Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.07.2022 – 1 NE 22.1358
Titel:

Antragsbefugnis für Normenkontrolle - Planbedingte Verkehrszunahme

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1, Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 7
Leitsätze:
1. Der Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks ist antragsbefugt, wenn er eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen kann. Das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist ein planbedingter Lärmzuwachs nur geringfügig oder wirkt er sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück aus, muss er nicht in die Abwägung eingestellt werden. Wann dies der Fall ist, lässt sich nicht anhand fester Maßstäbe beurteilen; die Frage ist jeweils unter Würdigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen. In der Regel wird die Bagatellgrenze nicht überschritten sein, wenn mit der Planung nicht mehr als 200 zusätzliche Fahrzeugbewegungen pro Tag zu erwarten sein werden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz im Normenkontrollverfahren, Fehlende Antragsbefugnis, planbedingte Verkehrszunahme, Verkehrslärm, Bagatellgrenze, Fahrzeugbewegungen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19844

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan „H. …“, den die Antragsgegnerin nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens gem. § 214 Abs. 4 BauGB am 23. Juni 2021 als Satzung beschlossen und am 24. Juni 2021 öffentlich bekannt gemacht hat.
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Das bislang unbebaute Plangebiet umfasst eine Fläche von 9.584 m², die im Außenbereich liegt und an den westlichen Siedlungsbereich der Gemeinde D. … angrenzt. Der Bebauungsplan weist in seinem Geltungsbereich ein allgemeines Wohngebiet für eine Bebauung mit Einzelhäusern auf 14 Bauparzellen aus. Hinsichtlich des Maßes der Nutzung wird eine maximale Grundfläche von 130 m² mit Überschreitungsmöglichkeit für die in § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO genannten Anlagen um bis zu 65 Prozent festgesetzt (C.2.1). Die maximal zulässige Wandhöhe beträgt 6,00 m, die maximal zulässige Firsthöhe 8,50 m (C.2.2). Die Mindestgröße der Grundstücke wird auf 400 m² festgesetzt (C.2.3). In Wohngebäuden ist eine Wohnung pro vollendeter 220 m² Grundstücksfläche zulässig (C.2.4). Die Erschließung des Planungsgebiets erfolgt über die M. … Straße. Die festgesetzte öffentliche Verkehrsfläche verläuft zunächst auf dem öffentlich gewidmeten Feld- und W.weg („Durch den H. …“), der von der M. … Straße abzweigt und nordwärts führt. Von diesem Weg zweigt die Erschließungsstraße nach Osten ab und mündet nordöstlich in den H. …weg ein. Die Erschließungsstraße ist für den Einbahnverkehr konzipiert; die Zufahrt zum Planungsgebiet soll über die M. … Straße, die Abfahrt über den H. …weg erfolgen.
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Im Rahmen des ergänzenden Verfahrens ließ die Antragsgegnerin ein Gutachten zur Versickerungsfähigkeit des Plangebiets erstellen. Hiernach sei von einer sehr hohen Durchlässigkeit der anstehenden Böden auszugehen und eine Versickerung möglich. Die Untersuchung tieferer Bodenschichten habe keine Bodenschichten angezeigt, die zu einem Aufstau bzw. zu einer Beeinflussung benachbarter Grundstücke führen würden.
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Die Antragsteller sind Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks FlNr. …, Gemarkung D. …, das südlich an das Planungsgebiet angrenzt. Entlang der südwestlichen Grenze ihres Grundstücks verläuft der öffentliche Feld- und Waldweg, über den das Planungsgebiet miterschlossen wird.
