Inhalt

VG München, Urteil v. 11.07.2022 – M 13L DK 20.781
Titel:

Disziplinarklage auf Zurückstufung aufgrund von Dienstpflichtverletzungen durch die Begehung von Straftaten

Normenketten:
BayDG Art. 10, Art. 14, Art. 25 Abs. 1, Art. 47, Art. 54, Art. 55
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 Abs. 1 S. 3, § 35 Abs. 1 S. 3, § 47 Abs. 1 S. 2
StGB § 223, § 240, § 248b, § 315c
BayDSG Art. 37
Leitsatz:
Entlastende Gesichtspunkte dürfen nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie für das Vorliegen eines „anerkannten“ Milderungsgrundes ohne Bedeutung sind oder nicht ausreichen, um dessen Voraussetzungen – im Zusammenwirken mit anderen Umständen – zu erfüllen. Die Verwaltungsgerichte müssten bei der Gesamtwürdigung dafür offen sein, dass mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen kann, wenn sie zur Erfüllung eines sog. anerkannten („klassischen“) Milderungsgrundes nicht ausreichen. Auch solche Umstände dürfen nicht als nebensächlich oder geringfügig zurückgestellt werden, ohne dass sie in Bezug zur Schwere des Dienstvergehens gesetzt werden. Sie dürfen nicht in einer nicht nachvollziehbaren Weise „abgetan“ werden. Milderungsgründe müssen jedoch umso gewichtiger sein, je schwerer ein Dienstvergehen wiegt. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
(Landes-)Disziplinarrecht, Zurückstufung, Körperliche Übergriffe in der Ehe, Fahrlässige Gefährdung im Straßenverkehr, Unbefugte Nutzung des Dienstfahrzeugs für Privatfahrten, Unbefugte Datenabfrage, Milderung durch persönliche Gesamtumstände und Persönlichkeitsentwicklung, Disziplinarrecht, körperliche Übergriffe in der Ehe, fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs, unbefugte Nutzung des Dienstfahrzeugs für Privatfahrten, unbefugte Datenabfrage, Milderung durch persönliche Gesamtumstände Persönlichkeitsentwicklung, Dienstpflichtverletzung, Straftaten, häusliche Gewalt, Körperverletzung, Strafurteile, Bindungswirkung, Strafbefehl, Bußgeldbescheid, Pflicht zur Beachtung der Gesetze, Folgepflicht, Pflicht zur uneigennützigen Dienstausübung, Ansehensschädigung, Vertrauensschädigung, negative Lebensphase, Milderungsgründe
Fundstelle:
BeckRS 2022, 20648

Tenor

I. Der Beklagte wird in das Amt eines Polizeihauptmeisters ohne Zulage (A9) zurückgestuft. 
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt im Wege der Disziplinarklage die Zurückstufung des Beklagten aufgrund von Dienstpflichtverletzungen durch Körperverletzung und Nötigung in der Ehe, unerlaubte Privatfahrten mit dem Dienst-PKW, unbefugte Datenabfragen im System der Polizei und fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs.
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1. a) Der … November 19... geborene Beklagte ist derzeit in Scheidung getrennt lebend und Vater zweier Kinder, für die er 950,- € Kindesunterhalt zahlt. Im Jahre 1989 trat der Beklagte in den Dienst bei der Bayerischen Polizei ein und ist seit dem 21. November 1995 Beamter auf Lebenszeit. Nach Ernennung zum Polizeimeister im Jahre 1992, zum Polizeiobermeister im Jahre 1995 und zum Polizeihauptmeister im Jahre 2000 wurde der Beklagte am 1. September 2011 zum Kriminalhauptmeister umbenannt und am 1. Februar 2012 zum Kriminalhauptmeister (AZ) befördert. Im Jahre 2014 wurde er zuletzt beurteilt und erhielt das Gesamtprädikat von 10 Punkten. Im Übrigen liegen Persönlichkeitsbilder vom 14. September 2017, 10. Oktober 2019 sowie - am 4. Juli 2022 vorgelegt - vom 23. Juni 2022, 13. Juni 2021, 14. Dezember 2020 und 27. Mai 2020 vor. Hierauf wird hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen, zudem hinsichtlich des Werdegangs und der persönlichen Verhältnisse auf die Ausführungen in der Disziplinarklage sowie die vorgelegte Personalakte.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte des Beklagten Unterlagen über die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung ICD-10: F33.4 und emotional-instabiler Persönlichkeitsakzentuierung vom impulsiven Typ ICD-10: F60.3 im Dezember 2020 sowie 2021 vorgelegt, zudem einen Arztbrief vom März 2016 im Zusammenhang mit einer teilstationär-psychiatrischen Aufnahme mit der Diagnose einer mittelgradig depressiven Störung sowie eine Bescheinigung vom 7. Juli 2022 über abgeschlossene ambulante Psychotherapien im Zeitraum 2016-2017 sowie im Jahr 2021. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen.
