Titel:
Erfolglose Asylklage ugandischer Staatsangehöriger
Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsatz:
Ob Homo-/Bisexualität in Uganda eine Verfolgungsgefahr begründet, kann offenbleiben, da das Vorbringen unglaubhaft war. (Rn. 17 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Homosexualität (bisexuell/lesbisch), unglaubhaft, Asyl, sexuelle Minderheit, Bisexualität
Fundstelle:
BeckRS 2022, 20160
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die 1985 geborene Klägerin und der 2014 geborene Kläger sind ugandische Staatsangehörige, reisten nach ihren Angaben am … Oktober 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … April 2017 einen Asylantrag.
2
Bei ihrer Anhörung trug die Klägerin vor, dass sie ausgereist sei, da sie dabei ertappt worden sei, wie sie im Wohnzimmer Sex mit ihrer Freundin gehabt habe. Ihre Stiefmutter habe sie mit kochendem Wasser überschüttet, die Freundin habe fliehen können. Sie sei dann zu einer Freundin geflohen von der sie wisse, dass die Prostituierte in die Türkei vermittle. Sie habe erfahren, dass die ganze Familie und ganze Gemeinschaft gegen sie sei, da sie homosexuell sei. Sie sei bisexuell. Dort sei sie fünf Monate geblieben und im Jahr 2012 in die Türkei gereist. Als sie dort zur Prostitution gezwungen werden sollte, sei sie geflohen. Sie habe in einem Park gesessen und geweint. Dort habe ein Nigerianer gesehen, mitgenommen und sich um sie gekümmert. Inzwischen seien sie verheiratet und hätten ein Kind - den Kläger - zusammen.
3
Mit Bescheid vom … Mai 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
4
Die Klagepartei hat am 12. Juni 2017 Klage erhoben und zuletzt beantragt,
5
1. Der Bescheid der Beklagten wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klagepartei als Asylberechtigte/n anzuerkennen,
7
2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
8
3. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für den subsidiären Schutzstatus vorliegen.
9
4. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen.
10
Die Klägerin sei bisexuell und müsse bei einer Rückkehr nach Uganda mit staatlicher Verfolgung oder Übergriffen Dritter rechnen, gegen die von staatlichen Behörden nicht eingeschritten werde. Der diesbezügliche Vortrag der Klägerin sei glaubhaft.
11
Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
12
Am 14. März 2022 fand mündliche Verhandlung statt.
13
Der Asyl- und Schutzantrag des Vaters des Klägers und Ehemanns der Klägerin wurde mit Bescheid vom … April 2017 abgelehnt. Eine hiergegen erhobene Klage wurde mit Urteil vom 14. September 2018 abgewiesen (M 27 K 17.39215).
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 14. März 2022 verwiesen.
Entscheidungsgründe
15
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
16
a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte. Sie kann sich nicht auf Art. 16 a des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz/GG) berufen, da sie kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert hat, das die Anerkennung als Asylberechtigter wie auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde. Eine Anerkennung als Asylberechtigte scheitert bereits daran, dass sie nach ihren Angaben auf dem Landweg und damit zwangsläufig über einen sicheren Drittstaat in das Bundesgebiet eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG).
17
b) Der Vortrag der Klägerin ist unglaubhaft. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag, sie sei bisexuell und befürchte daher eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda.
18
Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen auch gleichgeschlechtlichen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert - gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat die Klägerin beim Bundesamt nichts vorgetragen. Auch die Einlassung in der mündlichen Verhandlung hierzu, dass sie die Beziehung zu Frauen nur im Geheimen ausgelebt habe, sie sei nicht glücklich darüber, da das verboten sei, für sie sei das „o.k.“ und sie fühle sich gut, wenn sie mit ihrer Partnerin zusammen sei, ist völlig platt, künstlich und wirkt aufgesetzt. Das „innere Ringen“ zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber ihrer sexuellen Veranlagung drängt sich geradezu auf. Zum Zwiespalt zwischen den nach außen erwarteten Konventionen gegenüber der eigenen sexuellen Veranlagung hat die Klägerin auch nicht ansatzweise etwas vorgetragen, sondern sich auf Allgemeinplätze beschränkt (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.).
