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VG München, Urteil v. 14.03.2022 – M 5 K 17.38313
Titel:

Erfolglose Asylklage einer ugandischen Staatsangehörigen

Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsatz:
Ob Homo-/Bisexualität in Uganda eine Verfolgungsgefahr begründet, konnte offenbleiben, da das Vorbringen der Klägerin unglaubhaft war.  (Rn. 16 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Homosexualität (bisexuell/lesbisch), unglaubhaft, Asyl, sexuelle Minderheit, Homosexualität, Bisexualität
Fundstelle:
BeckRS 2022, 20161

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die 1984 geborene Klägerin ist ugandische Staatsangehörige, reiste nach ihren Angaben am … Oktober 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … April 2016 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung am ... Dezember 2016 trug sie vor, dass sie ausgereist sei, da sie bisexuell sei. Der Ehemann einer Freundin habe sie und ihre Freundin im Jahr 2013 beim Sex erwischt. Er habe beide Frauen geschlagen, es sei ein Auflauf entstanden. Sie sei für drei Tage festgenommen und auf Kaution bis zu einem Gerichtstermin freigelassen worden. Die Kaution sei von anderen lesbischen Freundinnen gestellt worden. Sie habe sich an einem anderen Ort versteckt, denn sie sei an ihrem Heimatort beschimpft und mit dem Tode bedroht worden. Den Gerichtstermin am … März 2014 habe sie nicht wahrgenommen, sondern sei im Mai 2014 ausgereist.
3
Mit Bescheid vom … April 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
4
Die Klagepartei hat am 27. April 2017 Klage erhoben und zuletzt beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … April 2017 wird mit Ausnahme der Ziffer 2 aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet,
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der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
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hilfsweise, der Klägerin subsidiären Schutz zuzuerkennen,
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höchst hilfsweise festzustellen, dass Abschiebehindernisse nach § 60 Abs. 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)
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Zur Begründung wurde auf die Strafbarkeit homosexueller Handlungen in Uganda verwiesen.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Klägerbevollmächtigten wurde mit Beschluss vom 21. Januar 2022 abgelehnt.
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Am 14. März 2022 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 14. März 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
16
Die Klägerin hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
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a) Der Vortrag der Klägerin ist unglaubhaft. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag, sie sei bisexuell und befürchte daher eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda.
18
Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen auch gleichgeschlechtlichen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert - gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat die Klägerin beim Bundesamt nichts vorgetragen. Auch die - stereotype - Einlassung in der mündlichen Verhandlung hierzu, dass sie die Beziehung zu Frauen nur im Geheimen ausgelebt habe, und sie sei ein Mensch und „eben so“, ist völlig platt, künstlich und wirkt aufgesetzt. Das „innere Ringen“ zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber ihrer sexuellen Veranlagung drängt sich geradezu auf. Zum Zwiespalt zwischen den nach außen erwarteten Konventionen gegenüber der eigenen sexuellen Veranlagung hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas vorgetragen, sondern sich auf Allgemeinplätze beschränkt (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.).
19
Unterstrichen wird die Unglaubhaftigkeit des Vortrags dadurch, dass er unlogisch und widersprüchlich ist. So wirkt das Umschlagen einer freundschaftlichen Beziehung zu einer Frau in Uganda in eine sexuelle Beziehung unlogisch. Auch auf wiederholtes Nachfragen hat die Klägerin immer nur angegeben, dass „sie die Frau mochte und sie mich auch“. In einer Gesellschaft, in der gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen strafrechtlich sanktioniert sind und einen gesellschaftlichen Tabubruch darstellen, ist es unlogisch, dass eine freundschaftliche Beziehung ohne weiteres in eine sexuelle Beziehung umschlägt, ohne dass sich beide Partnerinnen gegenseitig vergewissern. Hierzu hat die Klägerin auch nicht ansatzweise plausible Umstände vorgetragen, dass die von der Klägerin ständig betonte Geheimhaltung ihrer Beziehung zu dieser Freundin auch beim „Umschlagen“ in eine sexuelle Beziehung gewahrt worden sein soll. Auch der Umstand, dass sie mit ihrer Freundin zu einem Frauenkreis gegangen sein will, in dem alle Frauen „so waren“, bedingt nichts Anderes. Denn sie habe das niemandem gesagt und in dem Kreis habe auch niemand etwas davon gewusst.
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Insgesamt erscheint der Vortrag der Klägerin unlogisch, widersprüchlich und aufgesetzt. Dabei fällt auf, dass die Ausländerin immer wieder stereotype Erklärungen fast formelhaft wiederholt hat. Deren Vortrag ist daher unglaubhaft.
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b) Nach § 145 des Strafgesetzbuches (Penal Code Act, 1950) sind homosexuelle Handlungen sowohl zwischen Männern als auch Frauen unter Strafe gestellt („Geschlechtsverkehr wider die Natur“). Am 24. Februar 2014 unterzeichnete der Präsident Ugandas ein Gesetz, das für gleichgeschlechtliche Handlungen Strafen bis zur Todesstrafe sowie eine Strafbarkeit für „Förderung der Homosexualität“ und die „Unterstützung und Beihilfe zur Homosexualität“ vorgesehen hat (Auskunft von amnesty international vom 30.8.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof). Dieses Gesetz wurde aber vom Verfassungsgericht im August 2014 für nichtig erklärt (Länderinformationsblatt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Stand 27.9.2017, S. 17). Die Diskussion um die letztlich erfolglose Gesetzesverschärfung 2014/15 sei danach abgeflacht (Auswärtiges Amt vom 2.7.2018 an das BAMF). Eine im Oktober 2019 von Ethik- und Integritätsminister Ugandas angekündigte Einführung der Todesstrafe für einvernehmliche homosexuelle Handlungen wurde wenige Tage später von einem Regierungssprecher dementiert (Auskunft von amnesty international vom 21.10.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof).
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Die von anderen Verwaltungsgerichten in Bezug auf Homosexuelle in Uganda vertretene Ansicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 4.9.2017 - RN 1 K 17.32818 - juris S. 12 m.w.N.), dass insoweit die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG erfüllt wären, kommt für den vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen. Denn die Klägerin hat nicht glaubhaft vortragen können, bisexuell zu sein.
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c) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
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Da die Klägerin vor ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt ohne weiteres bestreiten konnte, wird ihr das auch bei einer Rückkehr nach Uganda möglich sein. Da ihr Vortrag unglaubhaft ist, dass sie angeblich bisexuell veranlagt sei, kann sie hierfür auch auf die Hilfe ihrer Familie verwiesen werden.
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2. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.