Titel:
Erfolgreicher Eilantrag gegen ermessensfehlerhaften baurechtlichen Bescheid mit der Verpflichtung zur Räumung eines Grundstücks und Abfallbeseitigung
Normenketten:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114
VwZVG Art. 34 Abs. 1
VwVfG § 35
BayVwVfG Art. 10, Art. 37 Abs. 2, Art. 49
Leitsatz:
Droht einer Person unmittelbar nach der Räumung der Notunterkunft die unfreiwillige Obdachlosigkeit, so hat die zuständige Gefahrenabwehrbehörde die dadurch drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch den Erlass einer Einweisungsverfügung zu beseitigen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Räumungsverfügung, Ermessensausfall, Ermessensreduktion auf Null, drohende Obdachlosigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 18.07.2022 – 10 CS 22.974
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19870
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 14. März 2022 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin wird in Bezug auf die Ziffer 1 des Bescheides vom 28. Februar 2022 wiederhergestellt sowie in Bezug auf die Ziffern 2, 4 und 5 des Bescheides vom 28. Februar 2022 angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
4. Dem Antragsteller wird für das Hauptsacheverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt …, … …, bewilligt.
5. Dem Antragsteller wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt …, …, bewilligt.
Gründe
1
Der Kläger und Antragsteller (im Folgenden: Antragsteller) wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten und Antragsgegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin), in welchem der Antragsteller verpflichtet wird, das derzeit von ihm bewohnte Grundstück der Antragsgegnerin zu räumen, herauszugeben sowie den vorhandenen Abfall zu beseitigen und die errichteten baulichen Zelt- und Zaunanlagen abzubrechen und zu beseitigen.
2
Der Antragsteller ist seit dem 1. November 2017 im Gebiet der Antragsgegnerin wohnhaft und war zunächst gemeinsam mit seinem Sohn … … unter der Wohnanschrift … …, …, gemeldet. Nachdem sein Sohn ihn der Wohnung verwiesen hatte, wurde der Antragsteller im Februar 2018 aufgrund drohender Obdachlosigkeit durch Verfügung der Antragsgegnerin in das Gebäude … …, … auf drei Monate befristet eingewiesen. Die drohende Obdachlosigkeit konnte hierdurch abgewendet werden. Seit Mai 2018 lebt der Antragsteller in seinem Wohnwagen, zunächst auf einem öffentlichen Platz am …, … Nachdem sich der Antragsteller in … angemeldet hatte, wurde er vom Einwohnermeldeamt der Antragsgegnerin von Amts wegen zum 1. August 2018 abgemeldet und wird seitdem meldetechnisch nicht mehr bei der Antragsgegnerin geführt.
3
Nach den Ausführungen der Antragsgegnerin befinde sich unmittelbar neben dem aufgestellten Wohnwagen des Antragsstellers auf dem Platz am … ein Kinderspielplatz, sodass es zu Beschwerden aus der Bevölkerung gekommen sei. Im Juli 2019 sei der Antragsteller durch die Antragsgegnerin aufgefordert worden, seinen Wohnwagen vom Platz am … zu entfernen. Um erneut die Obdachlosigkeit abzuwenden, sei dem Antragsteller angeboten worden, sein Wohnmobil vorübergehend auf dem öffentlichen Platz nördlich der … Straße zwischen den Maschinenhallen auf den Grundstücken Fl.-Nrn, … (westlich), … (östlich), sowie FL-Nrn. … und … (südlich), abzustellen. Hierbei handle es sich um eine öffentliche Fläche der Antragsgegnerin. Die jeweiligen Eigentümer der angrenzenden Maschinenhallen hätten das Recht auf Mitbenutzung der Flächen. Die Tiefe der Abstandsflächen betrage drei Meter. Der Antragssteller habe sich zwischenzeitlich auf diesem Platz häuslich eingerichtet. Die öffentliche Fläche sei im Laufe der Zeit fortschreitend vereinnahmt worden. Sein Wohnwagen sei fest abgestellt, ein Zelt dauerhaft aufgestellt und mit Holzbrettern verstärkt worden, sein PKW (Kleinbus der Marke VW) sei ebenfalls dauerhaft abgestellt. Sichtschutzwände sowie ein Schrottlager seien errichtet und an fremden Gebäuden befestigt, Propangasflaschen und Benzinkanister gelagert worden. Wiederholt hätten sich Anwohner aufgrund der Vereinnahmung der öffentlichen Grundstücksflächen sowie der Ablagerung von Abfall an die Antragsgegnerin gewandt. Zudem sei es zu Beschwerden gekommen, da der Antragsteller insbesondere die Nutzer der umliegenden Gebäude belästigt und zudem um Strom anbettelt habe. Drüber hinaus seien Lärm- und Abgasbelästigungen gemeldet worden, da der Antragsteller wiederholt den Motor seines PKW über mehrere Stunden, auch nachts, laufen lasse. Aufgrund der massiven Beschwerden von Anwohnern und auch von Hallenbesitzern, sei der Antragsteller zunächst mehrfach mündlich aufgefordert worden, den Platz zu räumen. Zudem sei im Juni 2021 die Betreuerin des Antragstellers darum gebeten worden, die Räumung des Platzes bis Ende Juli 2021 zu veranlassen. Eine Räumung sei nicht erfolgt. Am 1. September 2021 habe ein gemeinsamer Vororttermin beim Antragsteller mit Vertretern der Antragsgegnerin und der Betreuerin des Antragstellers stattgefunden. Der Antragsteller sei dazu aufgefordert worden, den Platz bis spätestens 31. Dezember 2021 zu räumen. Die Betreuer sei mehrfach, im Oktober und November 2021, dazu aufgefordert worden, für die fristgerechte Räumung des Platzes Sorge zu tragen. Nachdem der Antragsteller diesen Aufforderungen nicht nachgekommen sei, sei er mit Schreiben vom 13. Dezember 2021 zur Räumung des Platzes unter Fristsetzung zum 31. Dezember 2021 aufgefordert worden. Am 14. Januar 2022, 21. Januar 2022 und am 9. Februar 2022 habe man mit der Betreuerin telefoniert, um eine Räumung des Platzes und eine Unterbringung für den Antragsteller zu erreichen. Seitens des Antragstellers erfolgte keine Reaktion.
