Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.07.2022 – 15 ZB 22.30752
Titel:

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung in einem asylrechtlichen Verfahren (Georgien)

Normenketten:
GG Art. 103 Abs.1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
Leitsatz:
Die Aufklärungsrüge dient aber nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltschaftlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (Anschluss an BeckRS 2013, 46319). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht (Georgien), Asylrecht, Georgien, Aufklärungsrüge
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 02.06.2022 – RN 9 K 22.30260
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19895

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens je zur Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Die miteinander verheirateten Kläger sind georgische Staatsangehörige und begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage mit Urteil vom 2. Juni 2022 abgewiesen. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
II.
2
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Die Berufung ist weder wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) noch wegen Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) oder einer Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) zuzulassen.
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1. Die Rechtssache ist nicht wegen der von den Klägern behaupteten grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen.
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Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2022 - 15 ZB 22.30354 - juris Rn. 3). Dem wird der Antrag auf Zulassung der Berufung hier nicht gerecht.
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Abgesehen davon, dass im Zulassungsantrag schon keine konkrete Frage formuliert wird, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu klären wäre, behaupten die Kläger vielmehr im Stil einer Berufungsbegründung anhand der Wiederholung ihres Verfolgungsschicksals und des Sachverhalts, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt habe. Das reicht zur Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus. Soweit ausgeführt wird, es sei die Überprüfung der grundsätzlichen Beurteilung der Verfolgungsbetroffenheit bei gegen Dritte gerichteten Maßnahmen in Georgien auf den Prüfstand zu stellen, werden vielmehr ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts geltend gemacht, was keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Zulassungsgrund darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2022 - 15 ZB 22.30197 - juris Rn. 9). Unabhängig davon ist die Frage aufgrund einer notwendigen Beurteilung aller Umstände des Einzelfalls weder verallgemeinerungsfähig zu beantworten noch entscheidungserheblich, da das Verwaltungsgericht den Vortrag der Kläger zu ihren Vorfluchtgründen als nicht glaubhaft bewertet hat.
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2. Die vom Bevollmächtigten der Kläger im Zulassungsvorbringen angeführte Abweichung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) wird über die bloße Benennung des Zulassungsgrundes hinaus nicht weiter ausgeführt. Insoweit fehlt es bereits an den Darlegungsanforderungen des §78 Abs. 4 Satz 4 AsylG.
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3. Die von den Klägern geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG) liegt nicht vor.
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Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Das Gericht hat sich mit den wesentlichen Argumenten des Klagevortrags zu befassen, wenn sie entscheidungserheblich sind. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn sich aus besonderen Umständen klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist allerdings nicht schon dann verletzt, wenn der Richter zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung in Zusammenhang mit der ihm obliegenden Tätigkeit der Sammlung, Feststellung und Bewertung der von den Parteien vorgetragenen Tatsachen gekommen ist. Auch die bloße Behauptung, das Gericht habe einem tatsächlichen Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen oder das Gericht habe es versäumt, Beweis zu erheben, vermag einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, B.v. 15.2.2017 - 2 BvR 395/16 - juris Rn. 5 m.w.N.).
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Erforderlich ist die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Ausgangsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Ausgangsgerichts zu einer für den Rechtsmittelführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (vgl. BVerwG, U.v. 31.5.2017 - 6 C 42.16 - juris Rn. 31; U.v. 26.4.2018 - 5 C 4.17 - juris Rn. 25). Bei anwaltlich vertretenen Beteiligten ist zudem aufzuzeigen, dass entsprechende Beweisanträge erstinstanzlich gestellt wurden oder warum sich dem Ausgangsgericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.1997 - 9 B 312.97 - juris Rn. 8; B.v. 22.1.1999 - 6 B 128.98 - juris Rn. 11).
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Die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt hinsichtlich der vorgetragenen und belegten Erkrankung und psychischen Belastung der Klägerin zu 2 sowie deren Suizidbelastung nicht hinreichend aufgeklärt und den Vortrag nicht einmal gewürdigt, zeigt keinen Gehörsverstoß auf. Das Vorbringen steht nicht in Einklang mit der Aktenlage. Weder bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 26. Januar 2022 noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 1. Juni 2022 wurden hinsichtlich der Klägerin zu 2 die behaupteten, nicht einmal näher bezeichneten Erkrankungen oder eine Suizidgefahr vorgetragen. Auch die im Zulassungsvorbringen behaupteten Ausführungen des Klägers zu 1, welche Aufklärungsmaßnahmen das Verwaltungsgericht seiner Ansicht nach hätte ergreifen müssen und zu welchen Ergebnissen diese Aufklärung geführt hätte, finden sich weder in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht noch werden sie im Zulassungsvorbringen näher dargelegt. Im Übrigen haben die Kläger, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht anwaltlich vertreten waren, keine Beweisanträge gestellt. Die Aufklärungsrüge dient aber nicht dazu, Versäumnisse eines anwaltschaftlich vertretenen Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren und insbesondere Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter zumutbarerweise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat (BVerwG, B.v. 20.12.2012 - 4 B 20.12 - juris Rn. 6).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. §100 Abs. 1 ZPO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
12
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
13
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).