Inhalt

VGH München, Beschluss v. 28.07.2022 – 22 ZB 21.2655
Titel:

Erfolglose Nachbarklage gegen Gaststättenerlaubnis - Bindungswirkung einer bestandskräftigen Baugenehmigung

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2
GastG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
BauGB § 35 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine bestandskräftige Baugenehmigung entfaltet, soweit sie bauplanungsrechtliche Fragen wie die Zumutbarkeit von Lärm für die Nachbarschaft regelt, grundsätzlich Bindungswirkung für das gaststättenrechtliche Erlaubnisverfahren. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 42 Abs. 2 VwGO lässt eine Aufspaltung nach unterschiedlichen Klagegründen mit der Folge, einzelne Klagegründe im Wege einer Art Vorprüfung endgültig auszuscheiden und die sachliche Nachprüfung des klägerischen Vorbringens auf die verbleibenden Klagegründe zu beschränken, nicht zu. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Drittanfechtung einer Gaststättengenehmigung, Umfang der Klagebefugnis, Bindungswirkung der Baugenehmigung für das gaststättenrechtliche Verfahren in Bezug auf baurechtliche Fragen, unter einer aufschiebenden Bedingung erteilte Baugenehmigung, gesicherte Erschließung, Lärmemissionen, Bestandskraft, Aufspaltung nach Klagegründen
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 25.08.2021 – W 6 K 20.1065
Fundstellen:
BauR 2023, 195
BeckRS 2022, 19901
LSK 2022, 19901
GewA 2023, 127

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger verfolgt mit seinem Zulassungsantrag sein erstinstanzliches Begehren weiter, das auf die Aufhebung einer der Beigeladenen erteilten Gaststättenerlaubnis gerichtet ist.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung B. und Anlieger der Zufahrt zum Freizeitgelände der Firma G. (FlNr. …), auf dem sich ein privater Badesee befindet. Die Zufahrt zum Freizeitgelände erfolgt über die öffentlich gewidmete Straße auf dem Grundstück FlNr. …, an der auch das Anwesen des Klägers liegt. Das Wohngebäude des Klägers befindet sich mit zwei weiteren Wohngebäuden und einigen weiteren Gebäuden im Außenbereich in ca. 270 m Entfernung vom Freizeitgelände der Firma G.
3
Mit Bescheid vom 15. Mai 2012 erteilte das Landratsamt S. der Beigeladenen eine Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 GastG zum Betrieb der „Gaststätte Kiosk am G.-See“ auf dem Freizeitgelände der Firma G. Die Beigeladene ist Pächterin des Kiosks. Mit Bescheid vom 30. Juli 2012 wurde die gaststättenrechtliche Erlaubnis ergänzt.
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Mit Bescheid vom 21. November 2014 wurde der Firma G. eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Kiosks mit Freiterrasse, Pavillon, Umkleide- und Sanitärräumen (überwiegend für Mitarbeiter der Unternehmensgruppe G. und deren Angehörige) auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung B. erteilt. Nach Ergänzung der Betriebsbeschreibung wurde diese durch das Landratsamt mit Bescheid vom 23. März 2016 geändert. Die Klage des hiesigen Klägers gegen die Baugenehmigung blieb erst- und zweitinstanzlich erfolglos (VG Würzburg, U.v. 8.11.2016 - W 4 K 14.1363; BayVGH, B.v. 3.5.2019 - 9 ZB 16.2615; beide juris).
