Inhalt

VG München, Urteil v. 14.07.2022 – M 19 K 21.4737
Titel:

Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, Unterlassungsanordnung hinsichtlich einer als Parkplatz genutzten Wiese, Austausch der Rechtsgrundlage

Normenketten:
LSG-VO Art. 18 Abs. 2 BayNatSchG i.V.m.
BNatSchG § 17 Abs. 8
Schlagworte:
Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, Unterlassungsanordnung hinsichtlich einer als Parkplatz genutzten Wiese, Austausch der Rechtsgrundlage
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 26.10.2023 – 14 ZB 22.2030
Fundstelle:
BeckRS 2022, 20646

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen eine vom Beklagten ausgesprochene Unterlassungsanordnung hinsichtlich einer als Parkplatz genutzten Wiesenfläche.
2
Die Klägerin ist Pächterin der dem Beigeladenen gehörenden, im Außenbereich liegenden FlNrn. 146 und 142 der Gemarkung G. mit einer Gesamtfläche von ca. 8000 m². Diese Flurnummern befinden sich im Geltungsbereich des mit Verordnung vom 3. März 1956 geschaffenen Landschaftsschutzgebiets „Tegernsee und Umgebung“ (LSG-VO).
3
Bei einer Ortseinsicht am 16. Oktober 2019 stellte der fachliche Naturschutz des Landratsamts M. (im Folgenden: Landratsamt) auf einem Teilbereich der Flächen die Errichtung eines Parkplatzes fest. Der Beigeladene teilte dem Landratsamt mit, dass die Klägerin für die Errichtung des Parkplatzes verantwortlich sei. Schilder wiesen den Parkplatz als Abstellplatz für Fahrzeuge für Alpenüberquerer aus. Die Klägerin verkaufte hierfür Parktickets auf der von ihr betriebenen Freizeitalm auf der FlNr. 120 der Gemarkung G., die südwestlich an die streitgegenständlichen Flächen angrenzt.
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Die mit Kies befestigten Hauptfahrspuren des Parkplatzes befinden sich im nordwestlichen Grundstücksteil der FlNr. 146 und an der Südgrenze der FlNr. 142. Geparkt wird auf der Wiese, was auf den aktuell verfügbaren Luftbildern sowohl durch parkende Autos als auch Parkspuren auf dem Wiesenboden erkennbar ist. Auf Luftbildern aus den Jahren 2015 und 2018 ist allein auf der FlNr. 142 vor dem dortigen Gebäude eine Kiesaufschüttung erkennbar, nicht dagegen eine Verwendung als Parkplatz.
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Die westlich der FlNr. 120 gelegene FlNr. 116 ist im Bebauungsplan als Parkplatz ausgewiesen und wird von der Klägerin als solcher verwendet. Im Rahmen dort stattfindender Gehölzarbeiten bis zum 17. August 2020 erteilte das Landratsamt der Klägerin bis zum Abschluss der Arbeiten das Einverständnis für die temporäre Nutzung der FlNr. 146 als Parkplatz (E-Mail des Landratsamts vom 22.7.2020, Bl. 62 BA).
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Im Zuge einer nicht protokollierten Ortsbesichtigung am 21. Juni 2020 wurde unter Teilnahme des Bürgermeisters der Gemeinde Gmund (im Folgenden: Gemeinde), des Landrats, Vertretern des Bauamts und der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts, der Klägerin und des Beigeladenen über die Nutzung der FlNr. 146 als öffentlicher Parkplatz beraten. Am 20. Januar 2021 stellte die Gemeinde beim Landratsamt einen Antrag auf Erteilung einer naturschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung einer baulichen Anlage in Gestalt eines Wanderparkplatzes auf der FlNr. 146 mit ca. 150 Stellplätzen auf einer benötigten Fläche von rund 3600 m².
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In der Sitzung des Bau- und Umweltausschusses der Gemeinde vom 27. Juli 2021 wurde bezüglich des Antrags auf Errichtung eines öffentlichen Wanderparkplatzes ausgeführt, dass dieser angesichts eines neuen Vorhabens nicht mehr vorgesehen und weiterzuverfolgen sei. Diesem unter TOP 8 „Bauantrag auf Erweiterung des Freizeitgeländes O. zur Errichtung eines Bikeparks mit Wasserspielfläche und Campingplatz auf den Grundstücken FlNrn. 145 und 146“ behandelten neuen Vorhaben stimmte der Ausschuss mit 10 zu 1 Ja-Stimmen zu.
