Titel:
Erfolgloser Eilantrag gegen eine bauaufsichtsrechtliche Betretungsanordnung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1 Alt. 2
GG Art. 13 Abs. 7
BayBO Art. 54 Abs. 4
Leitsatz:
Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Behörde in Ermangelung anderer zumutbarer Möglichkeiten zur Sachverhaltsaufklärung im Vorfeld etwaiger weiterer bauaufsichtlicher Schritte, eine Betretungsanordnung sofort vollziehbar ausgestaltet. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betretungsanordnung, Eilrechtsschutz, Sofortvollzugsanordnung, Interessenabwägung, summarische Prüfung, Bauordnungsrecht, Betretensanordnung, Sachverhaltsermittlung, baurechtliche Grundstückssituation
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 22.07.2022 – 1 CS 22.1185
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19835
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine (weitere) Betretungsanordnung.
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Er ist neben zwei weiteren Personen - … und … … - Miteigentümer des mit einem Wohnhaus und weiteren Anlagen bebauten Grundstücks Flurnummer 780 der Gemarkung …
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Mit Bescheid vom 27. Januar 2022 verpflichtete das Landratsamt den Antragsteller, am Mittwoch, den 16. Februar 2022, zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr, den Zutritt zum Grundstück Flurnummer 780, Gemarkung …, zur bauaufsichtliche Überprüfung der nördlichen Nebengebäude sowie der Versiegelungen im Zufahrtsbereich samt dem Fertigen von Fotoaufnahmen durch beauftragte Vertreter des Landratsamts Starnberg zu gewähren und zu dulden; für den Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sei die Durchführung der vorstehend genannten Baukontrolle bis spätestens einen Monat nach Bestandskraft dieses Bescheids zu ermöglichen (Nr. 1a). Das Landratsamt ordnete die sofortige Vollziehung der „Nr. 1“ des Bescheids an (Nr. 1b), drohte dem Antragsteller für den Fall der Nichterfüllung der in „Nr. 1“ festgelegten Pflicht ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- € an (Nr. 1c) und erließ gegen die Eheleute … und … … in Bezug auf die Anordnung unter Nr. 1a eine Duldungsanordnung (Nr. 2a) mit zugehöriger Zwangsgeldandrohung (Nr. 2b).
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Der Antragsteller erhob gegen diesen Bescheid am *. Februar 2022 Anfechtungsklage, die bei der Kammer unter dem Aktenzeichen M 11 K 22.611 anhängig ist. Außerdem beantragte der Antragsteller am *. Februar 2022 mit weiterem Schriftsatz, die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen den Bescheid vom 27. Januar 2022 bezüglich Nummer 1a wiederherzustellen.
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Mit Ergänzungsbescheid vom 15. Februar 2022 ordnete das Landratsamt die sofortige Vollziehung von Nummer 2a des Bescheids vom 27. Januar 2022 an.
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Mit Beschluss vom 15. Februar 2022 lehnte die Kammer den Eilantrag vom *. Februar 2022 ab (M 11 S 22.610).
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Der Antragsteller legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein, die beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unter dem Aktenzeichen 1 CS 22.461 anhängig ist.
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Mit Bescheid vom 24. Februar 2022 verpflichtete das Landratsamt den Antragsteller, am Freitag, den 4. März 2022, um 10:00 Uhr bis etwa 12:00 Uhr, den Zutritt zum Grundstück Flurnummer 780, Gemarkung …, zur bauaufsichtlichen Überprüfung der nördlichen Nebengebäude sowie der Versiegelungen im Zufallsbereich samt dem Fertigen von Fotoaufnahmen durch beauftragte Vertreter des Landratsamts zu gewähren und zu dulden; für den Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sei die Durchführung der vorstehend genannten Baukontrolle bis spätestens einen Monat nach Bestandskraft des Bescheids zu ermöglichen (Nummer 1a). Die sofortige Vollziehung dieser Regelung wurde angeordnet (Nummer 1b). Dem Antragsteller wurde für den Fall der Nichterfüllung ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR angedroht (Nummer 1c). Gegenüber den Eheleuten … und … … wurde eine für sofort vollziehbar erklärte und zwangsgeldbewehrte Duldungsanordnung erlassen (Nummern 2a, b und c).
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Der Antragsteller erhob gegen diesen Bescheid mit am 3. März 2022 um 17:00 Uhr als elektronisches Dokument eingegangenem Schriftsatz Klage (M 11 K 22.1268) und beantragte mit am 3. März 2022 um 17:03 Uhr als elektronisches Dokument eingegangenem weiteren Schriftsatz, die aufschiebende Wirkung dieser Klage bezüglich Nummer 1b des Bescheids wiederherzustellen (M 11 S 22.1269). Auf die Antragsbegründung wird Bezug genommen.
