Inhalt

VG München, Beschluss v. 01.06.2022 – M 28 E 22.2108
Titel:

Erfolgloser Eilantrag eines Umweltverbandes auf Einschreiten gegen den bevorstehenden Ausbau von Waldwegen zur Errichtung von Windenergieanlagen

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2, § 88, § 92 Abs. 3, § 123 Abs. 1, Abs. 3
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, S. 2, § 2 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 2
BNatSchG § 44 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3
ZPO § 920 Abs. 2
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 8
Leitsatz:
Der Begriff des „Vorhabens“ in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG ist weit zu verstehen, weshalb etwa bauliche Vorhaben generell unter § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG fallen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bauuntersagung, Zuwegung zu drei Windenergieanlagen, Zugriffsverbote, Eilantrag, Aarhus Konvention, Umweltverband, Antragsbefugnis, Waldwegebau, Zuwegung zur Baustelle, artenschutzrechtliche Verbote, Uhu, worst-case-Betrachtung, Substantiierung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 31.08.2022 – 1 CE 22.1576
Fundstelle:
BeckRS 2022, 20649

Tenor

I. Soweit der Antrag übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der vom Umweltbundesamt deutschlandweit als Umwelt- und Naturschutzvereinigung anerkannte Antragsteller begehrt die Anordnung behördlichen Einschreitens gegen die von der Beigeladenen angekündigten Bauarbeiten zum Ausbau der Wege zu den Standorten von drei noch zu errichtender Windenergieanlagen.
2
Gemäß § 2 Nr. 2a seiner Satzung verfolgt der Antragsteller Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne der §§ 1, 2 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) und der Naturschutzgesetze der Bundesländer. Der Vereinszweck wird u. a. laut § 2 Nr. 4k seiner Satzung insbesondere verwirklicht durch Förderung und Durchführung von Maßnahmen zum Erhalt und Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten (Artenschutz).
3
Am 12. März 2018 stellte die Beigeladene beim Antragsgegner einen Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung für drei Windenergieanlagen auf den FlNr. 954 (WEA 1), 974 (WEA 2) und 997/978 (WEA 3) der Gemarkung …, Stadt ..., im … Forst. Die Beigeladene legte hierbei (unter anderem) naturschutzfachliche Angaben zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) vom 22. Juli 2019 der … S. KG [nun … S. GmbH] sowie den der Untersuchung zugrundeliegenden Faunistischen Ergebnisbericht zu den Erhebungen von 2015 bis 2016 vom 16. November 2017 und die Vertiefte Untersuchung zum Uhuvorkommen im … Forst des … P. GmbH vom September 2017 vor. Diesen Unterlagen kann entnommen werden, dass die Art Uhu regelmäßig im … Forst nachgewiesen wurde und in der Vergangenheit auch Bruterfolge zu verzeichnen hatte.
4
Mit Bescheid vom 5. August 2020 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der o.g. drei Windenergieanlagen unter Auferlegung diverser in Ziffer 3 des Bescheides festgesetzten Nebenbestimmungen. Im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Konzentrationswirkung schließt die immissionsschutzrechtliche Genehmigung laut Ziffer 1.2 die die Anlage betreffende baurechtliche Genehmigung sowie eine Rodungserlaubnis für Fundament- und Kranstellflächen sowie Nebenanlagen mit ein. Laut Ziffer 1.3.3 des Bescheides darf mit der Rodung der im immissionsschutzrechtlichen Verfahren genehmigten Flächen sowie dem Bau der Anlage erst begonnen werden, wenn für die Flächen der Verbreiterung und Befestigung der Wegekörper, der Erweiterung der Kurvenradien und Befestigung der Kurven, für die Anlage der erforderlichen Stichwege zu den Windenergieanlagen sowie für Stromleitungen im Bankett der Wege eine Rodungserlaubnis nach Art. 9 Abs. 2 BayWaldG in einem gesonderten waldrechtlichen Verfahren erteilt wurde. Auf Seite 32 dieses Bescheides heißt es zu Gliederungspunkt 3.6.2, dass „in der sensiblen Phase der Frühjahrsbalz, während der Jungenaufzucht und dem Flüggewerden der Junguhus […] die Bautätigkeit an der Zufahrtsstraße ruhen [muss]“. Auf die Begründung des Bescheids im Übrigen sowie dem dazugehörigen in Aufstellung befindlichen vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 163 „Sondergebiet … …“ wird insoweit verwiesen.
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Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... erteilte der Beigeladenen mit Bescheid vom 9. Dezember 2020, geändert mit Bescheid vom 13. Dezember 2021 und vom 26. Januar 2022, unter Ziffer 1. eine Rodungserlaubnis für die Verbreiterung und Befestigung der Wegekörper, Erweiterung der Kurvenradien und Befestigung der Kurven, Anlage der erforderlichen Stichwege zu den Windenergieanlagen sowie den Stromleitungen im Bankett der Wege und unter Ziffer 2. eine temporäre Rodungserlaubnis, um einen Transport der, für den Aufbau der Windkrafträder erforderlichen, langen und breiten Teile auch in Kurvenradien zu ermöglichen. Auf die Begründung der Bescheide wird insoweit ebenfalls verwiesen.
