Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 02.08.2022 – 10 U 15/22
Titel:

Keine sittenwidrige Schädigung des Erwerbers eines Opel-Diesel-Fahrzeugs (hier: Opel Typ Zafira-C 2.0 CDTI Tourer)

Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
ZPO § 522 Abs. 2
Leitsätze:
1. Vgl. zu Diesel-Fahrzeugen von Opel: OLG München BeckRS 2021, 52557; BeckRS 2021, 52562; OLG Bamberg BeckRS 2021, 52538; OLG Schleswig BeckRS 2022, 8917; OLG Frankfurt BeckRS 2022, 10556; OLG Köln BeckRS 2022, 12855; OLG Koblenz BeckRS 2022, 10605; LG Landshut BeckRS 2021, 53844; LG Memmingen BeckRS 2022, 12853. (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein aus einem anhängigen Vorabentscheidungsverfahren oder einer bloßen Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs ergibt sich nicht ohne Weiteres eine Verpflichtung zur Aussetzung seitens der Instanzgerichte. (Rn. 7 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Selbst wenn zunächst eine Haftung der Herstellerin für bloße Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt des Thermofensters eröffnet sein sollte, wird angesichts der „Unbedenklichkeitsentscheidung“ des KBA für die Verwendung der Abschalteinrichtung von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum zu Gunsten der Herstellerin auszugehen sein. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Opel, unzulässige Abschalteinrichtung, sittenwidrig, Vorabentscheidungsverfahren, Pressemitteilung, Aussetzung des Verfahrens, Thermofenster, Unbedenklichkeitsentscheidung, Verbotsirrtum
Vorinstanz:
LG Coburg, Endurteil vom 23.12.2021 – 24 O 186/21
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19980

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 23.12.2021, Aktenzeichen 24 O 186/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Coburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags die vorläufige Vollstreckung abwenden, soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrags leistet.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.539,89 € festgesetzt.

Gründe

1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Coburg vom 23.12.2021 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
2
Im Berufungsverfahren wird beantragt (vgl. Berufungsbegründung v. 14.03.2022, S. 1 <Bl. 8>):
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.539,89 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.12.2020 zu zahlen. Die Verurteilung erfolgt Zugum-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeuges Marke Opel Typ Zafira-C 2.0 CDTI Tourer, FIN W0L nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief und Serviceheft.
Hilfsweise (nur Ziff. 2) :
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. v. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 durch die Beklagte in das Fahrzeug der Marke Opel Typ Zafira-C 2.0 CDTI Tourer mit der FIN W0L resultieren.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der in vorgenannten Klageanträgen genannten Zugum-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.
4. Es wird festgestellt, dass der in Antrag zu 1) bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt.
5. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i. H. v. 1.899,24 € freizustellen.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Coburg vom 23.12.2021, Aktenzeichen 24 O 186/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
3
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats im Beschluss vom 14.06.2022 /Bl. 61 ff.) Bezug genommen.
4
Die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 29.07.2022 (Bl. 82 ff.) geben zu einer Abweichung von der dort angekündigten Vorgehensweise keinen Anlass.
5
Zunächst kann insoweit auf die Zurückweisung der bereits mit Schriftsatz vom 08.07.2022 (Bl. 75) beantragten Aussetzung durch den Senatsbeschluss vom 12.07.2022 sowie dessen Begründung (Bl. 77 f.) Bezug genommen werden.
6
Aus der von der Klagepartei angeführten Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs ergibt sich nichts Gegenteiliges. Nach derzeitiger nationaler Rechtslage ist, insbesondere auch durch den Bundesgerichtshof, jede entscheidungserhebliche Rechtsfrage für das vorliegende Verfahren hinreichend geklärt.
7
Der Senat teilt die Rechtsauffassung etwa des Oberlandesgerichts Braunschweig (OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.06.2022 - 4 W 13/22 -, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 28.06.2022 - 4 W 20/22 -, juris) wie auch des Oberlandesgerichts München (OLG München, Beschluss vom 01.07.2022 - 8 U 1671/22 -, juris, Rn. 26 ff.), wonach sich allein aus dem anhängigen Vorabentscheidungsverfahren nicht ohne Weiteres eine Verpflichtung zur Aussetzung seitens der Instanzgerichte ergibt.
8
Eine solche kann auch nicht durch eine bloße Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs begründet werden.
9
Schließlich besteht hierfür auch schon deshalb kein Anlass, weil selbst bei hypothetisch anzunehmender Auslegung des unionalen Sekundärrechts dahingehend, dass es sich bei diesem, letztlich nur aus Gründen des effete utile, um drittschützende Normen i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB handle, keine für die Klagepartei günstigere Entscheidung zu erwarten sein wird. Und zwar auch dann, wenn der BGH in eigener Auslegung des § 823 Abs. 2 BGB eine Haftung für eine nur fahrlässige Verletzung der dann als Schutzgesetz anzusehenden VO (EG) Nr. 715/2007 dem Grunde nach bejahten sollte. Zwar wäre damit zunächst eine Haftung der Beklagten für bloße Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Gestalt des Thermofensters eröffnet. Allerdings wird der angesichts der „Unbedenklichkeitsentscheidung“ des Kraftfahrzeugbundesamtes für die Verwendung der Abschalteinrichtung selbst von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum zu Gunsten der Beklagten auszugehen sein (vgl. BGH, Urt. V. 27.06.2017 - VI ZR 424/16 -, juris, Rn. 10, 16; BGH, Urt. v. 16.05.2017 - VI ZR 266/16 -, juris, Rn. 17; jew. m. w. N.). Damit fehlt es an einer Entscheidungserheblichkeit oder auch Vorgreiflichkeit des beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens.
10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
11
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 Satz 2, 711, 709 Satz 2 ZPO.
12
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.