Inhalt

VGH München, Urteil v. 01.02.2022 – 4 N 21.757
Titel:

Rechtmäßigkeit eines nachträglichen nächtlichen Betretungsverbots für gemeindliche Grünanlagen

Normenketten:
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 8, Art. 28 Abs. 2
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 1
BayGO Art. 21 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, Art. 57 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
Sachliche, persönliche, räumliche oder zeitliche Begrenzungen des Widmungszwecks bzw. Widmungsumfangs einer öffentlichen Einrichtung sind grundsätzlich nicht am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. (Rn. 26)
1. Eine Satzungsregelung kann ausnahmsweise auch nach Ablauf ihrer Geltungsdauer  Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle sein, wenn ein berechtigtes Interesse an der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit besteht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Zusammentreffen auf einer Grünanlage zu einer "silent disco" wird vom Schutzbereich der Versammlungsfreiheit nicht umfasst. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die nachträgliche zeitliche Beschränkung der Benutzung einer zum Gemeingebrauch gewidmeten Grünanlage greift nicht in das Grundrecht der Handlungsfreiheit ein. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein nächtliches Betretungsverbot für eine innerstädtische Grünanlage aus Gründen des Lärmschutzes hat einen sachlichen Grund und ist nicht willkürlich. (Rn. 26 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolle einer kommunalen Grünanlagensatzung, nächtliches Betretungsverbot aus Lärmschutzgründen, Antragsbefugnis bei nachträglicher Widmungsbeschränkung, Organisations- und Gestaltungsermessen des Einrichtungsträgers, nachträgliche Beschränkung des zeitlichen Umfangs der Benutzung, verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle, Feststellungsinteresse, Betretungsverbot, öffentliche Einrichtung, Grünanlage, silent disco, Tanzveranstaltung, Versammlungsfreiheit, Widmung, Lärmbelästigung, sachlicher Grund, Organisationsermessen, zeitliche Beschränkung
Fundstellen:
BayVBl 2022, 380
NuR 2022, 661
BeckRS 2022, 2004
LSK 2022, 2004
DÖV 2022, 689

Tenor

I. Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Normenkontrollantrag gegen ein zeitweilig geltendes Betretungsverbot für zwei innerstädtische Grünanlagen.
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Nach § 1 Abs. 1 der „Satzung für die Benutzung der öffentlichen Grünanlagen und Spielanlagen der Stadt R … (Grünanlagensatzung - GrünanlS)“ vom 25. Juli 2019 (AMBl. Nr. 34 vom 19.8.2019) sind die im Stadtgebiet der Antragsgegnerin vorhandenen, in den beigefügten Verzeichnissen aufgeführten öffentlichen Grünanlagen und Spielanlagen öffentliche Einrichtungen der Stadt. Nach § 2 GrünanlS hat jeder das Recht, die Grünanlagen und Spielanlagen unentgeltlich zum Zwecke der Erholung und des Spielens nach Maßgabe der Satzung zu benutzen. § 3 GrünanlS enthält verhaltensbezogene Regelungen, wonach u. a. der ruhestörende Gebrauch von Tonwiedergabegeräten oder Musikinstrumenten (Abs. 6 Nr. 11) und der Aufenthalt in einem Rauschzustand (Abs. 6 Nr. 12) verboten sind.
3
Mit § 1 Nr. 1 Buchst. b der Änderungssatzung vom 27. August 2020 (AMBl. Nr. 37 vom 7.9.2020) wurde § 3 GrünanlS um folgenden Abs. 7 ergänzt:
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„(7) Die Grünanlagen G … (Nr. 30) und J … (Nr. 43) dürfen in den Monaten April bis Oktober in der Zeit von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr nicht betreten werden.“
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Nach § 2 der Änderungssatzung trat diese Bestimmung am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Oktober 2021 außer Kraft.
