericht dem Klageabweisungsantrag nicht entspreche, in der Sache vorgetragen, die Ausführungen der Kläger, insbesondere die im Kontext zitierten Urteilspassagen, seien teilweise nicht wie referenziert auffindbar, teilweise nicht in diesem spezifischen Kontext nachvollziehbar und in ihren Schlussfolgerungen völlig abweichend von den tatsächlich auffindbaren Urteilsfundstellen, was im Folgenden detailliert ausgeführt wurde. Bei der eigentlichen Verfahrensfrage, ob die Nichtzulassung einer Ausschussgemeinschaft statthaft sei, wenn alternativ eine andere politische Kraft einen Ausschusssitz dadurch verliere und ob es einen Unterschied im Lichte des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO machen könne, wenn dies der einzige Sitz sei, stünden sich die Gesetzeslage und die Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs diametral entgegen, da die von Letzterem vorgenommene Ausnahme im Gesetz keinen Ausdruck finde. Wenn das Gericht ausdrücklich dem Wortlaut und Willen des Gesetzgebers widerspreche, überschreite es definitiv die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung. Die hieraus resultierende Normverwerfungskompetenz stehe über Art. 100 Abs. 1 GG alleine dem Bundesverfassungsgericht zu - dies sei ein gefährlicher Fall überzogener Gewaltenverschränkung (Art. 20 Abs. 3 GG). Weiter sei auch die Argumentation der Kläger verfehlt. Die Intention des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO lasse eine nachträgliche Ausschussgemeinschaft zu. Selbst der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vertrete bisher allenfalls die Auffassung, dass eine Korrektur erforderlich sei, wenn es um den einzigen Ausschusssitz gehe. Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO sei eine von der Legislative in Kauf genommene oder bezweckte Durchbrechung des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes. Der dadurch zum Ausdruck kommende Minderheitenschutz sei wiederholt auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anerkannt worden. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Spiegelbildlichkeitsgrundsatz seien zu Art. 38 GG ergangen. Eine blinde Übernahme der dortigen Erkenntnisse sei stets unter dem Vorbehalt zu sehen, dass die landes- und kommunalrechtlichen Wahlrechtsgrundsätze durch Art. 28 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2 GG geprägt seien. Der Landesgesetzgeber sei nicht verpflichtet, das Wahlrecht etwa zum Bundestag (Art. 38 GG) schematisch zu übernehmen, wobei ihm ein weitreichendes, von einem Ermessensspielraum geprägtes Abweichungsrecht in dem von Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG geprägten Rahmen zustehe. Der Landesgesetzgeber sei frei, ausfüllungsbedürftige und ausfüllungsfähige Lücken zu füllen. Gerade die Vorschriften des Art. 33 Abs. 1 GO und 27 Abs. 2 LKrO müssten daher in ihrer Wirkung eigenständig berücksichtigt werden. So müsse bei der Interpretation stets berücksichtigt werden, dass der Deutsche Bundestag etwa die Bildung von Ausschussgemeinschaften nicht kenne. Auch die Wertungen des Klägervertreters zu Art. 21 GG seien verfehlt. Dieser bezwecke eine völlig andere Zielrichtung - die Rolle politischer Parteien im demokratischen Willensbildungsprozess zu institutionalisieren und zu fördern. Keineswegs würden dort die Rollen von Fraktionen oder politischen Gruppierungen in Gremien behandelt. Auch Fragen der Wahl und deren Folge werde dort nicht geregelt. Die Verfassung habe hierfür zahlreiche andere Referenzplätze (Art. 38, 20, 28 GG). Mit Schriftsatz vom 2. Februar 2022 vertiefte der Beklagte seinen Vortrag insbesondere zur verfassungskonformen Auslegung weiter. Die Streitgegenstände des Anordnungsverfahrens seien nicht mit demjenigen des Hauptsacheverfahrens identisch. Es handele sich um eine Zwischenregelung. Eine Erledigung sei mangels Vorwegnahme im Sinne einer Irreversibilität nicht eingetreten. Es handele sich um eine Wegnahme des Sitzes, denn was einem der Gesetzgeber einmal ermöglicht habe, nehme einem die Rechtsprechung wieder - ex ante - weg. Es verbiete sich der abgekürzte Weg über eine derartige verfassungskonforme Auslegung, das Gericht habe allenfalls die Möglichkeit einer Richtervorlage nach Art. 100 GG. Die Kläger hätten ihren Klageantrag nicht nur im Hauptantrag, sondern auch im Hilfsantrag falsch gestellt. Infolge klarer bewusster Antragstellung bestehe kein Raum für eine Berichtigung oder Auslegung durch das Gericht. Für den Fall, dass das Gericht von einer Erledigung der Hauptsache ausgehe, werde Feststellungswiderklage erhoben und die Feststellung beantragt, dass die Klage vorliegend unzulässig und unbegründet gewesen sei. Der Beklagte habe ein besonderes Feststellungsinteresse aufgrund einer Wiederholungsgefahr.
