Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.06.2022 – 5 ZB 20.2632
Titel:

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung in einem Verfahren betreffend die Wahl des parlamentarischen Kontrollgremiums

Normenketten:
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1
BV Art. 2, Art. 4, Art. 16a Abs. 1, Abs. 2
BayPKGG Art. 2 Abs. 1 S. 1, S. 3
Leitsatz:
Die Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist ein parlamentsinterner Akt; Streitigkeiten darüber sind verfassungsrechtlicher Art, weshalb der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist. (Rn. 13 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Feststellungsklage betreffend die Nichtwahl von zwei Abgeordneten des Bayerischen, Landtags zu Mitgliedern der Parlamentarischen, Kontrollkommission, Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (verneint), Annahme einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit, Parlamentarisches Kontrollgremium, Wahl, Verwaltungsrechtsweg, Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art
Vorinstanz:
VG München, Gerichtsbescheid vom 28.09.2020 – M 7 K 20.1931
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19915

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/3.
III. Unter Abänderung der Nr. III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 28. September 2020 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Nichtwahl der von der Klägerin zu 1 dafür vorgeschlagenen Kläger zu 2 und 3 zu Mitgliedern des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bayerischen Landtags rechtswidrig war und sie in eigenen Rechten verletzt.
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Die Kläger zu 2 und 3 sind Abgeordnete des Bayerischen Landtags und Mitglieder der dortigen AfD-Fraktion, der Klägerin zu 1. Die Klägerin zu 1 schlug die Kläger zu 2 und 3 zur Wahl als Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums vor. Diese Wahlvorschläge haben in mehreren Wahlgängen nicht die erforderliche Stimmenmehrheit der Mitglieder des Landtags erzielt.
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Am 5. Mai 2020 erhoben die Kläger Klage. Sie beantragten die Feststellung, dass die Nichtwahl der Kläger zu 2 und 3 am 5. Juni und 10. Dezember 2019 rechtswidrig gewesen sei und die Kläger in ihrem Recht auf Chancengleichheit aus Art. 2 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetzes (PKGG) sowie die Art. 2, 4 und 16a Abs. 1 und 2 BV verletzt habe.
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Mit Gerichtsbescheid vom 28. September 2020 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig ab. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO sei nicht eröffnet, da Streitgegenstand eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art sei. Maßgeblich für diese Beurteilung sei, dass die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlicher Normen den eigentlichen Kern des Rechtsstreits bildeten. Die Parteien würden bezüglich der Nichtwahl der von einer Fraktion für das Parlamentarische Kontrollgremium vorgeschlagenen Kandidaten durch den bayerischen Landtag sowie das Recht zur Ausübung des freien Mandats (Art. 13 Abs. 2 BV) einerseits und das Recht parlamentarischer Minderheiten auf ihrer Stellung entsprechende Wirkungsmöglichkeiten in Parlament und Öffentlichkeit (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 BV) andererseits streiten. Die Streitigkeit betreffe nicht vordergründig den korrekten Vollzug des Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetzes betreffend die Abstimmung über Wahlvorschläge einer Fraktion. Die Kernfrage sei vielmehr, ob eine Beschränkung in der Ausübung des freien Mandats bei der Abstimmung über den von einer Fraktion eingebrachten Wahlvorschlag dahingehend zu fordern sei, dass zur Gewährleistung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit und des Rechts auf Teilhabe parlamentarischer Minderheiten dem Vorschlagsrecht einer Fraktion entsprochen werden müsse. Allein die Tatsache, dass die Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums nicht in der Verfassung, sondern in einem formellen Gesetz geregelt sei, vermöge der Streitigkeit ihre verfassungsrechtliche Prägung nicht zu nehmen. Selbst, wenn man darüber hinaus für die Beurteilung der Art der Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit Teilen der Literatur und Rechtsprechung das Kriterium einer doppelten Verfassungsunmittelbarkeit heranziehe, folge daraus keine andere Beurteilung. Mit dem bayerischen Landtag werde ein Verfassungsrechtssubjekt in Anspruch genommen. Dass die Klage sich formal analog § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen den Freistaat Bayern richte, vermöge an diesem Ergebnis nichts zu ändern.