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b) Der Beklagte ist mit Ausnahme der ihm vorliegend zur Last gelegten Sachverhalte disziplinarisch und strafrechtlich nicht vorbelastet.
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Insoweit wurde er bezüglich des Sachverhaltskomplexes 1. wegen Nötigung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Weilheim i.Ob. vom 2. Mai 2016 - 2 Ds 33 Js … - zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Im Urteil wurde in vier weiteren Fällen der vorsätzlichen Körperverletzung von der Strafverfolgung gemäß § 154 StPO abgesehen (Sachverhaltskomplex 2.).
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Darüber hinaus wurde der Beklagte nach Strafbefehl vom 1. August 2016 und auf die Rechtsfolgen beschränkten Rechtsmittel mit Urteil des Amtsgerichts Weilheim i.Ob. vom 16. Februar - 1 Cs 11 … … - zu 40 Tagessätzen Geldstrafe wegen unbefugten Gebrauchens eines Fahrzeugs gemäß § 248b StGB verurteilt (Sachverhaltskomplex 3.).
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Zudem erging gegen den Beklagten am 10. Juli 2018 ein Bußgeldbescheid wegen unberechtigter Datenabfragen in elf Fällen gemäß Art. 37 Abs. 1 Nr. 3 BayDSG a.F. durch das Polizeipräsidium Oberbayern Süd - PV 1 - 6440- … (Sachverhaltskomplex 4.). Mit Zahlung des Bußgeldes wurde das Verfahren trotz eingelegtem Einspruch abgeschlossen.
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Mit Urteil des Amtsgerichts Weilheim i.Ob. - 53 Js … - wurde der Beklagte am 23. Mai 2019 wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StSB zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt (Sachverhaltskomplex 5.).
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2. Am 27. November 2015 leitete das Polizeipräsidium Oberbayern Süd gegen den Beklagten ein Disziplinarverfahren und setzte dieses bis 18. September 2017 im Hinblick auf laufende Strafermittlungen aus. Nach Übernahme durch das Polizeipräsidium München als Disziplinarbehörde am 18. September 2017 und Ausdehnungen am 20. September 2017, 11. Juni 2018 und 20. November 2018 sowie erneuten Aussetzungen wurde das Verfahren letztlich am 16. Juli 2019 fortgesetzt und der Beklagte am 20. November 2019 gemäß Art. 32 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) abschließend angehört.
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3. Am 25. Februar 2020 erhob das Polizeipräsidium München als Disziplinarbehörde daraufhin mit Schriftsatz vom 19. Februar 2020 Disziplinarklage gegen den Beklagten mit dem Ziel einer Zurückstufung. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Disziplinarklage Bezug genommen.
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In der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2022 hat der Kläger beantragt,
den Beklagten in das Amt als Polizeihauptmeister ohne Zulage zurückzustufen.
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Der Bevollmächtigte des Beklagten hat keinen Antrag gestellt,
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aber mit Schriftsatz vom 9. Juli 2022 sowie in der mündlichen Verhandlung zur Disziplinarklage Stellung genommen. Auch wurden - die bereits zitierten ärztlichen Unterlagen vorgelegt. Auf die schriftsätzlichen Ausführungen sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.
14
Das Disziplinarverfahren wurde mit Beschluss vom 11. Juli 2022 in der mündlichen Verhandlung gemäß Art. 54 BayDG beschränkt, indem das dem Beklagten zur Last gelegte Verhalten bezüglich des Sachverhaltskomplexes 6. ausgeschieden wurde, da es für die Maßnahmebemessung jedenfalls nicht ins Gewicht fallen würde.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2022, sowie die beigezogene Disziplinarakte des Polizeipräsidiums München als auch die Personalakte des Beklagten Bezug genommen. Ebenso lagen Auszüge aus den jeweiligen Straf- bzw. Bußgeldverfahren vor.

Entscheidungsgründe

16
Auf die Disziplinarklage des Klägers hin wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in das Amt als Polizeihauptmeister ohne Zulage (A9) erkannt. Der Beklagte hat durch mehrere Dienstpflichtverletzungen ein sehr schweres Dienstvergehen begangen, das jedoch noch nicht zum vollständigen Vertrauensverlust führt.
