Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.07.2022 – 15 ZB 22.30730
Titel:

erfolglose Asylklage 

Normenketten:
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsatz:
Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gewährleistet nicht, dass die angefochtene Entscheidung frei von einfach-rechtlichen materiellen Rechtsfehlern oder sonstigen Verfahrensfehlern ist, sondern sie soll nur sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund gerade in der unterlassenen Kenntnisnahme oder in der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylbewerber aus Georgien, Antrag auf Zulassung der Berufung (abgelehnt), Georgien, rechtliches Gehör
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 02.06.2022 – RN 9 K 22.30194
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19893

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

I.
1
Die Kläger - georgische Staatsangehörige - wenden sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 28. Januar 2022, mit dem ihre Anträge auf Asylanerkennung abgelehnt wurden, ihnen die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurden, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung nach Georgien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde. Die Kläger ließen hiergegen Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erheben. Mit Urteil vom 2. Juni 2022 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, soweit die Klage in Bezug auf den Antrag auf Verpflichtung zur Asylanerkennung zurückgenommen wurde, und wies die Klage mit den zuletzt gestellten Anträgen, die Beklagte unter (teilweiser) Aufhebung des Bescheids vom 28. Januar 2022 zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft anzuerkennen, hilfsweise ihnen den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie weiter hilfsweise Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, ab. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
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1. Die von den Klägern geltend gemachten Berufungszulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind nicht gemäß den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG substantiiert dargelegt worden.
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a) Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen.
5
Soweit die Kläger auf Seiten 3 bis 5 des Zulassungsantrags vom 4. Juli 2022 allgemein das konkrete Ergebnis der Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht rügen, wenden sie sich in der Sache im Gewand einer Grundsatzrüge gegen die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, was aber keinen im Asylverfahren vorgesehenen Zulassungsgrund darstellt. Im Übrigen begrenzt sich die Antragsbegründung zur Untermauerung der Grundsatzrüge auf allgemeine, unsubstantiierte Erwägungen, wonach „für die zukünftige Beurteilung der Angelegenheiten“ die politische Entwicklung in Georgien „erneut unter Anwendung neuer Erkenntnisse“ untersucht werden müsse und wonach sich die politische Lage und Struktur ändere, was in der Rechtsprechung Einklang finden müsse (S. 5 f. des Schriftsatzes vom 4. Juli 2022). Mit diesem Vortrag werden die Kläger den Anforderungen an die Darlegung des Berufungszulassungsgrunds nicht gerecht. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Entscheidungserheblichkeit muss hinreichend substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zu entscheiden sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2021 - 15 ZB 21.31689 - juris Rn. 4 m.w.N.; B.v. 16.3.2022 - 15 ZB 22.30278 - juris Rn. 17). Diese Anforderungen erfüllt der Zulassungsvortrag der Kläger nicht im Ansatz.
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b) Soweit die Kläger eine Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V. mit § 138 Nr. 3 VwGO) mit der Argumentation rügen, das Verwaltungsgericht hätte weitere Ermittlungen hinsichtlich der Möglichkeit der medizinischen Behandlungen der Klägerin zu 4 in Georgien sowie den dortigen Zugang zu erforderlichen Medikamenten anstellen müssen, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags.
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Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gibt einem Prozessbeteiligten das Recht, alles aus seiner Sicht Wesentliche vortragen zu können. Eine Verletzung des Grundsatzes liegt vor, wenn das Gericht einen entscheidungserheblichen Vortrag der Beteiligten nicht zur Kenntnis genommen bzw. bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat oder einen entsprechenden Vortrag dadurch vereitelt hat, dass es unter Verstoß gegen das Prozessrecht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vortrag abgeschnitten hat, und dieser übergangene bzw. vereitelte Vortrag nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war. Im Übrigen brauchen sich die Gerichte nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich und im Detail auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Etwas Anderes gilt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (zusammenfassend zum Ganzen BayVGH, B.v. 16.3.2022 - 15 ZB 22.30278 - juris Rn. 11 m.w.N.).