21
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
22
Das Gericht hat am 9. Februar 2022 mündlich verhandelt.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte in diesem und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (M 7 E 21.3225) sowie die Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 9. Februar 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24
Die Klage hat Erfolg.
25
Der im Schriftsatz vom 23. September 2021 einseitig gebliebenen ausgesprochenen Erledigungserklärung kommt keine prozessrechtliche Wirkung zu, da die Kläger die Erklärung in der mündlichen Verhandlung wirksam widerrufen haben und zu ihrem ursprünglichen Sachantrag zurückgekehrt sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine Erledigungserklärung solange widerrufen werden, wie die Erledigungserklärung der Gegenseite dem Gericht noch nicht zugegangen ist. Die Prozesslage ist bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend gestaltet, da erst die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten gemäß § 161 Abs. 2 VwGO zur Beendigung des Streitverfahrens führen. Erklärt wie im vorliegenden Fall die Beklagtenseite nicht ihrerseits den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, ist die Klägerseite deshalb verfahrensrechtlich nicht gehindert, zu ihrem Sachantrag zurückzukehren (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2010 - 6 A 5/08 - juris Rn. 14; U.v. 22.1.1998 - 2 C 4/97 - juris Rn. 17; U.v. 15.11.1991 - 4 C 27/90 - juris Rn. 23; VG Bremen, U.v. 17.7.2020 - 2 K 2193/17 - juris Rn. 42). Eine Klageänderung, die eine Einwilligung des Beklagten oder die Sachdienlichkeit erfordert (vgl. § 91 Abs. 1 VwGO), ist darin nicht zu erblicken (§§ 173 VwGO i.V.m. § 164 Nr. 2 ZPO; vgl. Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 128).
26
Die Klage ist zulässig.
27
Bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Besetzung der Ausschüsse eines Kreistags handelt es sich um einen kommunalverfassungsrechtlichen Innenrechtsstreit, für den der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
28
Die Klage ist statthaft, da es sich bei den streitgegenständlichen Beschlüssen des Kreistags des Beklagten über die Verteilung der zu vergebenen Ausschusssitze um eine organisationsrechtliche Entscheidung handelt, die im Wege der allgemeinen Leistungsklage - oder subsidiär - der Feststellungsklage angreifbar ist (vgl. zum entsprechenden Art. 33 GO: Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: Juni 2020, Art. 33 GO Rn. 35, mit Verweis auf BayVGH, U.v. 8.5.1968 - Nr. 145 IV 67 - BayVBl. 1968, 324/325).
29
Die Klagebefugnis der Kläger (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) ergibt sich aus einer möglichen Verletzung ihres Rechts aus Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO auf eine dem Gebot der Spiegelbildlichkeit entsprechende Zahl von Ausschusssitzen. Hierfür ist nicht erforderlich, dass sich die Kläger ausdrücklich auf diese Vorschrift berufen, vielmehr ist ausreichend, wenn, wie hier, konkrete Tatsachen vorgetragen werden, die die Tatbestandsmerkmale der möglicherweise verletzten Norm erfüllen könnten (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 69 m.w.N).
