Titel:
Anspruch auf Beseitigung eines verrohrten Grabens und eines Mischwasserkanals
Normenketten:
BGB § 891 Abs. 2, § 903, § 1004
BayWG Art. 1 Abs. 2 S. 1
WHG § 3 Nr. 1, § 67 Abs. 2
Leitsatz:
Unter einem oberirdischen Gewässer ist das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser zu verstehen. Kennzeichnend für ein oberirdisches Gewässer ist die nicht nur gelegentliche Wasseransammlung in einem Gewässerbett. Das Vorhandensein eines Gewässerbetts wird aber nicht absolut gefordert, d.h. nicht jede Unterbrechung im oberirdischen Wasserlauf durch unterirdische Teilstrecken - etwa eine Verrohrung - führt zum Verlust der Eigenschaft als oberirdisches Gewässer. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungszulassung (abgelehnt), Verlegung eines verrohrten Grabens, oberirdisches Gewässer, Beseitigung eines Mischwasserkanals, Übertragung einer Dienstbarkeit, verrohrter Graben, Gewässerbett, Mischwasserkanal, Kanalverlegungs- und Belassungsrecht, beschränkt persönliche Dienstbarkeit
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 27.07.2021 – M 2 K 20.1210
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 07.12.2022 – 8 ZB 22.1906, 8 ZB 21.2339
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19872
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 27. Juli 2021 für beide Rechtszüge auf jeweils 29.000 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 1, einer Gemeinde, die Beseitigung eines verrohrten Grabens, der unterirdisch über sein Grundstück verläuft. Von der Beklagten zu 2, einem gemeinsamen Kommunalunternehmen, fordert der Kläger die Beseitigung eines Mischwasserkanals, der über ein Grundstück verläuft, das er mit Wirkung zum 20. Oktober 2020 (Grundbucheintragung) an einen Dritten veräußert hat.
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1. Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung O. Über das Grundstück verläuft - unterirdisch verrohrt - der M.-graben. Der M.-graben entspringt an den Hängen westlich des A.-sees (im Bereich des Grundstücks FlNr. …) durch Austritt von Schichtenwasser und führt wild anfallendes Oberflächenwasser als Vorflut ab. Bis zur südlichen Grenze des Grundstücks FlNr. … verläuft er oberirdisch. Ab dort verläuft er weiter durch den bebauten Ortsbereich abschnittsweise unterirdisch verrohrt oder oberirdisch; er leitet Niederschlagswasser von Dach- und Hofflächen ab und mündet ostwärts im A.-see.
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2. Das Grundstück FlNr. …, das südwestlich an das Grundstück FlNr. … grenzt, stand bis Oktober 2020 im Eigentum des Klägers. In dem Grundstück verläuft ein Mischwasserkanal, den die Beklagte zu 2 betreibt. Die Voreigentümer bestellten im Jahr 1979 zugunsten der Beklagten zu 1 eine Dienstbarkeit (Kanalverlegungs- und Belassungsrecht), das im Grundbuch eingetragen wurde. Die Dienstbarkeit wurde der Beklagten zu 2 übertragen; die Eintragung im Grundbuch erfolgte am 7. Juli 2022.
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3. Mit Schriftsatz vom 11. März 2020 hat der Kläger Klagen zum Verwaltungsgericht München erhoben und zuletzt beantragt,
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1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, den M.-graben auf dem Grundstück FlNr. … stillzulegen, hilfsweise die Errichtung einer Garage zu dulden und weiter hilfsweise den Graben zu verlegen.
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2. Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, den Mischwasserkanal auf dem Grundstück FlNr. … stillzulegen, oder hilfsweise es zu unterlassen, Wasser durch den Kanal zu leiten.
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4. Das Verwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen. Der M.-graben sei ein oberirdisches Gewässer (§ 3 Nr. 1 WHG). Er weise eine Gewässerfunktion auf, die durch die Verrohrung nicht derart unterbrochen werde, dass der Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt gelöst erschiene. Es handle sich auch nicht um ein Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung (§ 2 Abs. 2 WHG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayWG). Die begehrte Beseitigung des Grabens bedürfe einer Planfeststellung oder Plangenehmigung, worauf der Kläger keinen Anspruch habe. Der Klage auf Duldung der Errichtung einer Garage fehle das Rechtschutzbedürfnis. Die Duldung durch die Beklagte könne die Rechtsposition des Klägers nicht verbessern.