8
Vorliegend hat sich das Verwaltungsgericht mit dem Vortrag der Erkrankung der Klägerin zu 4 auseinandergesetzt, diesen mithin zur Kenntnis genommen und im Rahmen des erstinstanzlichen Urteils erwogen (vgl. UA S. 8 sowie die Argumentation auf S. 11 f. des Bescheids vom 28. Januar 2022, auf die das angegriffene Urteil gem. § 77 Abs. 2 AsylG Bezug nimmt und die hierüber zum Inhalt der Entscheidungsgründe des Urteils wurden). Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gewährleistet im Übrigen nicht, dass die angefochtene Entscheidung frei von einfach-rechtlichen materiellen Rechtsfehlern oder sonstigen Verfahrensfehlern ist, sondern sie soll nur sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Rechtsfehlern ergeht, die ihren Grund gerade in der unterlassenen Kenntnisnahme oder in der Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (BayVGH, B.v. 5.12.2019 - 15 ZB 19.34099 - juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 27.9.2021 - 15 ZB 20.32485 - juris Rn. 55; vgl. auch BVerfG, B.v. 15.2.2017 - 2 BvR 395/16 - juris Rn. 5 m.w.N.). Damit begründet ein hier gerügter allgemeiner Aufklärungsmangel als solcher - unabhängig davon, ob die Rüge berechtigt oder unberechtigt ist - grundsätzlich weder einen Gehörsverstoß, noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2020 - 15 ZB 20.30954 - juris Rn. 31 m.w.N.). Auch soweit ausnahmsweise eine unterbliebene Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör darstellen kann, wäre den im erstinstanzlichen Verfahren und insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung anwaltlich vertretenen Klägern der Erfolg des Zulassungsantrags schon deshalb zu versagen, weil es ihnen im gerichtlichen Verfahren erster Instanz offen stand, einen förmlichen Beweisantrag zu stellen, um sich selbst vor Gericht das rechtliche Gehör zu verschaffen (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2020 - 15 ZB 20.30194 - BayVBl 2021, 559 = juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 27.7.2021 - 9 ZB 21.31039 - juris Rn. 18; SächsOVG, B.v. 7.2.2018 - 4 A 142/18.A - juris Rn. 6 m.w.N.; OVG NRW, B.v. 2.1.2020 - 19 A 4368/18.A - juris Rn. 6 ff. m.w.N.). Laut Protokoll des Verwaltungsgerichts über die mündliche Verhandlung am 1. Juni 2022 wurde aber kein Beweisantrag gestellt.
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c) Soweit die Kläger auf Seite 2 der Antragsschrift vom 4. Juli 2022 vortragen lassen, die Berufung sei „gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3, Abs. 4 AsylG zuzulassen“ und dass das angegriffene „Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht“, fehlt es an jeglicher Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen gem. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG. Nach dieser Norm ist die Berufung wegen „Divergenz“ zuzulassen, wenn das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Der Zulassungsgrund ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn der Rechtsmittelführer einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem von einem anderen in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gericht aufgestellten ebensolchen entscheidungstragenden Rechtssatz ausdrücklich oder konkludent widersprochen hat. Die divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt und die entscheidungstragende Abweichung muss darauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Die bloße Behauptung einer schlicht fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die die betreffenden Gerichte in ihrer Rechtsprechung aufgestellt haben, genügt den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge hingegen nicht (zum Ganzen vgl. vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2022 - 8 ZB 21.3252 - juris Rn. 19 m.w.N.; B.v. 2.8.2019 - 15 ZB 19.32569 - juris Rn. 6 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 23.5.2018 - 3 A 507/18.A - juris Rn. 12). Allein der Umstand, dass im Zulassungsantrag vom 4. Juli 2022 auf Seite 6 zur Untermauerung der eigenen Rechtsansicht eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zitiert wird, erfüllt daher die Darlegungsanforderungen in Bezug auf § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).