19
Unterstrichen wird die Unglaubhaftigkeit des Vortrags dadurch, dass er unlogisch und widersprüchlich ist. Es ist bereits unlogisch, dass die Klägerin ihre Ausreise über eine Frau organisiert, von der sie nach ihren Angaben weiß, dass sie Frauen in die Prostitution vermittelt, für die Klägerin aber eine andere Arbeit in einer Fabrik gefunden werden sollte. Denn es ist völlig unplausibel, warum die Frau im Fall der Klägerin eine Ausnahme machen sollte und diese nicht in die Prostitution vermitteln sollte. Andererseits muss der Klägerin bewusst sein, dass sie sich durch die Annahme der „Vermittlungsdienste“ völlig in die Hände dieser Frau begab und kaum mehr eine Möglichkeit hatte, sich gegen deren Agieren - auch gegen den Willen der Klägerin - zu wehren.
20
Weiter wirkt völlig aufgesetzt, dass die Klägerin in einem Park in der Türkei - nachdem sie der Prostitution entkommen sein will - einen anderen Afrikaner getroffen haben will, der in einer weit entfernten Stadt gewohnt haben, die Klägerin spontan mitgenommen und sich um sie gekümmert haben will. Schließlich habe sie mit ihm eine Beziehung begonnen und er sei der Vater des Klägers zu 2. Das ist eine unlogische Geschichte. Diese merkwürdige Zusammenballung verschiedenster Zufälle ist nicht nachvollziehbar und wirkt völlig aufgesetzt, frei erfunden.
21
Insgesamt erscheint der Vortrag der Klägerin unlogisch, widersprüchlich und aufgesetzt. Deren Vortrag ist daher unglaubhaft. Daher besteht auch keine Gefahr für die Klägerin bei einer Rückkehr nach Uganda erkannt zu werden, was im Übrigen nach über 10 Jahren Abwesenheit auch nahezu auszuschließen wäre.
22
c) Nach § 145 des Strafgesetzbuches (Penal Code Act, 1950) sind homosexuelle Handlungen sowohl zwischen Männern als auch Frauen unter Strafe gestellt („Geschlechtsverkehr wider die Natur“). Am 24. Februar 2014 unterzeichnete der Präsident Ugandas ein Gesetz, das für gleichgeschlechtliche Handlungen Strafen bis zur Todesstrafe sowie eine Strafbarkeit für „Förderung der Homosexualität“ und die „Unterstützung und Beihilfe zur Homosexualität“ vorgesehen hat (Auskunft von amnesty international vom 30.8.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof). Dieses Gesetz wurde aber vom Verfassungsgericht im August 2014 für nichtig erklärt (Länderinformationsblatt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Stand 27.9.2017, S. 17). Die Diskussion um die letztlich erfolglose Gesetzesverschärfung 2014/15 sei danach abgeflacht (Auswärtiges Amt vom 2.7.2018 an das BAMF). Eine im Oktober 2019 von Ethik- und Integritätsminister Ugandas angekündigte Einführung der Todesstrafe für einvernehmliche homosexuelle Handlungen wurde wenige Tage später von einem Regierungssprecher dementiert (Auskunft von amnesty international vom 21.10.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof).
23
Die von anderen Verwaltungsgerichten in Bezug auf Homosexuelle in Uganda vertretene Ansicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 4.9.2017 - RN 1 K 17.32818 - juris S. 12 m.w.N.), dass insoweit die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG erfüllt wären, kommt für den vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen. Denn die Klägerin hat nicht glaubhaft vortragen können, bisexuell zu sein.
24
d) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
25
Da die Klägerin vor ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt ohne weiteres bestreiten konnte, wird ihr das auch bei einer Rückkehr nach Uganda möglich sein. Da ihr Vortrag unglaubhaft ist, dass sie angeblich bisexuell veranlagt sei, kann sie hierfür auch auf die Hilfe ihrer Familie verwiesen werden. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Vater des Klägers zu 2, mit dem die Klägerin nicht verheiratet ist (dessen Asyl- und Schutzantrag rechtkräftig abgelehnt ist: VG München, U.v. 14.9.2018 - M 27 K 17.39215), nicht zusammen mit den Klägern in Uganda leben könnte.
26
e) Für den Kläger zu 2 wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgetragen. Dessen Asyl- und Schutzantrag ist daher ebenso in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgelehnt worden. Hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts ist er auf die Fürsorge seiner Mutter zu verweisen, der das - wie oben dargelegt - auch grundsätzlich möglich ist.
27
2. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
28
Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
29
3. Die Kläger haben als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.