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Am 20. August 2020 stellten die Antragsteller einen Normenkontrollantrag (1 N 20. 1908), über den bislang nicht entschieden wurde. Zur Begründung des Normenkontrollantrags wurde im Wesentlichen vorgetragen, ihre Antragsbefugnis ergebe sich hier aus der planbedingten Veränderung der Verkehrssituation. Außerdem sei nicht ausgeschlossen, dass durch die neu hinzukommende Bebauung das Niederschlagswasser aufgrund der besonderen Bodenbedingungen und der Hangneigung nicht schadlos versickern könne und ihr Grundstück belastet werde. Der Bebauungsplan ermögliche zudem eine abriegelnde Bebauung. Die Antragsgegnerin habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Baugrundstücke vier Meter höher lägen als ihr eigenes Grundstück. Der Bebauungsplan sei auch nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens unwirksam. Er verstoße gegen den Grundsatz des Vorrangs der Innenverdichtung und gegen das Anpassungsgebot in Bezug auf die landesplanerischen Ziele der vorrangigen Innenentwicklung sowie des festgesetzten landschaftlichen Vorbehaltsgebiets und die Bebauungsdichte stehe nicht im Einklang mit den in § 17 Abs. 1 BauNVO festgelegten Obergrenzen. Weiter leide der Bebauungsplan an schweren Verstößen gegen das Abwägungsgebot.
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Die Antragsteller beantragten weiter beim Verwaltungsgericht München den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Bauarbeiten für die Erschließungsstraße einstweilen zu untersagen. Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag mit Beschluss vom 10. September 2021 (Az. M 2 E 21.4060) ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Januar 2022 (Az. 8 CE 21.2499) zurückgewiesen. Nach der von der Antragsgegnerin vorgelegten schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung vom 20. Oktober 2021 (ergänzt am 17. Dezember 2021) würden die Beurteilungspegel der 16. BImSchV deutlich unterschritten. Die vom Gutachter prognostizierte Verkehrsmenge, die der Verkehrslärmberechnung zugrunde gelegt worden sei, erweise sich als tragfähig. Aus den Festsetzungen des Bebauungsplans ergebe sich eine maximale Anzahl von 28 Wohneinheiten, sodass die dem Gutachten zugrundeliegende Abschätzung der Fahrzeugbewegungen nicht zu beanstanden sei.
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Am 2. Juni 2022 beantragten sie,
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den Bebauungsplan „H. …“ der Gemeinde D. … vom 23. Juni 2021, bekannt gemacht am 24. Juni 2021 bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen.
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Zur Begründung bezogen sie sich auf die Begründung im Hauptsacheverfahren. Ergänzend führten sie aus, im Hinblick auf die verkehrsbedingten Lärmimmissionen sei zwar nach dem zwischenzeitlich eingeholten Schallgutachten davon auszugehen, dass voraussichtlich keine unzumutbare planbedingte Lärmbelastung durch Verkehrslärm entstehe. Gleichwohl sei jedenfalls die Unbeachtlichkeitsschwelle von 10 dB(A) unter dem Immissionsgrenzwert überschritten, sodass hier eine Abwägung erforderlich gewesen sei, die jedoch unterbleiben sei. Da sich die Gemeinde das erforderliche Abwägungsmaterial nicht verschafft habe, sei der Bebauungsplan fehlerhaft. Der Erlass der einstweiligen Anordnung sei dringend geboten. Die Erschließung des Baugebiets sei bereits hergestellt und die Antragsgegnerin bereite den Verkauf der Grundstücke vor. Da der Bebauungsplan im Wesentlichen die Zulässigkeit von baulichen Anlagen begründe, die im Genehmigungsfreistellungsverfahren errichtet werden dürften, müssten sie im Wege des Individualrechtsschutzes gegen die einzelnen Anlagen vorgehen; dies sei ihnen nicht zumutbar. Es bestehe die Gefahr, dass mit dem Vollzug des angegriffenen Bebauungsplans bauliche Anlagen errichtet und Tatsachen geschaffen würden, die nur schwer rückgängig gemacht werden könnten.