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Mit ihrem am 6. November 2020 gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzziel weiter.
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Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegengetreten.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
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1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
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a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids (§ 84 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Kläger haben keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 - DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.).
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aa) Das Verwaltungsgericht (GB Rn. 16) hat für die Bewertung, ob eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorliegt, als maßgeblich angesehen, ob das streitige Rechtsverhältnis entscheidend von Verfassungsrecht geformt sei bzw. ob die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlicher Normen den eigentlichen Kern des Rechtsstreits bildeten. Das hänge davon ab, ob der Klageanspruch in dem verfassungsrechtlichen Grundverhältnis zwischen den Parteien oder aber in einem engeren Rechtsverhältnis wurzele, das durch Normen des einfachen Rechts geprägt sei. Das Verwaltungsgericht hat insoweit Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.1.2007 - 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 15; B.v. 13.8.1999 - 2 VR 1.99 - BVerwGE 109, 258 Rn. 20; U.v. 3.11.1988 - 7 C 115.86 - BVerwGE 80, 355 Rn. 12) und des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 7.10.2003 - 2 BvG 1/02, 2 BvG 2/02 - BVerfGE 109, 1 Rn. 15) zugrunde gelegt.
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Die Kläger haben diese Rechtsgrundsätze nicht substantiiert in Frage gestellt. Sie meinen lediglich, die Rechtsprechung würde das Erfordernis der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit anwenden, und nehmen insoweit u.a. auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2012 (Az. 10 BV 09.2641 - juris) Bezug. In dieser Entscheidung (Rn. 56) wird zwar aus dem Kriterium der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit geschlossen, dass regelmäßig das Vorliegen einer Verfassungsstreitigkeit bei einem Rechtsstreit zwischen dem Bürger und dem Staat zu verneinen sei. Als entscheidendes Kriterium dafür, ob eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vorliegt, hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings angesehen, welche „Ebene des Rechtssystems“ das dem Streit zugrundeliegende Rechtsverhältnis prägt.
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Im Übrigen machen vorliegend die Kläger keine Rechte als Bürger, sondern als Landtagsfraktion oder Abgeordnete geltend. Unabhängig davon kann auch das Rechtsschutzbegehren eines Privaten, das einen parlamentsinternen Verfahrensakt betrifft, verfassungsrechtlicher Natur sein; der Grundsatz der sogenannten doppelten Verfassungsunmittelbarkeit kann in solchen Fällen der Modifikation bedürfen (vgl. BayVerfGH, E.v. 17.11.2014 - Vf. 70-VI-14 - VerfGH 67, 291 Rn. 39).
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bb) Nach der Bewertung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Gerichtsbescheid (Rn. 18) bildet die Auslegung verfassungsrechtlicher Normen und nicht der Vollzug des Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetzes den eigentlichen Kern des Rechtsstreits. Es gehe dabei um die Frage, ob eine Beschränkung in der Ausübung des freien Mandats bei der Abstimmung über den von einer Fraktion eingebrachten Wahlvorschlag mit dem Ziel zu fordern sei, dass der Grundsatz der Spiegelbildlichkeit und das Recht auf Teilhabe parlamentarischer Minderheiten gewährleistet seien. Nicht zuletzt die Kläger selbst würden sich auf unmittelbar aus der Verfassung abgeleitete Rechte berufen (Demokratieprinzip, Recht auf Chancengleichheit, Ausübung der Opposition, Schutz parlamentarischer Minderheiten).