6
Gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 5. August 2020 sowie gegen die Rodungserlaubnis vom 9. Dezember 2020 ließ der Antragsteller durch seine Prozessvertreter jeweils Klage zum Verwaltungsgericht München erheben (M 28 K 20.4174 und M 23 K 20.6503).
7
Die Prozessvertreter des Antragstellers haben zudem für ihn einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht München gestellt, der die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 5. August 2020 zum Gegenstand hat (M 28 S 22.700).
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In den drei Verfahren erging noch keine Entscheidung.
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Die Prozessvertreter des Antragsstellers bringen im Eilverfahren M 28 S 22.700 insbesondere auch naturschutzrechtliche Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG hinsichtlich des Uhus vor. Dabei sind sie u.a. der Ansicht, der Bescheid vom 5. August 2020 umfasse auch die Errichtung der Zuwegung.
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Die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers wandten sich mit Schreiben vom 1. April 2022 an den Antragsteller und beantragten bauaufsichtliches Einschreiten: Der geplante Beginn des Ausbaus der Wege zu den Windenergieanlagen 1, 2 und 3 solle untersagt werden.
11
Sie teilten mit, dass die Prozessvertreter der Beigeladenen im Schriftsatz vom 28. März 2022 im Eilverfahren M 28 S 22.700 Ausführungen zu seitens der Beigeladenen geplanten Bauarbeiten gemacht hätten und dabei die Auffassung vertreten würden, dass diese Arbeiten nicht von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zugelassen seien, sondern von der separat erteilten Rodungserlaubnis.
12
Nach Meinung der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers umfasse die Rodungserlaubnis jedoch nur die Beseitigung von Wald zugunsten einer anderen Bodennutzungsart. Für die Wegebaumaßnahme selber fehle es voraussichtlich an einer erforderlichen Genehmigung. Zudem verstießen diese Wegebaumaßnahmen gegen die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG in Bezug auf den Uhu. Insoweit wurde vollumfänglich auf die Ausführungen im Eilverfahren M 28 S 22.700 verwiesen.
13
Im Eilverfahren M 28 S 22.700 war zum einen im Schriftsatz der Prozessvertreter der Beigeladenen vom 28. März 2022 hinsichtlich der Lokalisierung der Uhu-Brutplätze eine Karte (Anlage AG 13) beigefügt, die die aktuell geplante Zuwegung sowie die festgestellten Uhu-Brutplätze in den Jahren 2020 und 2021 auswies. Zudem war eine fachliche Stellungnahme der … S. GmbH vom 28. März 2022 zur Störempfindlichkeit des Uhus bei einer Brut im … Forst während der Bauarbeiten enthalten (Anlage AG 14). Die Stellungnahme kam im Wesentlichen zum Ergebnis, dass eine Störung des Uhus durch die im April und Mai 2022 geplanten Arbeiten nicht zu befürchten sei. Intermittierender Lärm oder Lärm in den hellen Tagesstunden stelle demnach kein Problem dar. Die Prozessvertreter des Antragstellers haben mit Schriftsatz vom 29. März 2022 im Eilverfahren M 28 S 22.700 ebenfalls einen Lageplan (Anlage ASt 40) übermittelt, indem zusätzlich zu den o.g. Uhu-Brutplätzen ein Habicht-Horst als potentieller U.platz eingezeichnet worden war. Alle Horst-Standorte befänden sich innerhalb der Effektdistanz von 500 m, innerhalb derer nach der „Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine artenschutzrechtlich relevante Störung im Sinne von § 44 Abs. 1 BNatSchG bezogen auf ein Uhu-Brutvorkommen nicht ausgeschlossen werden könne. Die Verwirklichung der Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG durch die nunmehr beginnenden Bauarbeiten an den Anlagestandorten sowie den Zuwegungsflächen und Zufahrtsstraßen sei damit nicht ausgeschlossen.
14
Mit Schreiben vom 5. April 2022 teilte der Antragsgegner mit, dass ein Einschreiten durch Untersagung des Wegebaus nicht in Betracht komme, weil diese Maßnahmen nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 8 BayBO verfahrensfrei stattfinden könnten. Wegen Ziffer 9.3 Satz 5 des Bayerischen Windenergieerlasses sei lediglich ein gesondertes waldrechtliches Verfahren, aber kein Baugenehmigungsverfahren gefordert. Zudem sei eine Untersagung unverhältnismäßig, weil die Beigeladene im Eilverfahren mit Schriftsatz vom 29. März 2022 zugesichert habe, vor Beginn der Arbeiten Ornithologen zu beauftragen, den [möglichen diesjährigen] Brutplatz zu lokalisieren und dann mit den fachlich zuständigen Behörden abzustimmen, ob durch den Beginn der Arbeiten artenschutzrechtliche Verbote verwirklicht werden könnten.