30
Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt den Klägern auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil sie der Verteilung der Ausschusssitze in der Sitzung vom 15. Mai 2020 zugestimmt haben. Zwar kann die Ausübung des Klage- und Antragsrechts unzulässig sein, wenn es ein widersprüchliches Verhalten darstellt, allerdings ist bei der Annahme eines solchen besondere Zurückhaltung geboten, da immer Gründe denkbar sind, die den Kläger zur Änderung seines Verhaltens bewogen haben und die von der Rechtsordnung hinzunehmen sind (vgl. Rennert in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, Vor §§ 40-53 Rn. 22). Ein widersprüchliches Verhalten der Kläger ist hier nicht erkennbar. Wie der Beklagte selbst vorgetragen hat, war die Verteilung der Ausschusssitze im Zeitpunkt der Sitzung am 15. Mai 2020 unbestritten und entsprach der (damaligen) Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Dass dieser am 7. August 2020 einen insofern rechtsprechungsändernden Beschluss fassen würde, war nicht erkennbar. Für die Kläger bestand insoweit kein Anlass für eine ablehnende Stimmabgabe.
31
Dass die Kläger gegen die aus ihrer Sicht rechtswidrige Sitzverteilung erst am 18. Juni 2021 gerichtlich vorgegangen sind, vermag ebenfalls nicht zu einem Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses zu führen. Die allgemeine Leistungsklage ist nicht fristgebunden. Auch eine aufgrund einer treuwidrig verzögerten Geltendmachung des Klagerechts begründete prozessuale Verwirkung kann vorliegend nicht angenommen werden. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Klageberechtigte sein Klagerecht lange Zeit nicht ausgeübt hat, sodass der Prozessgegner oder ein Dritter darauf vertrauen durfte, eine Klage werde nicht mehr erhoben und dass der Prozessgegner oder Dritte dieses Vertrauen auch tatsächlich gefasst und sich entsprechend eingerichtet hat, sodass ihm durch die nunmehrige Ausübung des Klagerechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (vgl. Rennert in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, Vor §§ 40-53 Rn. 23 m.w.N). Dies ist hier nicht der Fall. Ausweislich der Verwaltungsakte hat sich der Kläger zu 1) bereits mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 an die (vermeintlich zuständige) Kommunalaufsichtsbehörde mit der Bitte um Prüfung der Rechtmäßigkeit der Sitzverteilung gewandt. Dass es sich hierbei um das unzuständige Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration handelte, ist insofern nicht entscheidungserheblich beachtlich, da die Beschwerde an die zuständige Regierung von Oberbayern weitergeleitet wurde, die diese dann mit Schreiben vom 5. November 2021 (ablehnend) beantwortet hat. Der Kläger zu 1) war auch nicht verpflichtet, sich zuvor an die Kreisjuristin des Beklagten zu wenden. Unter dem 8. März 2021 hat sich der Kläger zu 1) mit Verweis auf die am 15. Januar 2021 ergangene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach ein weiteres Mal an die Regierung von Oberbayern mit der Bitte um erneute Prüfung der Rechtslage gewandt, welche mit Schreiben vom 21. Mai 2021 (wiederum ablehnend) beantwortet wurde. Der Beklagte erhielt von beiden Antworten einen Abdruck und hatte daher Kenntnis davon, dass jedenfalls der Kläger zu 1) die Verteilung der Ausschusssitze für rechtswidrig hielt. Eine Verwirkung ist auch nicht in Bezug auf die Kläger zu 2) bis 4) anzunehmen, weil sich diese nicht ebenfalls an die Rechtsaufsichtsbehörde gewendet haben. Da die Kläger derselben Fraktion/Gruppe angehören, sie mithin also gleichermaßen betroffen sind, der Kläger zu 1) unwidersprochen ihr Sprecher ist und die Regierung von Oberbayern ihre Rechtsauffassung diesem gegenüber klar geäußert hat, wären gleichgelagerte Beschwerden mit hoher Wahrscheinlichkeit aussichtslos gewesen. Ein zu einer Verwirkung führender Vertrauenstatbestand wurde daher auch nicht durch das Verhalten der Kläger zu 2) bis 4) geschaffen.
