Inhalt

VGH München, Beschluss v. 29.07.2022 – 1 NE 22.1559
Titel:

Unzulässiger Normenkontrolleilantrag

Normenkette:
VwGO § 47 Abs. 6
Leitsätze:
1. Die Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO setzt zwar grundsätzlich nicht voraus, dass ein Hauptsacheverfahren bereits anhängig ist. Es muss allerdings ein Normenkontrollantrag mit dem Ziel der Unwirksamkeitserklärung des angegriffenen Bebauungsplans noch zulässigerweise gestellt werden können. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplans kann nach Ablauf der Jahresfrist nur im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens oder einer bauaufsichtlichen Überprüfung bei einer Genehmigungsfreistellung inzident überprüft werden. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässiger Antrag, Normenkontrollantrag, Bebauungsplan, Jahresfrist, Inzidentprüfung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19849

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit Beschluss vom 5. Juli 2022 (Az. M 1 E 22.3272) hat das Verwaltungsgericht München auf Antrag des Bevollmächtigten des Antragstellers den Rechtsstreit an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verwiesen.
2
Der Antragsteller macht mit seinem Eilantrag geltend, dass der Bebauungsplan „G. … Süd“, den die Gemeinde T. … am S. am 11. Juli 2002 als Satzung beschlossen und am 4. September 2002 bekanntgemacht hat, aufgrund fehlender Hochwasserschutzmaßnahmen fehlerhaft sei. Durch das Neubauvorhaben der Antragsgegner werde die bisherige Abflussmöglichkeit von Hoch- und Schmutzwasser auf dem Nachbargrundstück verhindert. Mit dem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO solle das bereits begonnene Vorhaben daher gestoppt werden.
3
Die Antragsgegner begehren die Zurückweisung des Antrags, da er unzulässig sei und auch offensichtlich unbegründet wäre.
4
Nach einem Schreiben des Landratsamts (Kommunalaufsicht) vom 23. Juni 2022 an den Antragsteller wird das Bauvorhaben der Antragsgegner im Wege des Freistellungsverfahrens verwirklicht.
5
Ergänzend wird auf Gerichtsakte verwiesen.
II.
6
Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist unzulässig.
7
Die Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO setzt zwar grundsätzlich nicht voraus, dass ein Hauptsacheverfahren bereits anhängig ist. Es muss allerdings ein Normenkontrollantrag mit dem Ziel der Unwirksamkeitserklärung des angegriffenen Bebauungsplans noch zulässigerweise gestellt werden können (vgl. OVG NW, B.v. 7.10.2016 - 2 B 1456/15.NE - juris Rn. 4). Gemäß § 47 Abs. 2 VwGO, den der Antragsteller auch mit seinem Eilantrag zitiert hat, kann ein Normenkontrollantrag nur innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt werden. Da der Bebauungsplan „G. … Süd“ bereits 2002 bekannt gemacht wurde, ist die Jahresfrist längst verstrichen. Die Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplans kann nach Ablauf der Jahresfrist nur im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens oder einer bauaufsichtlichen Überprüfung bei einer Genehmigungsfreistellung inzident überprüft werden. Für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans kommt es dabei auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses an.
8
Es kann dahingestellt bleiben, ob dem Antragsteller für einen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO zusätzlich das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, da er damit sein Rechtsschutzziel - Einstellung der Bauarbeiten - nicht unmittelbar erreichen könnte. Eine einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO bewirkt nur, dass der Bebauungsplan ab dem Zeitpunkt der Anordnung vorläufig nicht mehr angewendet wird. Bauvorhaben, für die eine rechtskräftige Baugenehmigung vorliegt oder die im Freistellungsverfahren errichtet werden, werden damit nicht gestoppt (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2018 - 1 NE 18.499 - juris).
9
Soweit der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO gegen die falschen Antragsgegner gerichtet ist, betrifft dies die Begründetheit des Antrags. Der Antrag ist vorliegend aber bereits unzulässig.
10
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
11
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).