15
Darauf beantragten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit E-Mail vom 7. April 2022 nochmals beim Antragsgegner, den geplanten Beginn des Wegebaus zu untersagen. Der geplante Baubeginn widerspreche dem Absatz auf S. 32 des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides vom 5. August 2020, wonach eindeutig hervorgehe, dass die Bautätigkeit an der Zufahrtsstraße in der sensiblen Phase der Frühjahrsbalz, während der Jungenaufzucht und dem Flüggewerden der Junguhus ruhen müsse. Der Antragsgegner müsse seine eigenen Auflagen sicherstellen. Zudem beantragten sie, die von der Beigeladenen angekündigten Nachforschungen zur Lokalisation des Brutplatzes des Uhus in der sensiblen Phase zu untersagen.
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Mit E-Mail vom 8. April 2022 teilte der Antragsgegner daraufhin mit, dass es sich bei der zitierten Passage um einen Teil der Begründung handele, welcher für die Formulierung einer echten Auflage zu unbestimmt für den Vollzug sei. Für den Bau der Zuwegungen sei weder eine Genehmigung nach Baurecht noch nach Immissionsschutzrecht erforderlich. Für die beantragte Anordnung, Nachforschungen zu untersagen, gebe der Genehmigungsbescheid vom 5. August 2020 bzw. das Immissionsschutzrecht keine Grundlage.
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Mit Schriftsatz vom 8. April 2022, beim Verwaltungsgericht München eingegangen am 12. April 2022, bestellten sich die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers auch für dieses Verfahren. Sie stellten für den Antragsteller einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und beantragten
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I. den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die von der Beigeladenen für April und Mai 2022 angekündigten Bauarbeiten zum Ausbau der im beigefügten Lageplan dargestellten Wege zu den mit Bescheid vom 5. August 2020 genehmigten drei Windkraftanlagen auf den FlNr. 945 /WEA 1), 974 (WEA 2) und 977/978 (WEA 3) der Gemarkung …, Stadt ... zu untersagen,
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II. den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Beigeladenen die im gerichtlichen Verfahren M 28 S 22.700 angekündigten Nachforschungen zur Lokalisation des Brutplatzes des Uhus im Umkreis des Vorhabenstandortes der mit Bescheid vom 5. August 2020 genehmigten drei Windkraftanlagen während der sensiblen Phase der Balz- und Brutzeit sowie der Aufzucht der Jungvögel des Uhus von April bis Ende Juni 2022 zu untersagen.
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Sie sind der Ansicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 UmwRG oder nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 UmwRG antragsbefugt zu seien. Der Anspruch sei begründet, da die angekündigten Wegebaumaßnahmen ohne die entsprechende Zulassungsentscheidung durchgeführt würden oder gegen Punkt 3.6.2 des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheides vom 5. August 2020 verstießen, wodurch ein behördliches Einschreiten erforderlich sei.
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Die Durchführung der Maßnahmen zum Wegeausbau verstoße darüber hinaus auch gegen die umweltbezogene Rechtsvorschrift des § 44 Abs. 1 BNatSchG in Bezug auf den Uhu. Hinsichtlich des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG folgten Ausführungen zu Störungen des Uhus und dessen Erheblichkeit durch die angekündigten Wegebaumaßnahmen. Hinsichtlich des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG wurden Ausführungen über die ökologische Funktionalität der Fortpflanzungsstätte gemacht. Sie werde durch die mit den Wegebaumaßnahen verbundenen lauten Geräuschen und Erschütterungen über mehrere Wochen hinweg in Mitleidenschaft gerissen. Die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers stützten sich hinsichtlich dauerhafter Störungen durch z.B. tägliche Arbeiten am Windenergieanlagen-Standort/dem Wege- und Straßenbau in einem Umkreis von 100 m bis 300 m auf eine naturschutzfachliche Stellungnahme der höheren Naturschutzbehörde vom 28. März 2022 (Anlage ASt 31) zur lokalen und temporalen Störwirkung von Bautätigkeiten während der Brutzeit des Uhus. Es sei ein Anordnungsgrund gegeben, denn es bestehe die Gefahr, dass die Beigeladene durch den Baubeginn Zustände schaffe, durch die die Verwirklichung des dagegen gerichteten Abwehranspruches des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könne.
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Mit Schriftsatz vom 14. April 2022 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten für die Beigeladene auch in diesem Verfahren und beantragten,
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den Antrag abzulehnen.
24
Die Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen führten zunächst aus, dass es aufgrund der Zusage, dass die Beigeladene den Wegebau zur Windenergieanlage 1 erst aufnehmen werde, wenn zuvor geklärt sei, dass dadurch keine artenschutzrechtlichen Verbote verletzt würden, am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Auch hinsichtlich des Wegebaus zur Windenergieanlage 2 und 3 sei der Antrag unzulässig, denn die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers würden insoweit keine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften behaupten.