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Mit Schreiben vom 10. August 2021, der Klägerin mit Postzustellungsurkunde vom 12. August 2021 zugestellt, hörte das Landratsamt sie zur geplanten Nutzungsuntersagung des Parkplatzes auf den FlNrn. 146 und 142 der Gemarkung G. im Landschaftsschutzgebiet „Tegernsee und Umgebung“ an. Innerhalb der bis 19. August 2021 gesetzten Frist äußerte sich die Klägerin am 12. August 2021 sowohl telefonisch als auch schriftlich. Gerade in der Hochsaison sei es nicht möglich, auf die bislang geduldete Parkfläche zu verzichten. Im Übrigen müssten auch bei der aktuellen Planung eines Bikeparks auf dem Gelände Parkplätze vorgesehen werden. Ebenso wandte sich der 2. Bürgermeister der Gemeinde mit E- Mail vom 18. August 2021 mit der Bitte ans Landratsamt, von einer förmlichen Nutzungsuntersagung abzusehen. Die Freizeitanlage am O. sei wichtig für Bevölkerung und Tourismus, gerade in der Urlaubszeit. Ein Zuwarten sei nicht nur aufgrund der akuten Parkplatznot sinnvoll, sondern auch, da sich die Parkplatznutzung mit dem geplanten Bikepark überholen könne.
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Mit Bescheid vom 24. August 2021, verpflichtete der Beklagte die Klägerin dazu, die Nutzung und Bereitstellung der Grundstücke mit den FlNrn. 146 und 142 der Gemarkung G. als Parkplatz ab Zustellung dieses Bescheides zu unterlassen (Nr. 1). Die sofortige Vollziehung der Nummer 1 wurde angeordnet (Nr. 2). Sofern der Unterlassungsverpflichtung nicht nachgekommen werde, wird für jedes auf der Fläche vorgefundene Kraftfahrzeug ein Zwangsgeld in Höhe von 100 EUR angedroht (Nr. 3). Gegenüber dem Beigeladenen wird als Eigentümer der Flächen die Duldung der sofortigen Nutzungsuntersagung angeordnet (Nr. 4).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die in Nummer 1 getroffene Untersagungsanordnung nach Art. 18 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Naturschutzgesetz (BayNatSchG) i.V.m. § 3 der LSG-VO i.V.m. § 17 Abs. 8 Satz 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) entsprechend erfolge, da der Parkplatz ohne eine naturschutzrechtliche Befreiung rechtswidrig errichtet und genutzt worden sei. Mit dem Anlegen eines Parkplatzes und dem dabei erfolgten Aufbringen einer Kiesschicht für eine Fahrspur sei ein erheblicher Eingriff i.S.d. § 14 Abs. 1 BNatSchG vorgenommen worden. Die Errichtung und Nutzung als Parkplatz sei ohne die erforderliche Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG erfolgt. Es sei eine Veränderung i.S.d. § 3 LSG-VO vorgenommen worden. Gemäß § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG entsprechend, habe die Anordnung der Nutzungsuntersagung ohne Ausübung eines Ermessens zu erfolgen, da kein atypischer Fall vorliege. Die Untersagung der Nutzung des Parkplatzes sei auch verhältnismäßig, um das Ziel der Verhinderung einer weiteren Verschlechterung des Zustands der Fläche und eine Wiederherstellung eines typischen Landschaftsbildes ohne Vorhandensein von Kraftfahrzeugen zu erreichen. Als unmittelbarer Verursacher des Eingriffs in Natur und Landschaft sei es ermessensgerecht, die Klägerin als Handlungsstörerin dem Beigeladenen als Verhaltensstörer vorzuziehen.
11
Mit E-Mail vom 26. August 2021 erklärte das Landratsamt gegenüber der Gemeinde, deren Anliegen, bis Ende September 2021 von einer vorläufigen Nutzungsuntersagung abzusehen, nicht nachzukommen. Nach der Entscheidung der Gemeinde, den Antrag auf Befreiung zu Errichtung eines öffentlichen Wanderparkplatzes zurückzunehmen, könne der unrechtmäßige Zustand der Parkplatznutzung nicht mehr mitgetragen werden. Sofern die Gemeinde planungsrechtliche Grundlagen für die gewünschte Nutzungsmöglichkeit anstrebe, solle sie in erforderlichem Umfang tätig werden, beispielsweise durch Prüfung der Möglichkeit einer Flächennutzungsplanänderung. Ebenso lehnte das Landratsamt mit E-Mail vom 30. August 2021 (Bl. 46 BA), den mit E-Mail vom 26. August 2021 von der Klägerin an den Landrat erbetenen zeitlichen Aufschub der sofortigen Nutzungsaufgabe ab.