32
Schließlich entfällt das Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nach den Umständen des Einzelfalls auch nicht deshalb, weil sie ihr Anliegen nicht vor Klageerhebung gegenüber dem Kreistag vorgetragen haben. Anders als bei der Verpflichtungsklage setzt die Zulässigkeit der auf Vornahme einer Verwaltungshandlung gerichteten allgemeinen Leistungsklage nach der Verwaltungsgerichtsordnung nicht voraus, dass sich der Kläger zuvor durch einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Behörde vergeblich um die begehrte Handlung bemüht hat (vgl. Sodan in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 42; HessVGH, U.v. 16.9.2014 - 10 A 500/13 - juris Rn. 21). Im Übrigen durften die Kläger nach den Umständen des Einzelfalls davon ausgehen, dass der Beklagte ihrem Begehren auf Änderung der Sitzverteilung nicht entsprochen hätte. Hierfür spricht nicht nur die - dem Beklagten bekannte - gegenteilige Rechtsauffassung der Rechtsaufsichtsbehörde, sondern auch die vom Beklagten spätestens im Verlauf des Klageverfahrens deutlich gemachte ablehnende Haltung. Es ist daher nicht ersichtlich, dass den Klägern durch Einbringen ihres Anliegens in den Kreistag des Beklagten eine einfachere Möglichkeit zur Erreichung ihres Zieles zur Verfügung gestanden hätte.
33
Die zulässige Klage ist auch begründet.
34
Die angegriffene Verteilung der Ausschusssitze im Kreisausschuss, Schulausschuss, Umwelt- und Verkehrsausschuss und Kulturausschuss des Kreistags des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihrem organschaftlichen Recht aus Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO. Die Kläger haben daher einen Anspruch darauf, dass der Beklagte unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Besetzung der vorgenannten Ausschüsse neu beschließt.
35
Nach Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO hat der Kreistag bei der Bestellung der Mitglieder des Kreisausschusses dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen; für die weiteren Ausschüsse gilt die Vorschrift in Bezug auf die Zusammensetzung entsprechend (Art. 29 Abs. 1 Satz 3 LKrO). Dieser Forderung nach der Spiegelbildlichkeit der Ausschüsse in Bezug auf den Kreistag wird die in der Sitzung vom 15. Mai 2020 vorgenommene Sitzverteilung nicht gerecht.
36
Zwar dürfte die Anwendung des Berechnungsverfahrens nach d´Hondt und der Pattauflösungsregel des Rückgriffs auf die Zahl der bei der Wahl auf die Parteien und Wählergruppen abgegebenen Stimmen grundsätzlich rechtmäßig gewesen sein. Denn nachdem der Landesgesetzgeber den kommunalen Gremien kein bestimmtes Berechnungsverfahren vorgeschrieben hat, haben diese als Ausfluss ihrer Organisationskompetenz grundsätzlich die Wahlmöglichkeit unter den verschiedenen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Prinzips der repräsentativen Demokratie und des Gebots der Wahlgleichheit gerecht werdenden Berechnungsverfahren (vgl. BayVGH, U. v. 17.3.2004 - 4 BV 03.1159 - juris Rn. 16; B.v. 7.8.2020 - 4 CE 20.1442 - juris Rn. 20; B.v. 7.12.2020 - 4 CE 20.2032 - juris Rn. 17; B.v. 15.12.2020 - 4 CE 20.2166 - juris Rn. 21 jeweils m.w.N), wozu das Verteilungsverfahren nach d´Hondt gehört. Dies wird von Klägerseite auch nicht in Frage gestellt.
37
Auch ein Zusammenschluss von Kreisräten zur Entsendung gemeinsamer Vertreter in den Kreisausschuss und andere Ausschüsse (Art. 27 Abs. 2 Satz 5, 29 Abs. 1 Satz 3 LKrO) ist grundsätzlich zulässig, wenn, wie hier in § 33 Abs. 2 Satz 3 der Geschäftsordnung vorgesehen, nur der Zusammenschluss von sog. Einzelgängern oder solchen Fraktionen oder Gruppen zugelassen wird, die ohne einen Zusammenschluss keinen Sitz im Ausschuss erhalten würden (vgl. BayVGH, U.v. 17.3.2004 - 4 BV 03.117 - juris Rn. 43 m.w.N; B.v. 28.9.2009 - 4 ZB 09.858 - juris Rn. 5).