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Mit Schriftsatz vom 29. April 2022 begründeten die Prozessvertreter der Beigeladenen ihren Antrag weiter. Sie bezogen sich im Wesentlichen auf neue Erkenntnisse der zwischenzeitlich durchgeführten Kartierung, deren Ergebnisse die … S... GmbH in ihrem Gutachten „Erfassung Uhu 2022“ vom 28. April 2022 (Anlage BG 4) erläuterte. Demnach habe das Uhu-Paar im Jahr 2022 einen Tagesruheplatz, dessen kürzeste Entfernung zur aktuell geplanten Zuwegung zur Windenergieanlage 1 rund 332 m betrage (s. Abb. 12, S. 13). Trotz intensiver Suche habe kein Horst auf diesem Baum und in weiterer Umgebung festgestellt werden können. Im Wesentlichen führten die Prozessvertreter der Beigeladenen aus, dass es im Jahr 2022 keinen Brutplatz des Uhus im südlichen … Forst gäbe, da das dort lebende Uhu-Brutpaar in diesem Jahr nicht erfolgreich brüten haben können. Zudem sind die Prozessvertreter der Beigeladenen der Ansicht, der Antrag sei in unzulässiger Weise auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet. Zudem sei der Antrag unzulässig soweit sich die Unterlassung des Wegebaus auch auf die Wege zu den Windenergieanlagen 2 und 3 beziehe, denn diesbezüglich sei keine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend gemacht. Der Antrag sei auch nicht begründet, es fehle an einem Anordnungsanspruch für den Wegebau zur Windenergieanlage 1. Inzwischen stehe fest, dass erstens in diesem Jahr keine Brut existiere, die beeinträchtigt werden könne, und zweitens sei der potentielle Brutplatz mehr als 300 m von der Zuwegung entfernt. Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der höheren Naturschutzbehörde vom 28. März 2022 (Anlage ASt 31) könne nach jetzigem Kenntnisstand ein Verstoß gegen ein Zugriffsverbot nach § 44 Abs. 1 BNatSchG sicher ausgeschlossen werden. Hinsichtlich des Wegebaus zur Windenergieanlage 2 und 3 fehle es ebenso an einem Anordnungsanspruch.
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Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2022 beantragte der Antragsgegner
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den Antrag abzulehnen
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und führte im Wesentlichen aus, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sei. Der Wegebau werde nach übereinstimmender fachlicher Auffassung der unteren und höheren Naturschutzbehörde artenschutzrechtlich lediglich für den Abstand von 300 m um einen tatsächlichen Brutplatz als problematisch angesehen. Der Ausbau der Wege zu den Windenergieanlagen 2 und 3 sei unkritisch, da keinerlei Hinweise für einen relevanten Brutplatz innerhalb der 300 m vorliege. Es bestehe kein Rechtsschutz- und Regelungsbedürfnis in Bezug auf die Zuwegung zur Windenergieanlage 1, da eine vorherige Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde festgelegt worden sei. Detaillierter führte der Antragsgegner aus, der Rechtsbehelf sei unbegründet, da keine notwendige Zulassungsentscheidung unterlassen worden sei: Die Zuwegungen seien nicht vom Umfang der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht umfasst, vielmehr seien die Wegebaumaßnahmen verfahrensfrei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 8 BayBO. Für die Kartierungen seien keine naturschutzrechtlichen Genehmigungen nötig gewesen. Es seien auch keine notwendigen Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen unterlassen worden: Die Textpassage auf Seite 32 aus dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 5. August 2020 stelle keine vollziehbare Auflage dar. Zudem werde kein Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 BNatSchG verwirklicht. Die von Antragstellerseite ins Feld geführte Effektdistanz von 500 m entspreche nicht der Auffassung der höheren Naturschutzbehörde. Vielmehr sei eine gestufte Betrachtungsweise erforderlich, wonach die Umkreise um einen Brutplatz eingeteilt werden in „bis zu 100 m“, „100 m bis 300 m“ und einen Umkreis „ab 300 m“. Ab einem Umkreis von 300 m sei keine Störung zu erwarten. Ab einer Entfernung der Baustelle von 300 m zum Brutplatz komme es nach der Einschätzung der unteren und der höheren Naturschutzbehörde nicht mehr zum Eintreten von Verbotstatbeständen, es werde auf die beigefügte Stellungnahme der höheren Naturschutzbehörde vom 28. März 2022 verwiesen. Wegebauarbeiten an den Abzweigungen zu den Windenergieanlagen 2 und 3 würden aufgrund der Distanz von über 300 m als unkritisch gesehen. Für den kritischen Bereich an der Zuwegung zur Windenergieanlage 1 habe die Beigeladene mit Schreiben vom 14. April 2022 und vom 27. April 2022 zugesagt, keine Baumaßnahmen durchzuführen, bis mit der Naturschutzbehörde geklärt sei, dass keine artenschutzrechtlichen Verbote erfüllt würden. Sollte entgegen dieser Zusicherungen dennoch Arbeiten durchgeführt werden, würde der Antragsgegner mit einer Untersagungsverfügung reagieren.