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Die Kläger machen in der Antragsbegründung geltend, im Kern betreffe der Rechtsstreit den korrekten Vollzug des Parlamentarisches Kontrollgremium-Gesetzes, insbesondere die Regelung zur Abstimmung über Wahlvorschläge einer Fraktion nach Art. 2 Abs. 1 PKGG. Die Bedeutung der einfachgesetzlichen Regelung zum Parlamentarischen Kontrollgremium werde auch in einem im Auftrag des Bayerischen Landtag erstellten Rechtsgutachten betont. Das Verfassungsrecht, insbesondere der Grundsatz auf Chancengleichheit, spiele allenfalls insoweit eine Rolle, als das einfache Recht ggf. verfassungskonform ausgelegt und angewendet werden müsse. Das Recht auf Minderheitenschutz sei in Art. 2 Abs. 1 Satz 3 PKGG einfachgesetzlich geregelt. Auch der Wahlmodus und die Wahl des parlamentarischen Kontrollgremiums ergäben sich klar und eindeutig aus Art. 2 Abs. 1 PKGG. Die Aufgaben des Parlamentarischen Kontrollgremiums seien ebenfalls einfachgesetzlichen Ursprungs. Es gehe um die Frage, inwieweit eine einfachgesetzliche Einschränkung des freien Abgeordnetenmandats zulässig sei. Schon, wenn ein Rechtsverhältnis in nicht unerheblichem Maße durch Normen jedenfalls auch des einfachen Gesetzes geprägt sei, sei die Annahme einer rein verfassungsrechtlichen Streitigkeit nicht plausibel.
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Dieser Argumentation der Kläger ist nicht zu folgen. Der Klageanspruch, d. h. der von den Klägern geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch, ist dem beim Verwaltungsgericht gestellten Klageantrag zu entnehmen. Die von ihnen begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtwahl der Kläger zu 2 und 3 und der Verletzung ihrer subjektiven Rechte als Fraktion oder Abgeordnete (Art. 2 Abs. 1 Satz 3 PKGG i.V.m. Abs. 1 Satz 1 PKGG sowie Art. 2, 4 und 16a Abs. 1 und 2 BV) betrifft ein Rechtsverhältnis verfassungsrechtlicher Natur; sie berufen sich im Kern auf einen verfassungsrechtlichen Anspruch. Der Klageschrift vom 5. Mai 2020 ist nicht zu entnehmen, inwieweit nach Auffassung der Kläger Art. 2 PKGG einfachgesetzliche Vorgaben für die Wahlentscheidung der Mitglieder des Landtags oder Kriterien für die von den Klägern geforderte inhaltliche Überprüfung der Nichtwahl der Kläger zu 2 und 3 enthalten könnte. Die Nichtwahl der Kläger zu 2 und 3 soll nach der Klagebegründung der Kläger deshalb rechtswidrig gewesen sein, weil dies hinreichende sachliche Gründe erfordere, die nicht vorgelegen hätten. Solche Gründe müssten ggf. „den zentralen Verfassungswerten der Chancengleichheit der Parteien und Fraktionen und dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit aller parlamentarischen Gremien die Waage halten“ können (S. 9 der Klageschrift). Die Kläger sprechen in diesem Zusammenhang von einer einzelfallspezifischen Abwägung in Bezug auf gegenläufige Verfassungswerte und nehmen u.a. auf das Prinzip der praktischen Konkordanz Bezug (S. 13 und 15 der Klageschrift). Darunter wird verstanden, dass konfligierende Verfassungsprinzipien im Sinne eines schonenden Ausgleichs so zu realisieren sind, dass keines von ihnen vollständig preisgegeben wird (vgl. Kotzur in von Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021 Art. 20 Rn. 24). Dies bestätigt die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass Kern des Rechtsstreits die Frage nach einer Beschränkung der Ausübung des freien Mandats (Art. 13 Abs. 2 BV) zur Gewährleistung des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit und des Rechts auf Teilhabe parlamentarischer Minderheiten ist; diese Frage ist nicht auf der Ebene des Art. 2 PKGG, sondern wäre ggf. auf Ebene des Verfassungsrechts zu klären.