4
Am 28. Februar 2022 erließ die Antragsgegnerin folgenden streitgegenständlichen Bescheid:
„1. Herr … … wird verpflichtet, den Platz nördlich der … Straße zwischen den Maschinenhallen auf den Grundstücken FL-Nrn. … (westlich), … (östlich), sowie Fl.-Nrn. … und … (südlich), zu räumen und geräumt an die Stadt … herauszugeben, den vorhandenen Abfall zu beseitigen sowie die errichteten baulichen Zelt- und Zaunanlagen abzubrechen und zu beseitigen.
2. Für Räumung und Beseitigung gem. Ziff. 1 wird eine Frist bis 15.03.2022, 12.00 Uhr, gesetzt.
3. Die sofortige Vollziehung der Ziff. 1 wird angeordnet.
4. Für den Fall der nicht fristgerechten Räumung gem. Ziff. 1 wird unmittelbarer Zwang angedroht.
5. Für den Fall des nicht fristgerechten Abbruchs der errichteten baulichen Zelt- und Zaunanlagen und die Beseitigung des Abfalls gern. Ziff. 1 wird Ersatzvornahme durch Abbruch und Beseitigung durch ein geeignetes Unternehmen auf Kosten des Herrn … angedroht. Die Kosten dieser Ersatzvornahme betragen voraussichtlich 1.500,00 €, wobei das Recht auf Nachforderung unberührt bleibt, wenn die Ersatzvornahme einen höheren Kastenaufwand verursacht.
6. Der Bescheid ergeht kostenfrei.“
5
Gestützt wurde der Bescheid auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG. Die Antragsgegnerin sei ihrer Obdachlosenfürsorgepflicht mehrfach nachgekommen. Dem Antragsteller drohe nach Räumung des Grundstückes keine erneute Obdachlosigkeit in Form der Wohnungslosigkeit, da er in seinem Wohnmobil leben könne. Er werde lediglich verpflichtet, einen hierfür ausgewiesenen Platz aufzusuchen, um dort seinen Wohnsitz zu begründen. Zudem erhalte der Antragsteller nach dessen Angaben eine Rente; er habe der Antragsgegnerin auch angeboten, eine „Platzmiete“ zu entrichten. Dem Antragsteller würden über seine Betreuerin Möglichkeiten einer Unterkunft mitgeteilt. Insoweit sei keine drohende Obdachlosigkeit des Antragstellers zu befürchten. Die widerrechtliche Nutzung des öffentlichen Platzes durch das dauerhafte Aufstellen eines Wohnwagens und anderer baulicher Anlagen stelle eine Gefahr der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Um den insoweit derzeit bestehenden rechtswidrigen Zustand, den das Aufstellen des Wohnmobils auf einem nicht entsprechend ausgewiesenen Wohnmobilstellplatz begründet habe, zu beseitigen, sei der Antragsteller insoweit verpflichtet, den Platz zu räumen. Sowohl das Entschließungsermessen als auch das Auswahlermessen der Antragsgegnerin sei auf Null reduziert. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im öffentlichen Interesse nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich. Im Fall einer aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs bestehe die Gefahr, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Obdachlosigkeit durch Einlegung eines Rechtsbehelfs auf Monate und Jahre nicht gewährleistet sei. Dabei habe das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO gegenüber dem Sicherheitsinteresse der Öffentlichkeit zurück zu stehen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass der Antragsteller weiterhin den Platz als Wohnquartier nutze. Dies sei aufgrund der stetigen Zunahme der massiven Beschwerden aus der Bevölkerung, insbesondere im Hinblick auf das unbefugte Ablagern von Abfällen, die Beschimpfungen durch den Antragsteller sowie die Lärm- und Abgasbelastungen durch das Laufenlassen eines Motors, für die Dauer eines etwaigen Klageverfahrens nicht hinnehmbar. Die ursprüngliche Zuweisung des Platzes als Unterkunft zur Abwendung der Obdachlosigkeit sei lediglich befristet gewesen. Dies sei dem Antragsteller bekannt gewesen. Auch habe man den Antragsteller mehrfach mit Fristsetzung zur Räumung des Platzes aufgefordert. Die Anordnung des unmittelbaren Zwanges in Ziffer 4 sowie der Ersatzvornahme in Ziffer 5 des Bescheids stützten sich auf Art. 34 Abs. 1 VwZVG. Bei der angeordneten Räumung des Platzes würden weder ein Zwangsgeld noch eine Ersatzvornahme oder Zwangshaft zum Ziel führen. Insbesondere würden diese für den Antragsteller einen erheblich größeren Nachteil verursachen. Zudem lasse ihre Anwendung keinen zweckentsprechenden und rechtzeitigen Erfolg erwarten. Es sei daher unmittelbarer Zwang anzudrohen gewesen. Im Hinblick auf den erforderlichen Abbruch der errichteten Anlagen sowie die Beseitigung des vorhandenen Abfalls werde die Ersatzvornahme durch ein geeignetes Unternehmen angedroht. Deren Kosten betrügen voraussichtlich 1.500,00 EUR, wobei das Recht auf Nachforderung unberührt bleibe, wenn die Ersatzvornahme einen höheren Kostenaufwand verursache. Die Ersatzvornahme sei zulässig, da ein Zwangsgeld aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers keinen Erfolg erwarten lasse.