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Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2022 erklärten die Prozessbevollmächtigten namens und im Auftrag des Antragstellers
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den Antrag zu Ziffer II für erledigt.
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Im Übrigen wurde der Antrag zu Ziffer I aufrechterhalten. Die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers führten im Wesentlichen aus, dass die Eindeutigkeit des Ergebnisses aus dem Uhu-Gutachten vom 28. April 2022, dass das gefundene Uhu-Paar dieses Jahr nicht brüten würde, stark anzuzweifeln sei. Unabhängig von einem Verstoß gegen die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände in Bezug auf die Art Uhu, könne ein solcher Verstoß auch in Bezug auf andere Arten nicht ausgeschlossen werden, weil für sämtliche Zuwegungen letztlich kein erforderliches Genehmigungsverfahren durchgeführt worden sei, in welchem eine diesbezügliche spezielle artenschutzrechtliche Prüfung erfolgt sei.
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Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2022 erklärte der Antragsgegner die Zustimmung zur Erledigung des Antrags zu II.
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Zudem wurde eine Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 13. Mai 2022 sowie eine Stellungnahme der höheren Naturschutzbehörde vom 16. Mai 2022 übermittelt. Beide kommen im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass das Gutachten vom 28. April 2022 methodisch nachvollziehbar sei. Jedoch sei aufgrund der intensiven Rufaktivität des Uhu-Paares Mitte April ein Brutvorkommen im näheren Umgriff der Zuwegung zur Windenergieanlage 1 nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen. Zur Vermeidung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände müsse die untere Naturschutzbehörde eine worst-case-Annahme treffen und gehe deshalb davon aus, dass sich das Uhu-Pärchen zum jetzigen Zeitpunkt in der Brut- bzw. Nestlingszeit befinde. Die untere Naturschutzbehörde gab an, dass der frühestmögliche Beginn für die Arbeiten auf dem Weg ab der Weggabelung bis zum Standort der Windenergieanlage 1 nach Abschluss von Brut- und Nistlingsdauer somit der 1. August 2022 sei.
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Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2022 setzten sich die Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen mit den aktuellsten naturschutzfachlichen Stellungnahmen auseinander. Ungeachtet nach wie vor bestehender Meinungsverschiedenheiten habe sich die Beigeladene entschlossen, im Hinblick auf die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 13. Mai 2022 mit den Bauarbeiten an dem Weg zur Windenergieanlage 1 erst nach dem 1. August 2022 zu beginnen.
35
Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2022 erklärten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers den Antrag aus Ziffer I aufrechtzuerhalten. Angesichts der massiven Erdarbeiten könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass durch die Bauarbeiten am Weg zu den Windenergieanlagen 2 und 3 artenschutzrechtliche Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG in Bezug auf den Uhu verwirklich würden. Unabhängig davon könne auch ein Verstoß in Bezug auf andere Arten nicht ausgeschlossen werden. Zudem könnten die umfangreichen Erdarbeiten zu einer negativen Veränderung des Wasserhaushalts führen, die Belange der Landschaftspflege und die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen sowie das Landschaftsbild verunstalten. Diese seien umweltbezogene Belange, die zu den satzungsmäßigen Zielen des Antragstellers zählten.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie in den Verfahren M 28 S 22.700 und M 28 K 20.4174 sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
37
I. Soweit der Antrag hinsichtlich der Nachforschungen zur Lokalisation des Brutplatzes des Uhus übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
38
II. Der Antrag der Beigeladenen, die angekündigten Bauarbeiten zum Ausbau der Wege zu den genehmigten drei Windkraftanlagen - gemäß § 88 VwGO i.S.e. vorläufigen Regelung - zu untersagen, bleibt ohne Erfolg. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
39
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden.
40
Im vorliegenden Fall begehrt der Antragsteller eine Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, da er mit einer Bauuntersagung den „status quo“ beibehalten möchte. Der Antragsteller möchte die ungestörte Jungenaufzucht und das Flüggewerden des Junguhus sichern und die von ihm behauptete drohende Verletzung des Schädigungs- und Störungsverbots aus § 44 Abs. 1 BNatSchG verhindern.
41
1. Der Antrag stellt sich als zulässig dar. Insbesondere hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund behauptet.