12
Am 7. September 2021 erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten gegen den Bescheid Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,
den Bescheid des Landratsamts M. vom 24. August 2021 aufzuheben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen mit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgelegten Schriftsätzen vom 3. und 10. September 2021 vorgetragen, dass der Beklagte die Parkplatznutzung geduldet habe und hieran nach wie vor gebunden sei. Das Landratsamt, die Gemeinde und die Klägerin hätten sich im Juni 2020 auf eine Duldung der nun untersagten Parkplatznutzung verständigt, die so lange habe gelten sollen, bis über den Antrag der Gemeinde auf Errichtung eines öffentlichen Wanderparkplatzes entschieden bzw. der Antrag zurückgenommen worden sei. Eine solche Rücknahme liege nicht vor. Gemeinderatsbeschlüsse stellten reine Interna dar; ein Vollzug sei nicht erfolgt. Auch sei der Anspruch auf Nutzungsunterlassung verwirkt, da nach fast 60 Jahren Nutzung als Parkplatz ohne ein Einschreiten die Klägerin nicht mit einer Untersagung habe rechnen müssen. Ebenso sei es treuwidrig, wenn das Landratsamt einerseits einschreite, andererseits der Gemeinde empfehle, planerisch tätig zu werden. Die für den Parkplatz benötigte Fläche beziehe sich im übrigen allein auf eine Fläche von ca. 3600 m²; die in der Nutzungsuntersagung angegebene Fläche von 8000 m² sei daher falsch. Ebenso lägen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG nicht vor. Ein erheblicher Eingriff sei nicht vorgenommen worden. Die Ermessensentscheidung sei rechtsfehlerhaft. Dem Wortlaut der Norm entsprechend („soll“) handele es sich nicht um eine gebundene Entscheidung. Außerdem sei zu Unrecht davon ausgegangen worden, dass kein atypischer Fall vorliege. Die Befreiungsvoraussetzungen gemäß 67 Abs. 1 BNatSchG lägen vor. Mit der Nutzungsuntersagung trete keine Verbesserung der Sachlage ein und aufgrund der Überplanung als Bikepark scheide eine dauerhafte Zweckverfolgung ohnehin aus. Der Parkplatz sei im überwiegenden öffentlichen Interesse der Gemeinde im Hinblick auf Wild-Parker sowie Verkehrschaos an den Zufahrtswegen und diene einer gewünschten Kanalisierung der motorisierten und unmotorisierten Touristenströme. Bei Schließung der dringend benötigten Parkflächen sei der legitime Zweck der Untersagung in Ansehung der tatsächlich eintretenden Folgen mehr als zweifelhaft. Die Nutzungsuntersagung sei daher auch unverhältnismäßig. Schließlich sei es tatsächlich unmöglich, die Fahrzeuge von Langzeitparkern, die sich auf einer Alpenüberquerung befänden und noch nicht zurückgekehrt seien, zu entfernen.
14
Der Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 9. September 2021 und beantragte zuletzt die Klage abzuweisen.
15
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass sich der Zustand der Fläche den Luftbildern zufolge jedenfalls seit Mai 2018 verändert habe. Es seien ohne die erforderliche Genehmigung Fahrspuren eingebracht worden. Eine dauerhafte Duldung habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Bei dem Gespräch im Juni 2020 habe man sich darauf verständigt, dass die Klägerin während erforderlicher Baumpflegemaßnahmen auf dem genehmigten Parkplatz auf der FlNr. 116 vorübergehend die streitgegenständliche Fläche habe nutzen dürfen. Eine darüberhinausgehende Möglichkeit der Nutzung sei nicht erklärt worden. Unabhängig davon, dass keine dauerhafte Duldung vorgelegen habe, könne unter Verweis auf die Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 28.12.2016 - 15 CS 16.1774 - juris Rn. 33) allein durch eine faktische behördliche Duldung, selbst wenn sie über längere Zeit erfolgt sei, eine illegale bauliche Anlage nicht legal werden. Eine Nutzung als privater Parkplatz sei nie in Aussicht gestellt worden.