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I. Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens sind weder i.S.v. Art. 53 Abs. 1 BayDG innerhalb der gesetzlichen Frist geltend gemacht noch von Amts wegen derart ersichtlich, dass sie Auswirkungen auf die Disziplinarklage und insbesondere die Maßnahmebemessung hätten.
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Fraglich erscheint vorliegend, ob dem Beklagten die Einleitung des Disziplinarverfahrens gemäß Art. 20 BayDG frühzeitig bekannt gegeben wurde. Jedenfalls durch das Schreiben des Polizeipräsidiums München vom 20. September 2017 an den Bevollmächtigten des Beklagten über die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens und Anhörung gemäß Art. 22 BayDG unter Darstellung der zur Last gelegten Vorwürfe wurden die Verfahrensrechte des Beklagten jedoch gewahrt.
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II. Dem Beklagte wird in der Disziplinarklage folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
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„1. In der Ehe des Beklagten kam es mehrfach zu verbalen und auch körperlichen Auseinandersetzungen.
Hierbei kam es mindestens zu folgenden Übergriffen:
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1.1. An einem nicht mehr genau bekannten Tag im Sommer 2014 bespritzte der Beklagte seine Ehefrau, Frau C.B., auf dem Grundstück […] mit dem aufgedrehten Gartenschlauch. Seine Ehefrau, die nicht nur leichte Badekleidung trug, floh durch die Gartentüre vom Grundstück, während der Beklagte sie weiter bespritzte. Seine Ehefrau forderte ihn auf, sie wieder einzulassen. Der Beklagte verweigerte ihr dies und spritzte weiter an die Grundstücksgrenze, damit seine Ehefrau den Garten nicht mehr betreten konnte. Obwohl die Ehefrau des Beklagten im Hinblick auf ihre nasse Kleidung mehrfach den Einlass begehrte und ihn auch darauf hinwies, dass dies eine Nötigung sei, verwehrte der Beklagte ihr durch weiteres Spritzen an die Grundstücksgrenze über mehrere Minuten die Rückkehr in das gemeinsame Wohnanwesen. Der Vorfall zog sich über mindestens 5 Minuten hin, der Einlass wurde für mindestens 3 Minuten verweigert.
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1.2. Zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt in der ersten Jahreshälfte 2015 machte der Beklagte seiner Ehefrau, nachdem diese mit dem Pkw am Wohnanwesen angekommen war, Vorwürfe, da diese seine Anrufe auf ihrem Handy nicht entgegennahm. Als die Ehefrau des Beklagten im Einfahrtsbereich des Grundstücks, […], ihm mitteilte, dass sie keinen Anruf gehört habe, zeigte er ihr diese auf dem Display des Mobiltelefons. Anschließend schlug der Beklagte mit diesem Mobiltelefon gegen den Kopf seiner Ehefrau, wobei er beabsichtigte, zumindest jedoch damit rechnete und billigend in Kauf nahm, diese zu verletzen. Durch diesen schnell ausgeführten Schlag erlitt die Ehefrau des Beklagten Schmerzen und eine leicht blutende Wunde am Haaransatz oberhalb der Stirn.
2.
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2.1. Am 07.03.2015 schlug der Beklagte seine Ehefrau ohne rechtfertigenden Grund oder entschuldigenden Anlass im gemeinsam bewohnten Anwesen […], oberhalb der linken Brust mit der zumindest vorhergesehenen und billigend in Kauf genommenen Folge eines Hämatoms und erheblicher Schmerzen.
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2.2. An einem nicht genauer bekannten Tag im Frühjahr 2015 wirkte der Beklagte in der Garage des Anwesens […] derart auf seine Ehefrau ein, dass diese danach - wie von ihm zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen - humpelte.
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2.3. An einem nicht genauer bekannten Tag im ersten Halbjahr 2015 schlug der Beklagte in dem genannten Anwesen derart massiv auf den rechten Oberarm seiner Ehefrau ein, dass dieser - wie von ihm beabsichtigt - mehrere Hämatome aufwies und seine Ehefrau erhebliche Schmerzen erlitt.
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2.4. Am 15.03.2015 verdrehte der Beklagte seiner Ehefrau in dem genannten Anwesen das Handgelenk derart massiv, dass der komplette Unterarm - wie von ihm zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen - blau anlief.
3.
