Titel:
Kein presserechtlicher Auskunftsanspruch im Zusammenhang mit Coronavirus-Testverordnungen
Normenketten:
VwGO § 82 Abs. 1 S. 1, § 123, § 146
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12
BayPrG Art. 4 Abs. 1
SGB I § 35
SGB V § 77, § 78, § 285
SGB X § 67
Leitsätze:
1. Zu den Anforderungen an eine ladungsfähige Anschrift im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO in presserechtlichen Auskunftsverfahren. (Rn. 8 – 18)
2. Zum presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber einer Kassenärztlichen Vereinigung. (Rn. 22 – 60)
1. In presserechtlichen Auskunftsverfahren (angestellter) Journalisten ist die c/o-Anschrift der Zeitung oder des herausgebenden Verlags ausreichend iSv § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO. (Rn. 8 und 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die von der Kassenärztlichen Vereinigung nach den Coronavirus-Testverordnungen erhobenen Daten unterfallen dem Sozialdatenschutz, was auch im Rahmen des Presseauskunftsanspruchs zu beachten ist. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ladungsfähige Anschrift, presserechtlicher Auskunftsanspruch, Kassenärztliche Vereinigung, Coronavirus-Testverordnung, Sozialdaten, Sozialdatenschutz, kassenärztliche Vereinigung, ladungsfähige Anschrift
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 06.04.2022 – M 10 E 21.3206
Fundstellen:
AfP 2022, 537
LSK 2022, 19871
BeckRS 2022, 19871
ZGI 2022, 220
NVwZ 2023, 1187
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Beschwerde, mit der der Antragsteller, ein Journalist und Multimediaredakteur von BILD …, einen presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin, der K. V. B.s, weiterverfolgt, ist zulässig, aber nicht begründet. Nach den im Beschwerdeverfahren vom Antragsteller gegen die verwaltungsgerichtliche Ablehnung seines Antrags nach § 123 Abs. 1 VwGO als unzulässig dargelegten Gründen, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ist zwar von der Zulässigkeit des Eilantrags auszugehen (nachfolgend I.). Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin auf Auskunft zu den mit E-Mail vom 8. Juni 2021 gestellten und bislang von der Antragsgegnerin nicht beantworteten Fragen:
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1. Hat die KVB Zahlungen an die Firma von Herrn B. geleistet?
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2. Falls ja, wie hoch waren die Zahlungen?
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3. Wie viele Tests wurden durchgeführt und abgerechnet?
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4. Über welchen Zeitraum wurden die Tests abgerechnet?
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Das Verwaltungsgericht hat die nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO beantragte einstweilige Anordnung im Ergebnis zu Recht mit Beschluss vom 6. April 2022 abgelehnt (nachfolgend II.). Die Frage, ob Herr B. als Betroffener nach § 65 Abs. 2 VwGO beizuladen wäre, bedarf daher keiner Entscheidung (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 8.7.2021 - 6 C 10.20 - BVerwGE NVwZ 2022, 63 Rn. 23 ff.).
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I. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässig.
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1. Mit der Angabe der Adresse von BILD … als der Tageszeitung, bei der er als Journalist beschäftigt ist, ist der Antragsteller der Verpflichtung aus § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ausreichendem Maße nachgekommen.
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a) Zu den zwingenden Bestandteilen einer ordnungsgemäßen Antragsschrift gehört nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der in selbständigen Beschlussverfahren nach §§ 80, 80a und 123 VwGO über die Regelung des § 122 VwGO hinaus entsprechend gilt (vgl. VGH BW, B.v. 25.10.2004 - 11 S 1992/04 - NVwZ-RR 2006, 151 Rn. 4 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 122 Rn. 5 m.w.N.), die Bezeichnung des Antragstellers. Neben der Nennung des Vornamens und des Familiennamens gehört die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Antragstellers zu den zwingenden Bestandteilen einer Antragsschrift. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Antragsteller von einem Prozessbevollmächtigten vertreten wird (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.2021 - 6 C 4.20 - BVerwGE 172, 85 Rn. 11). Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift soll nicht nur die hinreichende Individualisierbarkeit sowie Identifizierbarkeit des Antragstellers sicherstellen und die Zustellung von Entscheidungen, Ladungen sowie gerichtlichen Verfügungen ermöglichen. Sie soll darüber hinaus gewährleisten, dass er nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt werden und sich im Falle seines Unterliegens der Kostentragungspflicht nicht entziehen kann (BayVGH, B.v. 7.12.2017 - 10 CE 17.2321 - juris Rn. 7 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, § 82 Rn. 3 m.w.N.). Der Antragsteller soll sein Verfahren nicht aus dem Verborgenen heraus führen können (vgl. BGH, U.v. 6.4.2022 - VIII ZR 262/20 - NJW-RR 2022, 714 Rn. 15 m.w.N.). Die Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Anschrift entfällt, wenn ihre Erfüllung ausnahmsweise unmöglich oder unzumutbar ist. Ein solcher Ausnahmefall ist im Hinblick auf das aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Gebot, dem Rechtssuchenden den Zugang zu den Gerichten nicht unnötig zu erschweren, etwa gegeben, wenn der Angabe der Anschrift unüberwindliche oder nur schwer zu beseitigende Schwierigkeiten oder schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen. Das Vorliegen einer dieser Ausnahmen muss das Gericht anhand objektiver Gegebenheiten konkret feststellen (vgl. BVerwG, U.v. 13.4.1999 - 1 C 24.97 - NJW 1999, 2608 Rn. 40).
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Die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift stellt eine von Amts wegen zu prüfende Sachentscheidungsvoraussetzung dar, die - wenn, wie vorliegend, das Rechtsmittel der Beschwerde eröffnet ist - auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nachgeholt werden kann (BVerwG, U.v. 24.3.2021 - 6 C 4.20 - BVerwGE 172, 85 Rn. 11). Entspricht die Antragsschrift den in § 82 Abs. 1 VwGO genannten Voraussetzungen nicht, so hat der Vorsitzende oder der Berichterstatter den Antragsteller entsprechend § 82 Abs. 2 VwGO zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern.