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Das Betreiben des Mischwasserkanals auf Grundstück FlNr. … sei durch die ursprünglich für die Beklagte zu 1 eingetragene und an die Beklagte zu 2 übertragene Dienstbarkeit gerechtfertigt. Am Entstehen der Dienstbarkeit, deren Fortbestand und der Richtigkeit des Grundbuchs bestünden keine Zweifel. Der hilfsweise erhobene Anspruch auf Unterlassung der Durchleitung habe deshalb ebenfalls keinen Erfolg.
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5. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtschutzbegehren weiter. Wegen des Zulassungsvorbringens wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
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A. Ob das Zulassungsvorbringen den Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO genügt, ist zweifelhaft, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung.
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Die Zulassungsbegründung erschöpft sich in weiten Teilen in der Darstellung der eigenen Rechtsauffassung, ohne dass sie sich mit der Begründung des Ersturteils substanziiert auseinandersetzt. Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und zitiert umfangreich aus seinen Schriftsätzen vor dem Verwaltungsgericht; die Ausführungen vermengen Zitate, Tatsachenbehauptungen und rechtliche Einlassungen in einer unübersichtlichen Weise. Auch der Inhalt der Zulassungsbegründung erweckt zumindest teilweise Zweifel, ob der Prozessbevollmächtigte - ein dem Senat als kompetent bekannter Fachanwalt für Verwaltungsrecht - die Begründung, wie es der Vertretungszwang nach § 67 Abs. 4 VwGO verlangt, eigenständig abgefasst oder aber Ausführungen des Klägers ohne eigene Sichtung, Prüfung und rechtliche Durchdringungen übernommen hat (vgl. BVerwG, B.v. 15.11.2019 - 5 B 18.19 - juris Rn. 6 m.w.N.). Darauf deutet beispielsweise die wiederholte Verwendung des Begriffs „Zulassungsbeschwerde“ hin. Auch der Vorhalt, die Klägerseite sei von der Anhörung der nicht zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht geladenen Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts überrascht worden, spricht gegen eine anwaltliche Prüfung. Die gerügte Verfahrensweise entspricht ständiger verwaltungsgerichtlicher Praxis, die auch der Senat anwendet; dem Prozessbevollmächtigten des Klägers müsste dies bekannt sein.
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B. Aus dem Zulassungsvorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Ernstliche Richtigkeitszweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Solche liegen vielmehr bereits dann vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 - 2 BvR 1232/20 - juris Rn. 23; B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 - BVerfGE 151, 173 = juris Rn. 32 m.w.N.). Bei der Beurteilung ist nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung abzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 - 2 BvR 2426/17 - NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9).
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Ausgehend von diesen Maßstäben begründet das Vorbringen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung.
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1. Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete, auf §§ 903, 1004 BGB gestützte Klage des Klägers auf Beseitigung bzw. Verlegung des M.-grabens auf dem Grundstück FlNr. … zu Recht abgewiesen.
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a) Der Zulassungsantrag zieht die - auf die gutachterliche Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts gestützte - Wertung, bei dem M.-graben handle es sich um ein oberirdisches Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1 WHG, nicht ernstlich in Zweifel.
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aa) Hiernach ist unter einem oberirdischen Gewässer das ständig oder zeitweilig in Betten fließende oder stehende oder aus Quellen wild abfließende Wasser zu verstehen. Kennzeichnend für ein oberirdisches Gewässer ist die nicht nur gelegentliche Wasseransammlung in einem Gewässerbett (vgl. BVerwG, B.v. 16.7.2003 - 7 B 61.03 - NuR 2004, 43 = juris Rn. 5). Der Begriff des Gewässerbetts meint eine äußerlich erkennbare, natürliche oder künstliche Begrenzung des Wassers in einer Eintiefung an der Erdoberfläche. Befindet sich das Wasser an einem solchen Ort, ist es in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden und hat Anteil an den Gewässerfunktionen. In dieser Eigenschaft soll es der wasserrechtlichen Benutzungsordnung unterliegen (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.2011 - 7 C 3.10 - NVwZ 2011, 696 = juris Rn. 17). Das Vorhandensein eines Gewässerbetts wird aber nicht absolut gefordert, d.h. nicht jede Unterbrechung im oberirdischen Wasserlauf durch unterirdische Teilstrecken - etwa eine Verrohrung - führt zum Verlust der Eigenschaft als oberirdisches Gewässer (vgl. BVerwG, U.v. 31.10.1975 - IV C 43.73 - BVerwGE 49, 293 = juris Rn. 26; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand Januar 2022, § 3 WHG Rn. 13a).