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Der Beklagte war seit dem 01.09.2011 Polizeibeamter der KPI …, […]. In der Zeit zwischen 15.09.2015 und 30.11.2015 war er an die SoKo … mit Dienstsitz in der … 81, … …, abgeordnet. Für die Fahrten von seinem Wohnsitz zur Dienststelle und zurück, ggf. auch, um in die Unterkunft der Bereitschaftspolizei, … Str. 130, … …, zu gelangen, wurden ihm vom Dienstherrn sukzessive zwei Dienstfahrzeuge, ein VW Golf, amtl. Kennzeichen: RO - … …, und ein Ford C-Max, amtl. Kennzeichen: RO - … … zur Verfügung gestellt.
Wie der Beklagte wusste, war die Benutzung von Dienst-Kfz zu Privatfahrten aufgrund Ziffer 5.5 der allgemeinen Genehmigung von Dienstreisen vom 30.07.2014 (PRdS-E1-1581-156) grundsätzlich unzulässig und es gab keine Ausnahmegenehmigung für ihn. Nicht ausschließbar aufgrund eines einheitlichen Tatentschlusses benutzte der Beklagte die o.g. Pkw entgegen des ihm bekannten Verbots dennoch für private Zwecke und fuhr dabei mindestens 2.000 km.
4.
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Bei der Staatsanwaltschaft München II wurde unter dem Aktenzeichen 570 Js … gegen den Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau geführt. Diese gab bei der Befragung an, dass der Beklagte in seinem persönlichen Umfeld Abfragen ohne dienstlichen Hintergrund durchgeführt hat.
Im Rahmen einer daraufhin beauftragten Protokollauswertung wurde festgestellt, dass der Beklagte
- personenbezogenen Daten von sich selbst im Zeitraum 12.06.2015 bis 22.07.2015 7 mal im polizeilichen Vorgangsverwaltungssystem abgefragt hat
- personenbezogene Daten von S. B. (naher Verwandter) vom 06.08.2015 bis 08.08.2015 2 mal im polizeilichen Vorgangsverwaltungssystem abgefragt hat
- personenbezogene Daten von C. B. (Ehefrau) am 07.09.2015 1 mal im polizeilichen Vorgangsverwaltungssystem abgefragt hat
- personenbezogene Daten von M. M. sowie dem Bezugsvorgang des privaten Verkehrsunfalles mit Vorgenannten am 12.06.2018 1 mal im polizeilichen Verwaltungssystem abgefragt hat.
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Für die Abfragen bestand keinerlei dienstliche Veranlassung oder sonstige Befugnis.
5.
30
Der Beklagte fuhr am 29.09.2018 gegen 13.15 Uhr mit dem Pkw VW, amtliches Kennzeichen, WM. … auf der St 2056 im Gemeindebereich Pähl.
Unter grober Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt überholte der Beklagte die vor ihm fahrende Fahrzeugkolonne, bestehend aus dem Pkw Opel Corsa des Zeugen H., amtliches Kennzeichen WM- … …, dem Pkw Opel Astra des Zeugen S., amtliches Kennzeichen WM- … …, und dem Pkw BMW des Zeugen W., amtliches Kennzeichen AM- … …, obwohl sich erkennbar im Gegenverkehr Frau … in ihrem Pkw Fiat, amtliches Kennzeichen LL- … … näherte. Obwohl die zwischen den Pkw Opel Astra und Corsa bestehende Lücke groß genug zum Wiedereinscheren war, hielt der Beklagte an seinem Überholvorgang fest.
Der Beklagte ließ aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und um seines schnelleren Fortkommens willen von vornherein keine Bedenken gegen seine Fahrweise aufkommen.
Dies hatte für ihn vorhersehbar und vermeidbar zur Folge, dass Frau L. abbremsen und in die rechts anliegende Wiese steuern musste, um einen Zusammenstoß mit seinem Fahrzeug zu verhindern.
Durch die Tat hat sich der Beklagte als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.
6.
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Wie unter Ziffer I.5. geschildert führte die Staatsanwaltschaft München II gegen den Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Straßenverkehrsgefährdung gem. § 315c Abs. 1 Nr. 2 StGB. Der Beklagte erschien am 08.02.2019 ohne jegliche Vorankündigung persönlich beim zuständigen staatsanwaltschaftlichen Sachbearbeiter, um Angaben in der Sache zu machen. Zuvor hat der Beklagte bei der Einlasskontrolle lediglich seinen Dienstausweis vorgezeigt, ohne den Justizwachtmeister an der Pforte über seinen Status als Beschuldigter aufzuklären. Vielmehr gab er lapidar an, dass er zu „Staatsanwalt“ F. müsse.