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Der Berichterstatter erhielt Kenntnis von dem Eilantrag am 4. März 2022 gegen 10:50 Uhr. Er telefonierte anschließend mit dem Bevollmächtigten des Antragstellers, der sich damit einverstanden erklärte, dass nicht mehr kurzfristig über den Eilantrag entschieden werden müsse. Der Berichterstatter telefonierte anschließend mit dem Landratsamt, das mitteilte, dass der Kontrolleur vor Ort gewesen, aber nicht auf das Grundstück gelassen worden sei.
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Mit Schreiben vom 22. April 2022 stellte das Landratsamt gegenüber dem Antragsteller das unter Nummer 1c des Bescheids vom 24. Februar 2022 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR fällig. Gleichzeitig erließ es einen weiteren Bescheid, mit dem es den Antragsteller erneut verpflichtete, den Zutritt zum Grundstück Flurnummer 780, Gemarkung …, zur bauaufsichtlichen Überprüfung der nördlichen Nebengebäude sowie der Versiegelungen im Zufahrtsbereich samt dem Fertigen von Fotoaufnahmen durch beauftragte Vertreter des Landratsamts zu gewähren und zu dulden; für den Fall der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sei die Durchführung der vorstehend genannten Baukontrolle bis spätestens einen Monat nach Bestandskraft des Bescheids zu ermöglichen (Nummer 1a). Unter Nummer 1b des Bescheids wurde der Termin für die Baukontrolle in Nummer 1a auf Donnerstag, den 12. Mai 2022, um 10:00 Uhr festgesetzt. Die sofortige Vollziehung der Nummern 1a und 1b wurde angeordnet (Nummer 1c). Dem Antragsteller wurde für den Fall der Nichterfüllung der in den Nummern 1a und 1b festgelegten Pflicht ein Zwangsgeld in Höhe von 8.000 EUR angedroht (Nummer 1c). Gegenüber den Eheleuten … und … … wurde eine für sofort vollziehbar erklärte und zwangsgeldbewehrte Duldungsanordnung erlassen (Nummern 2a, b und c).
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Zur Begründung von Nummer 1a wiederholte das Landratsamt im Wesentlichen die Begründung der früheren Bescheide. Der Termin am 12. Mai 2022 liege außerhalb der Schulferien und es sei „den Pflichtigen“ zuzumuten, den Termin bis dahin vorzubereiten bzw. zu ermöglichen. Die Anordnung des Sofortvollzugs unter Nummer 1c wurde eigenständig begründet. In Bezug auf die Zwangsgeldandrohung (Nummer 1d) führte das Landratsamt aus, das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 8000 EUR sei geeignet und erforderlich. Die Höhe des Zwangsgeldes sei angemessen, um nach wiederholten Verweigerungen der Betretungsanordnung den gebotenen Nachdruck zu verleihen.
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Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid vom 22. April 2022 am *. Mai 2022 Klage (M 11 K 22.2484).
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Mit weiterem Schriftsatz, der ebenfalls am *. Mai 2022 bei Gericht einging, beantragte der Antragsteller außerdem,
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die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 22 April 2022 „bezüglich Ziff. 1.c.“ wiederherzustellen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht: Der Bescheid vom 22. April 2022 sei am 28. April 2022 postalisch übermittelt worden, eine förmliche Zustellung sei aber bis heute nicht erfolgt. Der Antragsteller vertiefte seine im Verfahren M 11 S 22.610 vorgebrachte Sachverhaltsschilderung. Er habe dem Landratsamt Starnberg angezeigt, dass er sich ab Donnerstag, den 3. März 2022 in einem Erholungsurlaub befinde, wobei es sich um eine Flugreise gehandelt habe. Auch am 12. Mai 2022 habe der Antragsteller zahlreiche Termine wahrzunehmen, die infolge der Kurzfristigkeit der Ankündigung der Betretungsanordnung nicht verschiebbar seien. Insofern sei der Antragsteller nicht in der Lage, der Forderung des Landratsamts stattzugeben. Aufgrund der Tatsache, dass das Landratsamt der Besichtigung ein besonderes Gewicht beimesse, besitze der Antragsteller ein besonderes Interesse, hieran teilzunehmen. Die Betretungsanordnung nach Nummer 1a des Bescheids vom 22. April 2022 sei rechtswidrig. Insoweit vertiefte der Antragsteller zunächst im Wesentlichen sein Vorbringen im Verfahren M 11 S 22.610. Zusätzlich führte er aus, gegen die erneute Anordnung spreche allein die Tatsache, dass die Eilentscheidung der Kammer vom 15. Februar 2022 nicht rechtskräftig sei. Schon aus diesem Grund mangele es an einer Dringlichkeit des behördlichen Vorgehens. Die Entscheidung der Kammer vom 15. Februar 2022 vermöge auch in der Sache