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Der Maßstab für den Verlust der Gewässereigenschaft ist letztlich die Absonderung vom natürlichen Gewässerhaushalt, die sich vor allem in der Beeinträchtigung der Gewässerfunktionen zeigt. Schon bei der Entstehung des Wasserhaushaltsgesetzes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass nur solche Gewässer von seinem Anwendungsbereich erfasst werden, die der wasserrechtlichen Lenkung zugänglich sind; auf vom natürlichen Wasserhaushalt abgesondertes, in Leitungen oder anderen Behältnissen „gefasstes“ Wasser trifft dies nicht zu (vgl. Drucksache 2072 S. 21; BVerwG, U.v. 31.10.1975 - IV C 43.73 - BVerwGE 49, 293 = juris Rn. 28; Széchényi in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwAG, Stand Juli 2021, § 3 WHG Rn. 60). Ob die Absonderung vom natürlichen Gewässerhaushalt bei einer Unterbrechung der offenen Wasserführung von solchem Gewicht ist, dass der Zusammenhang mit dem Wasserhaushalt gelöst erscheint, ist daran zu messen, ob das Wasser weiterhin in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.2011 - 7 C 3.10 - NVwZ 2011, 696 = juris Rn. 20). Die Beurteilung bedarf einer wertenden Betrachtung. Inhaltlich ist danach zu fragen, ob die natürliche Gewässerfunktion noch dominiert oder aufgrund des Umfangs oder der Art der Einschränkung überwiegend verloren gegangen ist (vgl. BVerwG, U.v. 15.6.2005 - 9 C 8.04 - ZfW 2006, 209 = juris Rn. 21).
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bb) Das Ausgangsgericht hat seine Wertung, der Zusammenhang des M.-grabens mit dem Wasserhaushalt sei nicht gelöst, im Wesentlichen auf die Speisung durch Schichtenwasser, den weitgehend ursprünglichen Gewässerverlauf, die fehlende Zuführung des Wassers zu einer technischen Benutzung, die Aufnahme von Niederschlagswasser und die teilweise offenen Gewässerstrecken im Ort gestützt (vgl. UA Rn. 28). Der Gesamtschau liegt die fachliche Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts zugrunde, wonach der M.-graben Bestandteil des natürlichen Wasserkreislaufs ist (vgl. Stellungnahme vom 24.3.2020 S. 19; Sitzungsprotokoll des VG S. 3 ff.).
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Diese Wertung zieht der Kläger nicht ernstlich in Zweifel. Er zeigt keine guten Gründe auf, dass die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Sachverhalts genügt dafür nicht (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.2016 - 5 B 3.16 D - juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 21.1.2013 - 8 ZB 11.2030 - ZfW 2013, 176 = juris Rn. 17).
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Welchen ökologischen Wert der M.-graben hat, ist für die maßgebliche Frage seiner Einbindung in den natürlichen Wasserkreislauf ohne ausschlaggebende Bedeutung. Dies hat das Wasserwirtschaftsamt zutreffend erkannt (vgl. Sitzungsprotokoll des VG S. 5). Die vom Kläger verlangten Anforderungen an die Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit von oberirdischen Gewässern gehen an dem maßgeblichen Kriterium der Steuerbarkeit des Wassers mit den gesetzlich verankerten wasserwirtschaftlichen Instrumentarien vorbei (vgl. OVG NW, B.v. 29.4.2019 - 20 A 3187/17 - DVBl 2020, 133 = juris Rn. 24). Nicht maßgeblich ist auch, ob der Anteil der verrohrten Strecke an der Gesamtgewässerstrecke überwiegt (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2016 - 8 ZB 14.543 - juris Rn. 10; Czychowski/Reinhard, WHG, 12. Aufl. 2019, § 3 Rn. 13).
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Die Behauptung des Klägers, der M.-graben sei u.a. im Bereich seines Grundstücks früher umverlegt worden, steht nicht im Widerspruch zu der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Graben folge „weiterhin im Wesentlichen dem ursprünglichen Verlauf“ (vgl. UA Rn. 28). Im Übrigen schließen künstliche Veränderungen des Wasserbetts die Gewässereigenschaft nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 15.6.2005 - 9 C 8.04 - ZfW 2006, 209 = juris Rn. 22; Czychowski/Reinhard, WHG, § 3 Rn. 13).