6
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14. März 2022, dem Bayerischen Verwaltungsgericht zugegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller gegen den Bescheid vom 28. Februar 2022 sowohl Klage erheben (AN 15 K 22.00831) als auch einen Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes (AN 15 S 22.00830) stellen. Zudem wurde sowohl für das Klage- als auch das Antragsverfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt …, …, beantragt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Bescheid sei rechtswidrig. Für die Räumungs- und Herausgabeanordnung in Ziffer 1 fehle es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Antragsgegnerin aufgrund von Sicherheitsrecht handeln könne. Vielmehr sei die Antragsgegnerin verpflichtet, die Obdachlosigkeit des Antragstellers zu verhindern. Es sei nicht ersichtlich, dass im Falle der Räumung die Obdachlosigkeit des Antragstellers verhindert werden könne; ein Ersatzwohnraum werde nicht zur Verfügung gestellt, wozu die Antragsgegnerin auch nicht in der Lage sei. Soweit verfügt werde, den vorhandenen Abfall zu beseitigen, fehle es ebenfalls an einer Rechtsgrundlage. Die Antragsgegnerin sei für den Vollzug der abfallrechtlichen Bestimmungen nicht zuständig. Die Verfügungen seien auch nicht nachvollziehbar und zu unbestimmt. Hinsichtlich des ortsfest genutzten Wohnwagen sowie der Zelt- und Zaunanlagen handle es sich um bauliche Anlagen im Sinne der Bayerischen Bauordnung (BayBO). Für die Beseitigungsanordnung sei jedoch das Landratsamt … als Bauaufsichtsbehörde zuständig. Die Befugnisnorm des Art. 7 Abs. 2 LStVG sei streng subsidiär, welche im Falle einer abschließenden spezialgesetzlichen Regelung wie der BayBO nicht ergänzend herangezogen werden könne. Aufgrund dessen sei auch Ziffer 2 des Bescheids rechtswidrig. Die Zwangsmittelandrohungen in Ziffer 4 und 5 seien nicht nachvollziehbar und unzureichend begründet.
7
Im Antragsverfahren wird beantragt,
Im Wege des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO wird die Vollziehung von Ziffer 1. des Bescheides ausgesetzt und die aufschiebende Auswirkung der erhobenen Klage (wieder) hergestellt.
8
Auf Nachfrage des Gerichts teilten die Antragstellerbevollmächtigten mit, dass hinsichtlich des derzeit vom Antragsteller bewohnten Platzes kein Mietvertrag oder ähnliches vorliege. Ein solcher sei auch nicht geschlossen worden. Bescheide lägen dem Antragsteller auch nicht vor.
9
Mit Schriftsatz vom 15. März 2022 teilten die Antragsgegnerbevollmächtigten auf Bitte des Gerichts mit, dass bis zur Entscheidung des Gerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine Zwangsmaßnahmen getroffen würden. Im Klageverfahren wurde Klageabweisung beantragt. Im Antragsverfahren wurde beantragt,
10
Mit Schriftsatz vom 17. März 2022 legten die Antragstellerbevollmächtigten dem Gericht die Wiedereinweisungsverfügung in das Gebäude … …, … vom Februar 2018 sowie ein Gesprächsprotokoll bzw. Schreiben der Antragsgegnerin vom 30. Juli 2019 an die Betreuerin des Antragstellers vor.
11
Mit Antragserwiderung vom 18. März 2022 führten die Antragsgegnerbevollmächtigten aus, dass die Einvernahme des städtischen Grundstücks durch den Antragsteller sukzessive und ohne Zustimmung der Antragsgegnerin erfolgt sei. Der Antragsgegnerin gingen regelmäßig Beschwerden von Anwohnern zu. Insbesondere im Verlauf des Jahres 2021 sei es zu massiven Beschwerden der Anwohner gekommen. Hierbei sei vorgetragen worden, dass der Antragsteller auch an offenen Feuerstellen koche, seine Notdurft im Freien verrichte und darüber hinaus den Zugang der Eigentümer zu den dort befindlichen Hallen behindere. Dem Antragsteller und dessen Betreuerin sei deutlich gemacht worden, dass eine Räumung des Platzes unabdingbar sei und erforderlichenfalls durchgesetzt werde. Obwohl sowohl dem Antragsteller als auch seiner Betreuerin Einrichtungen und öffentliche Stellen genannt worden seien, die sozialen Wohnraum vermittelten, hätten weder der Antragsteller noch seine Betreuerin Anstrengungen unternommen, tatsächlich Wohnraum für den Antragsteller zu suchen. Vielmehr habe der Antragsteller seit Erlass des Bescheides das Grundstück weiter in Beschlag genommen. Seit dem 15. März 2022 seien weitere Gegenstände bzw. Abfall auf das Grundstück durch den Antragsteller gebracht und offensichtlich Herdplatten aufgestellt worden. Der Bescheid sei rechtmäßig. Zwischen den Beteiligten sei kein Nutzungsverhältnis begründet worden, welches dem Antragsteller eine dauerhafte Nutzung des Grundstücks gestatten würde. Es sei allenfalls von einer vorübergehenden Duldung auszugehen. Bedingungen für die Beendigung dieser Duldung bestünden nicht. Eine Kündigung sei nicht erforderlich; diese sei ohnehin konkludent im Rahmen der verschiedenen Gespräche sowie durch das Aufforderungsschreiben vom 13. Dezember 2021 und durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 28. Februar 2022 erfolgt. Rein vorsorglich und ohne Anerkennung einer entsprechenden Rechtspflicht werde zudem ausdrücklich namens und in Vollmacht der Antragsgegnerin ein etwa bestehendes Vertragsverhältnis gekündigt. Die Antragsgegnerin sei zum Erlass des Bescheides örtlich und sachlich zuständig. Die Festsetzungen seien rechtmäßig. Die Antragsgegnerin sei ihrer Fürsorgepflicht zur Verhinderung