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b) Ungeachtet dessen, dass das Verwaltungsgericht mit den gerichtlichen Aufforderungen an den Antragsteller vom 24. und 29. Juni 2021, seine Wohnanschrift als ladungsfähige Anschrift mitzuteilen, den in § 82 Abs. 2 VwGO genannten Anforderungen zur Ergänzung der Antragsschrift nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist, da beide Schreiben weder vom Vorsitzenden noch vom Berichterstatter unterschrieben waren, dem Antragsteller nicht förmlich zugestellt wurden und zudem die nach § 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO zwingend erforderliche Fristsetzung unterblieben ist (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, § 82 Rn. 16), ist der Antragsteller mit der Angabe der Adresse seines Arbeitgebers den Anforderungen des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO nachgekommen. Entgegen der Annahme von Verwaltungsgericht und Antragsgegnerin war der Antragsteller nicht verpflichtet, seine Wohnadresse anzugeben.
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aa) Betreibt eine natürliche Person ein gerichtliches Verfahren, ist zu deren ordnungsgemäßer Bezeichnung im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO in der Regel die Wohnanschrift anzugeben (vgl. BVerwG, U.v. 13.4.1999 - 1 C 24.97 - NJW 1999, 2608 LS. 1; U.v. 24.3.2021 - 6 C 4.20 - BVerwGE 172, 85 Rn. 11 m.w.N.). Bereits die vom Bundesverwaltungsgericht verwendete Formulierung „in der Regel“ lässt die Möglichkeit zu, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen auch eine andere als die Wohnadresse als ladungsfähige Anschrift anzuerkennen ist. Entscheidend ist, ob mit der vom Kläger bzw. Antragsteller angegebenen Adresse den mit der Anforderung der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift verfolgten Zielsetzungen Genüge getan wird. Denn die zu stellenden Anforderungen an die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift des Klägers bzw. Antragstellers dürfen im Hinblick auf dessen Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz nicht weitergehen, als es für die Wahrung der berechtigten Interessen des Beklagten bzw. Antraggegners und für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens erforderlich ist (vgl. BGH, U.v. 6.4.2022 - VIII ZR 262/20 - NJW-RR 2022, 714 Rn. 15). Hiernach ist der Zweck der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift dann erfüllt, wenn die Partei durch die angegebene Anschrift eindeutig identifiziert wird und an sie wirksam Zustellungen vorgenommen werden können (vgl. BGH, U.v. 6.4.2022 - VIII ZR 262/20 - NJW-RR 2022, 714 Rn. 15).
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Ob dabei die Angabe „einer bloßen c/o-Anschrift“ grundsätzlich für eine ordnungsgemäße Erhebung einer Klage bzw. eines Eilantrags nur dann ausreichen kann, wenn der Kläger bzw. Antragsteller über keine andere Anschrift verfügt, bedarf keiner Vertiefung. Gegen ein solches Regel-Ausnahme-Verhältnis spräche, dass die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze sich regelmäßig erst anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilen lassen (BGH, U.v. 6.4.2022 - VIII ZR 262/20 - NJW-RR 2022, 714 Rn. 17).
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bb) Durch die mit Schreiben des Antragstellers an das Verwaltungsgericht vom 24. Juni 2021 genannte Adresse „… … … … … …“ wird vorliegend ein ordnungsgemäßer Ablauf des gerichtlichen Verfahrens sichergestellt. Hierbei handelt es sich um die Anschrift der Tageszeitung, bei der der Antragsteller beschäftigt ist. Spätestens aufgrund der mit Schreiben vom 22. Juni 2022 vorgelegten Bestätigung von BILD … vom 21. Juni 2022 steht zweifelsfrei fest, dass der Antragsteller dort als Multimediaredakteur in Festanstellung tätig ist. Unter der Adresse seines Arbeitgebers können wirksam Zustellungen an ihn erfolgen. Zudem könnte unter dieser Adresse - auch wenn dies im selbständigen Beschlussverfahren eher selten erfolgt - das persönliche Erscheinen des Antragstellers angeordnet werden.
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Mit der Angabe der Adresse seines Arbeitgebers wird auch den schutzwürdigen Belangen der Antragsgegnerin hinreichend Rechnung getragen. Die von der Antragsgegnerin geäußerten Zweifel sind nicht durchgreifend. Insbesondere kommt es in keiner Weise darauf an, ob der Antragsteller tatsächlich als „Investigativ-Journalist“ tätig ist und wer die seinen veröffentlichten Artikeln zugrundeliegenden Recherchen vorgenommen hat. Der Einwand der Antragsgegnerin, „die Angabe des Schreibtischs in einem Gebäude eines Arbeitgebers“ sichere weder die Individualisierung des Antragstellers als Arbeitnehmer noch seine Erreichbarkeit, berücksichtigt nicht, dass der Antragsteller aufgrund der sich aus § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Mitwirkungspflicht dem Gericht bei Änderung der (Geschäfts) Adresse seines Arbeitgebers während des Verfahrens eine neue ladungsfähige Anschrift mitzuteilen hat.
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Soweit das Verwaltungsgericht darauf abgestellt hat, „der Aspekt des Wechsels der c/o-Adresse von Berlin nach München unter zusätzlicher Nennung eines anderen Geschäftsträgers“ spreche gegen ihn, übersieht es, dass der Antragsteller zunächst die Anschrift des Axel Springer Verlags als Herausgeber der BILD-Zeitung als c/o-Adresse genannt hat, und der Wechsel erst auf Intervention des Gerichts erfolgte.
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Im Übrigen lassen Verwaltungsgericht und Antragsgegnerin bei ihrer Bewertung völlig außer Betracht, dass der Antragsteller den presserechtlichen Auskunftsanspruch nicht als Privatperson, sondern in seiner Eigenschaft als Journalist geltend macht. Wie sich beispielhaft den vom Antragsteller vorgelegten Rubren der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 30.8.2018 - 6 C 21.18; U.v. 16.3.2012 - 6 C 65.14), der Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (B.v. 23.7.2021 - 15 B 1270/20) und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 20.11.2019 - 8 B 1938/19) sowie dem Rubrum des Verfahrens des Senats zum „Schwabinger Kunstfund“ (BayVGH, B.v. 27.3.2014 - 7 CE 14.253 - juris) entnehmen lässt, entspricht es der Rechtsprechung von Bundesverwaltungsgericht, anderer Oberverwaltungsgerichte und des Verwaltungsgerichtshofs - im Übrigen auch der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts München - in presserechtlichen Auskunftsverfahren (angestellter) Journalisten die c/o-Anschrift der Zeitung oder des herausgebenden Verlags als ausreichend im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO anzusehen (vgl. Himmelsbach in Himmelsbach/Mann, Presserecht, 2022, S. 383 Rn. 42; allgemein zur Möglichkeit der Angabe einer c/o-Adresse: Hoppe in Eyermann, VwGO, § 82 Rn. 3). Hätte der Antragsteller eine eigene Geschäftsadresse, von der aus er seiner beruflichen Tätigkeit nachgeht, wäre diese selbstverständlich als ladungsfähige Anschrift im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu werten. Soweit die Antragsgegnerin der Ansicht ist, der Senat habe im Verfahren zum „Schwabinger Kunstfund“ den „materiellen Anspruch verneint“, es sei deshalb nicht notwendig gewesen, „sich mit der Frage der Anforderungen aus § 82 Abs. 1 VwGO auseinanderzusetzen“, übersieht sie, dass eine Sachentscheidung stets ein zulässiges Verfahren voraussetzt.