16
Den in Nummer 2 des Bescheids vom 24. August 2021 angeordneten Sofortvollzug hat der Beklagte seiner Mitteilung vom 5. Oktober 2021 zufolge aufgehoben. Die Parteien haben diesbezüglich eine einvernehmliche Lösung gefunden und den Vergleich vom 5. Oktober 2021 geschlossen. Daraufhin erklärte die Klägerin ihren Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 6. September 2022 gegen die für sofort vollziehbar erklärte Untersagungsanordnung für erledigt. Das Verwaltungsverfahren im einstweiligen Rechtsschutz stellte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 20. Oktober 2021 ein (M 19 S 21.4693).
17
Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2022 teilte die Klägerin mit, dass nunmehr fest mit einer Überplanung der FlNrn. 142, 145 (Teilfläche) und 146 der Gemarkung G. mit einem Bikepark entsprechend dem Beschluss des Bau- und Umweltausschusses vom 27. Juli 2021 zu rechnen sei. In der Gemeinderatssitzung vom 9. November 2021 sei die diesbezügliche Änderung des Flächennutzungsplans beschlossen worden. Beigelegt wird eine Beschlussabschrift, der zufolge der Gemeinderat dies mit 13 zu 3 Ja-Stimmen beschlossen habe. Gemäß Gemeinderatsbeschluss vom 26. April 2022 sei das Planungsbüro … … GmbH mit der Planung beauftragt worden; eine diesbezügliche Beschlussabschrift wurde nicht vorgelegt, allerdings ein Schreiben der Gemeinde vom 2. Mai 2022 an die Klägerin, in dem die Beschlussfassung über eine Beauftragung des Planungsbüros festgehalten ist.
18
Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2022 vertiefte die Klägerin ihr Anliegen. Darüber hinaus wurde vorgetragen, dass die LSG-VO anlässlich eines anderen verwaltungsrechtlichen Verfahrens (M 9 K 22. …*) für rechtsunwirksam erklärt worden sei und es dem Bescheid daher an der notwendigen materiell-rechtlichen Grundlage fehle. Bezüglich der vorgesehenen Überplanung wird auf einen Eingabeplan mit Ausgleichsflächenberechnung „Erweiterung des Freizeitgeländes O. - Bau eines Bikeparks mit Wasserspielfläche und Campingplatz“ verwiesen. Vorgelegt wurde zudem ein Gesellschaftsvertrag vom 27. April 2022 der Bike … … GmbH, die als Errichterin und Betreiberin des Bikeparks im Handelsregister des Amtsgerichts München am 26. Mai 2022 eingetragen worden sei.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2022 sowie die Gerichts- und Behördenakten in diesem Verfahren und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzen M 19 S 21. … Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig aber nicht begründet.
21
Der Bescheid vom 24. August 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 VwGO.
22
I. Die Unterlassungsanordnung in Nummer 1 des Bescheids vom 24. August 2021 ist rechtmäßig.
23
1. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG.
24
Nur, weil sich der Beklagte in seinem Bescheid nicht auf diese - hier einschlägige - Rechtsgrundlage gestützt hat, entbehrt er ihrer nicht. Denn das Gericht ist im Hinblick auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der verlangt, dass der Verwaltungsakt (objektiv) rechtswidrig „ist“ - verpflichtet zu prüfen, ob (und ggf. in welchem Umfang) der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern der Bescheid durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsnorm nicht in seinem Wesen verändert wird (BayVGH, U.v. 23.7.2020 - 14 B 18.1472 - juris Rn. 29; BVerwG, B.v. 29.7.2019 - 2 B 19.18 - NVwZ-RR 2020, 113 Rn. 24).
25
1.1. Angesichts der sowohl formalen Unwirksamkeitsproblematik (abhanden gekommenes Kartenmaterial der aus den 1950er-Jahren stammenden LSG-VO) als auch der im Raum stehenden materiellen Unwirksamkeit (vgl. VG München, U.v. 15.6.2022 - M 9 K 22.2112 - noch n.v.), wird die im Bescheid gewählte Rechtsgrundlage (Art. 18 Abs. 2 BayNatSchG i.V.m. § 3 LSG-VO i.V.m. § 17 Abs. 8 BNatSchG) die Anordnung aller Voraussicht nach nicht tragen können. Der Beklagte selbst räumte in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2022 die Ungültigkeit der bisherigen LSG-VO ein. Aufgrund einer anderweitig vorliegenden Rechtsgrundlage kann die Thematik der Wirksamkeit der LSG-VO jedoch dahinstehen.