42
a) Der Antragsteller ist insbesondere auch gemäß § 42 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO, § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 UmwRG antragsbefugt:
43
Die kumulativen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UmwRG liegen vor. Der Begriff des „Vorhabens“ in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist weit zu verstehen, da in Umsetzung des Art. 9 Abs. 3 Aarhus Konvention generell der Zugang zu Gerichten ermöglicht werden soll, um die Einhaltung des innerstaatlichen Umweltrechts kontrollieren zu lassen. Deshalb fallen etwa bauliche Vorhaben generell unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG (Bunge in: Bunge, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 1 UmwRG Anwendungsbereich, juris Rn. 139). Vom Anwendungsbereich sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch Rechtsbehelfe erfasst, die darauf gerichtet sind, dass das jeweilige Zulassungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen, aber im Einzelfall unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften nicht durchgeführt worden ist. Dies kommt beispielsweise in Betracht bei Errichtung und Betrieb eines Vorhabens oder einer Anlage ohne vorherige Durchführung eines Zulassungsverfahrens (vgl. BT-Drs. 16/2495, S. 10). Das Gericht hat in solchen Fällen die Frage, ob die Entscheidung nach Satz 1 entgegen geltenden Rechtsvorschriften unterblieben ist, nicht schon bei der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs zu prüfen, sondern erst bei der Begründetheit. Soweit es um die Zulässigkeit geht, genügt es also, wenn der Umweltverband geltend macht, das Untätigbleiben der Behörde widerspreche den rechtlichen Vorgaben (vgl. Bunge in: Bunge, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2019, § 1 UmwRG Anwendungsbereich, juris Rn. 160). Indem die Prozessvollmächtigen des Antragstellers jedenfalls auch eine durch den Antragsgegner unterlassene Genehmigung eines ihrer Meinung nach genehmigungspflichtigen Vorhabens behaupten und dies im Rahmen der Zulässigkeit nicht offensichtlich ausgeschlossen werden kann, ist der Antragsteller antragsbefugt. Zudem behauptet er auch dadurch eine Verletzung des § 44 Abs. 1 BNatSchG als umweltbezogene Rechtsvorschrift i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG. Da vorgebracht wird, dass möglicherweise weitere Horste der Uhus im … Forst nicht ausgeschlossen bzw. dass sich mögliche Horste der Uhus innerhalb eines 500 m-Umgriffs zu allen Zuwegungen befinden und durch die Baumaßnahmen gestört werden können, ist der Antragsteller hinsichtlich der Zuwegung zu den Windenergieanlagen 1, 2 und 3 antragsbefugt.
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b) Dem Antragsteller steht für seinen Antrag auch ein Rechtsschutzbedürfnis zu. Die Prozessvertreter des Antragstellers stellten beim Antragsgegner einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten. Diesem entsprach der Antragsgegner nicht im beantragten Umfang. Zwar versichern die Beigeladene und der Antragsgegner eine Bautätigkeit, die § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG beachtet. Der Antragsgegner hat im Schriftsatz vom 2. Mai 2022 angekündigt, bei einem Verstoß des Beigeladenen gegen das Zustimmungserfordernis der unteren Naturschutzbehörde für Bautätigkeiten an den kritischen Zuwegungen mit einer Untersagungsanordnung zu reagieren. Allerdings ist ein Abwarten auf dieses Einschreiten nicht zumutbar. Würden Bautätigkeiten stattfinden und brütende Uhus dadurch gestört, dann wäre es für eine daraufhin erfolgende Bauuntersagung möglicherweise zu spät, weil der Uhu bereits vergrämt sein könnte und seine ggf. vorhandene Brut verlassen wäre. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach diesem Zeitpunkt würde ins Leere laufen. Insoweit wurde zugleich auch die Eilbedürftigkeit, mithin ein für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlicher Anordnungsgrund geltend gemacht.
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2. Jedoch ist der Antrag hinsichtlich der Baumaßnahmen an den Zuwegungen als unbegründet abzulehnen.
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Vom Antragsteller wurde kein entsprechender Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht:
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Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind für den Erlass einstweiliger Anordnung sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet, glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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Dem Antragsteller steht bei der im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung kein Anspruch auf die begehrte Bauuntersagung zu:
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a) Es kann dahinstehen, ob die Baumaßnahmen an den Zuwegungen, wie vom Antragsteller behauptet, Teil der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 5. August 2020 sind oder ob der Wegeausbau, wie vom Antragsgegner vorgetragen, eine verfahrensfreie Maßnahme nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 8 BayBO darstellt (siehe hierzu z.B. VG Ansbach, U.v. 2.7.2014 - AN 11 K 14.00122 - juris Rn. 41 m.w.N.; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, B.v. 27.1.2022 - 3 B 1209/21 - juris Rn. 31), denn darauf kommt es nicht entscheidungserheblich an.
50
b) Denn unabhängig davon, ob, in welchem Umfang und nach welcher Vorschrift der Ausbau der Zuwegungen zu den Windenergieanlagen genehmigungsbedürftig ist und sich ein behördliches Einschreiten auf § 20 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO, Art. 4 Abs. 2 BayAbgrG oder § 3 Abs. 2 BNatSchG stützen soll, ist erforderlich, dass das vorliegend vom Antragsteller vorgetragene behördliche Unterlassen gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften gemäß § 2 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UmwRG verstößt.