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c) Da die vom Antragsteller genannte Adresse den Anforderungen des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügt, bedarf es keiner weiteren Ausführungen, ob im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise von der Pflicht zur Angabe einer ladungsfähigen Adresse - etwa aufgrund schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen des Antragstellers - abgesehen werden kann. Auf die Ausführungen von Verwaltungsgericht und Antragsgegnerin zu den Folgen der zugunsten des Antragstellers in das Melderegister eingetragenen Auskunftssperre kommt es daher nicht an.
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2. Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Antragsteller analog § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Bei einem Leistungsbegehren, wie dem Vorliegenden, setzt die Antragsbefugnis das Bestehen einer den Antragsteller im Grundsatz berechtigenden Rechtsgrundlage voraus (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 91a). Als Journalist und Redakteur kann der Antragsteller geltend machen, durch die Ablehnung der Auskunft zu den noch offenen Fragen in seinem verfassungsrechtlich verankerten presserechtlichen Auskunftsanspruch verletzt zu sein. Der Antragsteller ist Informationsberechtigter im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayPrG, wonach das Recht auf Auskunft nur durch Redakteure oder andere genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen und Zeitschriften ausgeübt werden kann. Zudem ist er Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Es ist daher nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen, dass ihm der geltend gemachte presserechtliche Auskunftsanspruch zusteht.
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Soweit die Antragsgegnerin dem entgegenhält, nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG sei die „Presse“ Anspruchsinhaberin, so dass „der Arbeitgeber BILD GmbH“ den Anspruch aufgrund der „ihm gesetzlich zugewiesenen Anspruchsbefugnis zur Grundlage des gerichtlich geltend gemachten Anspruchs“ hätte machen können, der Antragsteller mache hingegen „fremde Rechte in eigenem Namen“ geltend, übersieht sie sowohl den eindeutigen Wortlaut des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayPrG als auch die Tatsache, dass die „Presse“ keine Rechtspersönlichkeit besitzt (vgl. Burkhardt in Löffler, Presserecht, 6. Aufl. 2015, § 4 Rn. 39).
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Ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ist ebenfalls gegeben, da der Antragsteller das mit den Anträgen verfolgte Auskunftsbegehren zuvor bei der Antragsgegnerin als auskunftspflichtiger Stelle ohne Erfolg geltend gemacht hat (vgl. BVerwG, U.v. 8.7.2021 - 6 A 10.20 - NVwZ 2022, 248 Rn. 15 m.w.N.).
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II. Der Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist jedoch nicht begründet. Das streitgegenständliche Auskunftsverlangen des Antragstellers steht im Zusammenhang mit den Coronavirus-Testverordnungen des Bundesministeriums für Gesundheit (1.). Da der Bund insoweit von seiner Gesetzgebungskompetenz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Gebrauch gemacht hat, spricht viel dafür, dass Anspruchsgrundlage für das Auskunftsbegehren des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin nicht Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG (2.), sondern der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch des Antragstellers nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist (3.). Soweit die dritte Frage nicht nur auf die Anzahl der abgerechneten, sondern auch auf die Anzahl der von Herrn B. durchgeführten Tests gerichtet ist, liegen bereits die Anspruchsvoraussetzungen nicht vor (4.). Im Übrigen steht dem Anspruch auf Auskunft der von der Antragsgegnerin einzuhaltende Sozialdatenschutz entgegen (5.). Die Antragsgegnerin muss die streitgegenständlichen Fragen demnach nicht beantworten.
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1. Das vorliegende Auskunftsverlangen steht im Zusammenhang mit der Durchführung der zunächst als „Verordnung zum Anspruch auf Testung für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“ (v. 8.6.2020, BAnz AT 09.06.2020 V1) benannten Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit, die seit der Verordnung vom 14. Oktober 2020 (BAnz AT 14.10.2020 V1) als „Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung - TestV)“ bezeichnet wird.
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aa) Die Coronavirus-Testverordnungen normieren Ansprüche von Personen auf Testungen in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2. Die Verordnungen regeln ferner insbesondere die Häufigkeit der Testungen, die Abrechnung der Leistungen und deren Vergütung. Mit § 4a der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Auskunftsersuchens, d.h. am 8. Juni 2021, geltenden Coronavirus-Testverordnung vom 8. März 2021 (BAnz AT 09.03.2021 V1) wurden sog. Bürgertests eingeführt. Nach dieser Vorschrift hatten auch asymptomatische Personen einen Anspruch auf Testung mittels PoC-Antigen-Test. In der Coronavirus-Testverordnung vom 8. März 2021 wurden die Weiterentwicklungen auf Grundlage der in den vorausgegangenen Monaten des Pandemiegeschehens gemachten Erfahrungen und der damals neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse abgebildet. Insbesondere sollten auch umfassende Testkapazitäten in Bezug auf sog. PoC-Antigen-Tests genutzt werden können.