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1.2. Denn die im Bescheid getroffene Unterlassungsanordnung erfährt aufgrund des hier vorzunehmenden Austauschs der Rechtsgrundlage keine sog. Wesensänderung. Die genannten Vorschriften - Art. 18 Abs. 2 BayNatSchG einerseits und § 17 Abs. 8 BNatSchG andererseits - weisen auf der Rechtsfolgenseite keine derartig beachtlichen Unterschiede auf, dass diese einer Übertragung der von dem Beklagten angestellten Ermessenserwägungen entgegenstehen. Beiden Rechtsgrundlagen zufolge mutet der Gesetzgeber dem Verursacher eines naturschutzwidrigen Eingriffs nicht nur die Untersagung einer weiteren Durchführung des Eingriffs, sondern auch die Wiederherstellung des früheren Zustands regelmäßig zu. Dies ergibt sich schon offensichtlich aus dem Verweis des Art. 18 Abs. 2 BayNatSchG auf § 17 Abs. 8 BNatSchG, wonach in beiden Fällen § 17 Abs. 8 BNatSchG - unmittelbar oder entsprechend - angewendet wird. Ob der Verweis in Art. 18 Abs. 2 BayNatSchG als Rechtsfolgen- oder aber Rechtsgrundverweis zu verstehen ist, muss hier nicht geklärt werden.
27
§ 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG ist eine sog. „Soll-Vorschrift“, wonach die Behörde beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die weitere Durchführung des Eingriffs untersagen „soll“. Bei diesem sog. intendierten Ermessen darf die Behörde nur in atypischen Fällen, die gesondert zu begründen sind, von der entsprechenden Anordnung absehen (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 9.9.2021 - 28 K 6001-19 - juris Rn. 72; OVG NW, U.v 9.2.2017 - 8 A 2206/15 - juris Rn. 32).
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2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG sind gegeben und auch das in diesem Rahmen erforderliche Ermessen wurde in genügender Weise ausgeübt.
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Gemäß der Eingriffsbefugnis des § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG soll die zuständige Behörde, wenn ein Eingriff in Natur und Landschaft ohne die erforderliche Zulassung oder Anzeige vorgenommen wurde, die weitere Durchführung des Eingriffs untersagen.
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2.1. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dem Anlegen eines Parkplatzes und der dabei erfolgten Aufbringung einer Kiesschicht für eine Fahrspur sowie der Nutzung der Fläche als Parkplatz um einen Eingriff in Natur und Landschaft i.S.v. § 17 Abs. 8 i.V.m. § 14 Abs. 1 BNatSchG. Danach sind Eingriffe in Natur und Landschaft - von Menschen herbeigeführte - Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes erheblich beeinträchtigen können.
31
Wie im Bescheid zutreffend ausgeführt, wurde sowohl die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts als auch des Landschaftsbilds durch die Veränderung der Fläche im Bereich der Fahrspur und das Parken auf der Fläche erheblich beeinträchtigt. Der Naturhaushalt ist durch den Verlust von Vegetationsfläche, von Boden und der im Boden lebenden Organismen, die Versiegelung von Boden und eine Störung des Wasserhaushalts, insbesondere durch Schadstoffabsonderung der parkenden Autos, betroffen. Das Landschaftsbild ist durch die Zufahrtsbefestigung und die parkenden PKWs in dem dafür untypischen und wesensfremden Außenbereich beeinträchtigt. Die Erheblichkeitsschwelle ist damit überschritten. Dies vermag auch der klägerische Einwand, die Öffentlichkeit wünsche das dortige Abstellen von PKWs, nicht entkräften.
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2.2. Dieser Eingriff in Natur und Landschaft wurde ohne die erforderliche Zulassung oder Anzeige vorgenommen.