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Gemäß dem hier einschlägigen § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG, ist ein Rechtsbehelf nach § 2 Abs. 1 UmwRG gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG oder deren Unterlassen (Anmerkung: nur dann) begründet, soweit die Entscheidung gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind und der Verstoß Belange berührt, die zu den Zielen gehören, die die Vereinigung nach ihrer Satzung fördert.
52
c) Ein Verstoß gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften wurde jedenfalls nicht hinreichend glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO):
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aa) Als umweltbezogene Rechtsvorschrift in diesem Sinne wurde von Antragstellerseite die naturschutzrechtliche Vorschrift des § 44 Abs. 1 BNatSchG vorgebracht. Im Rahmen der Tatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG kann es, wenn es wie hier um die Frage der Arterhaltung geht, zu Überschneidungen kommen. Es bedarf jedoch im Folgenden keiner weiteren Differenzierung zwischen den einzelnen Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG, denn auf der Grundlage des Vortrags des Antragstellers und der vorliegenden Unterlagen vermag das Gericht einen hinreichend wahrscheinlichen Verstoß gegen artenschutzrechtliche Zugriffsverbote nicht festzustellen:
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(1) Hinsichtlich der geplanten Baumaßnahmen an den Zuwegungen zur Windenergieanlage 1 hat der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen versichert, dass hier mit den Bauarbeiten erst ab dem 1. August 2022 begonnen werde. Nach der für das Gericht nachvollziehbaren Berechnung der unteren Naturschutzbehörde in ihrer Stellungnahme vom 13. Mai 2022 unter Bezugnahme auf naturschutzfachliche Literatur, die auch von Antragstellerseite nicht angegriffen wurde, kommt die untere Naturschutzbehörde zu dem Ergebnis, dass sich der Uhu ab diesem Zeitpunkt für dieses Jahr nicht mehr in der für die Arterhaltung besonders sensiblen Phase der Fortpflanzung bzw. Aufzucht befindet. Somit erscheint bezüglich der Zuwegung zur Windenergieanlage 1 schon aus diesem Grund ausgeschlossen, dass der Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 BNatSchG verwirklicht wird.
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(2) Auch betreffend die früher beginnenden Baumaßnahmen an den Zuwegungen zur Windenergieanlage 2 und 3 haben die Prozessbevollmächtigen des Antragstellers keine Verletzung des § 44 Abs. 1 BNatSchG substantiiert vorgetragen. Sie haben die tatsächlichen Voraussetzungen einer Störung nicht glaubhaft (§ 123 Abs. 3 i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) gemacht.
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(aa) Zum einen genügt die bloße hypothetische Behauptung eines bislang unerkannt besetzten Horstes des Uhus in der Nähe der Zuwegungen zur Windenergieanlage 2 und 3 vorliegend nicht. Denn dem fachlich plausiblen Gutachten vom 28. April 2022 des Planungsbüros … S... GmbH lassen sich außer dem ausgemachten T.platz keine verstärkten Hinweise auf konkret weitere besetzte Uhu-Plätze wie Schlafbäume oder Horste entnehmen. Hinsichtlich der besonderen Schwierigkeiten beim sog. Negativbeweis (Jacob/Wegner in: Brandt/Domgörgen, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 4. Aufl. 2018, b) Beweislastverteilung, juris Rn. 266) geht das Gericht davon aus, dass die methodisch schlüssige Kartierung - aufgrund ihrer im Rahmen des für das Gericht im einstweiligen Rechtsschutz summarischen Beurteilung - ein realistisches Bild zu vermitteln vermag. Gegen dieses Gutachten wurde von Antragstellerseite auch nicht derart hinreichend substantiiert vorgetragen als dass dessen Aussagekraft sich für das Gericht als vermindert darstellen würde. Demnach ist nicht glaubhaft gemacht, dass das Uhu-Paar derzeit brütet und die Zuwegung damit gegen einen artenschutzrechtlichen Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 BNatSchG verstoßen würde.
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(bb) Die „worst-case-Annahme“ der unteren Naturschutzbehörde vom 13. Mai 2022 überzeugt hingegen nicht. Die untere Naturschutzbehörde unterstellt trotz ihrem grundsätzlichen Ausgangspunkt, dass das Gutachten in methodisch nicht zu bemängelnder Weise erstellt wurde, aufgrund des ungewöhnlichen Rufverhaltens der Uhus sicherheitshalber - aber ohne weitere fachliche Anhaltspunkte - einen atypischen Brutverlauf. Zur Glaubhaftmachung eines Verbotstatbestandes nach § 44 Abs. 1 BNatSchG reicht diese fiktive Annahme nicht aus.
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(cc) Zum anderen ist von einer Störung des Uhus und seiner hypothetischen Brut um den Bereich des diesjährigen Tagesruheplatzes durch die Baumaßnahmen an der Zuwegung zur Windenergieanlage 2 und 3 nicht auszugehen. Ein Brutplatz befände sich laut der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 13. Mai 2022 unter Bezugnahme auf die Arbeitshilfe „Vogelschutz und Windenergienutzung“ des Bayerischen Landesamt für Umwelt in der Regel im nahen Umfeld des Tagesruheplatzes.