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Wer zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens Leistungserbringer sein konnte, ergab sich aus § 6 TestV. Neben den zuständigen Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes und den von ihnen betriebenen Testzentren (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TestV) sowie Arztpraxen und den von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebenen Testzentren (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TestV) konnten die von den Stellen nach Nr. 1 als weitere Leistungserbringer oder als Testzentrum beauftragten Dritten tätig werden. Mögliche Dritte konnten Ärzte, Zahnärzte, ärztlich oder zahnärztlich geführte Einrichtungen, medizinische Labore, Apotheken, Rettungs- und Hilfsorganisationen und weitere Anbieter sein, die eine ordnungsgemäße Durchführung garantierten (§ 6 Abs. 1 Satz 2 TestV). Die nach § 6 Abs. 1 Satz 1 TestV berechtigten Leistungserbringer hatten Leistungen und Sachkosten nach §§ 9 bis 11 TestV mit der Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen, in deren Bezirk der Leistungserbringer seinen Sitz hat (vgl. § 7 Abs. 1 TestV). Für den Aufwand, der den Kassenärztlichen Vereinigungen durch die Abrechnung von Leistungen der in ihrem Bezirk ansässigen Leistungserbringer entstand, erhielten diese den in § 8 TestV vorgesehenen Verwaltungskostenersatz. Die von den Kassenärztlichen Vereinigungen für die Abrechnung der Vergütung mit den Leistungserbringern nach § 6 TestV benötigten Mittel wurden aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds über das Bundesamt für Soziale Sicherung zur Verfügung gestellt (vgl. u.a. § 14 Abs. 2 TestV). Nach Maßgabe des § 15 TestV wurden die dort genannten Aufwendungen vom Bund an die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds erstattet. Die Ausgaben des Bundes für die Erstattung der Durchführungskosten der Testungen (einschließlich Gespräch, Entnahme von Körpermaterial, Ergebnismitteilung und Ausstellung eines Zeugnisses) sowie der Sachkosten der PoC-Antigen-Tests waren unmittelbar von der Anzahl durchgeführter Testungen und damit insbesondere auch von der Häufigkeit der Inanspruchnahme der Bürgertests abhängig.
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Mit den seinem Auskunftsverlangen zugrundeliegenden Fragen will der Antragsteller klären, ob Herr B. bzw. eine von ihm betriebene Firma mindestens bis Juni 2021 als Leistungserbringer im Sinne des § 6 Abs. 1 TestV tätig war und Testungen gegenüber der Antragsgegnerin nach den Coronavirus-Testverordnungen abgerechnet hat.
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bb) Rechtsgrundlage für die Coronavirus-Testverordnung vom 8. Juni 2020 war § 20i Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) in der Fassung vom 19. Mai 2020 (BGBl I S. 1018). Seit der Coronavirus-Testverordnung vom 14. Oktober 2020 ist die Verordnung auf § 20i Abs. 3 Satz 2 ff. SGB V (i.d. jeweils maßgeblichen Fassung) gestützt. Zusätzlich beruhen die Coronavirus-Testverordnungen seit der Verordnung vom 30. November 2020 (BAnz AT 01.12.2020 V1) auf § 24 Satz 3 Nr. 2 Satz 4 und 5 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen - Infektionsschutzgesetz (IfSG i.d.F. vom 18.11.2020 sowie späterer Fassungen).
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Sowohl das im Fünften Sozialgesetzbuch geregelte Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung als auch das Infektionsschutzrecht gehören zum Katalog der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 GG. Die Befugnis des Bundes zum Erlass des Fünften Sozialgesetzbuches ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (vgl. Sannwald in Schmidt-Bleibtreu, GG, 15. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 155), die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des Infektionsschutzgesetzes folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG. Die vom Antragsteller begehrten Auskünfte betreffen ausschließlich Regelungen der Coronavirus-Testverordnungen, die ihre Rechtsgrundlage in § 20i Abs. 3 Satz 2 SGB V haben.
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2. Da der Bund in Bezug auf die dem Auskunftsbegehren zugrundeliegende Sachmaterie von der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Gebrauch gemacht hat, dürfte dies zur Folge haben, dass die Antragsgegnerin jedenfalls durch Art. 4 Abs. 1 Satz BayPrG nicht zu Auskünften gegenüber dem Antragsteller verpflichtet werden kann.
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a) Die Länder haben - mangels einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes - für das Sachgebiet „Presserecht“ entsprechend dem Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG die Befugnis, presserechtliche Regelungen zu erlassen. In ihren Landespressegesetzen haben die Länder sogenannte Vollregelungen getroffen, durch die nicht nur das Ordnungsrecht der Presse (z.B. Impressumsvorschrift), sondern auch das Recht der Gegendarstellung, der Pressebeschlagnahme, der Presse-Verjährung, der öffentlichen Aufgabe der Presse und ihres Informationsanspruchs gegenüber den Behörden normiert worden sind (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 21 m.w.N.). Die Gesetzgebungsbefugnis der Länder für das Presserecht umfasst jedoch nicht alle Regelungen, die die Presse berühren, sondern muss diejenigen Grenzen beachten, die sich aus vorrangigen anderweitigen Gesetzgebungskompetenzen ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 20). Ihre Kompetenz zur Regelung von Auskunftsansprüchen der Presse gegenüber Landesbehörden folgt nicht aus der Gesetzesmaterie „Presserecht“, sondern als Annex zur jeweiligen Sachkompetenz (so beispielsweise in den Bereichen „Schule“, „Hochschule“, „Justiz“, „Polizei“). Steht den Ländern die Gesetzgebungskompetenz für die Sachmaterie zu, könnten die Bestimmungen über die Auskunftspflichten von Landesbehörden statt in den Pressegesetzen auch in anderen - verwaltungs- oder organisationsrechtlichen - Gesetzen der Länder aufgenommen werden (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 21).
31
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließt eine dem Bund zugewiesene Sachmaterie als Annex die Befugnis ein, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Öffentlichkeit einschließlich der Presse Informationen zu erteilen sind oder erteilt werden dürfen (stRspr seit BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 22 ff., 25). Die bislang zu Sachbereichen auf dem Gebiet der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 71 GG) ergangenen Entscheidungen lassen sich auf die vorliegende, der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zugeordnete Sachmaterie „Gesetzliche Krankenversicherung“ übertragen. Denn auch insoweit besteht der vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeitete enge funktionale Zusammenhang zwischen der legislativen Sachmaterie und der Entscheidung über die öffentliche Zugänglichkeit hierauf bezogener Verwaltungsinformationen (vgl. BVerwG, U.v. 25.3.2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 12 ff.).
32
aa) Das Bundesministerium der Gesundheit hat im Rahmen der Sachmaterie „Gesetzliche Krankenversicherung“ den Anspruch von Versicherten und nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 geregelt, die dazugehörigen Modalitäten wie die Voraussetzungen für die Testungen, Art und Umfang der Leistungen, das Verhältnis zu den Leistungserbringern, Vergütung und Abrechnung der Leistungen sowie zum Zahlungsverfahren normiert und in diesem Zusammenhang bestimmte Aufgaben den Kassenärztlichen Vereinigungen zugewiesen.