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Im Übrigen betrifft die Wahlentscheidung des Landtagsplenums nach Art. 2 PKGG unmittelbar nur seinen eigenen Organbereich und begründet keine Rechtspflichten Dritter. Die sich aus der Beschlussfassung ergebenden Rechtsstreitigkeiten - etwa solche zwischen einer antragstellenden Minderheit und der Mehrheit der Mitglieder des Landtags - sind genuin verfassungsrechtlicher Art und daher vom zuständigen Verfassungsgericht zu entscheiden. Entscheidungen, die unmittelbar in parlamentsinterne Verfahrensabläufe wie die Wahl nach Art. 2 PKGG eingreifen, müssen den Verfassungsgerichten vorbehalten bleiben (vgl. für Beschluss über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses BayVerfGH, E.v. 17.11.2014 - Vf. 70-VI-14 - VerfGH 67, 291 Rn. 37 f.). Dem steht nicht entgegen, dass Regelungen hierzu im Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetz enthalten sind. Das Parlamentarische Kontrollgremium ist ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle der Staatsregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. Art. 1 Abs. 1 PKG). Seine Tätigkeit hat den Zweck, dem Landtag kontinuierlich und umfassend Informationen über den bayerischen Verfassungsschutz zu verschaffen. Im Übrigen bestehende Kontrollrechte des Landtags werden dadurch nicht verdrängt (vgl. BayVerfGH, E.v. 20.3.2014 - Vf. 72-VIa-12 - VerfGH 67, 13 Rn. 73 f.). Diese Qualität als parlamentarisches Kontrollorgan spricht für den Charakter der Wahl der Kommissionsmitglieder als parlamentsinterner Akt.
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Das in diesem Zusammenhang von den Klägern geäußerte Argument, das Vorliegen einer „rein“ verfassungsrechtlichen Streitigkeit sei nicht zu bejahen, wenn das Rechtsverhältnis in nicht unerheblichem Maß auch durch einfachgesetzliche Normen geprägt werde, überzeugt nicht. Liegt eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vor, so ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsgerichtsweg nicht eröffnet; Streitigkeiten nur „teilweise“ verfassungsrechtlicher Art, für die eine verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit gegeben wäre, sieht diese Rechtswegbestimmung nicht vor. Entsprechend kann auch die Überprüfung nichtlegislativer Parlamentsakte wie vorliegend die Wahl nach Art. 2 PKKG nicht (gleichzeitig) in einem fachgerichtlichen Rechtszug erfolgen (vgl. BayVerfGH, E.v. 17.11.2014 - Vf. 70-VI-14 - VerfGH 67, 291 Rn. 38).
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Zutreffend merken die Kläger an, dass die Entscheidung des Bayer. Verfassungsgerichtshofs vom 21. Februar 2002 (Az. Vf. 13-VIII-00 - VerfGH 55, 28) einen anderen Streitgegenstand betrifft. Diese Entscheidung betraf insbesondere die Verfassungsmäßigkeit der damaligen Beschränkung der Mitgliederzahl des Parlamentarischen Kontrollgremiums auf fünf Personen und die gesetzlich vorgeschriebene Unterrichtung des Plenums des Bayerischen Landtags durch die Staatsregierung, die durch Regelungen im PKGG nicht berührt wird (vgl. Leitsätze der Entscheidung). Die Kläger haben auch nicht aufgezeigt, welcher Aussage in dieser Entscheidung im Wege eines Umkehrschlusses ein gewichtiges Indiz für ihre Rechtsauffassung entnommen werden könnte. Ferner ergeben sich auch aus der Entscheidung des Bayer. Verfassungsgerichtshofs vom 26. August 2021 (Az. Vf. 60-VIII-20 - BayVBl 2021, 808) keine Hinweise dazu, ob es sich vorliegend um eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt. Gegenstand der dortigen Meinungsverschiedenheit war die Frage, ob die Bestimmungen in Art. 2 Abs. 1 Sätze 1 und 3 PKGG mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sind bzw. (hilfsweise), ob die Regelungen in Art. 2 Abs. 1 Sätze 2 und 6 PKGG (nur) in bestimmter verfassungskonformer Auslegung mit der Bayerischen Verfassung vereinbar sind. Der Antrag wurde im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass es an einer Grundvoraussetzung für die von den Antragstellern gewählte Verfahrensart der Meinungsverschiedenheit im Sinne des Art. 75 Abs. 3 BV fehle und auch als andere Antragsart unzulässig sei oder nicht entsprechend umgedeutet werden könne.