nicht zu überzeugen. Die Kammer habe den sachlichen Grund für die Ausübung des Betretungsrechts auf die Feststellung gestützt, dass sich das äußere Erscheinungsbild im Verhältnis zum jeweils früheren Luftbild in einer Weise verändert habe, die mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die Durchführung von Baumaßnahmen zurückzuführen sei. Diese Aussage lasse nicht erkennen, welche Veränderungen im Detail vom Gericht festgestellt worden seien. Insofern stelle diese Aussage eine nicht nachvollziehbare Behauptung dar. Widersprüchlich sei die Argumentation der Kammer, dass einerseits ein Betreten eine dringliche Gefahr für die Schädigung eines wichtigen Rechtsgutes, hier die Anforderungen des Baurechts, erfordere, andererseits darauf verwiesen werde, dass die „Besichtigung“ sich nur auf den Zufahrtsbereich und die Nebengebäude beziehe. Diese Aussage sei lebensfremd, weil die Behörde bei Hinweisen auf die Rechtswidrigkeit sonstiger Gebäude bei der Besichtigung nicht Halt machen werde. Außerdem besitze die Rechtswidrigkeit eines Nebengebäudes keine Dringlichkeit im Sinne der Rechtsprechung. Nicht nachvollziehbar sei außerdem, dass eine ordnungsgemäße Ermessensausübung erfolgt sein solle und die Kammer ein besonderes Vollzugsinteresse angenommen habe. Die „zweite“ Betretungsanordnung beachte nicht die materiellrechtlichen Anforderungen des Art. 54 Abs. 2 BayBO. Im Übrigen sei der Bescheid auch hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Höhe von 8.000 EUR rechtswidrig. Wenngleich jene Rechtswidrigkeit im Rahmen der Hauptsache festzustellen sei und festzustellen sein werde, müsse das offensichtlich willkürliche Verhalten des Landratsamts auch an dieser Stelle hervorgehoben werden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen, wegen des dem Bescheid vom 27. Januar 2022 vorausgegangenen Sachverhalts insbesondere auch auf Nummer I der Gründe des Beschlusses vom 15. Februar 2022.
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1. Die Kammer legt den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO dahingehend aus, dass er sich auf die Nummern 1a und 1b des Bescheids vom 22. April 2022 bezieht. Gegen die im Eilantrag genannte „Ziff. 1.c.“, d.h. die Vollzugsanordnung selbst, ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht statthaft. Der Eilantrag kann jedoch dahingehend verstanden werden, dass der Suspensiveffekt der Klage in Bezug auf diejenigen Regelungen des Bescheids - nämlich die Nummern 1a und 1b - wiederhergestellt werden soll, auf die sich die Vollzugsanordnung bezieht, d. h. die ohne die Vollzugsanordnung nicht sofort vollziehbar wären. Der Eilantrag kann dagegen nicht so ausgelegt werden, dass er sich auch auf die Zwangsgeldandrohung (Nummer 1d des Bescheids) bezieht, deren sofortige Vollziehbarkeit nicht auf der Vollzugsanordnung des Landratsamts beruht, sondern kraft Gesetzes besteht (Art. 21a VwZVG). Aus den Ausführungen auf Seite 9 der Antragsschrift wird auch deutlich, dass die Zwangsgeldandrohung und deren sofortige Vollziehbarkeit nicht Gegenstand des vorliegenden Eilantrags sein, sondern nur im Hauptsacheverfahren überprüft werden sollen („Wenngleich jene Rechtswidrigkeit im Rahmen der Hauptsache festzustellen ist und festzustellen sein wird, so muss das offensichtlich willkürliche Verhalten des Landratsamts auch an dieser Stelle hervorgehoben werden.“).
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2. Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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a) Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn eine vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Hierbei ist in erster Linie auf die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers abzustellen. Erweist sich nach summarischer Prüfung der angefochtene Verwaltungsakt als rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt dagegen nach vorläufiger Betrachtung als voraussichtlich rechtmäßig, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, sofern ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, hängt das Ergebnis allein von der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung ab.
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b) Dies zugrunde gelegt, spricht bei einer im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage Überwiegendes dafür, dass die im Eilverfahren streitgegenständliche Betretungsanordnung in den Nummern 1a und 1b des Bescheids rechtmäßig erfolgt ist und den Antragsteller daher nicht in seinen Rechten verletzt.
