Titel:
Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur Durchführung einer allgemeinärztlichen amtsärztlichen Untersuchung
Normenketten:
VwGO § 123, § 146 Abs. 4 S. 3, Abs. 6 S. 4
BeamtStG § 35 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Es ist im Rahmen der allgemeinen Gehorsamspflicht gerechtfertigt und dem Beamten zuzumuten, an der für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes erforderlichen Klärung seines Gesundheitszustandes mittels Offenlegung der gesamten Krankheitsgeschichte samt den dazugehörigen Unterlagen mitzuwirken. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Untersuchungsanordnung in einem Fall, in dem der Dienstherr keine Erkenntnisse über die Erkrankung des Beamten hat, kann regelmäßig nur die Grundzüge der zu erwartenden Untersuchungen bestimmen, muss aber nicht dem Amtsarzt die Details des Untersuchungsverlaufs vorgeben. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Untersuchungsanordnung, Allgemeinärztliche amtsärztliche Untersuchung, Rechtskraft, Neuer Untersuchungstermin, Orientierende Erstuntersuchung, Art und Umfang der Untersuchung, allgemeinärztliche amtsärztliche Untersuchung, Amtsarzt, Allgemeinarzt, Dienstfähigkeit, Dienstunfähigkeit, Untersuchungstermin, Mitwirkung, Erstuntersuchung, Art, Untersuchung, Umfang
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 09.06.2022 – M 5 E 22.2653
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19913
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Senat gemäß § 146 Abs. 6 Satz 4 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht die Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.
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Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bereits unzulässig ist, weil über die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur Durchführung einer allgemeinärztlichen amtsärztlichen Untersuchung auf der Grundlage des Schreibens der Antragsgegnerin vom 25. November 2021 bereits rechtskräftig entschieden sei. Das verfahrensgegenständliche Schreiben vom 25. April 2022 sei nur eine (weitere) Terminsbestimmung für die Untersuchung. Der Antrag sei aber auch unbegründet. Eine weitergehende Festlegung der allgemeinärztlichen amtsärztlichen Untersuchung sei weder rechtlich geboten noch möglich, da die Einzelheiten der Untersuchung von deren Verlauf und den dabei gewonnenen Ergebnissen abhängig seien. Innerhalb des nur in den Grundzügen festgelegten Rahmens müsse es vielmehr dem Amtsarzt überlassen bleiben, die einzelnen Schritte der allgemeinärztlichen Untersuchung und deren Schwerpunkt nach ihrer Erforderlichkeit sachkundig zu bestimmen. Eine letztlich von Antragstellerseite geforderte detaillierte Festschreibung der allgemeinmedizinischen Untersuchung scheide schon wegen der Ergebnisoffenheit der Begutachtung aus, die gerade wegen auf andere Weise nicht aufklärbarer Zweifel an der Dienstfähigkeit angeordnet worden sei.
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1. Die Antragstellerin weist lediglich darauf hin, auch das Verwaltungsgericht habe eingeräumt, dass die Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 25. April 2022 nicht ausdrücklich auf die Untersuchungsanordnung vom 25. November 2021 Bezug genommen habe. Die Begründung des Verwaltungsgerichts, aus dem Gesamtablauf (s. BA S. 7 f.) ergebe sich gleichwohl, dass das verfahrensgegenständliche Schreiben keine neue Untersuchungsanordnung sei, blendet sie hingegen gänzlich aus und verfehlt damit ihr Darlegungsgebot (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Ihre Rüge, der Rahmen einer bloßen Terminsmitteilung werde durch die Ankündigung der Prüfung disziplinarrechtlicher Konsequenzen im Falle des Nichterscheinens bzw. einer erneuten fehlenden Mitwirkung überschritten, weshalb das Schreiben vom 25. April 2022 einen eigenständigen rechtlichen Charakter habe, geht fehl. Zum einen handelt es sich nur um eine Ankündigung ohne Regelungswirkung, zum anderen verleiht dies dem Schreiben vom 25. April 2022 nicht den Charakter einer Untersuchungsanordnung.