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Auf die vom Kläger als klärungsbedürftig erachteten Fragen, ob Abwasser in den M.-graben eingeleitet wird, ob dort ein im PRTR-Register eingetragener Betrieb gelegen ist und ob geschützte Biotope im Gewässerbereich vorhanden sind, hat das Verwaltungsgericht bei seiner wertenden Gesamtschau nicht abgestellt (vgl. UA Rn. 28). Im Übrigen ist der Vortrag des Klägers, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ergäben sich aus einer Verletzung der Amtsaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), am Maßstab des Zulassungsgrunds eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu würdigen (vgl. unten Rn. 57).
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cc) Der Kläger zeigt auch keine begründeten Zweifel an der Unparteilichkeit der Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts auf, die zur Unverwertbarkeit ihrer gutachterlichen Einschätzung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht führen könnte (vgl. BVerwG, B.v. 14.10.2019 - 4 B 27.19 - NVwZ 2020, 322 = juris Rn. 22; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 80). Solche Zweifel bestehen nur, wenn ein Beteiligter des Verfahrens von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger und objektiver Betrachtung davon ausgehen darf, der Sachverständige habe sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstattet (vgl. BVerwG, B.v. 29.1.2019 - 5 B 25.18 - juris Rn. 23; Lang in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 98 Rn. 173a). Der vom Kläger angeführte Umstand, die Vertreterin des Wasserwirtschaftsamts habe sich vor der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht mit den Vertretern der Beklagtenseite „in einer geselligen Runde unterhalten“, ist für sich genommen noch kein Grund, um auf ein problematisches „Näheverhältnis“ zu schließen. Darüberhinausgehende Gründe, z.B. konkrete Gesprächsinhalte, die aus Sicht des Klägers Zweifel an der Unparteilichkeit begründen könnten, legt der Zulassungsantrag nicht dar.
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b) Auch die verwaltungsgerichtliche Annahme, der M.-graben sei kein Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung (vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayWG), ist in Ansehung des Zulassungsvorbringens nicht ernstlich zweifelhaft.
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Nach dieser Vorschrift sind das Wasserhaushaltsgesetz (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 WHG) und das Bayerische Wassergesetz u.a. nicht anzuwenden auf Be- und Entwässerungsgräben, soweit sie von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung sind.
28
Das Verwaltungsgericht hat seine Wertung, der M.-graben sei kein Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung i.S.d. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayWG, auf die fachliche Einordnung des Wasserwirtschaftsamts gestützt (vgl. UA Rn. 29). Dies erweist sich als rechtsfehlerfrei. Der Kläger hat die fachlichen Aussagen des Wasserwirtschaftsamts, denen regelmäßig eine besondere Bedeutung zukommt und auf die sich ein Tatsachengericht grundsätzlich ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht stützen kann (vgl. BayVGH, U.v. 8.10.2019 - 8 B 18.809 - juris Rn. 51; nachgehend BVerwG, B.v. 16.12.2020 - 3 B 45.19 - juris Rn. 8 ff.), nicht erschüttert.
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Das Wasserwirtschaftsamt hat seine fachliche Beurteilung insbesondere auf die in Nr. 1.2.1 der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Wasserrechts (VVWas i.d.F.d. Bekanntmachung vom 27.1.2014, AllMBl. S. 57) genannten Kriterien gestützt (vgl. Stellungnahme vom 24.3.2020 S. 18; Sitzungsprotokoll des VG S. 4). Der Zulassungsantrag kann die dortigen fachgutachterlichen Aussagen nicht erschüttern. Das Einzugsgebiet von mehr als 50 ha (vgl. Nr. 1.2.1 Satz 2 Buchst. a VVWas) stellt der Kläger nicht infrage (vgl. auch Karte des WWA, VG-Akte S. 262). Zum Kriterium „Einleitung von häuslichem oder gewerblichem Abwasser“ (vgl. Nr. 1.2.1 Satz 2 Buchst. b VVWas) behauptet der Kläger das Gegenteil („Kanalisation“), ohne seine Behauptung, in den M.-graben werde Abwasser eingeleitet, zu belegen; aus dem Durchmesser der Betonverrohrung ergibt sich diese Annahme nicht. Soweit der Kläger darauf abstellt, dass in der Vergangenheit ein PRTR-Betrieb tätig gewesen sei (Fabrikwerke auf dem „P.-Gelände“), verkennt er den auf die Gegenwart beschränkten Anwendungsbereich des Kriteriums in Nr. 1.2.1 Satz 2 Buchst. e VVWas („Betrieb am Gewässer liegt“). Auch die Aussage des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (vgl. Sitzungsprotokoll des VG S. 4), im Verlauf des M.-grabens befänden sich Biotope (Bereich des Entspringens: kartierte Gehölzbestände; Bereich K.-weg: Gewässerbegleitholz), zieht der Zulassungsantrag nicht ernstlich in Zweifel; der Vorhalt des Klägers, diese Biotope seien möglicherweise nicht „gesetzlich geschützt“ (Nr. 1.2.1 Satz 2 Buchst. d VVWas), ist rein spekulativ.