6
Am 12. März 2021 ließ die Antragstellerin, die im Stadtgebiet der Antragsgegnerin wohnt, gegen die Änderungsvorschrift einen Normenkontrollantrag erheben. Sie habe sich am 11. September 2020 gegen 23.00 Uhr zur Veranstaltung einer sog. Silent Disco mit anderen Teilnehmern auf der Grünanlage J … aufgehalten und sei von Mitarbeitern des städtischen Ordnungsamts und von der Polizei des Platzes verwiesen worden. Das in der Vorschrift enthaltene anlassunabhängige Betretungsverbot greife in nicht gerechtfertigter Weise in ihre Rechte insbesondere aus Art. 8 GG und Art. 2 Abs. 1 GG ein. Laut der Beschlussvorlage vom 25. August 2020 habe das zuvor eingeführte Verbot von Tonwiedergabegeräten und Musikinstrumenten in Anbetracht der Lärmbeschwerden der Anwohner nicht ausgereicht. Vorrangiger Zweck des befristeten Betretungsverbots sei danach die Verhinderung eines übermäßigen Lärmaufkommens und nebenbei die Verhinderung des Müllaufkommens; zudem werde die Neuregelung im Hinblick auf den Infektionsschutz bezüglich des Corona-Virus als förderlich angesehen. Die Vorschrift sei aber zur Erreichung dieser Zwecke nicht geeignet. Eine signifikante Reduzierung der Geräuschkulisse sei schon durch bisherige Regelung des § 3 Abs. 6 Nr. 11 GrünanlS erreicht worden. Durch ein Betretungsverbot könne kein Mehrgewinn an Geräuschminimierung erzielt werden. Ein nicht nachvollziehbares Betretungsverbot werde weniger akzeptiert als eine nachvollziehbare Lärmvermeidung. Noch evidenter sei die fehlende Geeignetheit bei der erstrebten Reduzierung von Verstößen gegen die Infektionsschutzregelungen. Eine bloße Wiederholung des bereits in verschiedenen Fassungen der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung normierten Verbots könne nicht zu einer zusätzlichen Reduzierung des Infektionsgeschehens führen. Soweit sich die Antragsgegnerin in der Beschlussvorlage auf die Erforderlichkeit für einen effektiven Vollzug berufe, werde nicht ausgeführt, inwiefern ein Betretungsverbot im Vergleich zu einem Lärmverbot effektiver sein könnte. Bereits in den geltenden Bestimmungen der Grünanlagensatzung würden ausreichende Beschränkungen und Regelungen über die Benutzung der Grünanlagen aufgestellt, mit denen auf Störungen im Einzelfall reagiert werden könne. Stattdessen werde mit der angegriffenen Regelung auch allen sich leise verhaltenden oder lediglich vorbeigehenden Personen das Betreten der Grünanlagen verboten. Die fehlende Angemessenheit zeige exemplarisch der vorliegende Fall, in dem die Antragstellerin mit anderen Personen eine sog. Silent Disco betrieben habe, also eine von außen lediglich als Tanz wahrnehmbare Ansammlung von Menschen mit Kopfhörern. An einem Verbot derartiger Veranstaltungen bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse, da dadurch niemand belästigt oder gestört werde. Zur Behebung des Müllproblems sei ein Getränke- und Speiseverbot die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme. Statt des Verbots könnten auch höhere Bußgelder ein effektives Mittel zur Aufrechterhaltung der Ordnung darstellen. Wer bisher das Lärmverbot ignoriert habe, werde auch das Betretungsverbot ignorieren. Es sei zudem willkürlich, dass das Betreten nur der Grünanlagen G … und J … verboten werde, obwohl es nach der Beschlussvorlage auch in anderen Grünanlagen vermehrt zu starken Ruhestörungen komme. Die in der Änderungssatzung enthaltene Befristung sei in die neue Fassung der Grünanlagensatzung nicht aufgenommen worden; damit bleibe das Betretungsverbot unbefristet bestehen, obwohl die Corona-Pandemie eine stetige Neubewertung der tatsächlichen und rechtlichen Entwicklungen verlange.
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Die Antragstellerin beantragt,
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§ 3 Abs. 7 GrünanlS für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Normenkontrollantrag abzulehnen.