33
Bei den Kassenärztlichen Vereinigungen handelt es sich nach § 77 Abs. 5 SGB V um landesunmittelbare (Personal) Körperschaften des öffentlichen Rechts (vgl. Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 8. Aufl. 2022, § 77 Rn. 2). Sie werden zur Erfüllung der ihnen durch das Fünfte Sozialgesetzbuch übertragenen Aufgaben der vertragsärztlichen Versorgung von den Vertragsärzten und (-psychotherapeuten) für den Bereich jedes Landes nach § 77 Abs. 1 Satz 1 SGB V gebildet. Die Antragsgegnerin untersteht nach § 78 Abs. 1 Halbs. 2 SGB V der Rechtsaufsicht des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege. Sie ist jedoch - wie alle Kassenärztlichen Vereinigungen - Behörde im Sinne von § 1 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), so dass für ihre öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit die - bundesrechtlichen - Vorschriften des 1. Kapitels des Zehnten Sozialgesetzbuches gelten. Zudem sind die Kassenärztlichen Vereinigungen nach § 35 Abs. 1 Satz 4 Alt. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil (SGB I) dem Sozialdatenschutz verpflichtet (vgl. Schifferdecker in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand März 2022, § 35 SGB I Rn. 43), so dass die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I, dass Sozialdaten (§ 67 Abs. 2 SGB X) nicht unbefugt verarbeitet werden dürfen, auch von den Kassenärztlichen Vereinigungen zu beachten ist.
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bb) Der somit auch vorliegend bestehende enge funktionelle Zusammenhang zwischen der Ausformung der Sachmaterie und deren Vollzug auf der einen Seite und der Entscheidung über die öffentliche Zugänglichkeit hierauf bezogener Verwaltungsinformationen auf der anderen Seite bestimmt mit über den normativen Stellenwert bzw. das praktische Gewicht der von der Sachmaterie erfassten materiellen Belange und setzt so eine zentrale, auf die behördliche Umsetzung der fachgesetzlichen Regelungsanliegen einwirkende Rahmenbedingung des Verwaltungshandelns (vgl. BVerwG, U.v. 25.3.2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 18 ff. m.w.N.). Auch wenn diese Regelungen keinen Auskunftsanspruch gegenüber der Presse vorsehen, hat der Bundesgesetzgeber in den §§ 67 ff SGB X sowie in weiteren bereichsspezifischen Regelungen - auch des Fünften Sozialgesetzbuches - und der in Bezug genommenen Datenschutz-Grundverordnung zum Ausdruck gebracht, wie der notwendige Ausgleich zwischen Transparenz und Vertraulichkeitsinteressen in enger Abstimmung auf die Sach- und Rechtsstrukturen der betroffenen Materie „Gesetzliche Sozialversicherung“ und deren spezifische Regelungsnotwendigkeiten stattzufinden hat. Daher dürfte die Gesetzgebungskompetenz für die Sachmaterie „Gesetzliche Sozialversicherung“ als Annex auch die Befugnis einschließen, Voraussetzungen und Grenzen zu regeln, unter denen der Presse Informationen zu erteilen sind oder erteilt werden dürfen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die gesetzgeberische Grundentscheidung des Sozialgeheimnisses in § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I unterlaufen würde. Die landespressegesetzliche Auskunftsvorschrift des Art. 4 BayPrG ist vor diesem Hintergrund verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Antragsgegnerin als K. V. B.s nicht zu den nach dieser Vorschrift verpflichteten „Behörden“ zählt. Im Ergebnis gilt dies auch für die vom Antragsteller genannte landesrechtliche Bestimmung des Art. 39 BayDSchG.
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3. Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens kann letztlich eine abschließende Auseinandersetzung mit der kompetenzrechtlichen Frage der richtigen Rechtsgrundlage - Art. 4 Abs. 1 BayPrG oder Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG - dahinstehen. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG steht materiell-rechtlich nicht hinter der im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung des Art. 4 Abs. 1 BayPrG zurück.
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Aufgrund des verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG können Presseangehörige wie der Antragsteller auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder privater Dritter an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch fordert eine Abwägung des Informationsinteresses der Presse mit den gegenläufigen schutzwürdigen Interessen im Einzelfall. Dabei kommt eine Bewertung des Informationsinteresses der Presse grundsätzlich nicht in Betracht. Zudem darf der Anspruch in seinem materiellen Gehalt nicht hinter denjenigen der im Wesentlichen inhaltsgleichen, auf eine Abwägung zielenden Auskunftsansprüche nach den Landespressegesetzen zurückbleiben. Entscheidend ist, ob dem Informationsinteresse der Presse schutzwürdige Interessen von solchem Gewicht entgegenstehen, die den Anspruch auf Auskunft ausschließen (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 8.7.2021 - 6 A 10.20 - NVwZ 2022, 248 Rn. 18 m.w.N.).
37
Da der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Presse jedenfalls nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2016 - 6 C 65.14 - BVerwGE 154, 222 LS. 2; U.v. 8.7.2021 a.a.O.) nicht auf das Niveau eines „Minimalstandards“ (so noch BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 29) beschränkt ist, kommt es im Ergebnis nicht entscheidungserheblich darauf an, auf welcher Rechtsgrundlage der Antragsteller seinen Auskunftsanspruch geltend machen kann. Einer abschließenden Klärung, auf welche Rechtsgrundlage sich der Antragsteller letztlich berufen kann, bedarf es daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht.
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4. Soweit die dritte Frage nicht nur auf die Anzahl der abgerechneten, sondern auch auf die Anzahl der von Herrn B. durchgeführten Tests gerichtet ist, liegen bereits die Voraussetzungen des verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruchs nicht vor. Die Antragsgegnerin kann keine Auskünfte zur Anzahl der von einem Leistungserbringer im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 TestV durchgeführten Tests geben. Sie könnte allenfalls Auskünfte zur Anzahl der Tests geben, die ein Leistungserbringer ihr gegenüber abgerechnet hat.
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5. Hinsichtlich der übrigen Fragen steht dem Auskunftsanspruch des Antragstellers der von der Antragsgegnerin einzuhaltende Sozialdatenschutz entgegen. Der von dieser dargelegte und vom Gericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollumfänglich zu überprüfende Belang des Sozialdatenschutzes begrenzt den presserechtlichen Auskunftsanspruch des Antragstellers. Er führt dazu, dass die Antragsgegnerin die streitgegenständlichen Fragen nicht beantworten muss.