38
Allerdings führt vorliegend die Verteilung der Sitze in den streitgegenständlichen Ausschüssen nach dem d´Hondtschen Berechnungsverfahren bei Berücksichtigung der Ausschussgemeinschaft dazu, dass die Kläger jeweils den einzigen, ihnen ohne Berücksichtigung dieser Ausschussgemeinschaft zustehenden Ausschusssitz verlieren und somit von einer Vertretung in diesen Ausschüssen gänzlich ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund ist im vorliegenden Fall die Berücksichtigung der Ausschussgemeinschaft bei der Sitzverteilung rechtswidrig.
39
Nach aktueller Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist der Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO entsprechende Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Bildung von Ausschussgemeinschaften kleinerer, ansonsten nicht in den Ausschüssen vertretener Gruppen nur insoweit zur Vergabe von Ausschusssitzen führen darf, als damit nicht eine größere Gruppe den einzigen ihr zustehenden Sitz verliert. Der aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der demokratischen Repräsentation folgende Grundsatz einer den Stärkeverhältnissen im Gemeinderat Rechnung tragenden Ausschussbesetzung lässt zwar in gewissem Umfang Durchbrechungen zu, die darauf abzielen, Minderheitenpositionen in den Gemeinderatsausschüssen stärker zu berücksichtigen. Die damit angestrebte Verbreiterung des von den Ausschussmitgliedern vertretenen Meinungsspektrums kann aber nur erreicht werden, wenn der an die kleineren Gruppen abgegebene Sitz von einer Fraktion oder Wählergruppe stammt, die weiterhin in den Ausschüssen vertreten ist. Die vollständige Verdrängung der kleinsten „an sich“ ausschussfähigen Gruppe zugunsten einer bloßen Zählgemeinschaft von noch kleineren Gruppierungen kann dagegen nicht mehr als Instrument des Minderheitenschutzes angesehen werden. Denn damit wird einer Ratsminderheit, der nach der festgelegten Ausschussgröße und dem gewählten Verteilungsverfahren nur ein einziger Sitz in den jeweiligen Ausschüssen zusteht, jede Möglichkeit der Mitwirkung in den Gemeinderatsausschüssen genommen. In dem gänzlichen Ausschluss aus den Ausschüssen liegt eine erhebliche und sachlich nicht zu rechtfertigende Beeinträchtigung des Grundsatzes gleicher Repräsentation, der sich aus der Erfolgswertgleichheit der kommunalen Wählerstimmen ergibt. Der damit verbundene Eingriff in das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an der Willensbildung der örtlichen Volksvertretung ist auch nicht deshalb als weniger gewichtig anzusehen, weil es der betroffenen Fraktion oder Wählergruppe, die ursprünglich aus eigener Kraft ausschussfähig war, nunmehr freisteht, sich ihrerseits mit anderen Gruppen zu einer Ausschussgemeinschaft zusammenzuschließen oder sich einer bestehenden Ausschussgemeinschaft anzuschließen. Denn es darf nicht von der Kooperationsbereitschaft konkurrierender (kleinerer) Gruppen im Gemeinderat abhängig gemacht werden, ob eine Ratsminderheit, die aufgrund ihrer Größe alle Voraussetzungen für die Zuteilung von Ausschusssitzen erfüllt, ihr Recht auf Teilhabe an der Ausschussarbeit tatsächlich wahrnehmen kann (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 4 CE 20.1442 - juris Rn. 32 f. unter Verweis auf BVerwG, U.v.9.12.2009 - 8 C 17.18 - juris Rn. 25).