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Die Antragsgegnerin trat dem Normenkontrollantrag sowie dem Antrag auf Außervollzugsetzung des Bebauungsplans entgegen. Sie beantragte,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Bebauungsplan sei jedenfalls in der Fassung des ergänzenden Verfahrens wirksam. Er leide weder an formellen noch an materiellen Fehlern. Im Hinblick auf die planbedingte Zunahme des Verkehrslärms würde es den Antragstellern an der Antragsbefugnis fehlen, da deutlich weniger als 200 Fahrzeugbewegungen zu erwarten stünden. Im Übrigen fehle es aber auch an einem Anordnungsgrund, da keine schweren Nachteile oder andere wichtige Gründe für die Außervollzugsetzung des Bebauungsplans vorlägen.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Normaufstellungsakten sowie auf die Gerichtsakten in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und des Hauptsacheverfahrens Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist mangels ausreichender Darlegung der Antragsbefugnis unzulässig.
15
Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Die Antragsteller müssen hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt werden. Der Eigentümer eines Grundstücks, für das der Bebauungsplan Festsetzungen trifft, ist grundsätzlich nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 - 4 BN 17.17 u.a. - BauR 2018, 814). Der Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks ist antragsbefugt, wenn er eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen kann. Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Erforderlich, aber auch ausreichend es, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2019 - 3 BN 2.18 - NVwZ-RR 2019, 1027, B.v. 10.7.2012 - 4 BN 16.12 - BauR 2012, 1771). Die Antragsbefugnis ist jedoch dann nicht gegeben, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich ausscheidet (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2015 - 4 BN 30.14 - BauR 2015, 967; B.v. 10.7.2012 - 4 BN 16.12 a.a.O).
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Hieran gemessen ist eine Antragsbefugnis nicht dargelegt.
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Im Hinblick auf die planbedingte Verkehrszunahme zeigt die Antragsbegründung keine Möglichkeit der Rechtsverletzung auf.
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Die Antragsteller gehen nach dem zwischenzeitlich erstellten Gutachten des Ingenieurbüros G. nunmehr selbst davon aus, dass voraussichtlich keine planbedingten unzumutbaren Lärmbelastungen für sie entstehen. Sie rügen nurmehr, dass eine Abwägung zwischen den privaten Belangen der Antragsteller und den Belangen der Gemeinde im Rahmen der Bauleitplanung hätte stattfinden müssen und die Antragsgegnerin trotz entsprechender Einwendungen kein Schallschutzgutachten in Auftrag gegeben habe. Damit zeigen sie nicht die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten auf. Zwar kann eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms unterhalb der Grenzwerte grundsätzlich auch zum Abwägungsmaterial gehören. Ist der Lärmzuwachs allerdings nur geringfügig oder wirkt er sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück aus, so muss er nicht in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 1.7.2020 - 4 BN 49.19 - juris Rn. 8 m.w.N.). Wann dies der Fall ist, lässt sich nicht anhand fester Maßstäbe beurteilen; die Frage ist jeweils unter Würdigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2017 - 4 BN 35.17 - juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 9.3.2020 - 15 N 19.210 - juris Rn. 18; B.v. 28.11.2019 - 1 NE 19.1502 - juris Rn. 21). Dabei muss die planende Gemeinde nicht stets umfangreiche gutachterliche Ermittlungen anstellen, um die konkrete Größenordnung der planbedingten Lärmauswirkungen exakt zu bestimmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn schon eine grobe Abschätzung eindeutig erkennen lässt, dass wegen des ersichtlich geringen Ausmaßes zusätzlicher planbedingter Verkehrsbewegungen beachtliche nachteilige Lärmbeeinträchtigungen offensichtlich ausscheiden (vgl. BayVGH, U.v. 27.4.2016 - 9 N 13.1408 - juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Rechtsprechung die Verkehrszunahme aus der Errichtung von 20 bis 30 Einzel- oder Doppelwohnhäusern bei Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse als geringfügig angesehen (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1999 - 4 CN 1.98 - BauR 2000, 848). In der Regel wird die Bagatellgrenze nicht überschritten sein, wenn mit der Planung nicht mehr als 200 zusätzliche Fahrzeugbewegungen pro Tag zu erwarten sein werden (vgl. BayVGH, U.v. 16.5.2017 - 15 N 15.1485 - BayVBl 2018, 307 mit Verweis auf die Rechtsprechung des HessVGH).