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Die Grünanlagen G … und J … stellten zwei zentral und fußläufig gelegene städtische Grünanlagen dar. In den letzten Jahren habe sich das Freizeitverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen dahingehend geändert, dass man sich vor dem Besuch der örtlichen Lokale in den Grünanlagen treffe und sich u. a. mittels mitgebrachter Getränke auf den weiteren Abend einstimme bzw. gleich bis in die späten Abend- bzw. frühen Morgenstunden in den beiden Grünanlagen feiere. Dieser Trend habe sich infolge der coronabedingten Schließung von Bars und Diskotheken seit dem Frühjahr 2020 noch einmal verstärkt. Die Nutzung der Grünanlagen habe Spannungen im Hinblick auf das Ruhebedürfnis der Anwohner ausgelöst. Nach Feststellung des Kommunalen Ordnungsservices (KOS) hielten sich von Donnerstag bis Samstag in der Zeit zwischen 19.00 Uhr und 01.00 Uhr im Durchschnitt in der Anlage G … 400 bis 500 und auf der J … bis zu 800 Personen auf, welche oft alkoholisiert seien. Um die sensible Lage nicht eskalieren zu lassen, sei eine gezielte Ahndung einzelner Ordnungswidrigkeiten nicht möglich. In der Praxis mache fast jeder Musik über eine mitgebrachte Bluetoothbox; es komme auch zu einer starken Vermüllung. Die in Ansehung dieser Tatsachen vorgenommene Änderung der Grünanlagensatzung sei formell und materiell rechtmäßig. Eine Gemeinde könne selbst entscheiden, welche öffentlichen Einrichtungen sie schaffe, zu welchem Zweck sie diese widme und wie sie die Benutzung regle; im Rahmen dieses Organisationsermessens könne sie eine einmal geschaffene Einrichtung auch wieder entwidmen und damit schließen. Bei der Ausformung des Benutzungsverhältnisses sei sie an höherrangiges Recht, insbesondere das Willkürverbot, den Gleichheitssatz und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden. In der Grünanlagensatzung als einer Benutzungssatzung sei auch eine Verschärfung in Form von Aufenthaltsverboten bzw. Öffnungszeiten grundsätzlich möglich. Auch wenn öffentliche Flächen dem Gemeingebrauch ohne Einschränkung zur Verfügung stünden, könne ein Bedürfnis nach zeitlich begrenzten Aufenthaltsverboten in Form von Öffnungszeiten bestehen. Die streitgegenständliche Regelung sei zur Durchsetzung der Nachtruhe der Anwohner geeignet, da dieser Zweck jedenfalls an den genannten Örtlichkeiten gefördert werde. Sie sei erforderlich, da eine Durchsetzung der bisher geltenden Regelungen bei regelmäßig mehreren Hunderten Feiernden nicht mehr effektiv möglich gewesen sei. Angesichts des Anspruchs der Anwohner auf Nachtruhe sei das Betretungsverbot auch angemessen. Dadurch werde nur das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) berührt, nicht dagegen die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG). Eine Unterscheidung zwischen Störern und Nichtstörern sei in der abendlichen Akutsituation nicht praktikabel. Die anderen städtischen Grünanlagen seien hinsichtlich des Bedürfnisses nach einem Betretungsverbot nicht mit den Anlagen G … und J … zu vergleichen. Eine Verlängerung der Ende Oktober 2021 auslaufenden Regelung sei derzeit nicht zu erwarten.
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Auf Anfrage des Gerichts hinsichtlich eines nach dem 31. Oktober 2021 fortbestehenden Interesses an einer nachträglichen Ungültigkeitsfeststellung ließ die Antragstellerin vortragen, ein solches Interesse ergebe sich aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr. Es sei davon auszugehen, dass bei unveränderten Umständen die Satzung erneut erlassen werde. Zudem liege ein tiefgreifender Grundrechtseingriff vor, der ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründe. Mit dem Betretungsverbot werde zudem die Ausübung der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und aus Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur beschränkt, sondern unmöglich gemacht.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Der Normenkontrollantrag, über den aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg.
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1. Der am 12. März 2021 und damit nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO fristgerecht gestellte Antrag auf Unwirksamerklärung von § 1 Nr. 1 Buchst. b der Satzung vom 27. August 2020, mit der die Satzung für die Benutzung der öffentlichen Grünanlagen und Spielanlagen der Antragsgegnerin (Grünanlagensatzung - GrünanlS) vom 25. Juli 2019 geändert wurde, ist zulässig.
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a) Die angegriffene Bestimmung, die § 3 GrünanlS um einen Absatz 7 ergänzt, ist im Sinne von § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V. m. Art. 5 Abs. 1 AGVwGO eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift.