Zu dem Gespräch kam Oberstaatsanwalt G. hinzu. Der Beklagte äußerte gegenüber Oberstaatsanwalt G. u.a. „Ich bin unbewaffnet!“. Herr G. verdeutlichte dem Beklagten sodann, dass eine persönliche Vorsprache (insbesondere ohne jegliche Vorankündigung) nicht sachdienlich erscheine und er vorzugswürdig bei der sachbearbeitenden Polizeidienststelle etwaige Angaben machen sollte. Der Beklagte wurde sodann von Oberstaatsanwalt G. gebeten, die Räumlichkeiten der Behörde zu verlassen.“
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III. Hinsichtlich des Sachverhalts unter II. 6. wurde das Disziplinarklageverfahren mit Beschluss vom 11. Juli 2022 in der mündlichen Verhandlung gemäß Art. 54 BayDG beschränkt, so dass die darin zur Last gelegten Handlungen nicht weiter Gegenstand sind. Die dem Beamten durch das darin genannte Verhalten vorgeworfene Dienstpflichtverletzung würde bei der Maßnahmebemessung jedenfalls nicht ins Gewicht fallen. Auf Rechtsmittel gegen den Beschränkungsbeschluss wurde verzichtet.
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IV. Der dem Beklagten in der Disziplinarklage im Übrigen zur Last gelegte Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts fest.
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Hinsichtlich der Sachverhaltskomplexe 1. und 5. besteht gemäß Art. 55, 25 Abs. 1 BayDG Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen in den - in der Disziplinarklage zutreffend wiedergegebenen - Urteilen des Amtsgerichts Weilheim i.Ob..
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Bezüglich der Sachverhaltskomplexe 3. und 4. entfalten der Strafbefehl vom 1. August 2016 bzw. der Bußgeldbescheid vom 10. Juli 2018 jedenfalls Indizwirkung für deren tatsächlichen Feststellungen gemäß Art. 25 Abs. 2 BayDG.
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Die dem Beklagten unter 2. zur Last gelegten Handlungen ergeben sich aus den strafrechtlichen Ermittlungen, insbesondere den polizeilichen und gerichtlichen Zeugeneinvernahmen, deren Aussagen gemäß Art. 26 Abs. 2 BayDG verwertet werden können. Auf die näheren Angaben hierzu in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft München II vom 8. März 2016 - 33 Js … - sowie das Protokoll über die Strafverhandlung wird insoweit Bezug genommen. Insbesondere finden sich im zitierten Strafurteil auch Angaben zu Würdigung der Zeugeneinvernahmen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen.
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Im Übrigen hat der Beklagte das ihm vorgeworfene Verhalten bezüglich der zuvor genannten Sachverhaltskomplexe jeweils ausdrücklich eingeräumt.
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V. Der Beklagte hat durch den ihm vorstehend zur Last gelegten Sachverhalt ein einheitliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.
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1. Durch die Nötigung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil seiner Ehefrau (II.1.) hat der Beklagte außerdienstlich i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) gegen die beamtenrechtliche Pflicht zur Beachtung der Gesetze gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 223 Abs. 1, 240 Abs. 1 und 2 StGB verstoßen und sich damit zugleich ansehens- und vertrauenschädigend zuwider seiner Pflicht nach § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verhalten.
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2. Gleiches gilt in Bezug auf das unter II.2. zur Last gelegte Verhalten.
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3. Der unbefugte Gebrauch eines Fahrzeugs gemäß § 248b StGB stellt ebenso einen Verstoß gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze dar und ist ansehens- und vertrauensschädigend. Zudem verstieß der Beklagte insoweit gegen seine Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen und Richtlinien gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2
BeamtStG. Gemäß Ziffer 5.5 der allgemeinen Genehmigung von Dienstreisen vom 30. Juli 2017 (PRdS-E1-1581-156) und Ziffer 1. der Anlage 3 (Benutzung von Dienstkraftwagen zu Privatfahrten) der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (BayVwVBes) ist verankert, dass Privatfahrten mit Dienstkraftwagen nur in besonders begründeten Ausnahmefällen mit Genehmigung des Behördenleiters oder der Behördenleiterin ausgeführt werden dürfen. Auf die Ausführungen des Klägers hierzu wird Bezug genommen.