der Obdachlosigkeit des Antragsstellers hinreichend nachgekommen. Auch drohe dem Antragsteller keine weitere Obdachlosigkeit, da er in seinem Wohnmobil lebe, dieses fahrbereit sei und an jedem öffentlich hierfür ausgewiesenen Platz abgestellt werden könne. Hierfür stünden dem Antragsteller auch finanzielle Mittel zur Verfügung, da dieser der Antragsgegnerin eine „Platzmiete“ angeboten habe, was jedoch von der Antragsgegnerin abgelehnt worden sei. Die Räumungsverfügung stütze sich zulässigerweise auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG. Der Antragsteller weigere sich zu Unrecht, das Grundstück zu räumen. Aufgrund der unbefugten Ablagerung von Gegenständen sowie der „baulichen Anlagen“ liege eine konkrete Gefahr, insbesondere für die genannten Schutzgüter Leben und Gesundheit der Anwohner sowie das Eigentum, vor. Die Befugnisse der Antragsgegnerin als Sicherheitsbehörde seien auch nicht durch eine vorrangige Geltung abfall- oder baurechtlicher Vorschriften eingeschränkt. Nach Ziff. 6.6. der Vollzugsbekanntmachung des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (VollzBekLStVG) bleibe die Zuständigkeit anderer Behörden für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung neben den der Sicherheitsbehörden in speziellen Bereichen (z.B. Berg-, Bau-, Gewerbe-, Wasser-, Luftaufsicht-, Waffen- und Sprengstoffwesen) unberührt. Den Anordnungen nach Art. 7 Abs. 2 LStVG gingen allenfalls abfallrechtliche Vorschriften über bestehende Abfallbeseitigungsanlagen, Abfallbilanzen, Deponien oder die Zuständigkeit bei Anwendung der baurechtlichen Vorschriften nach Art. 63, 81, 82 BayBauO vor. Diese seien nicht einschlägig, sodass auch die Befugnisse der Antragsgegnerin als Sicherheitsbehörde unverändert gelten würden. Die Antragsgegnerin habe die sofortige Vollziehung hinreichend begründet. Auch die Anordnungen der Zwangsmittel seien rechtmäßig. Die Androhung eines Zwangsgeldes sei im Falle der Zwangsräumung als milderes Zwangsmittel regelmäßig nicht angezeigt und nicht erfolgversprechend, da es zum einen dem Erfordernis der sofortigen Vollziehung widerspreche und der Antragsteller auch nicht über erforderliche wirtschaftliche Mittel verfüge, die eine Beitreibung überhaupt wahrscheinlich machten. Damit sei auch der durch den Einsatz eines Zwangsmittels erwünschte Vollstreckungsdruck nicht zu erreichen. Auch die Vollstreckungsfrist sei angemessen, da der Antragsteller bereits mehrere Wochen zuvor zur Räumung des Grundstücks aufgefordert worden sei. Die Räumung sei auch durch das bloße Abfahren des Wohnmobils jederzeit auch ohne Vorbereitung möglich.
12
Mit Schriftsatz vom 24. März 2022 führten die Antragstellerbevollmächtigten aus, dass es zutreffend sein möge, dass keine schriftliche Vereinbarung existiere oder die Inanspruchnahme des Grundstücks durch den Antragsteller rechtswidrig sei, dennoch fehle des der Antragsgegnerin an der Kompetenz, die Räumung und Herausgabe mit den Mitteln des LStVG durchzusetzen. Vielmehr seien baurechtliche sowie abfallrechtliche Anordnung vorrangig.
13
Mit Schriftsatz vom 28. März 2022 ergänzten die Antragsgegnerbevollmächtigten, dass die Räumung des Platzes durch den Antragsteller in Person verfügt werde. Die Räumungspflicht sei unabhängig von baulichen Anlagen oder Abfallablagerungen allein auf das Sicherheitsrecht zu stützen. Die Antragsgegnerin sei insoweit zuständig. Die Beseitigungsanordnung folge als Reflex der Räumungsanordnung. Zudem seien weder der Wohnwagen noch das aufgestellte Zelt bauliche Anlagen, da diese nicht hinreichend fest mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt seien, ortsfest benutzt zu werden. Auch die Abfallbeseitigung folge als Reflex der Räumungsanordnung. Indem der Antragsteller die rechtswidrige Nutzung des Platzes zugestehe, fehle es ihm am Rechtsschutzbedürfnis. Ein gerichtlicher Erfolg würde die Rechtsstellung des Antragstellers nicht verbessern, da auch aus dessen Sicht eine vermeintlich erforderliche baurechtliche Genehmigung nicht erteilt werden würde und er damit weiterhin zur Beseitigung verpflichtet sei. Auch verletzte der Bescheid nicht die Rechte des Antragstellers, da dieser ohnehin zur Räumung des Platzes verpflichtet sei.
14
Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
15
Der Antrag im vorläufigen Rechtsschutz ist zulässig und begründet.
16
1. Festzustellen ist zunächst, dass ungeachtet der Rechtsnatur einer etwaigen Einweisung des Antragstellers auf das derzeit von ihm bewohnte Grundstück, sei es durch (mündlichen) Einweisungsbescheid oder konkludenten Leihvertrag, im vorliegenden Fall der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet ist. Streitgegenstand in der Hauptsache ist die Aufhebung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 28. Februar 2022, welcher unzweifelhaft und ungeachtet einer eventuellen Erlasskompetenz der Antragsgegnerin einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellt (vgl. Pietzcker/Marsch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 41. EL Juli 2021, § 42 Abs. 1 VwGO Rn. 21). Streitentscheidende Norm ist damit § 113 Abs. 1 VwGO, aus welchem zumindest in prozessualer Hinsicht ein Aufhebungsanspruch des Antragstellers abzuleiten ist, sodass ein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis im Sinne des § 40 Abs. 1 VwGO besteht.