17
§ 3 Abs. 7 GrünanlS ist auch noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung statthafter Gegenstand einer Normenkontrolle. Die Vorschrift ist zwar nach § 2 Abs. 2 der am 7. September 2020 im Amtsblatt bekanntgemachten Änderungssatzung mit Ablauf des 31. Oktober 2021 außer Kraft getreten; diesem Geltungsverlust steht nicht der Umstand entgegen, dass sich die Befristung aus der von der Antragsgegnerin zu Informationszwecken online gestellten Version der Satzung („Inhalte des Stadtrechts, 19.5.1“) zeitweilig nicht erkennen ließ. Auch Normen, die während eines Verfahrens nach § 47 VwGO außer Kraft treten, können aber nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 2.9.1983 - 4 N 1.83 - BVerwGE 68, 12/15; U.v. 17.5.2017 - 8 CN 1.16 - BVerwGE 159, 27 Rn. 13 m.w.N.) und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 13; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 47 Rn. 90; a. A. Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 71 f.) ausnahmsweise weiterhin Gegenstand einer Normenkontrolle sein, wenn an der Feststellung ihrer Unwirksamkeit ein berechtigtes Interesse besteht.
18
Diese Voraussetzung liegt hier vor, da sich die Antragstellerin auf eine Wiederholungsgefahr berufen kann. Voraussetzung für ein darauf gestütztes Feststellungsinteresse ist die konkret absehbare Möglichkeit, dass in naher Zukunft und unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleiche oder gleichartige Maßnahme des Antragsgegners zu erwarten ist (BVerwG, B.v. 14.6.2018 - 3 BN 1.17 - juris Rn. 19; U.v. 16.5.2013 - 8 C 14.12 - BVerwGE 146, 303 Rn. 21 m.w.N.). Davon kann im vorliegenden Fall ausgegangen werden, da die aus der intensiven Nutzung der Grünanlagen für Freizeitzwecke folgende Lärmbelastung der Nachbarschaft, der mit dem nächtlichen Betretungsverbot vorrangig begegnet werden sollte, voraussichtlich auch während der nächsten Sommersaison fortbestehen wird. Dass sich die Freizeitaktivitäten der jungen Leute in den Nachtstunden nach einer Wiedereröffnung der Schankwirtschaften weitgehend in geschlossene Räume verlagern könnten, erscheint wenig wahrscheinlich. Es bestehen auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Mehrheit des Stadtrats der Antragsgegnerin sich mittlerweile für einen anderen Weg der Konfliktlösung entschieden hätte oder jedenfalls den bisherigen Versuch als gescheitert ansehen würde.
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b) Die Antragstellerin ist auch gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Sie kann geltend machen, von der Satzungsänderung, mit der das Betreten der Grünanlagen G … und J … in den Monaten April bis Oktober in der Zeit von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr verboten wurde, möglicherweise in ihren Rechten verletzt zu sein.
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aa) Der zeitweilige Ausschluss des Zugangs zu den städtischen Grünanlagen berührt allerdings nicht das Recht der Antragstellerin auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG). Die von ihr dort während der Nachtstunden beabsichtigte Teilnahme an sog. Silent Discos (Tanzveranstaltungen mit Musikübertragung über Funkkopfhörer) fällt nicht in den Schutzbereich dieses Kommunikationsgrundrechts, weil darin kein Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung gesehen werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 12.7.2001 - 1 BvQ 28/01 u.a. - BayVBl 2001, 687).
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bb) In der nächtlichen Schließung der bislang ohne zeitliche Begrenzung dem Gemeingebrauch (Art. 21 Abs. 5 GO) als kommunale Einrichtungen (§ 1 Abs. 1 GrünanlS) für Zwecke der Erholung (§ 2 GrünanlS) gewidmeten Grünanlagen liegt auch kein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG). Da aus diesem Grundrecht ebenso wie aus Art. 21 GO kein Recht auf Schaffung einer öffentlichen Einrichtung folgt (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.1969 - VII C 56.68 - BVerwGE 32, 333/337; BayVGH, B.v. 11.9.1981 - 4 CE 81 A - BayVBl 1982, 656; HessVGH, U.v. 10.4.2014 - 8 A 2421/11 - juris Rn. 36; Lange, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2019, Kap. 13 Rn. 39; Gern/Brüning, Deutsches Kommunalrecht, 4. Aufl. 2019, Rn. 927), können die bisherigen Benutzer auch nicht das unveränderte Fortbestehen einer solchen Einrichtung verlangen (BayVGH, B.v. 21.12.2012 - 4 ZB 11.2496 - BayVBl 2013, 636; Hölzl/Hien/Huber, GO, Stand April 2021, Art. 21 Erl. 4.3; Lange, a.a.O., Kap. 13 Rn. 40; Gern/Brüning, a.a.O., Rn. 945; Kümper, DÖV 2017, 179/182; Knierim, Belastende Benutzungsregelungen, 2021, S. 166, 169; vgl. BVerfG, B.v. 10.6.2009 - 1 BvR 198/08 - BayVBl 2009, 690/692).