40
Verliert hiernach eine ansonsten ausschussfähige Partei oder Wählergruppe den einzigen ihr zustehenden Sitz, bleibt die betreffende Ausschussgemeinschaft bei der Sitzverteilung unberücksichtigt, wie das auch der Fall wäre, wenn sich größere Gruppierungen unzulässigerweise zwecks Erlangung zusätzlicher Mandate zu einer Ausschussgemeinschaft zusammengeschlossen hätten. An eine Ausschussgemeinschaft dürfen somit von vornherein nur solche Ausschusssitze vergeben werden, die - im Falle der Nichtberücksichtigung der Ausschussgemeinschaft - einer Partei oder Wählergruppe zugefallen wären, die noch über mindestens einen weiteren Sitz in den betreffenden Ausschüssen verfügt. Ist dies nicht der Fall, so wird der Ausschussgemeinschaft nicht etwa ein ihr ursprünglich zustehender Sitz „weggenommen“. Der Zusammenschluss zur Ausschussgemeinschaft geht dann vielmehr ins Leere, weil dadurch kein Ausschusssitz erlangt werden kann, ohne zugleich eine aus eigener Kraft ausschussfähige Gruppe vollständig aus den Ausschüssen zu verdrängen (vgl. BayVGH, B.v. 26.10.2020 - 4 CE 20.2238 - juris Rn. 25 f. unter Bezugnahme auf die mit B.v. 7.8.2020 - 4 CE 20.1422 - getroffenen Klarstellungen).
41
Dieser Rechtsauffassung schließt sich das Gericht an (vgl. ebenfalls VG Ansbach, B.v. 25.9.2020 - AN 4 E 20.01670 - Rn. 52; B.v. 15.1.2021 - AN 4 E 20.02678 - juris Rn. 34; VG Gera, U.v. 30.9.2020 - 2 K 468/20 Ge - juris Rn. 47). Es erschließt sich dem Gericht im Übrigen nicht, weshalb dieser Rechtsauffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nach Auffassung des Beklagten schon deshalb nicht gefolgt werden könne, weil sie im Rahmen zweier Eilentscheidungen geäußert worden ist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 7. August 2020 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass angesichts seiner bisherigen Rechtsprechung bereits im Eilverfahren Anlass für die entsprechenden Klarstellungen besteht (Rn. 30) und in dem Beschluss vom 26. Oktober 2020 seine dort getroffene Rechtsansicht nochmals ausdrücklich bestätigt (Rn. 25).
42
Die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof für Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO getroffenen Ausführungen müssen nach Auffassung des Gerichts aufgrund des gleichartigen Regelungsgehalts auch für die Auslegung des der vorgenannten Vorschrift entsprechenden Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO gelten. Ansonsten würde es auch hier im Belieben anderer Gruppierungen stehen, ob eine Gruppierung, die, wie hier, rechnerisch aufgrund ihres Stärkeverhältnisses in den Ausschüssen repräsentiert wäre und die für sich genommen mehr Wählerstimmen repräsentiert als jede der sich zu einer Ausschussgemeinschaft zusammengeschlossenen Gruppen, im Ergebnis auch tatsächlich repräsentiert wird (vgl. VG Ansbach, B.v. 15.1.2021 - AN 4 E 20.02678 - juris Rn. 34). In Folge würde die Besetzung der Ausschüsse nicht dazu führen, dass lediglich die jeweils kleinsten Gruppierungen unvertreten blieben, sondern dazu, dass diese Gruppierungen zu Lasten einer größeren Gruppierung vertreten wären (vgl. in diesem Zusammenhang auch VG München, U.v. 9.10.2002 - M 7 K 02.2842). Hierdurch würde der Wählerwille verzerrt.
43
Die vorgenannte Auslegung des Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO hält sich auch im Rahmen einer zulässigen verfassungskonformen Auslegung, weil sie weder die Grenze des Wortlauts überschreitet noch mit dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch tritt (vgl. BVerfG, B.v. 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 - juris Rn. 86 m.w.N.; Walter in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Stand: Juli 2021, Art. 93 Rn. 113 m.w.N.). Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO bestimmt nach seinem Wortlaut lediglich, dass sich Kreisräte zur Entsendung gemeinsamer Vertreter in den Kreisausschuss zusammenschließen können. Details zu den genauen Modalitäten des Zusammenschlusses sind der Vorschrift nicht zu entnehmen und wurden vom Gesetzgeber gerade nicht vorgegeben. Die genaue Ausgestaltung obliegt daher dem Kreistag im Rahmen seiner Organisationshoheit.