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Gegen die Annahme einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit spricht auch nicht das Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts vom 19. Juli 2016 (Az. HVerfG 9/15 - DVBl 2016, 1188). Nach dieser Entscheidung (a.a.O., Rn. 46 f. und 64) wurzeln die Rechte und Pflichten der Beteiligten am dortigen Organstreit im Zusammenhang mit der Besetzung der Hamburgischen Härtefallkommission nicht im Verfassungsrecht, sondern in der einfachgesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 2 des Hamburgischen Härtefallkommissionsgesetzes (HFKG). Die Gesetzgebungskompetenz für die Einrichtung der Härtefallkommission sowie die Aufgaben und Befugnisse der Härtefallkommission beruhten auf § 23a Abs. 2 AufenthG. Die Härtefallkommission sei kein parlamentarisches Kontrollorgan gegenüber der Exekutive und unterscheide sich insoweit grundlegend von dem Eingabenausschuss der Hamburger Bürgerschaft. Das Verwaltungsgericht (GB Rn. 20) hat zutreffend und in Einklang mit dieser Argumentation des Hamburgischen Verfassungsgerichts festgestellt, dass auch das Parlamentarische Kontrollgremium, das der parlamentarischen Kontrolle dient (vgl. Art. 1 PKGG), mit einer Härtefallkommission im Sinne von § 23a Abs. 2 AufenthG nicht vergleichbar sei.
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Aus den im angefochtenen Gerichtsbescheid (Rn. 19 a.E.) mit Fundstellen erwähnten Entscheidungen des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg und des Verfassungsgerichtshofs des Freistaates Sachsen lassen sich für den vorliegenden Fall keine rechtlichen Schlüsse ziehen; diese betreffen andere landesrechtliche Regelungen. Hieraus ergeben sich keine Zweifel an der Aussage des Verwaltungsgerichts, allein die Tatsache, dass die Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums nicht in der Verfassung, sondern in einem formellen Gesetz geregelt sei, vermöge der Streitigkeit ihre verfassungsrechtliche Prägung nicht zu nehmen.
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cc) Die Kläger wenden sich zudem gegen die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass eine sogenannte doppelte Verfassungsunmittelbarkeit der Streitigkeit anzunehmen sei.
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Im angefochten Gerichtsbescheid wird dazu insbesondere ausgeführt, der Bayerische Landtag werde gerade in der Eigenschaft als Landesverfassungsorgan in Anspruch genommen. Dass die Klage sich formal analog § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO gegen den Freistaat Bayern richte, vermöge an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Dies folge allein schon aus der gebotenen streitgegenstandsbezogenen Betrachtungsweise. Die Inanspruchnahme als Verfassungsrechtssubjekt ergebe sich aus der Stellung der Beteiligten im verfassungsrechtlichen Kontext zueinander: Die Kläger als Fraktion bzw. Abgeordnete des Bayerischen Landtags einerseits und der Bayerische Landtag als in Anspruch genommener Garant für die eingeklagten Rechte andererseits.
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Die Kläger meinen im Wesentlichen, der Streitgegenstand werde maßgeblich durch den Klageantrag bestimmt, der vorliegend gegen den Freistaat Bayern als Gebietskörperschaft gerichtet sei; bei diesem handele es sich nicht um ein Verfassungsorgan. Die Feststellungsklage müsse stets gegen den Rechtsträger gerichtet werden, gegenüber dem ein streitiges Rechtsverhältnis festgestellt werden solle. Es sei sogar denkbar, dass dieser Rechtsträger nicht an dem Rechtsverhältnis beteiligt sei. Maßgeblich sei nicht, wer letztlich nach materiellem Recht verpflichtet sei. Es sei nicht ersichtlich, weshalb es nicht auf die formelle Parteibezeichnung im Klageantrag, sondern auf eine Garantenstellung des Bayerischen Landtags ankommen solle.