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Die neuerliche Betretungsanordnung entspricht in ihrem Umfang derjenigen, die Gegenstand des Eilverfahrens M 11 S 22.610 gewesen ist und ist mit dieser auch in Bezug auf die Zeitspanne vergleichbar, die zwischen dem jeweiligen Bescheidserlass und dem jeweils festgesetzten Termin liegt.
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Die Kammer sieht deshalb keinen Grund, von ihrer im Beschluss vom 15. Februar 2022 geäußerten Auffassung abzuweichen und macht sich deshalb die entsprechenden Ausführungen (Rn. 29 ff. des Beschlusses) auch für das vorliegende Eilverfahren zu eigen und nimmt darauf entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO Bezug. Ergänzend ist auszuführen:
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Der vom Antragsteller monierte Umstand, dass der Bescheid vom 22. April 2022 bisher nicht förmlich zugestellt worden sei, ist für die Rechtmäßigkeit der Nummern 1a und 1b dieses Bescheids ohne Belang, weil für diese Grundverfügung eine förmliche Zustellung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Davon unabhängig enthält die vom Landratsamt in elektronischer Form übersandte Restakte ein unter dem 28. April 2022 unterschriebenes Empfangsbekenntnis der Bevollmächtigten des Antragstellers (Bl. 128) und zwei Zustellungsurkunden, wonach der Bescheid den beiden zur Duldung der Betretungsanordnung verpflichteten Miteigentümern jeweils am 27. April 2022 zugestellt worden ist (Bl. 129 u. 131).
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Die Zeitspanne zwischen Bescheidserlass und festgesetztem Termin ist auch nicht unverhältnismäßig kurz. Das Vorbringen des Antragstellers, er habe auch am 12. Mai 2022 zahlreiche Termine wahrzunehmen, die infolge der Kurzfristigkeit der Ankündigung nicht verschiebbar seien, ist unsubstantiiert. Es wäre hier zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller konkrete Angaben über diese Termine und deren Unverschiebbarkeit macht. Davon unabhängig hält die Kammer weiter daran fest, dass der Antragsteller den Mitarbeitern des Landratsamts nur den Zugang gewähren muss und sich hierbei letztlich auch vertreten lassen kann. Seine persönliche Anwesenheit vor Ort erscheint zur Wahrung seiner Rechte nicht nötig. Soweit der Antragsteller meint, das Landratsamt messe der Besichtigung „ein besonderes Gewicht“ bei, ergibt sich daraus nicht, dass auch eine persönliche Anwesenheit des Antragstellers vor Ort für ihn besonders bedeutsam ist. Die Betretungsanordnung dient zunächst nur der Aufnahme der baulichen Situation vor Ort. Sofern das Landratsamt im Anschluss daran weitere baurechtliche Anordnungen in Erwägung ziehen sollte, ist dem Antragsteller vor Erlass einer entsprechenden Anordnung grundsätzlich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt, weshalb der Antragsteller seine Interessen nicht ausreichend im Rahmen der Abgabe einer solchen Stellungnahme wahren könnte.
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Nicht zu folgen ist auch der Einschätzung des Antragstellers, gegen die erneute Anordnung spreche allein der Umstand, dass der Beschluss der Kammer vom 15. Februar 2022 nicht rechtskräftig sei. Das Landratsamt war nicht gezwungen, den Ausgang des Beschwerdeverfahrens abzuwarten.
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Soweit der Antragsteller bemängelt, die Kammer habe im Beschluss vom 15. Februar 2022 nicht ausgeführt, „welche Veränderungen im Detail“ sie in den Luftbildern festgestellt habe, hält die Kammer an ihrer vorläufigen Einschätzung fest, dass ein sachlicher Grund für die Ausübung des Betretungsrechts vorliegt. In den Behördenakten befinden sich drei dem Landratsamt von der Gemeinde vorgelegte farbige Luftbilder aus den Jahren 2020, 2018 und 2015 (Bl. 6, 7 und 8). Das Luftbild 2015 zeigt eine von der Lindenallee bis zum Wohnhaus führende Zufahrt in Form eines einfachen Feldwegs. Der Bereich zwischen dem Wohnhaus und den Nebengebäuden im nördlichen Grundstücksbereich erscheint als Grünfläche. Im Luftbild 2018 erscheint der Zufahrtsweg bereits breiter und die Grünfläche scheint einer Zufahrt zu den Nebengebäuden bzw. einer stellplatzartigen Nutzung gewichen zu sein. Das Luftbild 2020 weist darauf hin, dass nach der Aufnahme des Luftbilds 2018 die Nebengebäude im nördlichen Grundstücksbereich vergrößert worden sind und der gesamte Zufahrtsbereich eine weitere Befestigung erfahren hat. Insbesondere dieses Luftbild bietet einen hinreichenden sachlichen Grund für die Durchführung einer Baukontrolle, weil es mit einiger Wahrscheinlichkeit darauf hinweist, dass auch nach der letzten Baukontrolle im Jahr 2019 bauliche Veränderungen vorgenommen worden sind.
