Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.07.2022 – 10 C 22.906
Titel:

Erfolgloser PKH-Antrag für Klage auf Ausstellung eines Reiseausweises für einen Eritreer

Normenkette:
AufenthV § 5 Abs. 1
Leitsatz:
Das (mögliche) Erfordernis der Unterzeichnung einer sogenannten Reueerklärung als Voraussetzung für die Ausstellung eines Nationalpasses durch die eritreische Botschaft ist allein nicht grundsätzlich geeignet, eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung zu begründen; der Ausländer hat mit der Botschaft abzuklären, ob eventuelle (auch weitere) Hindernisse für die Ausstellung auch in seinem konkreten Fall bestehen würden. (Rn. 5 – 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Reiseausweis für Ausländer, Möglichkeit der Ausstellung eines Nationalpasses des Heimatstaates (Eritrea), zumutbare Bemühungen des Ausländers zur Passbeschaffung, persönliche Vorsprache bei der zuständigen Auslandsvertretung, Abgabe einer sogenannten Reueerklärung, Bearbeitungsgebühr, Reiseausweis, Nationalpass des Heimatstaates, Zumutbarkeit, Eritrea, Reueerklärung
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 11.03.2022 – Au 1 K 21.2363
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19858

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1
Der Kläger verfolgt mit seiner Beschwerde seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag, ihm für seine Verpflichtungsklage auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weiter.
2
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil das Verwaltungsgericht den Antrag zu Recht mit Hinweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten von Klage und Eilantrag abgelehnt hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
3
Gemäß § 5 Abs. 1 AufenthV kann einem Ausländer, der keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, ein Reiseausweis ausgestellt werden. Eine Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses des Heimatstaates zu bemühen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die einen Ausnahmefall begründenden Umstände sind grundsätzlich vom Ausländer darzulegen und nachzuweisen (BayVGH, B.v. 14.1.2022 - 10 C 21.3219 - juris Rn. 4; B.v. 28.12.2020 - 10 ZB 20.2157 - juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 17.5.2016 - 18 A 951/15 - juris Rn. 3).
4
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass es subsidiär Schutzberechtigten wie dem Kläger grundsätzlich nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 AufenthV unzumutbar ist, sich bei der Auslandsvertretung des Herkunftslandes um die Ausstellung eines Nationalpasses zu bemühen (BayVGH, B.v. 28.12.2020 - 10 ZB 20.2157 - juris Rn. 6; U.v. 25.11.2021 - 19 B 21.1789 - juris Rn. 68; OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021 - 8 LB 97/20 - juris Rn. 31 ff.). Besondere Umstände und belastbare Anhaltspunkte dafür, dass ihm oder seinen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen (Ehefrau, Kinder) schon aufgrund seines Schutzstatus durch das Bemühen um die Ausstellung eines eritreischen Nationalpasses unmittelbare Gefahren drohen könnten, hat der Kläger weder substantiiert dargelegt noch gar nachgewiesen.
5
Die Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses des Heimatstaates (Eritrea) zu bemühen, ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger angeführten sonstigen Bedingungen zur Beantragung dieser konsularischen Dienstleistung. Sie folgt entgegen dem Beschwerdevorbringen insbesondere nicht aus der gegebenenfalls abzugebenden sogenannten Reueerklärung. Hierbei handelt es sich um die zur Beantragung konsularischer Dienstleistungen gegebenenfalls erforderliche Unterzeichnung einer „I. a. C. S. R.F.“, die unter anderem einen aus zwei Sätzen bestehenden Passus des Bedauerns der Flucht und der Nichterfüllung der nationalen Pflicht sowie des Akzeptierens einer eventuell dafür verhängten Strafe enthält (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea vom 3.1.2022, Stand: November 2021, V.1.5, S. 25).
6
Zum einen ist das (mögliche) Erfordernis der Unterzeichnung dieser Reueerklärung, die nach der Einschätzung des Auswärtigen Amtes als (bloße) Ermahnung zu verstehen ist und deren Unterzeichnung die rechtliche Position des Unterzeichnenden regelmäßig weder verschlechtert noch Voraussetzung eventueller Sanktionen ist (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea vom 3.1.2022, a.a.O. S. 25), allein grundsätzlich nicht geeignet, eine Unzumutbarkeit der Passbeschaffung zu begründen (BayVGH, U.v. 25.11.2021 - 19 B 21.1789 - juris Rn. 75 ff.; OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021 - 8 LB 97/20 - juris Rn. 44 ff. jew. mit ausführlicher Begr.). Zum anderen hat der Kläger vor allem nicht substantiiert dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass bereits die von ihm verlangte persönliche Vorsprache bei der eritreischen Botschaft in B. oder dem eritreischen Generalkonsulat in F.a. M., um in seinem Fall die konkreten Voraussetzungen für die Beantragung eines Nationalpasses zu klären, ohne Unterzeichnung der Reueerklärung von vornherein aussichtslos und damit unzumutbar wäre (vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2020 - 10 ZB 20.2157 - juris Rn. 9).
7
Nicht ausreichend ist insofern, dass der Kläger, der sich gegenüber der Ausländerbehörde von vornherein auf die Unzumutbarkeit der Passbeschaffung für eritreische Staatsangehörige berufen hat, seit Ende 2018 mehrfach erfolglos Schreiben mit „Fragen zur Passausstellung“ an die eritreische Botschaft in B. gesandt hat. Ebenso wenig ausreichend ist, dass er zuletzt mit Schreiben an die Ausländerbehörde vom 2. August 2021 unter Vorlage eines von ihm offensichtlich handschriftlich ergänzten Antragsformulars für einen neuen eritreischen Reisepass geltend macht, die Bedingungen für eine Passausstellung seien von ihm nicht erfüllbar, weil er keinen eritreischen Personalausweis besitze, als Sozialleistungsempfänger eine (von ihm selbst ermittelte) Bearbeitungsgebühr von 3.620,- Euro nicht bezahlen und Identitätsdokumente seiner verstorbenen Verwandten nicht vorlegen bzw. erlangen könne. Vielmehr hätte der Kläger bei einer persönlichen Vorsprache bei der zuständigen eritreischen Auslandsvertretung unter Darlegung seiner individuellen Verhältnisse unter anderem abklären müssen, ob auch in seinem Fall die Abgabe einer Reueerklärung und - trotz Sozialleistungsbezug und damit fehlender Leistungsfähigkeit - eine Bearbeitungsgebühr in voller Höhe verlangt würden. Letzteres gilt im Übrigen auch bezüglich der Erhebung einer Aufbausteuer in Höhe von 2%, die (wohl) von allen im Ausland lebenden, volljährigen eritreischen Staatsangehörigen erhoben wird (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea vom 3.1.2022, S. 25; vgl. dazu auch BayVGH, U.v. 25.11.2021 - 19 B 21.1789 - juris Rn. 72 ff.; OVG Lüneburg, U.v. 18.3.2021 - 8 LB 97/20 - juris Rn. 37 ff.).
8
Der weitere Einwand im Beschwerdeverfahren, das Verwaltungsgericht sei ohne entsprechenden vorherigen Hinweis letztlich fälschlich von einer ä. Staatsangehörigkeit des Klägers ausgegangen, verfängt schon deshalb nicht, weil es sich bei den diesbezüglichen Ausführungen („ganz erhebliche Zweifel an der eritreischen Staatsangehörigkeit des Klägers“) in der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts (BA S. 10, Rn. 28 f.) erkennbar um ein obiter dictum („Ohne dass es darauf noch entscheidungserheblich ankäme, weist das Gericht ergänzend darauf hin, …“) handelt.
9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
10
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
11
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).