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2. Der Antrag ist auch unbegründet. Die Antragstellerin ist der Auffassung, sie sei im Rahmen der allgemeinmedizinischen amtsärztlichen Untersuchung nicht verpflichtet, ihren Dienstherrn aktiv über ihre Krankheitsgeschichte der letzten zwei Jahre aufzuklären und sich ohne konkrete Veranlassung Untersuchungen zu unterziehen, die mit einem gravierenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte verbunden seien, wie etwa Röntgen. Sie trägt hierzu vor, der Umfang der Untersuchungsanordnung sei nicht klar definiert. Das ist indes unzutreffend. Der Untersuchungsanordnung vom 25. November 2021 liegt die Verpflichtung der Antragstellerin zugrunde, sich einer körperlichen Untersuchung mit gegebenenfalls weiteren technischen Untersuchungen (z.B. Röntgen, Ultraschall, Blutabnahme) nebst Befragung zur Krankengeschichte, d.h. zur gesundheitlichen, persönlichen und sozialen Situation im dienstlichen und im privaten Umfeld zu unterziehen. Sie ist damit hinreichend bestimmt. Es ist im Rahmen der allgemeinen Gehorsamspflicht gerechtfertigt und dem Beamten zuzumuten, an der für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes erforderlichen Klärung seines Gesundheitszustandes mittels Offenlegung der gesamten Krankheitsgeschichte samt den dazugehörigen Unterlagen mitzuwirken.
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Die Antragstellerin beruft sich auf den Beschluss des Senats vom 28. März 2022 (3 CE 22.508 - juris Rn. 26), den sie dahin interpretiert, auch im Rahmen der allgemeinärztlichen amtsärztlichen Untersuchung sei lediglich eine „orientierende Erstuntersuchung“ zulässig. Das lässt sich der zitierten Entscheidung indes nicht entnehmen. Dort ist davon die Rede, dass sich eine - wie hier - Untersuchungsanordnung zur Überprüfung der dienstlichen Verwendungsfähigkeit nach § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG von einer bloßen Aufforderung, sich beim Amtsarzt lediglich vorzustellen, damit der Dienstherr eine (erste) Prognose über die weitere Verwendung des Beamten erhält, unterscheidet. Das rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung der Antragstellerin, sie müsse sich vorliegend auch nur einer „orientierenden Erstuntersuchung“ stellen, die nach ihrem Verständnis lediglich darin besteht, die Körpergröße, das Körpergewicht, den Blutdruck sowie den Puls zu erheben und sie abzuhören. Der genannte Beschluss, der in einem Parallelverfahren ergangen ist, besagt deutlich das Gegenteil. Die Antragstellerin hat sich der im Schreiben vom 25. November 2021 genannten Untersuchung mit dem beschriebenen Umfang zu unterziehen. Im Übrigen hat der Senat den Begriff der „orientierenden Erstuntersuchung“ stets in dem Sinne begriffen, dass es um die Abgrenzung zu einer vertiefenden fachärztlichen Untersuchung geht (B.v. 18.2.2016 - 3 CE 15.2768 - juris Rn. 33).
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Um weiteren Missverständnisses vorzubeugen, weist der Senat darauf hin, dass eine Untersuchungsanordnung in einem Fall, in dem der Dienstherr keine Erkenntnisse über die Erkrankung des Beamten hat, regelmäßig nur die Grundzüge der zu erwartenden Untersuchungen bestimmen kann, nicht aber dem Amtsarzt die Details des Untersuchungsverlaufs vorgeben muss. Bei den in der Untersuchungsanordnung genannten technischen Untersuchungen handelt es sich zudem um solche, die zum Standarduntersuchungsprogramm eines Allgemeinmediziners gehören. Das Verwaltungsgericht hat insoweit unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung (z.B. BVerwG, B.v. 14.3.2019 - 2 VR 5.18 - juris Rn. 50) zutreffend darauf hingewiesen, dass der Dienstherr die Art und den Umfang der ärztlichen Untersuchung nicht näher eingrenzen kann, da die Antragstellerin lediglich nicht näher genannte gesundheitlich Gründe anführt, weshalb sie eine Tätigkeit im S. nicht ausführen könne.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).