44
Der Anregung des Beklagten, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO im Lichte der Bildung einer Ausschussgemeinschaft im vorliegenden Fall wegen möglichen Verstoßes gegen den Grundsatz der repräsentativen Demokratie (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) nach Art. 100 Abs. 1 GG einzuholen, war daher nicht zu folgen. Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG kommt nur dann in Betracht, wenn das vorlegende Gericht von der Unmöglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung und daher von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes überzeugt ist (vgl. BVerfG, B.v. 18.12.1984 - 2 BvL 22/82 - juris Rn. 26 f. m.w.N.; vgl. auch BVerfG, B.v. 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 - juris Rn. 82). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Gericht hat auch in Ansehung der Bildung von Ausschussgemeinschaften keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO, da wie dargestellt, eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift möglich ist.
45
Die nach verfassungskonformer Auslegung des Art. 27 Abs. 2 Satz 5 LKrO vorzunehmende Nichtberücksichtigung der Ausschussgemeinschaft im Falle des Verlusts des einzigen Ausschusssitzes führt im Übrigen auch nicht dazu, dass die Bildung von Ausschussgemeinschaften nunmehr generell ausgeschlossen und der Minderheitenschutz stets ausgehebelt würde. Denn den kommunalen Organen verbleibt im Rahmen ihres Organisationsermessens grundsätzlich ein ausreichender Spielraum, die Zusammensetzung der Ausschüsse - sei es durch die Wahl eines anderen Berechnungsverfahrens oder die Änderung der Zahl der Ausschusssitze - soweit nicht gesetzlich festgelegt - so zu gestalten, dass im Sinne optimaler praktischer Konkordanz ein angemessener Ausgleich des zwischen dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit und dem Recht auf Bildung einer Ausschussgemeinschaft geschaffen wird (vgl. VG Gera, U.v. 30.9.2020 - 2 K 468/20 Ge - juris Rn. 44). So wäre es im streitgegenständlichen Fall ausweislich der von dem Beklagten vorgelegten Berechnungstabelle möglich, durch die Wahl eines anderen Berechnungsverfahrens sowohl den Klägern, als auch der Ausschussgemeinschaft der Beigeladenen je einen Sitz in den streitgegenständlichen Ausschüssen zu verschaffen.
46
Auch der Einwand der Beigeladenen, sie seien bei der Listenaufstellung von Bündnis für Dachau und ÖDP davon ausgegangen, dass zumindest über den Zusammenschluss zu einer Ausschussgemeinschaft keine Schwächung der Ausschussarbeit zu erwarten gewesen sei, vermag nicht zu einer anderen Beurteilung zur führen. Denn durch die Listenaufstellung vor der Wahl konnte schon deshalb kein Vertrauenstatbestand dahingehend begründet werden, dass durch die Bildung einer Ausschussgemeinschaft auf jeden Fall ein Sitz in den streitgegenständlichen Ausschüssen erreicht würde, weil zu diesem Zeitpunkt weder das Wahlergebnis - und damit die Sitzverteilung im Kreistag - noch das Berechnungsverfahren feststanden. Im Übrigen verstößt die Aufgabe einer in der Rechtsprechung bislang vertretenen Gesetzesauslegung nicht als solches gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie, wie hier, hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (vgl. BVerwG, B.v. 8.6.2015 - 9 B 84/14 - juris Rn. 3).
47
Nach alledem darf vorliegend die Bildung der Ausschussgemeinschaft nicht dazu führen, dass die Kläger den ihnen ansonsten in den streitgegenständlichen Ausschüssen jeweils zustehenden Sitz verlieren. Daraus ergibt sich, dass den Klägern der zustehende Sitz bei der Sitzverteilung nach dem d´Hondtschen Verfahren unabhängig von der Gründung der Ausschussgemeinschaft verbleiben muss. Diese Ausführungen gelten auch für die übrigen, nicht streitgegenständlichen Ausschüsse, soweit dort vergleichbare Konstellationen auftreten würden.
48
Der Beklagte war daher zu verpflichten, über die Besetzung des Kreis-, Schul-, Umwelt- und Verkehrs- und Kulturausschusses unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
49
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt haben und somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt waren.
50
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ZPO.
51
Die Berufung war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).