17
2. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist dahingehend auszulegen (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO), dass der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Ziffer 1 des Bescheids vom 28. Februar 2022 wiederherzustellen und gegen die Ziffern 2, 4 und 5 des Bescheids anzuordnen. Soweit der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 14. März 2022 gegen die vom der Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid angeordneten Verfügungen gerichtet ist, ist er gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässig. Der Klage gegen die Anordnungen kommt in Ziffer 1 aufgrund § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung zu, da die sofortige Vollziehung in Ziffer 3 des Bescheides angeordnet wurde. Hinsichtlich der Zwangsmittelandrohungen einschließlich der Vollstre ckungsfrist in den Ziffern 2, 4 und 5 des Bescheids folgt die Zulässigkeit aus § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit Art. 21a VwZVG, da einer Klage gegen eine Zwangsmittelandrohung insofern nach dem Gesetz keine aufschiebende Wirkung zukommt.
18
3. Der Antrag ist zudem begründet.
19
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO anordnen. Das Gericht prüft dabei im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zunächst, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Das Gericht trifft sodann eine eigene Ermessensentscheidung. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen umfassenden Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu, wobei aber auch die gesetzgeberische Entscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs mit zu berücksichtigen ist. Erweist sich das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit als erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung; umgekehrt kommt dem öffentlichen Interesse am Vollzug in der Regel der Vorrang zu, wenn die Klage mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Erscheinen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache hingegen als offen, ist eine reine Interessenabwägung erforderlich. Das Interesse der Antragstellerin, mit dem Vollzug des ihn belastenden Verwaltungsaktes vor dessen Bestandskraft nicht überzogen zu werden, ist abzuwägen mit dem besonderen öffentlichen Interesse der Allgemeinheit, den angefochtenen Verwaltungsakt - im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise - schnellstmöglich zu vollziehen. Maßstab für diese Abwägung ist ein Vergleich der Verhältnisse einerseits für den angenommenen Fall, dass die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt bzw. angeordnet wird, der Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren jedoch bestätigt wird, mit andererseits der angenommenen Konstellation, dass der Sofortvollzug bestehen bleibt, der Verwaltungsakt im Hauptsacheverfahren jedoch aufgehoben wird.
20
Die Antragsgegnerin hat vor dem Hintergrund, dass an den Inhalt der schriftlichen Begründung des Sofortvollzugs keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind (Hoppe, in Eyermann VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 43), das besondere Interesse an der Anordnung des sofortigen Vollzugs in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids zunächst ausreichend gemäß § 80 Abs. 3 VwGO schriftlich begründet. Die Begründungspflicht soll u.a. der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehbarkeitsanordnung bewusst machen und sie veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein vorrangiges öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung fordert (BayVGH, B.v. 24.3.1999 - 10 CS 99.27 - juris Rn. 18). Die Begründung der Antragsgegnerin erfüllt diese Voraussetzungen. Die Antragsgegnerin hat sich - unbesehen einer inhaltlich überzeugenden Argumentation - hinreichend damit auseinandergesetzt, dass für eine sofortige Vollziehung gewichtige öffentliche Interessen, wie der Schutz der übrigen Anwohner vor weiteren Belästigungen durch ein Bewohnen des Grundstücks durch den Antragsteller sprechen. Dies habe letztlich zur Folge, dass ein Abwarten in der Hauptsache nicht zugemutet werden könne, sodass das Suspensivinteresse des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Interesse zurücktreten müsse. Dies genügt der Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 VwGO.
21
Bei der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich jedoch, dass der gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhobenen Anfechtungsklage hinreichende Erfolgsaussichten zukommen, da der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin rechtswidrig ist und den Antragsteller somit in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies hat zur Folge, dass auch eine entsprechende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung der angeordneten Maßnahme und dem privaten Interesse des Antragstellers am Suspensiveffekt seines Rechtsbehelfs ergibt, dass im vorliegenden Fall die betroffenen Rechte des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin überwiegen.
22
a) Der angefochtene Bescheid vom 28. Februar 2022 stellt sich nach summarischer Prüfung zumindest aufgrund fehlerhafter Ermessensausübung als rechtswidrig dar.
23
aa) Problematisch erscheint zunächst, inwiefern sich die damalige Einweisung des Antragstellers auf das von ihm bewohnte und im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Grundstück rechtlich darstellt. Sowohl die Antragsteller- als auch die Antragsgegnerseite haben hierzu ausgeführt, dass es weder einen Miet- bzw. Leihvertrag, welcher eine zivilrechtliche Grundlage darstellen würde, noch einen (mündlichen) Einweisungsbescheid gibt. Ausgeführt wurde lediglich, dass der Antragsteller seit mehreren Jahren auf dem Grundstück „geduldet“ werde. Zwar kommen aufgrund der Unentgeltlichkeit der Nutzung des Grundstücks durch den Antragsteller grundsätzlich beide Möglichkeiten in Betracht, diese sind inhaltlich aufgrund ihrer unterschiedlichen Rechtswirkungen jedoch strikt voneinander zu trennen (Ehmann, Obdachlosigkeit in Kommunen, 3. Auflage 2019, S. 107), sodass letztlich nicht offen bleiben kann, auf welcher Grundlage dem Antragsteller das Grundstück zur Verfügung gestellt wurde. Vorliegend erscheint es der Kammer jedoch nach summarischer Prüfung der Gesamtumstände als naheliegender, dass die damalige Duldung seitens der Antragsgegnerin ein öffentlichrechtliches Nutzungsverhältnis für das von dem Antragsteller bewohnte Grundstück begründet hat. So hat die Antragsgegnerin das Grundstück dem Antragsteller - zwischen den Parteien letztlich wohl unstreitig - zur Verfügung gestellt, um dessen Obdachlosigkeit, welche auch nach Ablauf der damaligen Einweisungsverfügung wohl als weiterhin bestehend erachtet wurde, wirksam zu verhindern. Die Antragsgegnerin handelte damit - ungeachtet der ausdrücklichen Form ihres Handelns - fortlaufend im Sinne der Obdachlosenfürsorge und damit im Rahmen der Erfüllung der Aufgaben der Antragsgegnerin im Sinne des Art. 57 Abs. 1 GO, sodass eine öffentlichrechtliche Regelung der Nutzungsverhältnisse vorliegt (so wohl auch VG München, B.v. 1.8.2007 - M 22 S 07.3007 - juris Rn. 13; VGH BW, B.v. 8.2.1996 - 1 S 147/96 - BeckRS 1996, 20938). Hiergegen spricht auch nicht, dass dem Antragsteller mangels anderweitiger Nachweise in der Gerichts- und Behördenakte das Grundstück nur mündlich und ohne Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes zur Verfügung gestellt wurde. Insoweit ist die nach Art. 10, 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG grundsätzlich bestehende Formfreiheit des Verwaltungshandelns zu beachten; Ausnahmen hiervor sind im vorliegenden Fall auch nicht ersichtlich.