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Für die Beurteilung der planbedingten Fahrzeugbewegungen ist hier auf die maximal mögliche Bebauung von 28 Wohneinheiten abzustellen. Der Senat teilt hierzu die Einschätzung des 8. Senats in der im Rahmen des Verfahrens zur vorläufigen Baueinstellung für die Errichtung der Erschließungsstraße ergangenen Entscheidung vom 10. Januar 2022 (Az. 8 CE 21.2499), wonach sich anhand der Festsetzungen des Bebauungsplans eine maximale Anzahl von 28 Wohneinheiten im Planungsgebiet ergibt. Auf die Ausführungen in Rn. 29 ff. des vorgenannten Beschlusses wird Bezug genommen.
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Die hier höchstens hinzukommenden 28 Wohneinheiten ergeben bei den als Erfahrungswert ansetzbaren 3,75 Fahrzeugbewegungen pro Wohneinheit insgesamt 105 Fahrzeugbewegungen pro Tag. Wenn man diesen Wert um zwei Fahrzeugbewegungen für Besucher-, Versorgungs- und Dienstleistungsverkehr pro Tag für eine Wohneinheit erhöht, ergeben sich planbedingt maximal 161 Fahrzeugbewegungen pro Tag (vgl. zu den in der Rechtsprechung anerkannten Erfahrungswerten: BayVGH, U.v. 9.3.2020 - 15 N 19.210 - BayVBl 2020, 413; OVG NW, U.v. 26.6.2018 - 10 D 51.16.NE - juris Rn. 60; HessVGH, U.v. 17.8.2017 - 4 C 2760/16.N - BauR 2018, 84). Die angesetzten Erfahrungswerte sind hier weder aufgrund örtlicher Besonderheiten noch aufgrund einer allgemeinen Entwicklung nach oben zu korrigieren. Vielmehr dürfte es aufgrund der Zunahme von Homeoffice und in Hinblick auf eine klimaorientierte Umweltpolitik eher zu einer Abnahme des lärmintensiven motorisierten Kraftfahrzeugverkehrs kommen. Da hier der durch die Planung ausgelöste Verkehr über eine Einbahnregelung abgewickelt werden soll, die aufgrund der vorgesehenen geringen Breite der Erschließungsstraße bereits ihren Niederschlag im Bebauungsplan gefunden hat, wird sich die Zahl der zu erwartenden zusätzlichen Fahrzeugbewegungen auf der Straße entlang des Grundstücks der Antragsteller reduzieren, sodass der durch die Topographie bedingte Anstieg der Straße im Hinblick auf die Beurteilung des planbedingten Verkehrslärms nicht weiter ins Gewicht fällt. Die ruhige Wohnlage, die einem an den bisherigen Außenbereich angrenzenden Grundstück im allgemeinen faktisch zukommt, rechtfertigt hier keine andere Beurteilung; denn einen Rechtsanspruch oder auch nur ein schutzwürdiges Interesse auf Beibehaltung dieser Außenbereichslage gibt es nicht (BVerwG, U.v. 21.10.1999 - 4 CN 1.98 - BauR 2000, 848).
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Eine Antragsbefugnis ergibt sich auch nicht aus der geltend gemachten Verschlechterung der Situation für die schadfreie Versickerung des Niederschlagswassers. Der Vortrag der Antragsteller hierzu zeigt nicht die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten auf.