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Mit dem Ziel der Anpassung der gaststättenrechtlichen Erlaubnis an die Auflagen der bestandskräftig gewordenen Baugenehmigung hob das Landratsamt mit Bescheid vom 25. Juli 2019 den Bescheid vom 30. Juli 2012 auf und erteilte der Beigeladenen die Erlaubnis zum Betrieb und zur Fortführung der Gaststätte „Kiosk am G.-See“. Dabei wurden u.a. folgende Auflagen aufgenommen:
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„Die Auflagen der Baugenehmigung vom 23. März 2016 sind zu beachten und einzuhalten. Insbesondere müssen folgende Eckpunkte anlehnend an die Baubeschreibung der Firma G. beachtet werden:
7
- Maximal 400 Besucher am Tag (Drehkreuz und Zähler)
8
- Ausnahme ein jährliches Betriebsfest
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- überwiegend Mitarbeiter der Firma G. und Angehörige
10
- Betriebszeit vom 1. April bis 30. September
11
- tägliche Betriebszeit von 10.00 bis 22.00 Uhr (…).“
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Die dagegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 25. August 2021 ab. Das Urteil wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 13. September 2021 zugestellt. Mit am 13. Oktober 2021 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung und begründete den Antrag. Die Begründung wurde mit Schriftsatz vom 18. Januar 2022 ergänzt.
13
Der Beklagte und die Beigeladene sind dem Antrag entgegengetreten.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
15
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung des Klägers (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass einer der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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1. Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend, die jedoch nicht bestehen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 - 2 BvR 2426/17 - juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
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1.1 Der Kläger trägt vor, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ergäben sich daraus, dass das Verwaltungsgericht von der Gaststätte ausgehende Lärmemissionen nicht geprüft habe. Das Verwaltungsgericht habe sich insoweit zu Unrecht auf das vorangegangene baurechtliche Verfahren, die Bestandskraft der Baugenehmigung vom 23. März 2016 und die sich daraus ergebende Bindungswirkung für das gaststättenrechtliche Verfahren berufen. Das Gericht habe dabei verkannt, dass die Baugenehmigung eine derartige Wirksamkeit nicht entfalten könne, da sie unter einer aufschiebenden Bedingung erteilt worden sei, die bis heute nicht erfüllt sei. Die Erfüllung der aufschiebenden Bedingung sei im baurechtlichen Verfahren nicht relevant gewesen, weil der Bescheid einschließlich der Bedingung auf seine Rechtmäßigkeit geprüft worden sei. Im gaststättenrechtlichen Verfahren sei jedoch fälschlicherweise der Eintritt der Bedingung als Voraussetzung für die Bindungswirkung nicht geprüft worden. Der Beklagte könne sich dabei nicht auf ein Schreiben der Gemeinde aus dem Jahr 2014 berufen, wonach die Gemeinde den Weg als Zufahrtsweg kennzeichne. Vielmehr habe der Beklagte die Frage der ausreichenden Erschließung zu prüfen und dies in Bezug auf die Wasserzuleitung, Abwasser und Versorgung auch getan; insoweit hätten Ertüchtigungen stattgefunden. Dies müsse dann auch für die Zufahrtswege gelten, wovon man auch behördlicherseits ausgehe. Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2022 ergänzte der Kläger in diesem Zusammenhang, der Bedingungseintritt hätte vom Verwaltungsgericht ermittelt werden müssen.
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1.2 Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, die gaststättenrechtliche Erlaubnis sei nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG zu versagen, wenn der Gewerbebetrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage oder auf die Verwendung der Räume dem öffentlichen Interesse widerspreche, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten lasse. Die örtliche Lage im gewerberechtlichen Sinne erfasse nicht nur, aber auch die bauplanungsrechtliche Situation. Die sich hieraus ergebende Konkurrenzsituation der Baurechtsbehörde einerseits und der Gaststättenbehörde andererseits bei der Beurteilung der örtlichen Lage des Gewerbebetriebs sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Weise zu lösen, dass die zur Entscheidung berufene Behörde danach bestimmt werde, zu welchem in die originäre Zuständigkeit der beteiligten Behörden fallenden Regelungsgegenstand der stärkere Bezug bestehe. Demnach sei die Entscheidung der Baurechtsbehörde ausschlaggebend, soweit es um Rechtsfragen gehe, deren Beantwortung in deren originäre Zuständigkeit falle oder zumindest zu dieser den stärkeren Bezug habe. Daraus folge, dass die Entscheidungskompetenz über baurechtliche, insbesondere