24
bb) Insofern bestehen auch gegen eine Räumungsverfügung grundsätzlich zunächst keine rechtlichen Bedenken.
25
Dabei ist zunächst zu beachten, dass das mit obenstehenden Erwägungen aufgrund der „Duldung“ begründete öffentlichrechtliche Nutzungsverhältnis hinsichtlich des vom Antragsteller genutzten Grundstücks nicht ausdrücklich befristet eingegangen wurde. Die von der Antragsgegnerin vorgebrachte „Befristung“ des Nutzungsverhältnisses verfängt insoweit nicht, da diese, auch mangels einer schriftlichen Bestätigung durch die Antragsgegnerin, von der Kammer nicht nachvollzogen werden kann. Für eine zulässige Räumung war demnach mangels Befristung zunächst die Aufhebung der ursprünglichen Einweisung bzw. des öffentlichrechtlichen Nutzungsverhältnisses nach den Art. 48, 49 BayVwVfG, hier insbesondere ein Widerruf nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG, notwendig. Der obdachlosenrechtlich Untergebrachte hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch darauf, in der ihm einmal zugewiesenen Unterkunft auf Dauer zu bleiben. Vielmehr muss es der Obdachlose hinnehmen, in eine andere Unterkunft verlegt zu werden. Die Einweisung in die bisherige Unterkunft kann daher aus sachlichen Gründen jederzeit widerrufen werden und der Eingewiesene zur Räumung aufgefordert werden (vgl. zu alldem: vgl. BayVGH, B.v. 27.12.2017 - 4 CS 17.1450 - juris Rn. 11 m.w.N.). Ob ein solcher Widerruf bereits in den von der Antragsgegnerin vorgebrachten wiederholten Aufforderungen, der Antragsteller solle das Grundstück räumen zu sehen ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Nach der Rechtsprechung kann zumindest in der hier streitgegenständlichen Räumungsverfügung vom 28. Februar 2022 der hinreichende Ausspruch eines Widerrufs des bestehenden öffentlichrechtlichen Nutzungsverhältnisses gesehen werden, sodass es eines vorherigen (ausdrücklichen) Widerrufs durch die Antragsgegnerin nicht bedurfte (BayVGH, B.v. 17.8.2017 - 4 C 17.1340 - juris Rn. 5 mit Hinweis auf VG Regensburg, E.v. 13.7.2017 - RO 4 K 16.1823).
26
cc) Auch die von der Antragsgegnerin aufgeführte Rechtsgrundlage des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG ist an sich rechtlich nicht zu beanstanden.
27
Gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG dürfen die Sicherheitsbehörden Einzelfallanordnungen treffen, um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen. Dies begründet die Antragsgegnerin hinreichend mit einer konkreten Gefahr, welche durch die Wohnnutzung des öffentlichen Grundstückes durch den Antragsteller ausgeht. Zwar wendet die Antragstellerseite insoweit zunächst plausibel ein, dass die im allgemeinen Sicherheitsrecht enthaltene Vorschrift des Art. 7 LStVG streng subsidiär zu anderen Vorschriften des besonderen Sicherheitsrechts ist, sodass insbesondere sicherheitsrechtliche Vorschriften im Baurecht, insbesondere die Art. 75 f. BayBO, sowie Abfallrecht, z.B. eine Beseitigungsanordnung nach Art. 27 Abs. 1 und 2 BayAbfG, vorgingen. Im vorliegenden Fall ergibt sich eine Anwendbarkeit des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG trotz etwaigen spezielleren sicherheitsrechtlichen Vorschriften jedoch aufgrund der von der Antragsgegnerin verfügten Räumung des Grundstücks als actus contrarius zu einer vormaligen „Einweisung“ des Antragstellers bzw. zur Begründung eines öffentlichrechtlichen Nutzungsverhältnisses im Sinne der Obdachlosenfürsorge (u.a. VG Würzburg, B.v. 4.3.2021 - W 5 S 21.294 - juris Rn. 24; VG München, B.v. 23.4.2008 - 22 S 08.1399 - juris Rn. 16). Mit obigen Ausführungen ist davon auszugehen, dass eine Einweisungsverfügung im Sinne eines (mündlichen) Verwaltungsaktes erlassen wurde, sodass diesbezüglich auch eine auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG zu stützende Räumungsanordnung in Betracht kommt. Vor diesem Hintergrund ist damit nach summarischer Prüfung zunächst unbedenklich, dass die Räumungsanordnung insoweit auch den auf dem Grundstück aufgestellten und vom Antragsteller überwiegend bzw. vollständig ortsfest genutzte Wohnwagen, welcher insoweit eine bauliche Anlage nach Art. 2 Abs. 1 Satz 3 BayBO darstellt (BayVGH, B.v. 30.10.2018 - 9 C 18.675 - juris Rn. 9), sowie den auf dem Grundstück befindlichen Abfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG betrifft. Zweck einer Räumung ist es, den ursprünglichen Zustand des Grundstücks wiederherzustellen (vgl. Bieber, in: MüKo BGB, 8. Auflage 2020, § 546 Rn. 7 m.w.N.), sodass - wie die Antragsgegnerbevollmächtigten insoweit zutreffend ausführen - die Beseitigungsanordnungen letztlich einen Reflex der Räumungsanordnung darstellen. Auf das Verhältnis des allgemeinen zum besonderen Sicherheitsrechts sowie eine etwaige Einschlägigkeit der entsprechenden Vorschriften des besonderen Sicherheitsrechts kommt es demnach nicht an.