22
cc) Gleichwohl ist ein Eingriff in eine geschützte Rechtsposition der Antragstellerin nicht von vornherein ausgeschlossen. Zwar greifen sachliche, persönliche, räumliche oder - wie hier - zeitliche Begrenzungen des Widmungszwecks bzw. Widmungsumfangs im Unterschied zu verhaltensbezogenen Benutzungsregelungen, die den im Rahmen der Widmung bestehenden Zugangsanspruch aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 GO einschränken (vgl. Gern/Brüning, a.a.O., Rn. 944), nicht in eine bereits innegehabte einfachgesetzliche Rechtsposition der Einrichtungsbenutzer ein. Sie bedürfen insofern keiner besonderen Rechtfertigung, da die Kürzung einer zuvor bereitgestellten Leistung noch keine (grund-)rechtlich relevante Belastung darstellt (vgl. Lange, DVBl 2014, 753/754, 756; Knierim, a.a.O., S. 169 f.). Subjektive Rechte der - aktuellen oder potentiellen - Benutzer können aber durch solche Widmungsbeschränkungen dann verletzt werden, wenn darin entweder ein zielgerichteter Eingriff in ein spezielles Grundrecht oder eine sachwidrige Ungleichbehandlung liegt (vgl. BayVGH, U.v. 17.11.2020 - 4 B 19.1358 - BayVBl 2021, 159 Rn. 49 ff., 60 f.; BVerwG, U.v. 28.3.1969 - VII C 49.67 - BVerwGE 31, 368/370; Knierim, a.a.O., 171 f.; Gassner, VerwArch 85 [1994], 533/539).
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Auf Letzteres beruft sich die Antragstellerin mit ihrer Behauptung, die Beschränkung des nächtlichen Betretungsverbots auf die Grünanlagen G … und J … sei willkürlich, da es in anderen städtischen Grünanlagen ebenfalls zu starken Ruhestörungen gekommen sei. Hiernach kann ihr die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zumindest im Hinblick auf einen möglichen Gleichheitsverstoß (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht von vornherein abgesprochen werden, da sie als ortsansässige bisherige Benutzerin der Einrichtungen zum Adressatenkreis der angegriffenen Regelung gehört und bei einer Missachtung des Betretungsverbots nicht nur mit einer Geldbuße (§ 11 Nr. 5 GrünanlS), sondern auch mit einer polizei- oder sicherheitsrechtlichen Platzverweisung (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 PAG; Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG) rechnen muss.
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2. Der Normenkontrollantrag ist jedoch unbegründet, da das während der Monate April bis Oktober in der Zeit von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr bestehende Verbot des Betretens der beiden Grünanlagen rechtlich nicht zu beanstanden war.
25
a) Bei der freiwilligen Schaffung und Erhaltung öffentlicher Einrichtungen (Art. 57 Abs. 1 Satz 1 GO) verfügen die Gemeinden aufgrund des aus der Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) folgenden Rechts auf eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung über ein weites, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbares Organisations- und Gestaltungsermessen (BayVGH, U.v. 17.11.2020 - 4 B 19.1358 - BayVBl 2021, 159 Rn. 47 m.w.N.; VerfGH, E.v. 7.10.2011 - Vf. 32-VI-10 - VerfGHE 64, 177/181). Sie können daher auch den zeitlichen Umfang der Benutzung ihrer kommunalen Einrichtungen aus sachlichen Gründen begrenzen (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.1988 - 4 CE 87.03883 - BayVBl 1988, 497/499; B.v. 14.9.2007 - 4 CE 07.2292 - juris Rn. 11; VG Hannover, U.v. 1.2.2006 - 1 A 4991/05 - juris Rn. 30 ff.; Schoch, NVwZ 2016, 257/264; Lange, a.a.O., Kap. 13 Rn. 77), müssen dabei allerdings das höherrangige Recht, insbesondere die Grundrechte und das Willkürverbot beachten.