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Dieser wiederum befindet sich laut dem Gutachten vom 28. April 2022 vom Planungsbüro … S... GmbH im Jahr 2022 ca. 332 m von der Zuwegung zur Windenergieanlage 1 entfernt, mithin zu den Zuwegungen zu den Windenergieanlagen 2 und 3 deutlich mehr als 300 m. Dadurch ist auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens für die Art des Uhus durch eine baubedingte Störung in seiner besonders sensiblen Fortpflanzungs- oder Aufzuchtzeit in dem Bauabschnitt erkennbar. Denn laut der plausiblen Einschätzung der höheren Naturschutzbehörde vom 28. März 2022, verursachen jedenfalls alle Baumaßnahmen in einem Umkreis ab 300 m keine Störungen nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Auf den Umkreis von 300 m für relevante Störungen stellt auch das Bayerische Landesamt für Umwelt ab (https://www.lfu.bayern.de/natur/sap/arteninformationen/steckbrief/zeige?stbname=Bubo+bubo).
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Die von den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers herangezogene „Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr“ (BMVBS, Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr, 2010, bearbeitet von Garniel und Mierwald) ist hingegen nicht anzuwenden. Die „Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr“ hat ausweislich der Vorbemerkung auf Seite VII an Wirkfaktoren bauzeitliche Störungen nicht berücksichtigt, so dass die Effektdistanz von 500 m im vorliegenden Fall von Baumaßnahmen an Zuwegungen nicht herangezogen werden kann. Es kann der Arbeitshilfe auf der gleichen Seite entnommen werden, dass „die formulierten Empfehlungen und Orientierungswerte […] für den Straßenverkehr entwickelt [wurden] und […] zur Beurteilung des Störpotenzials anderer Verkehrsträger bzw. anderer Störquellen nicht geeignet [sind]“, so dass sich auch eine Übertragbarkeit ausschließt. Da zudem die Baumaßnahmen an den Zuwegungen nur tagsüber stattfinden, ist auch eine davon ausgehende Störung der Art des Uhus insgesamt nicht wahrscheinlich.
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Überdies geht die Stellungnahme der … S... GmbH vom 28. März 2022 unter Bezugnahme auf die von den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers herangezogenen „Arbeitshilfe Vögel und Straßenverkehr“ (s. S. 15) davon aus, dass Lärm in den hellen Stunden für die Art Uhu kein Problem darstellt. Die Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners sind dieser Einschätzung der Lärmempfindlichkeit der Art Uhu als nachtaktive Vögel nicht entgegengetreten. Zudem sind die durch die Baumaßnahmen bedingten Immissionen nur vorübergehend. Eine verlärmungsbedingte, dauerhafte Veränderung der Umgebungsbeziehungen ist damit nicht glaubhaft gemacht.
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Nach alledem hat der Antragsteller eine Verwirklichung von § 44 Abs. 1 BNatSchG für die Art Uhu durch den beabsichtigten Ausbau der Wege zu den Windenergieanlagen nicht glaubhaft gemacht.
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bb) Soweit die Prozessvertreter des Antragstellers darüber hinaus potentielle Verletzungen durch den Wegeausbau im … Forst von weiteren, weiter nicht benannter Arten sowie anderer Umweltschutzgüter vorbringen, ist dies zu unsubstantiiert, um eine hinreichend wahrscheinliche Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften zu begründen.
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Der Antrag war daher insoweit mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen. Hinsichtlich des Anteils der Kosten des erledigten Teils war gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es regelmäßig, demjenigen Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der bei Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen gewesen wäre oder die Erledigung des Rechtsstreits aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 161 Rn. 18 m.w.N.). Für die hierbei maßgebliche Beurteilung der Erfolgsaussichten bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses kommen wegen des kursorischen Charakters der Kostenentscheidung weitere Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts nicht in Betracht; auch schwierige Rechtsfragen sind nicht mehr zu entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2016 - 15 B 16.1239 - juris Rn. 2). Danach entspricht es angesichts der Umstände im vorliegenden Fall der Billigkeit, die Kosten dem Antragssteller aufzuerlegen. Zum einen war nach dem Maßstab des § 42 Abs. 2 Halbsatz 1 VwGO, § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 UmwRG bereits die Zulässigkeit des Antrags der Ziffer II fraglich, denn die aus Sicht des Antragstellers zu regelnde Maßnahme lässt sich weder unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 noch unter Nr. 6 UmwRG fassen. Zum anderen wurde hinsichtlich der Begründetheit des Antrags zur Untersagung einer ornithologischen Kartierung durch erfahrene Biologen nach überschlägiger Einschätzung kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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Es entsprach zudem der Billigkeit, dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, § 162 Abs. 3 VwGO, weil diese mit ihrer Antragstellung ihrerseits ein Kostenrisiko eingegangen sind.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.