28
dd) Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin ist jedoch nach summarischer Prüfung rechtswidrig, da die Antragsgegnerin im Rahmen der gerichtlich eingeschränkten Prüfung des behördlichen Ermessens (§ 114 Satz 1 VwGO) unzutreffend von einer Ermessensreduktion auf Null ausgegangen ist und demnach in ermessensfehlerhafter Weise zu berücksichtigende Interessen des Antragstellers missachtet hat.
29
Der Erlass von Anordnungen für den Einzelfall nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 LStVG liegt stets im Ermessen der Behörde. Die von dieser zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Entschließungsermessen) als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Dabei hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG). Ein Ermessensfehler liegt zunächst dann vor, wenn die Behörde überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat (sog. Ermessensnichtgebrauch oder -ausfall), wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreitet (sog. Ermessensüberschreitung), wenn sie nicht alle nach Lage des Falles betroffenen Belange in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, sie ihre Entscheidung also auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat (sog. Ermessensdefizit) und schließlich wenn von dem durch die Befugnisnorm eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, die Behörde sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder ein Belang willkürlich falsch gewichtet (sog. Ermessensfehlgebrauch) worden ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 114 Rn. 14 ff.). Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung des Bescheids ermitteln (Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 14 ff.). Eine bezüglich der Ermessensausübung fehlende oder unzureichende Begründung indiziert einen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauch, sofern sich nicht aus den Umständen etwas anderes ergibt. Die von Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG geforderten Ermessensbegründungen haben verfahrensrechtlichen Charakter, geben also für die materielle Frage, ob Ermessen überhaupt oder missbräuchlich ausgeübt worden ist und seine Grenzen eingehalten worden sind, nur Anhaltspunkte, denen andere Belege, z.B. aus Aktenvermerken, gleichstehen (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 39 Rn. 29 m.w.N.). Fehlt in einer gegebenen Begründung ein wesentlicher Gesichtspunkt, so spricht dies für die Annahme, dass dieser Punkt auch tatsächlich übersehen wurde (Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 23). Das Fehlen einer Ermessensbegründung ist ein starkes Indiz für einen materiellen Ermessensausfall (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39 Rn. 29 m.w.N.).
30
Nach diesen Grundsätzen leidet der streitgegenständliche Bescheid vom 28. Februar 2022 in mehrfacher Hinsicht an Ermessensfehlern. Zum einen wurden im Rahmen des der Räumungsanordnung immanenten Widerrufs nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG zumindest in der Begründung des Bescheides keinerlei Ermessenserwägungen angestellt. Der Widerruf ist jedoch nach der Vorschrift des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG („darf“) eine im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung. Da sich der Bescheid vom 28. Februar 2022 hierzu jedoch in keiner Weise verhält, ist insoweit bereits von einem Ermessensfehler in Form des Ermessensausfalles (§ 114 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 40 BayVwVfG) auszugehen. Darüber hinaus ist jedoch auch die auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützte Räumungsanordnung selbst ermessensfehlerhaft ergangen, da die Antragsgegnerin sowohl hinsichtlich des Entschließungsermessens als auch des Auswahlermessens von einer Ermessensreduktion auf Null ausgegangen ist. Eine Ermessensreduzierung auf Null kommt jedoch nur in Betracht, wenn allgemein oder im konkreten Einzelfall keine Zweckmäßigkeitserwägungen denkbar sind, die eine andere Entscheidung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtfertigen könnten (vgl. Geis, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 1. EL August 2021, § 40 VwVfG Rn. 37 m.w.N.). Gemessen hieran ist der Feststellung der Antragsgegnerin, sowohl ihr Entschließungs- als auch ihr Auswahlermessen sei so verdichtet, dass eine andere Entscheidung als die umgehende Räumung des vom Antragsteller bewohnten Grundstücks nicht in Betracht komme, im Ergebnis nicht zu folgen. Insbesondere finden die konkrete Einkommenssituation des Antragstellers, die Möglichkeit der Wohnungsbeschaffung, die ersatzlose Beendigung des bisherigen Nutzungsverhältnisses bzw. eine etwaige Verlegung des Antragstellers auf ein anderes Grundstück der Antragsgegnerin nur rudimentären, letztlich nicht hinreichend begründeten Eingang in eine Ermessensprüfung, was auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Räumungsmaßnahme an Bedeutung gewinnt. Unter diesen Gesichtspunkten sind die konkreten Anhaltspunkte im streitgegenständlichen Bescheid sehr dürftig, zumal sich diese auch auf bloße Mutmaßungen und Vermutungen stützen. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass im vorliegenden Fall lediglich ein (umgehende) Räumung des Grundstücks in Betracht kommen kann, sodass die Antragsgegnerin, indem sie zu Unrecht von einer Ermessensreduktion auf Null ausgegangen ist, ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
31
In diesem Zusammenhang ist letztlich auch zu beanstanden, dass die Antragstellerin zu Unrecht davon ausgeht, den Antragsteller bis auf weiteres gar nicht mehr unterbringen zu müssen. Droht nämlich einer Person unmittelbar nach der Räumung der Notunterkunft die unfreiwillige Obdachlosigkeit, so hat die zuständige Gefahrenabwehrbehörde die dadurch drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit durch den Erlass einer Einweisungsverfügung zu beseitigen (vgl. Ruder/Bätge, Obdachlosigkeit, S. 156). Denn nach Art. 6 und Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG sind die Gemeinden als untere Sicherheitsbehörden verpflichtet, Gefahren abzuwehren und Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen bedrohen oder verletzen.