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Im Übrigen sind Gräben im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayWG nur die ausschließlich in einem künstlichen Bett fließenden (unbedeutenden) Gewässer. Ein Bach natürlichen Ursprungs mit einer naturgegebenen Vorfluteigenschaft - die nach der fachlichen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts vorliegend gegeben ist (vgl. Stellungnahme vom 24.3.2020 S. 19) - gehört auch dann nicht dazu, wenn er streckenweise verrohrt oder in ein künstliches Bett gefasst und in seiner Streckenführung verändert wurde (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2016 - 8 ZB 14.543 - juris Rn. 17; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Art. 1 BayWG Rn. 30).
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c) Nicht ernstlich zweifelhaft ist zudem die erstinstanzliche Annahme (vgl. UA Rn. 28), dem M.-graben fehle auch nicht abschnittsweise (wegen verrohrter unterirdischer Teilstrecken) die Gewässereigenschaft bzw. unterliege abschnittsweise als kleines Gewässer mit wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung nicht den Wassergesetzen.
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Inwiefern es der vorliegende Sachverhalt gebieten würde, von der wasserwirtschaftlichen Einheit des Gewässers auf seiner gesamten Strecke (vgl. Berendes in Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, 2. Aufl. 2017, § 3 Rn. 8 m.w.N.; Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017 Rn. 232) im Einzelfall - insbesondere im Bereich des Grundstücks FlNr. … - abzusehen, legt der Kläger nicht dar.
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d) Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die vom Kläger begehrte Beseitigung bzw. Verlegung des M.-grabens auf Flächen außerhalb seines Grundstücks bedürfe als Gewässerausbau einer Planfeststellung (§ 68 WHG; vgl. UA Rn. 31 ff.), ist unter Würdigung des Zulassungsvorbringens nicht ernstlich zweifelhaft.
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Die gegenteilige Auffassung des Klägers, eine örtlich begrenzte Verlegung des Grabens auf Flächen außerhalb seines Grundstücks beinhalte keine wesentliche Veränderung des Gewässers i.S.d. § 67 Abs. 2 WHG, trifft nicht zu. Die Umgestaltung einer Teilstrecke genügt (vgl. NdsOVG, B.v. 16.8.2011 - 13 LA 23/10 - NordÖR 2011, 511 = juris Rn. 8; Lau in Schink/Fellenberg, GK-WHG, 1. Aufl. 2021, § 67 Rn. 24).
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2. Hinsichtlich der Abweisung des Hilfsantrags auf Duldung der Errichtung einer Garage auf dem Grundstück FlNr. … erfüllt der Zulassungsantrag nicht die Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.
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Abgesehen davon teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, der Klage (Hilfsantrag) fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger durch die Duldung der Garage durch die - nicht als Baugenehmigungsbehörde zuständige - Beklagte zu 1 sein Ziel, eine Garage auf seinem Grundstück zu errichten, nicht fördern kann (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, Vor §§ 40-53 Rn. 16; vgl. auch NdsOVG, B.v. 7.3.2018 - 11 LA 43/17 - NdsVBl 2018, 310 = juris Rn. 8 zu § 43 VwGO).
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3. Das Verwaltungsgericht hat auch die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage, den über ihr Grundstück verlaufenden Mischwasserkanal zu beseitigen bzw. es zu unterlassen, Wasser durch den Kanal zu leiten, im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der nach Veräußerung des Grundstücks FlNr. … weiterhin prozessführungsbefugte Kläger (vgl. § 173 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO) hat keinen Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung gegen die Beklagte zu 2.
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Rechtsgrundlage für das Klagebegehren ist § 1004 Abs. 1 BGB, der bei Eigentumsstörungen durch schlich-hoheitliche Tätigkeit entsprechend anzuwenden ist (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2013 - 4 B 13.1166 - DVBl 2014, 247 = juris Rn. 22). Der Anspruch besteht nicht, wenn der Eigentümer verpflichtet ist, die Eigentumsstörung - hier den Mischwasserkanal und dessen Nutzung - zu dulden (§ 1004 Abs. 2 BGB).