26
b) Diesen Anforderungen wird das mit der Normenkontrolle angegriffene Betretungsverbot gerecht. Wie die Antragsgegnerin im Normenkontrollverfahren im Einzelnen unwidersprochen vorgetragen hat, werden die beiden Grünanlagen G … und J … aufgrund ihrer innenstadtnahen Lage in letzter Zeit zunehmend von einer großen Zahl junger Leute zur nächtlichen Freizeitgestaltung genutzt, wobei es vor allem durch mitgebrachte Tonwiedergabegeräte sowie durch alkoholisierte Besucher zu erheblichen Ruhestörungen der Nachbarschaft und dementsprechend regelmäßig zu Polizeieinsätzen kommt. Ob die Antragsgegnerin als Einrichtungsbetreiberin für diese unbestritten vorliegende Immissionsbelastung nach § 22 Abs. 1 Satz 3 BImSchG rechtlich verantwortlich ist (dazu VGH BW, B.v. 19.4.2017 - 10 S 2264/16 - NVwZ-RR 2017, 653 Rn. 7 ff. m.w.N.), kann hier offenbleiben. Selbst wenn man eine solche Zurechnung verneint, weil die Lärmprobleme aus einer in § 3 Abs. 6 Nr. 11 und Nr. 12 GrünanlS ausdrücklich untersagten Nutzung der Grünanlagen resultieren, ist die Antragsgegnerin jedenfalls nicht gehindert, sich des Problems anzunehmen und durch eine nächtliche Schließung ihrer Einrichtungen für eine Entlastung der Nachbarschaft zu sorgen. Diese Zielsetzung, die dem Erlass des Betretungsverbots erklärtermaßen zugrunde lag, stellt in jedem Fall einen hinreichenden sachlichen Grund für die angegriffene Maßnahme dar. Ob es in dem Konflikt zwischen den Freizeitinteressen der Einrichtungsbenutzer und dem Ruhebedürfnis der Nachbarn eine geeignetere, schonendere oder ausgewogenere Lösung gegeben hätte, ist hier nicht zu prüfen, da die Widmungsbeschränkung aus den oben genannten Gründen (I.1.b.cc) mangels Eingriffsqualität nicht am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen ist.
27
Es kann auch nicht als willkürlich (Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) angesehen werden, dass mit der angegriffenen Vorschrift nächtliche Betretungsverbote nur für die beiden Anlagen G … und J … erlassen wurden, nicht dagegen für andere städtische Grünanlagen. Insoweit liegen schon keine im Wesentlichen gleichen Sachverhalte vor, die eine Gleichbehandlung durch den Satzungsgeber zur Folge haben müssten. Wie aus dem der Grünanlagensatzung als Anlage 1 beigefügten Grünanlagenplan erkennbar ist, sind die anderen städtischen Grünanlagen vergleichsweise weniger zentral und verkehrsgünstig gelegen; in ihrem Umfeld befinden sich nach Auskunft der Antragsgegnerin auch keine oder wesentlich weniger To go-Mitnahmemöglichkeiten und Shisha-Cafés. Die anderen Grünanlagen sind daher nach Erfahrung der Polizei und der städtischen Behörden bei jungen Leuten weniger beliebt; sie lassen sich angesichts des wesentlich geringeren Besucheraufkommens hinsichtlich der Einhaltung der Benutzungsregeln auch ohne Betretungsverbot hinreichend effektiv kontrollieren. Dass sich diese weiteren Grünanlagen in Bezug auf das Besucheraufkommen von den Anlagen G … und J … erheblich unterscheiden, wird auch von der Antragstellerin nicht ausdrücklich in Frage gestellt; sie trägt lediglich allgemein vor, es komme auch an (nicht näher bezeichneten) anderen Grünanlagenstandorten „vermehrt zu starken Ruhestörungen“. Dieser Umstand allein genügt jedoch nicht, um das auf die beiden am stärksten frequentierten Grünanlagen beschränkte nächtliche Betretungsverbot als willkürliche Einschränkung der städtischen Freizeiteinrichtungen erscheinen zu lassen.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
29
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.