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4. Mit den unbefugten Datenabfragen verhielt sich der Beklagte innerdienstlich ansehens- und vertrauensschädigend, vgl. § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG. Zudem verstieß er gegen die Pflicht zu uneigennütziger Dienstausübung i.S.v. § 34 Satz 1 BeamtStG, indem er die Datenabfragen im Dienst aus rein privatem Interesse vornahm. Aufgrund der dienstlichen Vorgaben in der EDV-Rahmenrichtlinie für die Bayerische Polizei vom 1. März 2001 in Ziffer 2.7.2, wonach für die Nutzung der dienstlichen EDV-Anlagen, Programme und Daten für private Zwecke unzulässig ist, handelte der Beklagte zudem seiner Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen und Richtlinien nach § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zuwider.
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5. Durch die fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs hat der Beklagte zudem außerdienstlich gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 315c StGB StGB verstoßen und sich damit zugleich ansehens- und vertrauensschädigend zuwider seiner Pflicht nach § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verhalten.
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Der Beklagte handelte jeweils schuldhaft. Anhaltspunkte für Schuldausschließungs- oder Rechtsfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.
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VI. Das (einheitliche) Dienstvergehen nach Art. 47 Abs. 1 BeamtStG wiegt sehr schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayDG. Im Rahmen der Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten des Beklagten als Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist eine Zurückstufung aber noch ausreichend, jedoch auch erforderlich.
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Der Maßnahmebemessung liegen dabei die in Art. 14 BayDG genannten und in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2021 - 16a D 19.989 - beck-online Rn. 83 f.) bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13 BDG (U.v. 29.5.2008 - 2 C 59.07 - juris; U.v. 11.5.2016 - 16a D 13.1540 - juris Rn. 61; U.v. 18.1.2017 - 16a D 14.1992 - juris Rn. 34) entwickelten Kriterien zugrunde.
47
1. Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist dabei die Schwere des Dienstvergehens, wobei von der schwersten Dienstpflichtverletzung auszugehen ist.
48
a) Das strafbare Verhalten durch Körperverletzungen und Nötigung zum Nachteil der Ehe (Sachverhaltskomplexe 1. und 2.) sowie die fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB bilden insoweit nebeneinander die Grundlage der Bemessung und begründen eine statusberührende Maßnahme.
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(1) Beide außerdienstlichen Vorwürfe stehen vergleichbar in der Schwere nebeneinander, so dass nicht dem ein oder anderen Vorwurf der Vorrang eingeräumt werden kann. Aufgrund der unterschiedlich geschützten Rechtsgüter kann die eine Dienstpflichtverletzung nicht ohne weiteres als schwerer als die andere eingestuft werden. Stand bei der Gefährdung des Straßenverkehrs eine erhebliche Gefährdung schweren Ausmaßes im Raum, wäre die anderen Verkehrsteilnehmerin nicht in die Wiese ausgewichen, handelte der Beklagte jedoch insoweit (nur) fahrlässig. Hingegen vorsätzlich handelte er im geschützten (Vertrauens-)Bereich der Ehe, die jedoch bereits konfliktmäßig aufgeladen war.
50
(2) Angesichts des Strafrahmens ist hingegen jeweils bereits ein Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet. So entfaltet bei außerdienstlichen Dienstpflichtverletzungen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Strafrahmen durch die gesetzgeberische Wertung zum Unwert des Verhaltens einen Orientierungsrahmen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 50/13 - juris Rn. 15 ff.).
51
(3) Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt sodann nur dann in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht (BVerwG, a.a.O. Rn. 17). Dabei verbietet sich ein wie auch immer gearteter Schematismus (BVerwG, a.a.O. m.w.N.). Indiziell kann dabei aber zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens im Falle einer außerdienstlich begangenen Straftat auf die von Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden, bei der schließlich der jeweilige Einzelfall bereits tatrichterlich aus strafrechtlicher Sicht gewürdigt wurde. (BVerwG, a.a.O. Rn. 18). Die vorliegend einzeln verhängten Geldstrafen indizieren insoweit eine statusberührende Maßnahme bei einzelner Betrachtung noch nicht ohne weiteres.
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(4) Im Rahmen der gebotenen Würdigung der Einzelfallumstände fällt dem Beklagten zur Last, sich vorsätzlich wiederholt und gerade im geschützten und sensiblen Privatbereich der Ehe strafbar verhalten und - so auch in den Strafzumessungserwägungen ausgeführt - das eheliche Vertrauensverhältnis tief erschüttert zu haben. Hingegen hat der Bevollmächtigte des Beklagten auf massive Auseinandersetzungen wechselseitigen Charakters in einer schwierigen Ehephase hingewiesen. Dies rechtfertigt kein strafbares Verhalten, ist bei der Gesamtwürdigung der Tatumstände jedoch nicht gänzlich außer Acht zu lassen und findet sich insoweit auch in den Strafzumessungserwägungen im Urteil des Amtsgerichts Weilheim i.Ob. wieder.