bauplanungsrechtliche Fragen, ausschließlich bei der Baurechtsbehörde liege. Komme die Baurechtsbehörde bei der Beurteilung der baurechtlichen Situation zu einer Zulässigkeit des Vorhabens, sei diese Entscheidung für die Gaststättenbehörde bei der Beurteilung der örtlichen Lage bindend. Vorliegend sei im vorangegangenen baurechtlichen Verfahren die Art und Menge der von dem Betrieb des Badekiosks auf die Nachbarschaft und insbesondere das Grundstück des Klägers einwirkenden Immissionen im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG geprüft und festgestellt worden, dass die Lärmimmissionen für den Kläger zumutbar und schädliche Umwelteinwirkungen nicht zu erwarten seien. Ebenso sei keine unzumutbare Verkehrslärmbelästigung zu erwarten. Die Baugenehmigung zur Errichtung des Kiosks vom 21. November 2014 in der Fassung vom 23. März 2016 sei bestandskräftig. Nachdem diese eine abschließende immissionsschutzrechtliche Beurteilung für den Betrieb des Kiosks enthalte, entfalte dies im vorliegenden gaststättenrechtlichen Verfahren für die Beurteilung der örtlichen Lage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG Bindungswirkung. Der Genehmigungsbehörde sei es im gaststättenrechtlichen Verfahren verwehrt, diesen immissionsschutzrechtlichen Aspekt zu prüfen (Verweis auf BVerwG). Nachdem die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung rechtskräftig festgestellt worden sei, stehe einer erneuten Überprüfung durch das Gericht auch die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung (§ 121 VwGO) entgegen. Wenn der Kläger dagegen vorbringe, die Berechnung der Immissionswerte sei unter Anlegung falscher Maßstäbe erfolgt, könne er damit aus diesen Gründen nicht gehört werden. Dies gelte auch deshalb, weil er nicht dargelegt habe, welche Konsequenzen die vermeintlich fehlerhafte Berechnung für ihn als Nachbar entfalten könne.
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1.3 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils hat der Kläger mit seinem Vortrag nicht begründet.
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1.3.1 Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die bestandskräftige Baugenehmigung, soweit sie bauplanungsrechtliche Fragen, hier insbesondere die Zumutbarkeit von Lärm für die Nachbarschaft, regelt, grundsätzlich Bindungswirkung für das gaststättenrechtliche Erlaubnisverfahren entfaltet. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Obergerichte (vgl. BVerwG, U.v. 4.10.1988 - 1 C 72.86 - juris Rn. 31; U.v. 17.10.1989 - 1 C 18.87 - juris Rn. 17; VGH BW, B.v. 13.3.2001 - 14 S 2916.99 - juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 10.3.2022 - 22 B 19.196 - juris Rn. 80; U.v. 10.3.2022 - 22 B 19.197 - juris Rn. 90) und wird insoweit vom Kläger auch nicht substantiiert in Frage gestellt.
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1.3.2 Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Baugenehmigung unter der „Bedingung“ steht, dass bis zur Nutzungsaufnahme, respektive bis zum 1. April 2016, Zufahrtswege, Wasserversorgung und Abwasserbeseitigungsanlagen in dem erforderlichen Umfang benutzbar sein müssen (Nr. I.1. des Bescheids vom 21.11.2014 in der Fassung des Bescheids vom 23.3.2016), und der Kläger behauptet, dass diese Bedingung bisher nicht eingetreten sei.
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Dabei kann dahinstehen, wie die entsprechende Nebenbestimmung des Bescheids rechtlich genau einzuordnen ist. Baugenehmigungen können jedenfalls gemäß Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG mit Nebenbestimmungen versehen werden (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand Januar 2022, Art. 68 Rn. 307; zur Erteilung unter einer Bedingung s. Rn. 316 ff.). Handelte es sich bei der fraglichen Nebenbestimmung um eine (aufschiebende) Bedingung im Rechtssinne nach Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG, so stünde diese zwar weder dem Wirksamwerden der Genehmigung als solcher mit deren Erlass noch dem Eintritt der Bestandskraft entgegen, hätte aber gleichzeitig zur Folge, dass die bedingten Rechtswirkungen bis zum Eintritt der Bedingung in der Schwebe blieben (vgl. zur Wirksamkeit Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 36 Rn. 75; ähnlich Decker in Busse/Kraus, BayBO, Art. 68 Rn. 316). Ob ein solcher Schwebezustand - im Fall des Nichteintritts der hier erteilten „Bedingung“ - der oben beschriebenen Bindungswirkung der Baugenehmigung trotz deren Bestandskraft für das gaststättenrechtliche Verfahren entgegenstünde, kann offenbleiben. Ebenso kann offenbleiben, ob der Kläger sich überhaupt auf einen eventuellen Nichteintritt der „Bedingung“ berufen kann, nachdem diese sich auf eine Voraussetzung der Baugenehmigung (Sicherung der Erschließung nach § 35 Abs. 2 BauGB) bezieht, der kein drittschützender Charakter zukommt (s. insoweit schon BayVGH, B.v. 3.5.2019 - 9 ZB 16.2615 - juris Rn. 11).
