Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.08.2022 – 10 CS 22.1362
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen Verweigerung der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis und Abschschiebungsandrohung

Normenkette:
AufenthG § 3, § 5 Abs. 1 Nr. 4
Leitsatz:
Die Regelerteilungsvoraussetzung der Passpflicht wird nur durch den Besitz eines anerkannten und gültigen Passes oder Passersatzes erfüllt; bei einem irakischen Personalausweis handelt es sich nicht um ein solches gültiges Passersatzpapier. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Erfüllung der Passpflicht, fehlende besondere Erteilungsvoraussetzungen (nach Widerrufsbescheid des Bundesamtes), Ausreisefrist, Aufenthaltserlaubnis, Regelerteilungsvoraussetzung, Passpflicht, Passersatzpapier, irakischer Personalausweis
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 10.05.2022 – Au 1 S 22.1022
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19867

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller, ein irakischer Staatsangehöriger, seinen in erster Instanz erfolglosen Eilrechtsschutzantrag bezüglich des Bescheids der Antragsgegnerin vom 25. März 2022 weiter, mit dem sein Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis bzw. Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in den Irak angedroht worden ist.
2
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die beantragte Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
3
Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Antragstellers auf Verlängerung seiner zuletzt bis zum 8. November 2021 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG unter ergänzender Bezugnahme auf die Gründe des Bescheids der Antragsgegnerin vom 25. März 2022 verneint. Der Antragsteller sei nach den vorliegenden Behördenakten derzeit nicht im Besitz eines irakischen Nationalpasses und habe einen solchen auch noch nicht beantragt. Somit sei bereits die allgemeine Erteilungsvoraussetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG nicht erfüllt. Zudem seien die tatbestandlichen Voraussetzungen sämtlicher in Betracht kommender Anspruchsgrundlagen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht erfüllt. Auch die Abschiebungsandrohung erweise sich voraussichtlich als rechtmäßig; die festgesetzte Ausreisefrist erscheine angemessen. Überwiegende Interessen des Antragstellers für einen Verbleib im Bundesgebiet seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Er verfüge über keine nennenswerten Bindungen im Bundesgebiet und habe sich in den letzten Jahren mehrfach in seinem Heimatstaat Irak aufgehalten. Es sei daher nicht erkennbar, warum ihm eine Rückkehr in sein Heimatland unzumutbar sein sollte.
4
Dagegen wird im Beschwerdeverfahren im Wesentlichen eingewandt, der Antragsteller sei zum Zeitpunkt der Beantragung des Aufenthaltstitels im „Besitz eines irakischen Nationalpasses bzw. eines irakischen Personalausweises“, welcher im Jahr 2015 erneuert worden sei, gewesen. Gemäß Nr. 6. des streitbefangenen Bescheids sei der irakische Nationalpass bis zur Ausreise des Antragstellers in Verwahrung durch die Behörde genommen worden. Selbst bei Fehlen eines irakischen Passes habe er seine Mitwirkungspflichten im Sinne des § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG vollumfänglich erfüllt. Er werde im Jahr 2023 (voraussichtlich) die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25b AufenthG aufgrund nachhaltiger Integration erfüllen. Insofern erscheine die Verweigerung einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis als unverhältnismäßig. Weiter lägen bei ihm die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vor. Als irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und jesidischen Glaubens wäre er bei einer Rückkehr in den Irak einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ausgesetzt bzw. wären in seinem Fall Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG festzustellen. Der Antragsteller befinde sich in einem festen Arbeitsverhältnis und werde als wertvoller Mitarbeiter geschätzt, habe seinen sozialen Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlegt und habe ohne sozialen Rückhalt im Irak keine Chance, seinen Lebensunterhalt sicherstellen zu können. Die festgesetzte Ausreisefrist sei angesichts der Kündigungsfrist beim Arbeitgeber zu kurz bemessen.
5
Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Ablehnung der Verlängerung bzw. Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels voraussichtlich rechtmäßig und der Antragsteller dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
6
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller bereits die Regelerteilungsvoraussetzung der Passpflicht nach § 3 AufenthG (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG) nicht erfüllt. Diese Regelerteilungsvoraussetzung wird nur durch den Besitz eines anerkannten und gültigen Passes oder Passersatzes erfüllt (BayVGH, B.v 14.4.2020 - 10 C 19. 2214 - juris Rn. 4). Der Antragsteller ist aber auch ausweislich der von ihm im Beschwerdeverfahren (in Kopie) vorgelegten Unterlagen lediglich im Besitz eines irakischen Personalausweises, nicht aber eines gültigen irakischen Reisepasses. Sein irakischer Personalausweis ist jedoch kein gültiges Passersatzpapier (vgl. dazu Beiderbeck in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kothe, Stand 15.7.2022 AufenthG § 3 Rn. 7 f.). Demgemäß wird der Antragsteller entgegen dem Beschwerdevorbringen in Nr. 6. des streitbefangenen Bescheids der Antragsgegnerin (lediglich) verpflichtet, den Nationalpass seines Herkunftslandes (Irak) bis spätestens zwei Wochen nach (der künftigen) Ausstellung durch die zuständigen Behörden bei der Ausländerbehörde zu hinterlegen; für den Fall, dass er bereits im Besitz eines Nationalpasses sein sollte (wie nicht), wird die Hinterlegungspflicht auf zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids bestimmt.
7
Weiter hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Bescheids zu Recht angenommen, dass infolge des rechtskräftig gewordenen Widerrufsbescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Mai 2020, mit dem die dem Antragsteller ursprünglich zuerkannte Flüchtlingseigenschaft widerrufen, der subsidiäre der ja Ausweisung und anderes SUV der Gott Schutzstatus nicht zuerkannt sowie festgestellt worden ist, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, die tatbestandlichen Voraussetzungen sämtlicher in Betracht kommender Anspruchsgrundlagen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 9 Abs. 2, § 25 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5, § 25a und § 25b AufenthG) nicht erfüllt sind. Dem ist der Antragsteller weder im erstinstanzlichen noch im Beschwerdeverfahren substantiiert entgegengetreten. Sein Hinweis auf einen ihm im Irak drohenden ernsthaften Schaden im Sinne des §4 Abs. 1 Satz 1 AsylG bzw. (angeblich) bestehende Abschiebungsverbote gemäß §60 Abs. 5 und 7 AufenthG geht schon mit Blick auf den bestandskräftigen Widerrufsbescheid des Bundesamts (s. § 6 Satz 1 und § 42 Satz 1 AsylG) ins Leere.
8
Überwiegende Belange des Antragstellers bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung trotz fehlender Erfolgsaussichten seines Rechtsschutzbegehrens sind auch im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert dargelegt worden. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass sich der Antragsteller in den letzten Jahren mehrfach, auch längerfristig, im Irak aufgehalten habe und somit nicht erkennbar sei, aus welchen Gründen eine Rückkehr dorthin für ihn unzumutbar sein sollte.
9
Schließlich ist auch der Einwand einer unzumutbar kurzen Ausreisefrist (s. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) nicht hinreichend substantiiert; die Behauptung entsprechend langer Kündigungsfristen seines (damaligen) Arbeitsverhältnisses ist in keiner Weise belegt. Auch sonst ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Behörde bei der Bemessung der Ausreisefrist die privaten Belange des Antragstellers unzureichend gewürdigt hätte.
10
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
11
Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
12
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).