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Hat der Beklagte bei der Gefährdung des Straßenverkehrs (nur) fahrlässig und nicht vorsätzlich gehandelt, hat er jedoch durch sein Verhalten Leben auf´s Spiel gesetzt. Gerade als Polizeibeamten müssen dem Beklagten die Gefahrenlagen im Straßenverkehr bewusst sein und wiegen strafrechtliche Verstöße insoweit sehr schwer.
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In der Gesamtschau der beiden zu würdigenden Komplexe steht daher durchaus eine statusberührende Maßnahme im Raum.
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b) Die darüber hinaus gegenständlichen - innerdienstlichen - Dienstpflichtverletzungen fallen erschwerend ins Gewicht und führen zu einer Schwere des Dienstvergehens, die bis an den Grenzbereich zur Höchstmaßnahme zu reichen vermag.
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Schließlich betreffen sie weitere geschützte, aber verletzte Rechtsgüter, die das Vertrauen in den Beamten erheblich erschüttern. Im Hinblick auf die Menge an Daten, die polizeilich zur Aufgabenerfüllung zur Verfügung stehen, beeinträchtigen eigennützige Datenabfragen das Vertrauen der Allgemeinheit und des Dienstherrn in den gebotenen sensiblen Umgang mit den gespeicherten Daten. Die Nutzung des Dienstfahrzeugs zu privaten Fahrten beeinträchtigt, jedenfalls im vorliegenden Umfang, ebenfalls in nicht unerheblichem Maße das Vertrauen, das in einen Polizeibeamten gesetzt wird.
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2. Einer Zurückstufung bis in das Eingangsamt stehen jedoch auch mildernde Gesichtspunkte gegenüber.
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a) Eine ansonsten pflichtgemäße Dienstausübung und durch die dienstlichen Beurteilungen bewerteten Leistungen eines Beamten ist an sich ohne weiteres (noch) nicht geeignet sind, einen gravierenden Pflichtenverstoß per se in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BayVGH, U.v. 16.2.2022 - 16b D 19.316 - beck-online Rn- 52, BVerwG, B.v. 12.2.2019 - 2 B 6.19 - juris Rn. 4). Insbesondere im Persönlichkeitsbild vom 14. September 2017 sind zudem vorliegend auch kritische Elemente enthalten. Die neueren Persönlichkeitsbilder lassen hingegen eine positive Entwicklung im dienstlichen Bereich erkennen, die alleine für eine Milderung der an sich gebotenen Disziplinarmaßnahme jedoch nicht ausreichen würde. Ebensowenig fällt hinreichend ins Gewicht, dass der Beklagte disziplinarisch und strafrechtlich im Übrigen nicht vorbelastet ist.
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b) Den besonderen Umständen des Einzelfalls, insbesondere der persönlichen Situation und Persönlichkeitsentwicklung des Beklagten, kommt dennoch vorliegend mildernde Wirkung zu.
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(1) Ob der von der Rechtsprechung anerkannte typisierte Milderungsgrund der sog. überwundenen negativen Lebensphase oder eines Handelns in psychischer Ausnahmesituation vorliegend (bereits) einschlägig ist, ist fraglich und hierzu wenig substantiiert vorgetragen, wenngleich in den Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts Weilheim i.Ob. hinsichtlich der ehelichen Übergriffe durchaus auf eine psychische Ausnahmesituation hingewiesen wird.
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(2) Über die bislang in der Rechtsprechung anerkannten typisierten Milderungsgründe hinaus bedarf es jedoch einer Würdigung der jeweiligen be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls und würde eine allein typisierende Betrachtungsweise zu kurz greifen. Vielmehr dürfen entlastende Gesichtspunkte nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie für das Vorliegen eines „anerkannten“ Milderungsgrundes ohne Bedeutung sind oder nicht ausreichen, um dessen Voraussetzungen - im Zusammenwirken mit anderen Umständen - zu erfüllen (BVerwG, B.v. 20.12.2013 - 2 B 35.13 - beck-online Ls.1 sowie Rn. 21). Das Bundesverwaltungsgericht führt insoweit aus, die Verwaltungsgerichte müssten bei der Gesamtwürdigung dafür offen sein, dass mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen kann, wenn sie zur Erfüllung eines so genannten anerkannten („klassischen“) Milderungsgrundes nicht ausreichen. Auch solche Umstände dürfen nicht als nebensächlich oder geringfügig zurückgestellt werden, ohne dass sie in Bezug zur Schwere des Dienstvergehens gesetzt werden. Sie dürfen nicht in einer nicht nachvollziehbaren Weise „abgetan“ werden. Nach der Rechtsprechung des 2. Wehrdienstsenats des Bundesverwaltungsgerichts müssen die Milderungsgründe jedoch umso gewichtiger sein, je schwerer ein Dienstvergehen wiegt, umso gewichtiger (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2018 - 2 WD 10.18 - beck-online Rn. 44 m.w.N.).