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Denn jedenfalls hat der Kläger in seinem Zulassungsvorbringen nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass entgegen Nr. I.1 des Bescheids vom 23. März 2016 bis zur Nutzungsaufnahme, respektive bis zum 1. April 2016, Zufahrtswege, Wasserversorgung und Abwasserbeseitigungsanlagen zu dem Badekiosk nicht in dem erforderlichen Umfang benutzbar gewesen wären. Er trägt lediglich vor, die „Bedingung“ sei nicht eingetreten und das Landratsamt habe im Rahmen der Erteilung der Gaststättenerlaubnis deren Eintritt nicht geprüft, soweit es um die Zufahrt zu der Gaststätte gehe. Damit hat der Kläger jedenfalls nicht belegt, dass der Zufahrtsweg zu dem Badekiosk tatsächlich nicht benutzbar sei. Gegen eine solche Annahme spricht insbesondere, dass der Beklagte schon in seiner Stellungnahme vom 4. Mai 2021 im erstinstanzlichen Verfahren (W 6 K 20.1065) vorgetragen hat, bei der gewählten Nebenbestimmung sei ein Textbaustein verwendet worden; Hintergrund dafür sei die laut Antragsunterlagen noch zu erstellende Trinkwasserleitung sowie die Fertigstellung der umgeplanten Kleinkläranlage gewesen. Die Frage der gesicherten Erschließung hinsichtlich der Zufahrt sei im Baugenehmigungsverfahren nicht strittig gewesen; diese sei ausweislich der gemeindlichen Stellungnahme und auch aus Sicht der unteren Bauaufsichtsbehörde gesichert gewesen. Eine Ertüchtigung der Zufahrt sei von Seiten der Bauaufsichtsbehörde zu keiner Zeit gefordert worden. Dass die „Bedingung“ in Bezug auf die Wasserzuleitung und die Abwasserbehandlung nicht eingetreten sei, hat der Kläger ebenso wenig dargelegt. Der Beklagte hat hierzu im erstinstanzlichen Verfahren (Schriftsatz vom 4.5.2021) vorgetragen, dass sowohl die Verlegung der Trinkwasserleitung als auch der Umbau der Kleinkläranlage durch die Firma G. seit langem umgesetzt worden seien. Die „Bedingung“ der Baugenehmigung sei daher erfüllt.
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Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 18. Januar 2022 zudem rügt, das Verwaltungsgericht hätte den Bedingungseintritt ermitteln müssen, handelt es sich der Sache nach um eine Verfahrensrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verstoß gegen den Untersuchungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 VwGO), die erstmals mit diesem Schriftsatz erhoben wurde. Da dieser Vortrag erst nach Ablauf der Frist für die Begründung des Berufungszulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bei Gericht eingegangen ist und in dem fristgerecht eingegangenen Begründungsschriftsatz vom 13. Oktober 2021 noch nicht aufschien, kann er nicht mehr berücksichtigt werden. Im Übrigen fehlt es an einer Darlegung des Klägers, weshalb sich dem Verwaltungsgericht angesichts der Aussage des Beklagten, die Erschließung sei im Baugenehmigungsverfahren nie strittig gewesen und es sei nie gefordert worden, die Zufahrt zu ertüchtigen, weitere Ermittlungen zum Bedingungseintritt hätten aufdrängen müssen.