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Zwar kommt es aufgrund der nicht mehr im Raum stehenden LSG-VO nicht mehr auf eine Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG (Befreiung von Ge- und Verboten einer naturschutzrechtlichen Rechtsverordnung) an. Wohl aber war der Parkplatz baurechtlich genehmigungspflichtig. Dies ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5, Art. 55 Abs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO). Hiernach gelten Stellplätze für Kraftfahrzeuge als bauliche Anlagen, die einer Baugenehmigung bedürfen. Von einer Verfahrensfreiheit ist im Rückschluss aus Art. 57 Abs. 1 Nr. 15b BayBO nicht auszugehen. Zwar handelt es sich um einen nicht überdachten Parkplatz. Dieser umfasst mit rund 3.600 m² jedoch eine weit größere Fläche als die in der Norm genannten verfahrensfreien 300 m² und befindet sich überdies im Außenbereich. Eine solche Genehmigung wurde zu keinem Zeitpunkt erteilt.
34
3. Der Beklagte hat das intendierte Ermessen beanstandungsfrei ausgeübt. Von der in § 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG vorgesehenen Unterlassungsanordnung kann nur in atypischen Ausnahmefällen abgesehen werden. Wie im Bescheid festgestellt, bestehen diese nicht. Der klägerische Einwand, es handele sich um eine atypische Konstellation, weil die Fläche faktisch nicht mehr der Norm eines Landschaftsschutzgebietes entspreche und eine planungsrechtlich gebotene Anpassung erfahren solle, wird nicht geteilt. Eine anderweitige Flächennutzung befindet sich lediglich im Planungszustand. Änderungen des Flächennutzungsplans erfolgten bislang nicht. Nach Aussage des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2022 ist der fachliche Naturschutz als Träger öffentlicher Belange bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht formell am Flächennutzungsplanänderungsverfahren beteiligt worden. Die Beurteilung hat sich jedoch am rechtlichen Ist-Zustand und nicht an etwaigen - noch nicht näher abgesicherten - Planungen zu orientieren. Es bedurfte auch keiner weiteren Ermessenserwägungen. Im Übrigen trifft der Bescheid Aussagen zur Verhältnismäßigkeit; zunächst sei eine weitere Verschlechterung des Zustands der Fläche zu verhindern.
35
Auch wurde eine zutreffende Störerauswahl getroffen. Der Bescheid wird an die Klägerin als Handlungsstörerin adressiert. Dies entspricht dem Grundsatz des § 15 Abs. 1 BNatSchG, wonach im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in der Regel nur der sog. Handlungsstörer und nicht der Zustandsstörer (Eigentümer) verpflichtet werden kann, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 9.9.2021 - 28 K 6001-19 - juris Rn. 76 ff.; OVG NW, U.v 9.2.2017 - 8 A 2206/15 - juris Rn. 30).
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4. Auch die weiteren Einwände der Klägerseite führen nicht zum Erfolg der Klage.
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4.1. Die Nutzungsuntersagung scheitert weder an einer temporären noch an einer generellen Duldung der Parkplatznutzung.
38
Die im Schreiben des Landratsamts vom 22. Juli 2020 erwähnte temporäre Nutzung der FlNr. 146 als Parkfläche bezog sich unmissverständlich auf die Dauer der Gehölzbeseitigung im Rahmen der Verkehrssicherungspflichten auf der FlNr. 116, die laut dem Baumpflegeunternehmen bis zum 17. August 2020 abgeschlossen waren. Eine weitergehende Duldung der Parknutzung ist hierin nicht zu sehen.
39
Aus der von Klägerseite nicht näher belegten mündlichen Vereinbarung vom Juni 2020 kann ebenfalls keine Duldung der streitgegenständlichen, durch die Klägerin betriebenen Parkplatznutzung abgeleitet werden. Gegenstand der Gespräche war unstreitig zu keinem Zeitpunkt eine private Parkplatznutzung durch die Klägerin. Vielmehr hatten sich die Beteiligten darauf verständigt, während des Verfahrens der Gemeinde bezüglich der Errichtung eines öffentlichen Wanderparkplatzes von einer Nutzungsuntersagung abzusehen. Eine solche Zusage stellt jedoch keine Duldung einer illegalen Nutzung dar. Die Verwaltung ist zu jedem Zeitpunkt angehalten, die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten und kann sich ihnen nicht durch eigenes Verhalten - beispielsweise in Gestalt des Untätigbleibens - entziehen. Daher ist es für die Rechtmäßigkeit der Untersagungsanordnung unerheblich, ob etwaige Projekte, sei es ein öffentlicher Wanderparkplatz oder ein Bikepark, geplant werden, solange keine diesbezüglichen Genehmigungen oder Planänderungen vorgenommen wurden. Das Argument der Klägerin, man könne weder in dem Beschluss des Bau- und Umweltausschusses vom 27. Juli 2021 noch in der darauffolgenden E-Mail des Bauamts der Gemeinde ans Landratsamt eine Rücknahme des Antrags auf Errichtung eines öffentlichen Wanderparkplatzes sehen, wirkt sich daher nicht entscheidungserheblich aus.