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(3) Insoweit sind die Gesamtumstände des Zeitraums, in dem die Pflichtverletzungen einerseits begangen wurden, und das ausweislich der Persönlichkeitsbilder an den Tag gelegte Verhalten bzw. die Entwicklung dahin - verbunden mit therapeutischer Aufarbeitung - andererseits geeignet, bei der Maßnahmebemessung insoweit mildernd zu wirken, um statt einer Zurückstufung um mehrere Stufen zu einer Zurückstufung um eine Stufe zu führen.
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Hinsichtlich der psychischen Verfasstheit und Belastung des Beklagten in den Jahren 2014 bis 2016 während der Übergriffe in der Ehe, der unbefugten Datenabfragen und des unbefugten Dienstwagengebrauchs wird auf die Ausführungen in den vorgelegten medizinischen bzw. psychotherapeutischen Unterlagen Bezug genommen.
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Die vorgelegten Unterlagen zeigen, dass sich der Beklagte insbesondere auch dem Thema impulsiven Verhaltens gewidmet hat. Nach den körperlichen Übergriffen hat der Beklagte demnach an einem Aggressionsbewältigungstraining und einer Paartherapie teilgenommen. Hierauf wird in den Strafzumessungserwägungen ausdrücklich hingewiesen.
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Insbesondere hat sich der Beklagte im Straf- und Disziplinarverfahren auch geständig und einsichtig gezeigt.
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Ausweislich der Persönlichkeitsbilder ist der Beklagte engagiert, als wertvoller Mitarbeiter seine dienstliche Situation zu festigen und zu verbessern. Gegenüber dem Bürger trete er stets freundlich, korrekt und professionell auf, wobei er auch bei schwierigen Vernehmungen eine sehr ausgeprägte Geduld habe. Im Bereich Feuerbestattungen scheue er aber auch die Auseinandersetzung mit den Bestattungsunternehmen bezüglich deren konkreter Abarbeitung erforderlicher Dokumente nicht. Sein Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten sei stets freundlich und hilfsbereit.
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Die Ausführungen der Dienstvorgesetzten der letzten Jahre in den vorgelegten Persönlichkeitsbildern sowie der Disziplinarbehörde in der Disziplinarklage sowie in der mündlichen Verhandlung belegen hinreichend, dass noch Vertrauen in den Beamten besteht, sich zukünftig pflichtgemäß zu verhalten und sich weiterhin positiv zu entwickeln. Dem Abschluss des Verfahrens durch die ausgesprochene Zurückstufung kommt somit auch ein motivierender Charakter für die weitere Entwicklung und dienstliche Tätigkeit des Beklagten zu.
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Dabei berücksichtigt das Gericht auch die Gesamtdauer des Disziplinarverfahrens angesichts der teilweise schon viele Jahre zurückliegenden Vorwürfe mit einem bereits pflichtenmahnenden Charakter. Es jedoch herauszustellen, dass die Verfahrensdauer an sich angesichts des langen Zeitraums der Verfahrensaussetzung nach Art. 24 BayDG noch nicht die Schwelle zu einem eigenständigen Milderungsgrund wegen überlanger Verfahrensdauer erreicht.
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VII. Unter Berücksichtigung sowohl der Wahrung bzw. Wiederherstellung des Ansehens des Berufsbeamtentums und insbesondere der Polizei als auch der erforderlichen Pflichtenmahnung des Beamten ist die Zurückstufung gemäß Art. 10 BayDG um eine Stufe daher geeignet, aber auch erforderlich und angemessen, um dem Dienstvergehen des Beklagten disziplinarisch zusätzlich zu den bereits erfolgten strafrechtlichen bzw. bußgeldmäßigen Folgen zu begegnen.
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VIII. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.
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Aufgrund im Anschluss an die Urteilsverkündung in der Sitzung am 11. Juli 2022 zur Niederschrift gegebenen Rechtsmittelverzichts ist das Urteil rechtskräftig.