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2. Der Kläger meint weiter, das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel, weil das Verwaltungsgericht sein Recht auf rechtliches Gehör missachtet habe. Der Kläger habe die fehlende Erfüllung der aufschiebenden Wirkung (gemeint wohl: Bedingung) im baurechtlichen Verfahren nicht beanstanden können, da dies in dessen Rahmen nicht geprüft worden sei. Im gaststättenrechtlichen Verfahren sei der Einwand dann mit Verweis auf das vorangegangene Verfahren abgewiesen worden. Zudem sei das Vorbringen des Klägers hinsichtlich der Erschließung bei der Zulässigkeit der Klage unter dem Punkt Klagebefugnis geprüft worden. Der Prüfungspunkt sei falsch verortet und das Gericht seiner Prüfungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Das Gericht habe verkannt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erschließung des Zugangsweges begehre, sondern dieses Vorbringen lediglich der Erläuterung diene, warum die Baugenehmigung als bedingte keine Bindungswirkung entfalten könne, soweit ein Bedingungseintritt noch nicht erfolgt sei. Da es hier in der Sache um die Lärmemissionswerte gehe, sei der Kläger klagebefugt.
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2.1 Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen sein Recht auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) liegt nicht vor. Zwar ist das Gericht nach den genannten Normen verpflichtet, den gesamten Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfG, B.v. 3.6.1987 - 1 BvR 313/85 - juris Rn. 28; BVerwG, B.v. 14.11.2017 - 10 B 4.17 - juris Rn. 10). Dieses Recht erfasst sowohl tatsächliches Vorbringen als auch Rechtsausführungen (BVerfG, B.v. 3.11.1983 - 2 BvR 348/83 - juris Rn. 21). Jedoch lässt sich nicht automatisch auf eine Gehörsverletzung schließen, wenn in einem schriftlichen Urteil Vorbringen eines Beteiligten nicht verarbeitet wird. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch in seine Erwägungen einbezogen hat. Die Gerichte sind nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich zu verbescheiden. Nur bei Vorliegen deutlich gegenteiliger Anhaltspunkte kann ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör angenommen werden (BVerfG, B.v. 23.7.2003 - 2 BvR 624/01 - juris Rn. 16; BVerwG, B.v. 27.10.1998 - 8 B 132.98 - juris Rn. 6). Dem entspricht es, dass § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur zur Angabe der die richterliche Überzeugung leitenden Gründe verpflichtet.
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Vor diesem Hintergrund ist kein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör darin zu sehen, dass das Verwaltungsgericht sich nicht ausdrücklich mit dem erstinstanzlichen Vortrag des Klägers aus seinem Schriftsatz vom 9. April 2021 befasst hat, mit dem er ausführte, dass aus seiner Sicht die Bindungswirkung der Baugenehmigung für das gaststättenrechtliche Verfahren deshalb nicht bestehe, weil die Baugenehmigung unter einer aufschiebenden Bedingung erteilt worden sei. Das Verwaltungsgericht hatte mit Berichterstatter-Schreiben vom 2. März 2021 auf die mögliche Bindungswirkung der Baugenehmigung für das gaststättenrechtliche Verfahren in Bezug auf die baurechtliche Situation hingewiesen; daraufhin nahm der Kläger im oben genannten Sinne Stellung. Im Urteil hat sich das Verwaltungsgericht ausführlich mit der Bindungswirkung der Baugenehmigung für das gaststättenrechtliche Verfahren befasst; deutliche Anhaltspunkte dafür, dass es dabei das Vorbringen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 9. April 2021 nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen hätte, wurden vom Kläger weder dargelegt noch sind sie ersichtlich.
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2.2 Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang weiter ausführt, das Verwaltungsgericht habe sein Vorbringen bezüglich der Erschließung zu Unrecht unter dem Gesichtspunkt der Klagebefugnis geprüft und diese zu Unrecht (teilweise) verneint, rügt er der Sache nach erneut ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Solche liegen auch insoweit nach dem oben unter 1. genannten Maßstab nicht vor.