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Diese Argumentation der Kläger überzeugt nicht. Das Kriterium der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit - die Beteiligung von Verfassungsorganen oder ähnlichen Streitsubjekten auf beiden Seiten des Rechtsstreits - ist bei einer Feststellungsklage erfüllt, wenn das streitige Rechtsverhältnis im Falle seiner Feststellung zwischen entsprechenden Subjekten bestehen würde. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO hängt bei einer Feststellungsklage (§ 43 VwGO) davon ab, ob das Rechtsverhältnis, das Gegenstand der begehrten Feststellung ist, nichtverfassungsrechtlicher Art ist (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 268; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 40 Rn. 32; jeweils m.w.N.). Die Kläger stellen nicht in Frage, dass die Nichtwahl der Kläger zu 2 und 3 als Vorgang innerhalb des Bayerischen Landtags etwaige Pflichten des Landtags betreffen könnte, wie dies das Verwaltungsgericht angenommen hat; damit ist der Landtag am streitigen Rechtsverhältnis beteiligt.
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b) Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Die Kläger formulieren in diesem Zusammenhang im Wesentlichen die Frage, ob eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegt, „wenn es sich im Kern um eine Meinungsverschiedenheit betreffend den korrekten Vollzug eines ‚einfachen Gesetzes‘ handelt, das einen engen Bezug zum Parlamentsleben sowie zum Verhältnis zwischen Staatsregierung und Landtag aufweist, wie z.B. das Parlamentarische Kontrollgremiumsgesetz […]“. Diese Frage ist bereits nicht entscheidungserheblich. Wie vorstehend ausgeführt betrifft die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlicher Normen den eigentlichen Kern des Rechtsstreits; der von den Klägern vorausgesetzte Fall einer Streitigkeit betreffend den Vollzug einfachen Rechts ist hier nicht gegeben. Folglich sind die weiteren Ausführungen in der Antragsbegründung zu den Fragen, ob die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage in der Rechtsprechung bereits geklärt wurde und grundsätzlicher Bedeutung ist, nicht entscheidungserheblich.
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Auch die weitere in der Antragsbegründung enthaltenen Fragestellungen betreffend die Kriterien für die Beurteilung, ob Verfassungsrechtssubjekte Streitbeteiligte sind, ist nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat die Feststellung, es liege eine verfassungsrechtliche Streitigkeit vor, maßgeblich auf die Bewertung gestützt, dass die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlicher Normen den eigentlichen Kern des Rechtsstreits bildeten; aus der Antragsbegründung der Kläger ergeben sich hieran keine Zweifel. Die Maßstäbe zur Anwendung des formellen Kriteriums im Sinne einer doppelten Verfassungsunmittelbarkeit sind deshalb nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen lässt sich unter Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze ohne weiteres feststellen, dass es im Falle einer Feststellungsklage auf die Beteiligten am strittigen Rechtsverhältnis ankommt, um die doppelte Verfassungsunmittelbarkeit zu bejahen. Unabhängig davon dürften die von den Klägern formulierten Fragen zur Anwendung des formellen Kriteriums in dieser Allgemeinheit nicht zu beantworten sein, z.B. nicht einheitlich für alle Klagearten.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 und 2, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG. Da die Kläger jeweils unter Berufung auf ihnen individuell zustehende Rechtspositionen (als Fraktion oder als einzelner Abgeordneter) eine Feststellung nach § 43 Abs. 1 VwGO begehren, ist für jeden Kläger der Auffangstreitwert anzusetzen; die Werte dieser Streitgegenstände sind zusammenzurechnen (§ 39 Abs. 1 GKG).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Das angefochtene Urteil wird damit rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).