39
a) Vorliegend ergibt sich eine Duldungspflicht aus dem dinglich gesicherten Kanalverlegungs- und Belassungsrecht, das die Voreigentümer des klägerischen Grundstücks der Beklagten zu 1 im Jahr 1979 eingeräumt haben. Inzwischen ist die Beklagte zu 2 Inhaberin dieser beschränkt persönlichen Dienstbarkeit. Die vom Kläger angeführte Entscheidung des OLG Nürnberg vom 26. Januar 2016 (Az. 15 W 1608/15) betrifft einen schuldrechtlichen Anspruch auf Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit und gibt für die Übertragung letzterer nichts her. Der Beklagten zu 2 wurde das dingliche Nutzungsrecht mit Notarvertrag vom 3. Juni 2022 (i.V.m. § 1 Nr. 3 der Vereinbarung zur Verbandssatzung des Rechtsvorgängers der Beklagten zu 2 vom 31.7.2000) übertragen (vgl. § 1092 Abs. 3 BGB; zu den erleichterten Übertragungsvoraussetzungen bei juristischen Personen vgl. auch BT-Drs. 13/3604 S. 7). Die nach § 873 Abs. 1 BGB erforderliche Eintragung im Grundbuch (vgl. ThürOLG, B.v. 25.3.2013 - 9 W 132/13 - NotBZ 2013, 313 = juris Rn. 6; Mohr in Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 1092 Rn. 21) erfolgte am 7. Juli 2022.
40
Diese Änderung der Sachlage nach Ergehen des Ersturteils ist im Zulassungsverfahren zu berücksichtigen. Bei der allgemeinen Leistungsklage aufgrund § 1004 BGB ist nach dem materiellen Recht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.1980 - 7 C 73.78 - NJW 1981, 700 = juris Rn. 17; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn. 92). Bei der Entscheidung über den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind auch die von der Beklagtenseite vorgetragenen und nach materiellem Recht entscheidungserheblichen Tatsachen, die erst nach Erlass der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung eingetreten sind, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2002 - 7 AV 3.02 - NVwZ 2003, 490 = juris Rn. 10 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 22). Dass der Eintragung im Grundbuch ein richterlicher Hinweis vorausgegangen ist, begründet keine Zweifel an der Unparteilichkeit des Senats. Richterliche Hinweise sind Aufgabe des Richters, auch wenn hierdurch die Prozesschancen eines Beteiligten verringert werden können (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2017 - 9 A 16.16 - NVwZ 2018, 181 = juris Rn. 6).
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b) Soweit der Kläger die Richtigkeit der Eintragung im Grundbuch infrage stellt, kann er ebenfalls nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beweisregel des § 891 Abs. 1 BGB, wonach vermutet wird, dass ein im Grundbuch für jemand eingetragenes Recht diesem zustehe, auch im Verwaltungsprozess gilt (vgl. BVerwG, B.v. 16.8.2005 - 10 B 43.05 - RdL 2005, 328 = juris Rn. 7).
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Abgesehen davon zeigt der Zulassungsantrag nicht auf, dass die beschränkt persönliche Dienstbarkeit wegen Vorteilswegfalls erloschen wäre. Das dingliche Recht erlischt, wenn das mit der Dienstbarkeitsbestellung verfolgte Interesse endgültig wegfällt (vgl. BGH, U.v. 6.2.2009 - V ZR 139/08 - MittBayNot 2009, 374 = juris Rn. 11; Berger in Jauernig, BGB, 18. Auflage 2021; § 1090 Rn. 15). Dies hat das Verwaltungsgericht anhand der Einlassung der Beklagten zu 2, den Kanal - ungeachtet baulicher Veränderungen auf dem „P.-Gelände“ - weiterhin zu nutzen, rechtsfehlerfrei verneint (UA Rn. 44). Hiernach dient der Kanal nicht nur der Entwässerung des „P.-Geländes“, sondern auch eines Teilbereichs von O. (vgl. VG-Akte S. 131, 149 [Plan], 281). Mit der bloßen Behauptung des Gegenteils genügt der Zulassungsantrag nicht den Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.
43
Ob eine Alternative zur Kanalführung über das klägerische Grundstück besteht, ist für den Fortbestand der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit ohne Belang. Dies bedeutet keine unverhältnismäßige Beschränkung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG); die Inanspruchnahme des Grundstücks beruht nicht auf einem hoheitlichen Zugriff, sondern auf einem von den Voreigentümern einvernehmlich eingeräumten dinglichen Nutzungsrecht, mit dem das Grundeigentum seitdem belastet ist. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 29. November 2013 (Az. 4 B 13.1166); im dortigen Fall besaß die Beklagte kein dinglich gesichertes Nutzungsrecht (vgl. juris Rn. 23). Die vom Kläger angeführten Nachteile (Kaufpreisreduzierung von 24.000 EUR; keine Gegenleistung; keine zeitliche Beschränkung), sind deshalb ohne rechtliche Bedeutung.