32
Dazu gehört auch die Unterbringung unfreiwillig Obdachloser. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und anderer Obergerichte ändert auch eine aus einem etwaigen unangepassten, sozialschädlichen Verhalten des Obdachlosen folgende „Unterbringungsunfähigkeit“ in einer Gemeinschaftseinrichtung an der grundsätzlichen Verpflichtung der Sicherheitsbehörde zur Gefahrenabwehr nichts (BayVGH, B.v. 27.12.2017 - 4 CS 17.1450 - juris Rn. 13 f.; VGH Mannheim, B.v. 27.11.2019 - 1 S 2192/19 - juris Rn. 15 f.; OVG Münster, B.v. 10.7.2019 - 9 B 882/19 - juris Rn. 3; zu der Problematik der „nicht unterbringungsfähigen Obdachlosen“ vgl. ausführlich und m.w.N. zur Rspr. sowie weiterführenden Hinweisen, Ehmann, Obdachlosigkeit in Kommunen, 3. Aufl. 2019, S. 42 ff.). Nach den gegenwärtig vorliegenden Angaben droht dem Antragsteller, wenn er das von ihm bewohnte Grundstück im Gebiet der Antragsgegnerin verlassen muss, wohl erneut die Obdachlosigkeit. Daran ändert auch die von der Antragsgegnerin vorgebrachte, im Ergebnis nicht tragfähige, Begründung, der Antragsteller könne einen für sein Wohnmobil ausgewiesenen Platz aufsuchen und in seinem Wohnmobil leben, nichts. So ist zum einen nach summarischer Prüfung nicht hinreichend ersichtlich, ob der Antragsteller wirklich finanziell so gestellt ist, dass dieser eine etwaige Miete für einen solchen Abstellplatz aufbringen kann. Die Antragsgegnerin hat den Bescheid diesbezüglich lediglich auf ein Angebot des Antragstellers, „Platzmiete“ zu entrichten, gestützt; eigene Ermittlungen oder Angaben zu einer tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers fehlen hingegen vollständig. Zum anderen ist auch nicht im Ansatz ersichtlich, wo der Antragsteller einen solches Grundstück finden bzw. anmieten soll, zumal hierfür nicht jede freie öffentliche Fläche in Betracht kommt. Ein eventuelles, dem Antragsteller bereits in Aussicht gestelltes, Grundstück ergibt sich weder aus der Gerichts- noch aus der Behördenakte. Vielmehr hat der Antragsteller um des Verlassens willen das Grundstück unverzüglich zu räumen, ohne eine Perspektive auf einen nachfolgenden Stellplatz zu haben. Demnach müsste die Antragsgegnerin nach einer Räumung vielmehr erneut sicherheitsrechtlich gegen die eintretende Obdachlosigkeit des Antragstellers einschreiten, sodass eine Räumung, ohne eine Ersatzunterkunft anzubieten, von vornherein nicht in Betracht kommen kann.
33
Mangels entsprechend vollstreckbaren Grundverwaltungsakts (Art. 19 Abs. 1 VwZVG) sind demnach aufgrund summarischer Prüfung auch die in den Ziffern 4 und 5 enthaltenden Zwangsmittelandrohungen einschließlich der Vollstreckungsfrist in Ziffer 2 des Bescheids rechtswidrig.
34
b) Aufgrund dieser vorliegenden hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers überwiegen damit im vorliegenden Fall die Suspensivinteressen des Antragstellers die Vollzugsinteressen der Antragsgegnerin. Insoweit ist mit obigen Ausführungen zu beachten, dass dem Antragsteller bei einer umgehenden Räumung des Grundstücks erneut eine Obdachlosigkeit drohen würde, was von derartigem Gewicht ist, dass die Interessen des Antragstellers überwiegen, zumal aufseiten der Antragsgegnerin neben einer intendierten sofortigen Beseitigung der die Sicherheit und Ordnung störenden Zustände keine Gründe für eine sofortige Vollziehung der Räumungsverfügung sprechen.
35
Dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nach alldem stattzugeben.
36
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
37
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. den Ziffern 1.5 und 35.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
38
4. Den Anträgen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, welche sich ausdrücklich sowohl auf das Antrags- als auch das Klageverfahren beziehen, war dementsprechend ebenfalls stattzugeben, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung in beiden Verfahren hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
39
Prozesskostenhilfe ist gemäß §§ 166 VwGO, 114 ZPO auf Antrag einem Beteiligten zu bewilligen, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
40
Die zulässigen Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind vorliegend vollumfänglich begründet, da die oben genannten Voraussetzungen beim Antragsteller erfüllt sind. Die Rechtsverfolgung des Antragstellers bietet mit obigen Ausführungen zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diesbezüglich ist eine Rechtsverfolgung auch nicht mutwillig. Der Antragsteller ist zudem nach den vorgelegten Nachweisen nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Darüber hinaus war gemäß § 121 ZPO eine Beiordnung der Prozellbevollmächtigten anzuordnen.