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Es ist auch nicht widersprüchlich, dass die Kammer im Beschluss vom 15. Februar 2022 einerseits das Vorliegen einer dringenden Gefahr im Sinne von Art. 13 Abs. 7 GG als Voraussetzung einer (zwangsweisen) Betretung gefordert und andererseits darauf hingewiesen hat, dass sich die Betretungsanordnung nur auf den Zufahrtsbereich und die nördlichen Nebengebäude bezieht und somit auf Bereiche, die gegenüber dem Wohnhaus ein geringeres Schutzniveau aufweisen. Eine dringende Gefahr im Sinne des Art. 13 Abs. 7 GG kann entgegen der Ansicht des Antragstellers auch dann vorliegen, wenn eine etwaige Baurechtswidrigkeit nur Nebengebäude oder einen Zufahrtsbereich betrifft. Das Vorliegen einer dringenden Gefahr ist im vorliegenden Fall aus den im Beschluss vom 15. Februar 2022 ausgeführten Gründen zu bejahen. Dass die Nebengebäude und der Zufahrtsbereich ein geringeres Schutzniveau aufweisen als das Wohnhaus, lässt nicht die dringende Gefahr entfallen, sondern führt nur dazu, dass der Antragsteller im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Betretung des Grundstücks grundsätzlich sogar noch eher hinnehmen muss als die Betretung des Wohnhauses.
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Soweit der Antragsteller die Ausführungen der Kammer für „lebensfremd“ hält, weil das Landratsamt bei Hinweisen auf die Rechtswidrigkeit sonstiger Gebäude bei der „Besichtigung“ nicht Halt machen werde, ist darauf zu verweisen, dass die vorliegende Betretungsanordnung nicht zum Betreten des Wohnhauses berechtigt.
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Die Ermessensausübung des Landratsamts ist voraussichtlich rechtmäßig. Der in der Antragsschrift vorgetragenen Einschätzung des Antragstellers, der hier ein „drastisches Vorgehen“ der Behörde sieht, kann nicht gefolgt werden. Das Landratsamt hat im Gegenteil vor Erlass der ersten Betretungsanordnung am 27. Januar 2022 mit großer Geduld versucht, einen Betretungstermin einvernehmlich zu vereinbaren. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sich das Landratsamt nunmehr nicht mehr auf eine Terminvereinbarung einlässt.
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c) Ein besonderes Vollziehungsinteresse ist gegeben und wurde auch entsprechend den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO eigenständig begründet. Es gilt das bereits im Beschluss vom 15. Februar 2022 Ausgeführte. Soweit der Antragsteller meint, es bestehe kein besonderes öffentliches Interesse, die Betretung des Grundstücks schon vor einer etwaigen Bestandskraft des Bescheids durchzuführen, teilt die Kammer diese Ansicht nicht. Die geplante Baukontrolle dient der Überprüfung, ob am Zufahrtsbereich und den Nebengebäuden im nördlichen Grundstücksbereich rechtswidrig Baumaßnahmen durchgeführt werden oder durchgeführt wurden. Sollten gegenwärtig rechtswidrig Baumaßnahmen durchgeführt werden oder in der Vergangenheit rechtswidrig durchgeführt worden sein, stehen Baueinstellungsverfügungen und Nutzungsuntersagungen im Raum, die anerkanntermaßen grundsätzlich für sofort vollziehbar erklärt werden können, um einen effektiven Vollzug des Baurechts zu gewährleisten. Es ist daher grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Behörde, weil sie keine andere zumutbare Möglichkeit zur Sachverhaltsaufklärung hat, im Vorfeld etwaiger weiterer bauaufsichtlicher Schritte, eine Betretungsanordnung sofort vollziehbar ausgestaltet. Die besonderen Umstände des vorliegenden Falles, bei dem lediglich Nebengebäude und der Zufahrtsbereich kontrolliert werden sollen, bieten keinen Grund zur Annahme, dass hier die besonderen Voraussetzungen für den Erlass einer Vollzugsanordnung nicht gegeben sein könnten.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.