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Eine länger andauernde faktische Duldung könnte sich allenfalls im Rahmen des behördlichen Ermessens, also auf Rechtsfolgenseite auswirken (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 - 15 CS 16.1774 - juris Rn. 33). Selbst bei ihrer Berücksichtigung als verminderter Vertrauenstatbestand (schon dies verneinend OVG NW, U.v. 16.3.2012 - 2 A 760/10 - juris Rn. 52), handelt es sich bei einem Zeitraum von nicht ganz zwei Jahren - ausgehend von der Feststellung der illegalen Parkplatzerrichtung im Oktober 2019 und der im August 2021 erfolgten Nutzungsuntersagung - bereits um keinen entscheidungserheblichen Duldungszeitraum. Außerdem findet er in der Bescheidsbegründung zu dem Gemeindeansinnen der öffentlichen Parkplatzerrichtung eine Erklärung. Der klägerische Vortrag, die Nutzung der streitgegenständlichen Flächen als Parkplatz werde bereits seit 1965 geduldet, wird nicht näher substantiiert und zudem durch die Luftbilder aus den Jahren 2015 und 2018 widerlegt. Vor allem aber räumt die hier einschlägige Rechtsgrundlage § 17 Abs. 8 BNatSchG dem Beklagten nur ein intendiertes Ermessen ein, sodass eine etwaige kurzzeitige faktische Duldung einer Untersagungsanordnung nicht entgegensteht.
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4.2. Die Befugnis des Unterlassungsverlangens einer illegalen Anlage kann auch nicht verwirkt werden. Dies folgt schon daraus, dass nur Rechte, nicht aber Pflichten - hier die behördliche Pflicht, für rechtmäßige Zustände zu sorgen - verwirkt werden können (vgl. BayVGH, B.v. 15.9.2006 - 15 ZB 06.2065 - juris Rn. 5 m.w.N.).
42
4.3. Schließlich verfängt auch nicht der Einwand treuwidrigen Verhaltens des Beklagten. Der im Nutzungsuntersagungsverfahren erfolgte Hinweis des Beklagten an die Gemeinde, man müsse planerisch tätig werden, um den touristischen Betrieb auf den FlNrn. 146 und 145 zu erreichen, stellt sich nicht als widersprüchlich zur Nutzungsuntersagung dar. Das Landratsamt stellt diesbezüglich allein die zutreffende Rechtslage dar.
43
4.4. Auch wenn der Eingriff nicht die Gesamtheit der rund 8000 m² großen streitgegenständlichen Flurnummern betrifft, ist es nicht zu beanstanden, dass die Nutzungsuntersagung auf die Gesamtheit der Flächen bezogen wurde. Damit wird allenfalls klargestellt, dass auch auf der übrigen, nicht als Parkplatz verwendeten Fläche eine Parkplatznutzung zu unterlassen ist.
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II. Die Zwangsgeldandrohung in Nummer 3 des Bescheids ist nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29, Art. 31 und Art. 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG).
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Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Anwendung des Anwendungsermessens (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2012 - 9 ZB 11.2528 - juris Rn. 17 ff.) sind nicht gegeben, Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG. Das Zwangsgeld war auch grundsätzlich geeignet, die Klägerin zur Einhaltung der Unterlassungsanordnung zu bewegen und diesbezüglich - auch hinsichtlich seiner Höhe von 100 EUR je vorgefundenem Kraftfahrzeug - geboten und verhältnismäßig.
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III. Entsprechend der Unterlassungsanordnung ist auch die in Nummer 4 des Bescheids gegenüber dem Beigeladenen ausgesprochene Duldungsanordnung nicht zu beanstanden. Art. 17 Abs. 8 Satz 1 BNatSchG umfasst als Minus auch die Anordnung an einen Dritten, eine Unterlassungsanordnung zu dulden (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2007 - 14 CS 07.275 - juris Rn. 15 für den Fall der Duldung einer Beseitigungsanordnung).
47
VI. Ebenso wenig ist die Kostenerhebung in Nummern 5 und 6 des Bescheids zu beanstanden. Sie folgt dem Kostengesetz i.V.m. dem Kostenverzeichnis.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).