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2.2.1 Zwar hätte das Verwaltungsgericht, nachdem es die Klagebefugnis des Klägers unter dem Gesichtspunkt möglicher schädlicher Umwelteinwirkungen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG i.V.m. § 3 Abs. 1 BImSchG) bejaht hatte, diese nicht im Übrigen verneinen dürfen. Denn Gegenstand einer Anfechtungsklage kann lediglich ein Verwaltungsakt oder ein selbständig anfechtbarer Teil hiervon sein, nicht aber einzelne Begründungselemente der getroffenen Regelung. Die nach § 42 Abs. 2 VwGO für die Zulässigkeit der Anfechtungsklage erforderliche Klagebefugnis muss bezogen auf den jeweiligen Klagegegenstand vorliegen. Die Norm lässt eine Aufspaltung nach unterschiedlichen Klagegründen mit der Folge, einzelne Klagegründe im Wege einer Art Vorprüfung endgültig auszuscheiden und die sachliche Nachprüfung des klägerischen Vorbringens nach Maßgabe des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf die verbleibenden Klagegründe zu beschränken, nicht zu (vgl. zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse einer Klage gegen eine Gaststättenerlaubnis BVerwG, U.v. 12.12.2019 - 8 C 3.19 - juris Rn. 15; zur Klagebefugnis bei einer Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss BVerwG, U.v. 20.5.1998 - 11 C 3.97 - juris Rn. 38; zu einer atomrechtlichen Genehmigung VGH BW, U.v. 30.10.2014 - 10 S 3450.11 - juris Rn. 33; Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Juli 2021, § 113 VwGO Rn. 14).
31
2.2.2 Das Vorgehen des Verwaltungsgerichts erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig, so dass der Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegt. Denn soweit der Kläger erstinstanzlich eine mangelnde Erschließung der Gaststätte gerügt hatte, handelt es sich um eine Voraussetzung der Erteilung der Baugenehmigung (§ 35 Abs. 2 BauGB) und der Gaststättengenehmigung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG - öffentliches Interesse), die keine drittschützende Wirkung besitzt und vom Kläger daher weder im Rahmen seiner Klage gegen die Baugenehmigung (vgl. insoweit im Verfahren hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung schon BayVGH, B.v. 3.5.2019 - 9 ZB 16.2615 - juris Rn. 11) noch gegen die Gaststättengenehmigung geltend gemacht werden kann.
32
Soweit der Kläger meint, sich deshalb auf die aus seiner Sicht bestehende Mangelhaftigkeit der Zufahrt berufen zu können, weil es um den Eintritt der in der Baugenehmigung enthaltenen „Bedingung“ und damit deren Wirksamkeit und Bindungswirkung für das gaststättenrechtliche Verfahren in Bezug auf immissionsschutzrechtliche Fragen gehe, die wiederum drittschützend seien, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen, weil er nicht hinreichend dargelegt hat und angesichts des Vortrags des Beklagten nicht ersichtlich ist, dass die in der Baugenehmigung enthaltene „Bedingung“ hinsichtlich der Zufahrt - und auch im Übrigen - tatsächlich nicht eingetreten wäre (s.o. 1.3.2).
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Da somit weder dargelegt noch ersichtlich ist, dass die angefochtene gaststättenrechtliche Erlaubnis den Kläger in drittschützenden Normen verletzt, hätte die Klage auch bei vollständiger Bejahung der Klagebefugnis in der Sache keinen Erfolg haben können.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da die Beigeladene mit Schriftsatz vom 29. November 2021 die Ablehnung des Zulassungsantrags beantragt hat. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 19.2, Nr. 2.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 analog. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, die auf umweltbezogene Auswirkungen des Betriebs bezogene Drittanfechtung einer gaststättenrechtlichen Genehmigung wie eine sonstige Klage drittbetroffener Privater im Umweltrecht zu behandeln (BayVGH, B.v. 18.4.2016 - 22 CS 16.256 - juris Rn. 26 m.w.N.; U.v. 10.3.2022 - 22 B 19.196 - juris Rn. 100; U.v. 10.3.2022 - 22 B 19.197 - juris Rn. 108).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 2 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).