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a) Um die erbrachten Leistungen und Sachkosten (§§ 9 bis 11 TestV) nach § 7 Abs. 1 TestV abzurechnen, haben die in § 6 Abs. 1 TestV genannten Leistungserbringer den Kassenärztlichen Vereinigungen bestimmte, von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Benehmen mit den in § 7 Abs. 6 TestV genannten Stellen festgelegte Angaben zu übermitteln, auf deren Grundlage die Kassenärztlichen Vereinigungen mit dem Bundesamt für Soziale Sicherung abrechnen (vgl. § 14 Abs. 1 TestV). Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind nach § 14 Abs. 3 TestV verpflichtet, die von ihnen an das Bundesamt für Soziale Sicherung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 TestV übermittelten Angaben sowie die ihnen nach § 7 Abs. 4 Satz 1 und § 13 Abs. 5 Satz 2 und 3 TestV übermittelten Angaben bis zum 31. Dezember 2024 unverändert zu speichern oder aufzubewahren. Die Antragsgegnerin kann somit zu den noch offenen Fragen nur dann Auskunft geben, wenn Herr B. im Wege der Abrechnung die erforderlichen Daten übermittelt hat.
41
b) Bei den in Bezug auf Herrn B. begehrten Daten handelt es sich um Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Sozialdaten sind nach dieser Vorschrift personenbezogene Daten, die von einer in § 35 Abs. 1 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf deren Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch verarbeitet werden.
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aa) Die Antragsgegnerin, als in § 35 Abs. 1 Satz 4 Alt. 4 SGB I genannte Stelle, die das Sozialgeheimnis (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I) zu wahren hat, erhebt die vom Antragsteller geforderten Daten aufgrund von „Aufgaben nach diesem Gesetzbuch“. Hierzu zählen nach § 67 Abs. 3 Nr. 1 SGB X auch Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich - wie § 20i Abs. 3 Satz 2 SGB V - im Sozialgesetzbuch befindet. Die Daten, über die der Antragsteller Auskunft begehrt, werden von der Antragsgegnerin zu Abrechnungszwecken nach den Coronavirus-Testverordnungen und damit nach § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X „zur Erfüllung einer Aufgabe nach diesem Gesetzbuch“ erhoben.
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bb) Abrechnungsdaten, die die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Tätigkeit nach dem Fünften Sozialgesetzbuch bei (abrechnenden) Leistungserbringern erhebt, sind Sozialdaten. Dies folgt aus § 285 Abs. 1 und 3 Satz 1 SGB V. Danach dürfen die Kassenärztlichen Vereinigungen Einzelangaben über die persönlichen und sachlichen Verhältnisse der Ärzte (sowie der in § 285 Abs. 4 SGB V genannten Personen) nur erheben und speichern, soweit diese Sozialdaten zur Sicherstellung und Vergütung der vertragsärztlichen Versorgung einschließlich der Überprüfung der Zulässigkeit und Richtigkeit der Abrechnung erforderlich sind. Für die Einordnung als „Sozialdaten“ kommt es auf einen Patientenbezug nicht an (vgl. hierzu beispielsweise BSG, U.v. 17.3.2021 - B 6 KA 2/20 R - ArztR 2021, 261 Rn. 59 ff. wonach auch Fallzahlen einer Arztpraxis zu den Sozialdaten im Sinne von § 285 Abs. 1 und 3 SGB V gehören). Unerheblich ist daher, dass die von den Leistungserbringern im Sinne des § 6 TestV an die Kassenärztlichen Vereinigungen zu übermittelnden Daten keinen Bezug zu den getesteten Personen aufweisen dürfen (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 2 TestV). Dass zu den Leistungserbringern nach der Coronavirus-Testverordnung auch Personen und Stellen gehören, die ansonsten nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, ist für die Einordnung der Abrechnungsdaten als Sozialdaten der Leistungserbringer nicht entscheidend. Alle Leistungserbringer haben der für sie zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung die gleichen Abrechnungsdaten zu übermitteln sowie die für den Nachweis der korrekten Abrechnung notwendige Auftrags- und Leistungsdokumentation u.a. nach § 7 Abs. 5 TestV zu speichern oder aufzubewahren. Trotz gleicher Übermittlungs- und Aufbewahrungspflichten die Sozialdateneigenschaft danach zu unterscheiden, ob der jeweilige Leistungserbringer auch ansonsten vertragsärztliche Leistungen erbringt, wäre sachlich nicht gerechtfertigt und systemwidrig.
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cc) „Personenbezogene Daten“ sind nach der Definition in Art. 4 Nr. 1 DSGVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Da gemäß § 35 Abs. 4 SGB I Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Sozialdaten gleichstehen, kann vorliegend dahinstehen, ob die von der Antragsgegnerin in Bezug auf Herrn B. geforderten Daten personenbezogene Sozialdaten im Sinne von § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I sind oder es sich „nur“ um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einer von ihm als juristische Person betriebenen Firma im Sinne von § 35 Abs. 4 SGB I handelt.
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Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- und geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben (§ 67 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Geschäftsgeheimnisse sind dabei Tatsachen, die den kaufmännischen Bereich eines Unternehmens betreffen, im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen und an deren Geheimhaltung ein schutzwürdiges wirtschaftliches Interesses besteht (vgl. Bieresborn in Schütze, SGB X, 9. Aufl. 2020, § 67 Rn. 28 m.w.N.). Unter den Begriff des Geheimnisses fallen alle Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung derjenige, den sie betreffen, ein von seinem Standpunkt aus begründetes (schutzwürdiges) Interesse hat (vgl. BSG, U.v. 17.3.2021 - B 6 KA 2/20 R - ArztR 2021, 261 Rn. 60). Dies trifft für alle geforderten Auskünfte, insbesondere auch für die Frage zu, „Hat die Antragsgegnerin Zahlungen an die Firma von Herrn B. geleistet?“. Zwar ergibt sich aus den Coronavirus-Testverordnungen, dass Leistungserbringer im Sinne von § 6 Abs. 1 TestV ihre Leistungen gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen abrechnen können. Herr B. hat jedoch objektiv ein schutzwürdiges Interesse daran, dass nicht offenkundig wird, ob eine seiner Firmen tatsächlich Abrechnungen vorgenommen hat.
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c) Die von der Antragsgegnerin nach den Coronavirus-Testverordnungen erhobenen Daten unterfallen dem Sozialdatenschutz. Die vom Gesetzgeber in § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I getroffene Entscheidung, das Sozialgeheimnis umfangreich zu schützen, ist auch im Rahmen des verfassungsunmittelbaren Presseauskunftsanspruchs zu beachten.