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Die Antragsgegnerin hat im Rahmen des ergänzenden Verfahrens eine Untersuchung zur Versickerungsfähigkeit des Bodens im Planungsgebiet eingeholt. Hiernach ist von einer sehr hohen Durchlässigkeit der anstehenden Böden auszugehen und eine Versickerung möglich. Die Untersuchung tieferer Bodenschichten hat keine Bodenschichten angezeigt, die zu einem Aufstau bzw. zu einer Beeinflussung benachbarter Grundstücke führen werden. Substantiierte Einwände gegen die Untersuchung liegen nicht vor. Der Einwand der Antragsteller bezieht sich insbesondere darauf, dass der Untersuchung die Bebauung mit 14 Gebäuden zu Grunde liege, tatsächlich aber ohne weiteres eine dreifache Baumasse ermöglicht werde. Dieser Einwand geht offenkundig fehl, da der Bebauungsplan hier grundstücksbezogene Grundflächen festsetzt (s.o.). Soweit vorgetragen wird, es sei bei der Darstellung der Versickerung nicht berücksichtigt worden, dass weder der Feldweg noch der obere Teil des Baugebiets angrenzend an ihr Grundstück ein natürliches Gelände sei, sondern das Gelände an der oberen westlichen Straßeneinmündung (RKS2) mit bis zu Z 1.2 (Einstufung nach EPP) belastet und deshalb dort eine Versickerung nicht oder nur unter Auflagen möglich sei, ist nicht erkennbar, inwieweit eine etwaige punktuelle Einschränkung der Versickerungsfähigkeit für die Antragsteller relevant sein soll. Die im ergänzenden Verfahren durchgeführten weiteren Untersuchungen (Bohrungen und Baggerschürfe) haben keine Auffüllungen angetroffen. Zudem wurden die Auffüllungen im Bereich R. nach durchgeführter Laboruntersuchung nicht - wie von den Antragstellern irrig angenommen - als Z 1.2 Material eingestuft, sondern als Z 0 Material.
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Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass es bei Umsetzung des Bebauungsplans zu einer unzumutbaren erdrückenden, abriegelnden oder einmauernden Wirkung zu Lasten des bestehenden Wohngebäudes der Antragsteller kommen könnte. Eine erdrückende Wirkung in Folge des Nutzungsmaßes eines Bauvorhabens kann nur bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommen (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - DVBl. 1981, 928: elf- bzw. zwölfgeschossiges Gebäude in naher Entfernung zu zweieinhalb geschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 - 4 C 34.85 - DVBl. 1986, 1271: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück).
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Angesichts dieser Maßgaben liegt eine abriegelnde oder gar erdrückende Wirkung der zugelassenen Baukörper in Bezug auf das Anwesen der Antragsteller fern. Der Bebauungsplan lässt nördlich ihres Grundstücks eine offene Bebauung mit Einzelhäusern zu. Die maximal zulässige Wandhöhe wird auf 6 m, die Firsthöhe auf maximal 8,50 m festgesetzt. Der Bebauungsplan trifft keine von den gesetzlichen Abstandsflächen abweichenden Festsetzungen. Der bayerische Gesetzgeber hat - ähnlich wie in anderen Bundesländern - mit dem ab 1. Februar 2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus eine Anpassung der regulären Abstandsfläche vorgenommen und geht davon aus, dass bei einer Tiefe der Abstandsflächen von 0,4 H regelmäßig eine ausreichende Belichtung und Besonnung der Bebauung gewährleistet ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den geltend gemachten topographischen Besonderheiten der Hanglage, da hier der Höhenunterschied des Geländes nicht gravierend ins Gewicht fällt. Das Gelände steigt bereits auf dem Grundstück der Antragsteller nach Norden hin an. Der Höhenunterschied zwischen dem Gelände an der Nordseite des Wohngebäudes der Antragsteller und dem Gelände in den nördlich gelegenen Baugrenzen des Planungsgebiet liegt nach der Höhendarstellung im B. bei ca. 1,5 m. Dass die durch den Bebauungsplan ermöglichte Bebauung infolge der Hanglage wie eine viergeschossige Bebauung in Erscheinung treten und eine erdrückende Wirkung für das Wohngebäude der Antragsteller entfalten würde, ist daher nicht erkennbar.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (152 Abs. 1 VwGO).