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c) Die Eintragung des Kanalleitungsrechts im Grundbuch erfüllt entgegen der Auffassung des Klägers auch die Anforderungen an die Bestimmtheit. Eine schlagwortartige Bezeichnung des Rechtsinhalts reicht hierfür aus (vgl. BGH, U.v. 21.12.2012 - V ZR 221/11 - NJW 2013, 1963 = juris Rn. 11). Der Rechtsinhalt ist aufgrund objektiver Umstände erkennbar und für einen Dritten verständlich, sodass dieser in der Lage ist, die hieraus folgende höchstmögliche Belastung des Grundstücks einzuschätzen oder zumindest eine ungefähre Vorstellung davon zu gewinnen, welche Bedeutung die Dienstbarkeit für das Eigentum haben kann (vgl. BGH, U.v. 20.3.2020 - V ZR 317/18 - WM 2021, 1762 = juris Rn. 7). Weshalb dies nur möglich sein sollte, wenn die Lage des Kanals aus dem Grundbuch zu ersehen ist, erschließt sich dem Senat nicht.
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C. Die Berufung ist auch nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn es bei der Berufungszulassung auf eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechts- oder Tatsachenfrage ankommt, die bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt ist und die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung bedarf (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 - 1 BvR 587/17 - BVerfGE 151, 173 = juris Rn. 33; B.v. 9.6.2016 - 1 BvR 2453/12 - NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 20).
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Ausgehend davon hat der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht aufgezeigt. Die von ihm aufgeworfene Frage,
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„ob die Gewässereigenschaft auch auf längeren verrohrten Teilstrecken verloren gehen kann, wenn in diesen Teilstrecken zwar Wasser aus einem Gewässer zufließt, der betreffende Abschnitt aber so lang ist, dass kein ökologischer Zusammenhang mehr zwischen dem oberliegenden und dem sich an die Verrohrung anschließenden Gewässerabschnitt [mehr] besteht“,
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lässt sich fallübergreifend weder bejahen noch verneinen. Sie hängt von den tatsächlichen Umständen des konkreten Einzelfalls ab und ist einer allgemein gültigen Klärung in einem Berufungsverfahren nicht zugänglich (vgl. BVerwG, B.v. 11.7.2019 - 3 B 15.18 - juris Rn. 17; Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn. 35).
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D. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels, auf dem das Ersturteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), zuzulassen.
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1. Der Zulassungsantrag zeigt einen Verfahrensmangel wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nicht auf.
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Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs hat eine zweifache Ausprägung. Zum einen untersagt er dem Gericht, seiner Entscheidung Tatsachen oder Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Zum anderen gibt er den Beteiligten einen Anspruch darauf, dass ihr rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung in Erwägung gezogen wird, soweit es aus verfahrens- oder materiell-rechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (vgl. BVerfG, B.v. 29.10.2015 - 2 BvR 1493/11 - NVwZ 2016, 238 = juris Rn. 45; BayVerfGH, E.v. 20.4.2021 - Vf. 44-VI-20 - BayVBl 2021, 516 = juris Rn. 32; BVerwG, U.v. 14.11.2016 - 5 C 10.15 D - BVerwGE 156, 229 = juris Rn. 65, jeweils m.w.N.).
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a) Soweit der Kläger rügt, er habe den von der Beklagten zu 2 vorgelegten und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingesehenen Plan („Bestandskanalisation“) vom 3. Februar 1978 nicht prüfen können, legt er nicht dar, was er nach eingehender Prüfung Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte, das zu einer für ihn sachlich günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. BVerwG, B.v. 5.12.2019 - 2 B 11.19 - Buchholz 230 § 127 BRRG Nr. 68 = juris Rn. 20 zu § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 74). Der Urteilsbegründung ist auch nicht zu entnehmen, dass der Plan für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich war. Dies gilt auch für die vom Kläger als relevant erachtete Frage, ob die Rohrleitung zwingend über das Grundstück FlNr. … geführt werden muss (vgl. UA Rn. 44).
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b) Nicht dargelegt ist, dass es das Verwaltungsgericht - wie der Kläger behauptet - bewusst unterlassen hat, seinen Sachvortrag zur Kenntnis zu nehmen, zu erörtern und in seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Vorbringens in den Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt erst dann vor, wenn im Einzelfall besondere Umstände erkennen lassen, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen hat. Besondere Umstände in diesem Sinne liegen etwa dann vor, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich ist (vgl. BVerfG, B.v. 31.1.2020 - 2 BvR 2592/18 - juris Rn. 11; B.v. 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 = juris Rn. 39; BVerwG, B.v. 28.3.2014 - 1 WB 10.14 u.a. - juris Rn. 11).
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c) Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt auch nicht deshalb vor, weil das Verwaltungsgericht den Kläger nicht vor dem Ergehen des Urteils darauf hingewiesen hat, dass es der Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts folgen wird.
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Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt in der Ausprägung, die er in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, keine Pflicht des Gerichts zur umfassenden Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte. Das Gericht ist nicht verpflichtet, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen. Die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 7.4.2022 - 2 B 8.21 - juris Rn. 25). Mit dem Abstellen auf die fachgutachterliche Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts, die ausweislich des Sitzungsprotokolls wesentlicher Verhandlungsgegenstand war, musste der Kläger vielmehr rechnen (vgl. auch BVerfG, B.v. 25.5.2021 - 2 BvR 1719/16 - NJW 2021, 2581 = juris Rn. 13). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht indessen nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsauffassung eines Beteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. BVerwG, B.v. 22.3.2016 - 9 A 7.16 u.a. - Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 15 - juris Rn. 4).
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2. Mit dem Vorbringen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, das Verwaltungsgericht hätte zu verschiedenen Fragen weitere Untersuchungen anstellen müssen, rügt der Zulassungsantrag in der Sache einen Verstoß gegen die Amtsaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Anforderungen an eine erfolgreiche Aufklärungsrüge werden damit nicht erfüllt. Diese erfordert bei anwaltlich vertretenen Beteiligten insbesondere auch die Darlegung, dass ein Beweisantrag erstinstanzlich gestellt wurde oder dass sich dem Ausgangsgericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.2016 - 2 B 57.15 - ZBR 2017, 41 = juris Rn. 13; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 75). Daran fehlt es hier. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ausweislich des Sitzungsprotokolls keinen förmlichen Beweisantrag gestellt. Er legt auch nicht hinreichend dar, dass sich dem Erstgericht unabhängig von einem förmlichen Beweisantrag die Einholung weiterer Ermittlungsmaßnahmen hätten aufdrängen müssen. Der Kläger verkennt, dass das Verwaltungsgericht die meisten der von ihm für aufklärungsbedürftig angeführten Umstände als nicht entscheidungserheblich angesehen hat.
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E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Werden - wie vorliegend - mehrere Anträge gegen mehrere Beklagte gestellt, so werden die Werte addiert, wenn die Streitgegenstände einen selbständigen wirtschaftlichen Wert oder einen selbständigen materiellen Gehalt haben (§ 39 GKG, Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; vgl. auch BVerwG, B.v. 15.7.1998 - 1 B 75.98 - AGS 1999, 151 = juris Rn. 9). Die gegen die Beklagten zu 1 und 2 erhobenen Klagen haben im so verstandenen Sinn jeweils einen selbständigen materiellen Gehalt; sie sind gegen unterschiedliche Beklagte gerichtet und betreffen selbständige Klagegründe (M.-graben; Mischwasserkanal).
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Der Streitwert ist grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Diese entspricht regelmäßig dessen wirtschaftlichem Interesse an der angestrebten gerichtlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.2016 - 5 KSt 6.16 - juris Rn. 4). Das wirtschaftliche Interesse an der Beseitigung bzw. Verlegung des Mischwasserkanals im Grundstück FlNr. … wird vom Kläger mit 24.000 EUR (Kaufpreisminderung durch den Erwerber) beziffert. Hinsichtlich der Klage auf Verlegung des M.-grabens, die den Bau einer Garage auf dem klägerischen Grundstück ermöglichen soll, bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, sodass der Streitwert mit 5.000 EUR anzusetzen ist (§ 52 Abs. 2 GKG).
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Nicht streitwertwerterhöhend sind die Hilfsanträge des Klägers. Zwar wurde über sie entschieden (vgl. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, Nr. 1.1.4 des Streitwertkatalogs); die Hilfsanträge sind aber wirtschaftlich identisch mit den jeweiligen Hauptanträgen. Der Streitwert beträgt demnach insgesamt 29.000 EUR. Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ist entsprechend abzuändern (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).