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aa) Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantiert in seinem objektiv-rechtlichen Gehalt die institutionelle Eigenständigkeit der Presse (stRspr vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27 m.w.N.). Der Gesetzgeber ist hieraus in der Pflicht, die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, die der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße Betätigung ermöglicht. Hierzu zählt auch die Schaffung von behördlichen Auskunftspflichten (vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2013 a.a.O. m.w.N.), die es der Presse erleichtern oder in Einzelfällen sogar überhaupt erst ermöglichen, ihre Kontroll- und Vermittlungsfunktionen zu erfüllen, die in der repräsentativen Demokratie unerlässlich sind. Beim Erlass entsprechender Auskunftsregeln steht dem Gesetzgeber - wie in anderen Fällen der Umsetzung objektiv-rechtlicher Grundrechtsgehalte - ein weiter Ausgestaltungsspielraum zu. Er kann die aus seiner Sicht der Auskunftserteilung entgegenstehenden privaten und öffentlichen Interessen berücksichtigen und gegenüber dem Auskunftsinteresse der Presse bzw. der Öffentlichkeit in Abwägung bringen (stRspr vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2013 a.a.O. m.w.N.; U.v. 25.3.2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 30). Im Hinblick auf die Gewichtung und Austarierung dieser Interessen unterliegt er deutlich schwächeren verfassungsrechtlichen Direktiven als beim Erlass von Regelungen, mit denen Eingriffe in den abwehrrechtlichen Gewährleistungsgehalt von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verbunden sind. So ist er im Grundsatz etwa nicht gehindert, bei Vorliegen plausibler Gründe auch solchen Vertraulichkeitsinteressen im Einzelfall Vorrang einzuräumen, die bei abstrakter Betrachtung nicht das verfassungsrechtliche Gewicht aufbringen, das der Pressefreiheit zukommt; ebenso wenig ist er grundsätzlich gehindert, auf der Grundlage typisierender bzw. pauschalierender Interessensgewichtungen und -abwägungen bestimmte behördliche Funktionsbereiche von der Pflicht zur Auskunftserteilung ganz auszunehmen. Entscheidend ist, dass die Auskunftsregelungen insgesamt hinreichend effektiv sind, d.h. der Presse im praktischen Gesamtergebnis eine funktionsgemäße Betätigung sichern (stRspr vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27 m.w.N.).
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Zwar verhindert der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch, dass der objektiv-rechtliche Gewährleistungsgehalt der Presse leerläuft. Seine Anwendung muss allerdings in einer Weise vorgenommen werden, die nicht die Ausgestaltungsprärogative des Gesetzgebers unterläuft, indem sie auf der Grundlage von Interessensgewichtungen und -abwägungen erfolgt, die nach der Verfassungsordnung ausschließlich dem Gesetzgeber aufgetragen sind. Der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch besteht lediglich in demjenigen Umfang, den der Gesetzgeber selbst nicht unterschreiten könnte. Er ist durch Vertraulichkeitsinteressen ausgeschlossen, die der Gesetzgeber für die gegebene Sachkonstellation als Ausschlussgrund normieren dürfte (vgl. BVerwG, U.v. 25.3.2015 - 6 C 12.14 - BVerwGE 151, 348 Rn. 26). Der Gesetzgeber unterliegt wiederum der Vorgabe, Vertraulichkeitsinteressen nur dann Vorrang gegenüber dem Informationsinteresse von Pressevertretern einzuräumen, wenn hierfür plausible Gründe sprechen (BVerwG, U.v. 20.3.2013 - 6 A 2.12 - BVerwGE 146, 56 Rn. 27 m.w.N.).
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bb) Dies zugrunde gelegt überwiegt vorliegend das durch den umfassenden Sozialdatenschutz gewährleistete Vertraulichkeitsinteresse das Interesse an einer effektiven funktionsgemäßen Betätigung der Presse.
50
(1) § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I gibt einen Anspruch auf Unterlassen von Eingriffen in das Sozialgeheimnis. Es handelt sich um ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt (Schifferdecker in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 35 SGB I Rn. 50). In welchen Fällen ein Eingriff in das Sozialgeheimnis zulässig ist, also die Verarbeitung von Sozialdaten nicht unbefugt erfolgt, richtet sich nach dem Zuständigkeitsbereich der Verwaltung und setzt eine Ermächtigungsgrundlage voraus. § 35 Abs. 2 SGB I, wonach die Vorschriften des Zweiten Kapitels des Zehnten Sozialgesetzbuches und der übrigen Bücher des Sozialgesetzbuchs die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend regeln, soweit nicht die Datenschutz-Grundverordnung in der jeweils geltenden Fassung unmittelbar (Satz 1) oder entsprechend gilt (Satz 2), verweist abschließend auf die gesetzlichen Ermächtigungsnormen für den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. Schifferdecker in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 35 SGB I Rn. 51). Neben den allgemeinen Regelungen des 2. Kapitels des Zehnten Sozialgesetzbuches sind somit auch die bereichsspezifischen Sozialdatenschutznormen, u.a. die §§ 294 ff. SGB V, zu beachten (Thomas P. Stähler in Diering/Timme/Stähler, SGB X, 5. Aufl. 2019, Vorbem. zu den §§ 67 bis 85a Rn. 9). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerhalb des Leistungsträgers sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder an diese weitergegeben werden (§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Soweit eine Übermittlung von Sozialdaten nicht zulässig ist, besteht nach § 35 Abs. 3 SGB I keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateisystemen und automatisiert verarbeiteten Sozialdaten.
51
(2) Nach § 67b Abs. 1 Satz 1 SGB X ist die Speicherung, Veränderung, Nutzung, Übermittlung, Einschränkung der Verarbeitung und Löschung von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen nur zulässig, soweit die nachfolgenden Vorschriften oder eine andere Rechtsvorschrift im Sozialgesetzbuch es erlauben oder anordnen. Zur Verarbeitung zählt auch die Übermittlung von Daten an einen Dritten, wobei es unerheblich ist, ob diese aktiv oder passiv durch die Gewährung einer Einsichtnahme oder Abruf erfolgt (Schifferdecker in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 35 SGB I Rn. 54); auch für die Weitergabe an Dritte bedarf es somit einer ausdrücklichen Ermächtigungsgrundlage.
52
(3) Eine Erlaubnis zur Übermittlung von Sozialdaten an Vertreter der Presse ist weder in den §§ 67 ff SGB X noch in § 285 Abs. 3 bzw. 3a SGB V als bereichsspezifische Regelung für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten bei den Kassenärztlichen Vereinigungen enthalten. Nach § 285 Abs. 3 Satz 1 SGB V dürfen die bei den Kassenärztlichen Vereinigungen rechtmäßig erhobenen und gespeicherten Sozialdaten nur für die Zwecke der Aufgaben nach Absatz 1 in dem jeweils erforderlichen Umfang verarbeitet werden, für andere Zwecke, soweit dies durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuches oder nach § 13 Abs. 5 IfSG angeordnet oder erlaubt ist.
53
Auch § 71 SGB X sieht keine Ermächtigung zur Übermittlung von Sozialdaten an die Presse vor. Nach dieser Vorschrift ist eine Übermittlung von Sozialdaten beispielsweise zulässig, soweit sie für die Erfüllung der gesetzlichen Mitteilungspflichten zur Abwendung geplanter Straftaten nach § 138 StGB erforderlich ist (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 SGB X). Mit § 71 SGB X wollte der Gesetzgeber eine Vorschrift einfügen, die abschließend die Fallgestaltungen regelt, in denen gesetzliche Mitteilungspflichten dem Sozialgeheimnis vorgehen. Der Gesetzgeber hat insoweit ausdrücklich auf die Einfügung einer Generalklausel verzichtet und aus Gründen der Rechtsklarheit eine enumerative Aufzählung der Übermittlungsbefugnisse zur Erfüllung gesetzlicher Mitteilungspflichten gewählt. Er bestimmt damit gleichzeitig, dass in den von § 71 SGB X erfassten Konstellationen das öffentliche Interesse gegebenenfalls berührende Belange der betroffenen Personen überwiegt. Damit regelt § 71 SGB X Übermittlungsbefugnisse für eine Vielzahl gesetzlicher Mitteilungspflichten aus unterschiedlichen Rechtsgebieten aus einem jeweils überwiegenden öffentlichen Interesse (Martin in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 71 SGB X Rn. 2). Eine Befugnis zur Übermittlung von Sozialdaten an Pressevertreter ist auch in § 71 SGB X nicht vorgesehen.
54
(4) Die erforderliche Ermächtigungsgrundlage zur Übermittlung der begehrten Daten ergibt sich auch nicht aus den vom Antragsteller angeführten Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung.
55
Nicht durchgreifend ist der Hinweis des Antragstellers, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO stelle eine spezifische Rechtsgrundlage dar, nach der hier die Weitergabe von Daten zulässig und „nicht nach SGB X verboten“ sei, weil die Weitergabe vorliegend für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich sei, die im öffentlichen Interesse liege. Nach ständiger Rechtsprechung von Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht liege die Recherche der Presse im öffentlichen Interesse.
56
Auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO kann sich der Antragsteller nicht berufen. Nach dieser Vorschrift ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Eine zusätzliche Abwägung mit den Interessen der Betroffenen ist nicht vorgesehen (BVerwG, U.v. 27.3.2019 - 6 C 2.18 - BVerwGE 165, 111 Rn. 45). Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO erfasst Datenverarbeitungen durch Behörden, die diese in Erfüllung ihrer Aufgaben vornehmen. Privatpersonen können sich darauf nur berufen, wenn ihnen die Befugnis, auf personenbezogene Daten zuzugreifen, im öffentlichen Interesse oder als Ausübung öffentlicher Gewalt übertragen ist. Sie müssen anstelle einer Behörde tätig werden. Dies setzt einen wie auch immer gestalteten Übertragungsakt voraus. Eine Privatperson kann sich nicht selbst zum Sachwalter des öffentlichen Rechts erklären (BVerwG, U.v. 27.3.2019 a.a.O. Rn. 46).
57
Ungeachtet dessen stellt die Übermittlung der begehrten Auskünfte eine Verarbeitung für die Antragsgegnerin und nicht für den Antragsteller dar. Zudem handelt es bei § 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO um keinen eigenständigen Erlaubnistatbestand, so dass die Bestimmung durch unionsrechtliche oder nationale Regelungen über behördliche Datenverarbeitungen im öffentlichen Interesse ausgefüllt werden muss (vgl. Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 6 DSGVO Rn. 120 m.w.N.; offengelassen BVerwG, U.v. 27.3.2019 a.a.O.).
58
Soweit sich der Antragsteller auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO beruft, ist auch dies nicht durchgreifend. Es genügt nicht, dass der Antragsteller als anfragender Privater im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO ein berechtigtes Interesse am Erhalt der begehrten Sozialdaten darlegt, die Behörde - hier die Antragsgegnerin - muss vielmehr aufgrund einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Verarbeitungsgrundlage zu einer entsprechenden Datenübermittlung berechtigt und verpflichtet sein (vgl. Buchner/Petri in Kühling/Buchner, DSGVO/BDSG, Art. 6 DSGVO Rn. 79).
59
(5) Mit den gesetzlichen Regelungen zum Sozialdatenschutz hat der Bundesgesetzgeber den Auskunftsstandard zum Schutz des Sozialgeheimnisses festgelegt. Diese Entscheidung ist auch im Rahmen des verfassungsunmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruchs zu beachten. Der Sozialdatenschutz setzt sich somit auch gegenüber dem grundrechtlich gewährleisteten Auskunftsanspruch der Presse durch. § 35 SGB I sowie die wiederum spezielleren Regelungen des 2. Kapitels des Zehnten Sozialgesetzbuches und des Fünften Sozialgesetzbuches gelten auch im Verhältnis zur Presse. Mangels einer speziellen Ermächtigungsgrundlage hat der Antragsteller keinen Auskunftsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin. § 35 SGB I schließt Behördenauskünfte mit Bezug zum Sozialgeheimnis betroffener Personen nach presserechtlichen Vorschriften aus (Schifferdecker in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 35 SGB I Rn. 25 m.w.N.).
60
cc) Dies gilt auch für die Beantwortung der ersten Frage, „Hat die KVB Zahlungen an die Firma von Herrn B. geleistet?“. Selbst dann, wenn Herr B. oder die von ihm betriebene Firma keine Abrechnungen gegenüber der Antragsgegnerin vorgenommen hat, hat eine Beantwortung der Frage mit „nein“ aus Gründen des Sozialdatenschutzes zu unterbleiben. Die Antwort „nein“ würde dem Antragsteller zwar keine Gewissheit darüber geben, ob Tests abgerechnet wurden. Wären Abrechnungen erfolgt, dürfte die Antragsgegnerin die Frage hingegen nicht beantworten. Aus der Nichtbeantwortung der ersten Frage könnte der Antragsteller jedoch mit Gewissheit folgern, dass Zahlungen an Herrn B. oder an die von ihm betriebene Firma geleistet wurden.
61
III. Nach alledem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
62
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO