Titel:
Erfolglose Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Umbau und Generalsanierung eines denkmalgeschützten Wohnhauses
Normenketten:
BauGB §§ 29 ff.
BayBO Art. 6, Art. 47, Art. 59 S. 1a, Art. 63 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Eine abstandsflächenrechtliche Neubetrachtung ist bei der Änderung eines Gebäudes immer dann veranlasst, wenn sich entweder die für die Ermittlung der Abstandsflächentiefe relevanten Merkmale ändern oder wenn die Änderung für sich betrachtet zwar keine abstandsflächenrelevanten Merkmale betrifft, das bestehende Gebäude aber die nach dem geltenden Recht maßgeblichen Abstandsflächen nicht einhält und die Änderung möglicherweise zu nicht nur unerheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange wie Belichtung, Belüftung und Wohnfrieden führen kann. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Vorrang des Städtebaurechts gilt nicht nur für Festsetzungen in Bebauungsplänen, sondern auch der tatsächlich vorhandenen Bauweise im unbeplanten Innenbereich kommt grundsätzlich der Vorrang vor dem Abstandsflächenrecht zu. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Stellplatzpflicht dient grundsätzlich nur dem Interesse der Allgemeinheit an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsfläche vom ruhenden Verkehr. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Vereinbarkeit eines Bauvorhabens mit einem (auch dinglich gesicherten) Geh- und Fahrtrecht Dritter ist nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung, da die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird und damit über die Vereinbarkeit privater Rechte Dritter - wie Geh- und Fahrtrechte - im Baugenehmigungsverfahren nicht entschieden wird. (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage, Abstandsflächen, Innenstadtlage, Geh- und Fahrtrecht, Stellplatzerfordernis, Baurecht, einfacher Bebauungsplan, nachbarschützende Vorschriften, Abstandsfläche, Abstandsflächenneubetrachtung, Rücksichtnahmegebot, Stellplätze, Geh- und Fahrrechte
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19713
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die.
Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine zugunsten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Umbau und die Generalsanierung eines denkmalgeschützten Wohnhauses (sog. „Flusshaus“).
2
Die Klägerin ist Eigentümerin des straßenseitig mit einem in geschlossener Bauweise errichteten Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstückes FlNr. … der Gemarkung …, welches mit seinem langgezogenen, schmalen Zuschnitt im Süden an die … straße sowie im Norden an den Uferbereich der … angrenzt. Westlich hiervon befindet sich das im Eigentum der Beigeladenen stehende Grundstück FlNr. …, welches auf einer Länge von circa 45 m an das klägerische Grundstück angrenzt und mit einem „seitlichen“ Wohngebäude sowie Richtung … hin mit einem rückseitigen dreigeschossigen Wohngebäude mit Mansarddach und darüber liegendem Zeltdach (sog. „Flusshaus“, nach Angaben der Beigeladenen im Jahre 1884 erbaut) bebaut ist. Die beiden als Baudenkmäler gelisteten Gebäude grenzen im Osten an das klägerische Grundstück an. Zwischen dem Beigeladenengrundstück und der … straße liegt das sich ebenfalls im Eigentum der Beigeladenen befindliche Anwesen FlNr. …, welches mit einem straßenseitigen, an das Grundstück der Klägerin im Osten angrenzenden Vordergebäude nebst Durchfahrtsgebäude im westlichen Grundstücksbereich sowie einem dahinterliegenden, die Grundstücksgrenze zu dem inmitten stehenden Baugrundstück FlNr. … überschreitenden Wohngebäude, welches ebenfalls an das klägerische Grundstück im Osten angrenzt, bebaut ist.
3
Die Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen einfachen Bebauungsplanes Nr. …, *. Änderung, welcher lediglich Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung enthält, sowie im Sanierungsgebiet „Innenstadt“, Teilgebiet IV „…“; gemäß dem Maßnahmenplan/Neuordnungskonzept für die Stadtsanierung ist das inmitten stehende Gebäude zum Erhalt vorgesehen.
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Die im Umgriff des einfachen Bebauungsplans nördlich der … straße zwischen dem Ufer der … sowie dem … bzw. der … Straße befindlichen Grundstücke sind ausweislich der vorliegenden Luftbilder und Flurkarten ganz überwiegend bebaut mit in geschlossener Bauweise errichteten Gebäuden (straßenseitig sowie als Hinterlieger), welche vereinzelt komplett, überwiegend jedoch an zwei oder drei Grundstücksseiten grenzständig sind.
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Die Beigeladene beantragte mit Bauantrag vom 15. Juli 2020 sowie - nach denkmalschutzrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die zunächst beabsichtigten Grundrissänderungen und Balkonsituierung bzw. -ausgestaltung - mit Tekturantrag vom 12. März 2021 die Erteilung einer Baugenehmigung für den Umbau und die Generalsanierung des denkmalgeschützten Wohnhauses „Flusshaus“. Zugleich wurde ein Antrag auf Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen gestellt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich im Altstadtbereich der Stadt … überwiegend um historische, denkmalgeschützte, innerstädtische Zeilenbebauung mit dahinterliegenden Rückgebäuden handele und die Abstandsflächen der Hinterhofhäuser sich schon immer überlappen bzw. teilweise auf die Nachbargrundstücke fallen würden. Die durch den Anbau von Balkonen entstehenden Abstandsflächen würden ausschließlich auf dem eigenen Grundstück zu liegen kommen. Beeinträchtigungen der nachbarlichen Anwesen würden durch das Vorhaben nicht entstehen. Vielmehr stelle dieses eine gewünschte Aufwertung des gesamten Wohnumfeldes dar.
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Ausweislich des zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen sind auf vier Geschossen insgesamt acht Wohneinheiten vorgesehen. Neben den beiden Terrassen im Erdgeschoss sind ausweislich der Tekturplanung zwei Balkone (mit Stützen) im ersten Obergeschoss im Nordwesten Richtung … sowie ein Balkon (mit Stützen) im zweiten Obergeschoss Richtung Südwesten vorgesehen. Das Dachgeschoss bleibt unausgebaut. Zur Verbesserung der Wärmedämmeigenschaft des Gebäudes ist im Bereich der Mansarde eine Aufdachdämmung geplant. Ergänzend soll die obere Dachfläche mittels einer Konterlattung um 5 cm erhöht werden. In dem Abstandsflächenplan vom 12. März 2021 wird insoweit ausgeführt, dass die Aufdachdämmung am oberen Abschluss der Mansarde ende, die Dämmebene zum nicht ausgebauten Dachgeschoss in der Kehlbalkenebene erfolgen solle und die obere Dachfläche lediglich um die Konterlattung (50/50 mm) zur Hinterlüftung erhöht werde. Hieraus errechne sich eine Abstandsfläche um 0,05 m * 0,4 = 0,013 m. Dies sei zeichnerisch nicht darstellbar und in dem dargestellten Maß bereits beinhaltet. Das Bauvorhaben umlaufend ist eine Garten- und Grünflächengestaltung „nach gesonderter“ Planung vorgesehen.
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Ausweislich des Schnitt-Planes betragen die Neigung der Mansarde (bis 13,80 m Höhe) 74° sowie die Neigung des darüber liegenden Zeltdaches (zusätzlich 1,87 m) 25°.
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Gemäß der vorgelegten Stellplatzberechnung entstehe durch das Vorhaben gegenüber der vorherigen Nutzung mit ebenfalls acht Wohneinheiten kein Mehrbedarf an Kfz-Stellplätzen, sondern lediglich ein Mehrbedarf an vier Fahrradstellplätzen.
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Die Klägerin erteilte ihre Unterschrift zu dem Vorhaben nicht.
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Mit Bescheid vom 23. Juli 2021 erteilte die Beklagte der Beigeladenen die mit zahlreichen denkmalschutzrechtlichen Nebenbestimmungen versehene Baugenehmigung für den „Umbau und Generalsanierung des denkmalgeschützten Wohnhauses (Flusshaus); hier Tektur: Grundrissänderungen, Veränderungen der Balkone“ unter Zulassung einer Abweichung von den zusätzlich ausgelösten Abstandsflächen. In der Begründung wurde ausgeführt, dass durch die Änderung des Dachaufbaus (Aufdachdämmung und Erhöhung der oberen Dachfläche mittels einer Konterlattung um 5 cm) lediglich in geringfügigem Ausmaß zusätzliche Abstandsflächen zu den angrenzenden Grundstücken FlNrn. … und … ausgelöst würden. Die Abstandsflächen der Balkone seien eingehalten. Das beantragte Vorhaben diene dem Ausbau und der Modernisierung des bestehenden Gebäudes und trage zur Verbesserung der Wohnqualität bei. Eine Beeinträchtigung der Wohnqualität benachbarter Anwesen sei indes nicht gegeben. Die Belichtung und Besonnung der Nachbargrundstücke werde nicht verschlechtert. Gemäß A466 entstehe durch das genehmigte Vorhaben kein Mehrbedarf für Kraftfahrzeugstellplätze. Gemäß A467 seien die Kfz-Stellplätze sowie die erforderlichen verkehrsgerechten Zu- und Abfahrten nach Maßgabe der Festlegungen in den genehmigten Bauvorlagen auf dem Baugrundstück zu schaffen; bei Nutzungsaufnahme müssten diese vorhanden und anfahrbar sein.
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Am 30. August 2021 ließ die Klägerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung Klage erheben. Am 14. September 2021 wurde des Weiteren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt, welche mit rechtskräftigem Beschluss der Kammer vom 12. Oktober 2021 (AN 3 S 21.01688) abgelehnt wurde.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass das genehmigte Vorhaben aufgrund der Erhöhung des Dachaufbaus zusätzliche Abstandsflächen auf dem Grundstück der Klägerin auslöse und die dortige Wohnqualität beeinträchtige. Die Klägerin sei mit einer Erhöhung des Gebäudes und den damit zusammenhängenden Einschränkungen der Belichtung und Besonnung ihres Anwesens nicht einverstanden. Bereits jetzt liege eine sehr enge Bebauung vor. Nachdem die Vorderhäuser bereits unmittelbar einander angrenzend errichtet worden seien, sei ein Lichteinfall einzig noch aus nord/nordwestlicher Richtung vorhanden. Dieser werde durch die Erhöhung des Dachaufbaus, insbesondere im Hinblick auf den kompletten Innenhof des klägerischen Grundstückes, noch mehr eingeschränkt. Die Einschätzung der Beklagten, dass eine Verschlechterung der Belichtung und Besonnung des Nachbargrundstückes nicht gegeben sei, sei daher falsch. Die nachbarliche Wohnqualität werde durch das Vorhaben beeinträchtigt.
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Des Weiteren werde das grundbuchrechtlich gesicherte Geh- und Fahrtrecht der Klägerin nicht berücksichtigt. Dem „Bebauungsplan“ sei zu entnehmen, dass das Geh- und Fahrtrecht nur noch über das Grundstück FlNr. … und nicht mehr über das hier streitgegenständliche Anwesen FlNr. … geführt werden solle. Damit bestehe seitens der Klägerin kein Einverständnis. Der Zugang zu dem Grundstück FlNr. … in Form des Geh- und Fahrtrechtes sei sowohl über die FlNr. … als auch über die FlNr. … zu gewährleisten. Das inmitten stehende Vorhaben, insbesondere die Außenbebauung und die offensichtlich geplante extensive Nutzung durch Fahrzeuge, würde ein Geh- und Fahrtrecht indes faktisch unmöglich machen.
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Die Baugenehmigung sei für acht Wohneinheiten erteilt worden. Erkennbar seien auf dem Baugrundstück jedoch nur drei Stellplätze geschaffen worden. Dies sei gerade im Innenstadtbereich mit sehr geringer Anzahl an Parkplätzen nicht ausreichend. Des Weiteren sei die Anzahl sowie Anordnung der Stellplätze so gewählt, dass eine Gewährleistung des Geh- und Fahrtrechtes der Klägerin über das Grundstück FlNr. … nicht oder nur eingeschränkt möglich sei. Im Hinblick auf die Anzahl der Wohneinheiten sei zudem damit zu rechnen, dass die Bewohner nicht lediglich mit drei Fahrzeugen, sondern - und sei es nur zum Be- und Entladen - mit wesentlich mehr Fahrzeugen das Grundstück blockieren werden. Ferner sei auch nicht erkennbar, wo und wie die Fahrzeuge wenden sollen, um das Grundstück wieder verlassen zu können.
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Nunmehr habe die Beigeladene zudem die Zufahrt zu dem Grundstück FlNr. … über die FlNrn. … und … blockiert, indem eine Stützwand, welche die gesamte Einfahrt einnehme, errichtet worden sei. Eine Durchfahrt sei daher derzeit für die Klägerin bzw. deren Mieter nicht möglich.
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Die Klägerin beantragt,
die Herrn … erteilte Baugenehmigung zum Umbau und Generalsanierung des denkmalgeschützten Wohnhauses, … - FlNr. … vom 23. Juli 2021, … aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung rechtmäßig erteilt worden sei. Betreffend die Abstandsflächen zu der südöstlichen Traufseite des inmitten stehenden Gebäudes wird vorgetragen, dass die Neigung der Mansarde 75°, mithin > 70° betrage und als senkrechte Wand zu sehen sowie abstandsflächenrechtlich als volle Wandhöhe hinzuzurechnen sei. Die verbleibende Dachhöhe sei aufgrund der Dachneigung von 25° zu einem Drittel heranzuziehen. Der Beschreibung der Beigeladenen im Schreiben vom 28. Juni 2021 sei zu entnehmen, dass sich durch die zusätzliche Konterlattung mit 50/50 mm die zu hinzuzurechnende Wandhöhe im Vergleich zu der Wandhöhe im Bestand um 5 cm erhöhe. Bei dem anzuwendenden Maß der Abstandsfläche von 0,4 erhöhe sich der Wurf der Abstandsfläche zu der bestehenden Abstandsflächentiefe um 20 mm. Dies ergebe im Hinblick auf eine Breite von 3,40 m, auf welcher die Abstandsflächen auf dem klägerischen Grundstück zum Liegen komme, eine Erhöhung von 0,068 m², für welche die streitgegenständliche Abweichung erteilt worden sei. Insoweit wird auf den Abstandsflächenplan mit dem Maßstab 1:100 verwiesen. Die Abwägung des Begehrens auf Erteilung einer Abweichung mit dem Nachbarschutz sei aufgrund dieser sehr geringen Erhöhung der Abstandsflächentiefe und Abstandsflächengröße zugunsten der Beigeladenen ausgefallen. Eine Verschlechterung der Belichtung oder sonstige Beeinträchtigungen löse die erteilte Baugenehmigung entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht aus.
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Auch hinsichtlich der nordöstlichen Giebelseite ergäben sich keine Beeinträchtigungen. Bei der nordöstlichen Giebelwand handele es sich um eine geschlossene Brandwand entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze. In den der Beklagten vorliegenden Bauvorlagen sei die Brandwand nicht als über die Dachhaut hinausgehend dargestellt worden. Eine Begehung des Grundstückes sei nicht möglich gewesen. Jedoch würden die der Beklagten von der Beigeladenen übermittelten Fotos zeigen, dass die Brandwand tatsächlich über die Dachhaut hinaus ausgeführt worden sei. Hierdurch komme die genehmigte Dacherhöhung vollständig hinter der bestehenden Brandwand zu liegen und rufe keine weitergehende Beschattung als die bereits vorhandene Brandwand hervor.
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Zur Bauweise im Einfügungsrahmen sei zu beachten, dass der inmitten stehende Bebauungsplan ein einfacher sei und keine Festsetzung zur Bauweise enthalte. Diese sei gemäß § 34 BauGB nach der näheren Umgebung zu beurteilen. Der Einfügungsrahmen verlaufe von der … straße … bis … zur … hin. In diesem Bereich seien straßenseits die geschlossene Bauweise sowie im rückwärtigen Bereich die abweichende bzw. halboffene Bauweise prägend. Demnach falle von der grenzständigen Ostfassade keine Abstandsfläche auf das Grundstück FlNr. … Die erteilte Abweichung beziehe sich nur auf die von der Südfassade ausgehenden blau schraffierten Abstandsflächen, welche nur durch den Dachaufbau erhöht würden. Ferner sei aufgrund der Gebäudestellung des Denkmales (Flusshaus) sowie der nachträglich erfolgten Grundstücksteilung zwischen den Hausnummern * und * (hierzu wird auf Pläne von 1928, 1938 sowie 1947 verwiesen) eine grundstücksbezogene Atypik gegeben, so dass eine Abweichung - auch unter Berücksichtigung nachbarlicher Belange - zu erteilen gewesen sei. Des Weiteren sei dem beglaubigten Katasterplan von 1919 zu entnehmen, dass an das Flusshaus bereits auch von FlNr. … aus angebaut worden sei.
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Hinsichtlich der geltend gemachten Einschränkung des klägerischen Geh- und Fahrtrechtes sei zu beachten, dass durch das streitgegenständliche Vorhaben kein Mehrbedarf für Kraftfahrzeugstellplätze entstehe. Hierzu wird auf A466 der Baugenehmigung sowie die Stellplatzberechnung verwiesen. Eine extensive Nutzung des Grundstückes durch Fahrzeuge, die das Geh- und Fahrtrecht faktisch unmöglich machen, ergebe sich deshalb nicht. Durch die Außenbebauung (Balkone) werde die Durchfahrtsmöglichkeit nicht beeinträchtigt. Die Balkone sowie deren Stützen würden nicht vor den bestehenden Hauseingangsbereich treten. Es verbleibe gemäß zur Vorlage gebrachter Skizze eine Durchfahrtsbreite von mindestens etwa 2,60 m.
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Bezüglich des im Grundbuch eingetragenen Geh- und Fahrtrechtes zugunsten des Anwesens … sei darauf hinzuweisen, dass keine Eintragung gemäß Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 BayBO zugunsten der Beklagten vorliege. Demnach handele es sich nicht um baurechtlich notwendige Stellplätze. Derartige Hinweise seien auch der Archivakte nicht zu entnehmen. Drei Garagenstellplätze seien bereits im Jahre 1929 genehmigt worden, als der Grundstückszuschnitt der Anwesen … und * noch anders verlaufen sei. Die tatsächlich eingetragene Zufahrt zur FlNr. … sei ausweislich des Grundbuchauszuges hierzu ausschließlich der zivilrechtlich vereinbarten Bewilligung vom 4. Januar 1972 zu entnehmen, welche der Beklagten nicht vorliege.
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Was die Klägerseite mit „Bebauungsplan“ meine, sei nicht konkretisiert. Es sei davon auszugehen, dass die Eingabeplanung gemeint sei. Im Erdgeschossgrundriss sei vor der südlichen Fassade, auch unter der hofseitigen Balkonanlage, eine grüne Fläche mit Bepflanzung dargestellt und als Garten- und Grünflächengestaltung nach gesonderter Planung bezeichnet. Als weiße Flächen seien die befestigten Kfz-Flächen dargestellt. Demnach sei die bisherige Durchfahrt anfahrbar. Sofern sich die Klägerseite auf den Übersichtsplan vom 11. Juli 2020 beziehe, sei dieser nicht Gegenstand der genehmigten Bauvorlagen. Das streitgegenständliche Bauvorhaben beziehe sich in Formularen und Lageplan nur auf das rückwärtige Grundstück FlNr. …, welches nur über das straßenseitige Flurstück FlNr. … erschlossen sei. Bezugnehmend auf das Baugrundstück FlNr. … werde umgehend ein entsprechender Ergänzungsbescheid bezüglich der Vorlage des Erschließungsnachweises erteilt. Derzeit handele es sich bei den Flurstücken FlNrn. … und … jedoch gemäß zur Vorlage gebrachtem Grundbuchauszug um ein Grundstück.
24
Im Übrigen erscheine die Sicherung der Außenwand des Mittelgebäudes entsprechend der Bilder im Anhang der klägerischen Stellungnahme geboten, um einen Einsturz der Außenwände vorzubeugen.
25
Die Beigeladene beantragt
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ohne Einhaltung von Abstandsflächen verwirklicht werden dürfe. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften vor. In dem dicht bebauten innerstädtischen Bereich sei eine atypische Situation gegeben. Diese ergebe sich auch aus dem Neuordnungskonzept für die Stadtsanierung im Sanierungsgebiet „…“. Die Beigeladene folge ihrer Verpflichtung zur Instandsetzung, Aufwertung und Erneuerung der überalterten Bausubstanz.
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Des Weiteren könne dem klägerischen Vorbringen eine Relevanz im Sinne einer substantiellen Verschlechterung der Wohnsituation nicht entnommen werden. Eine ausnahmsweise unzumutbare Beeinträchtigung könne im Übrigen auch nicht darin gesehen werden, dass angeblich ein Geh- und Fahrtrecht der Klägerin vereitelt werden würde. Dies sei im Rahmen der Baugenehmigung nach Art. 68 BayBO indes ohnehin nicht relevant.
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Durch die Baugenehmigung werde zudem kein Mehrbedarf an Kraftfahrzeugstellplätzen geschaffen. Von daher ergebe sich auch keine extensive Nutzung des Vorhabengrundstückes für Fahrzeuge.
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Die Beigeladene habe ferner auch keine „Stützwand“ errichtet. Wie sich aus dem klägerseits vorgelegten Lichtbild ergebe, sei lediglich eine Notabsicherung der Außenwand des Mittelgebäudes erfolgt, um einen Absturz der Außenwände zu verhindern.
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Die Klägerin erwidert, dass den Ausführungen insoweit zuzustimmen sei, dass aufgrund der fehlenden Festsetzung zur Bauweise diese nach der näheren Umgebung zu beurteilen sei und in dem entsprechenden Einfügungsrahmen straßenseits die geschlossene Bauweise sowie im rückwärtigen Bereich eine abweichende bzw. halboffene Bauweise vorhandene seien. Bei den hier streitgegenständlichen Veränderungen handele es sich jedoch nicht um die straßenseits geschlossene Bauweise, sondern um die rückwärtige. Diese sei im umliegenden Bereich nicht nur offen, sondern sehr unterschiedlich geprägt. Eine einheitliche Bebauung im rückwärtigen Bereich sei nicht eindeutig erkennbar, so dass nicht festgehalten werden könne, dass Abstandsflächen nicht einzuhalten seien. Entgegen der Angaben der Beigeladenen gebe es im rückwärtigen Bereich gerade keine geschlossene Bauweise, bei der die seitlichen Grundstücksgrenzen bebaut seien. Bei einer Abweichung von den Abstandsflächen seien daher entsprechende Voraussetzungen zu berücksichtigen. Insbesondere sei aus der Begründung nicht erkennbar, aus welchem Zweck die Abstandsflächenvorschriften nicht eingehalten worden seien. Eine baurechtliche Genehmigung hätte auch unter Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften unter gleichzeitiger Wahrung des Denkmalschutzes sowie des bisherigen städtebaulichen Gesamtbildes erfolgen können. Eine Notwendigkeit, von den Vorschriften abzuweichen, sei nicht ersichtlich.
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Weiterhin sei nicht zu erkennen, inwieweit das Ermessen vorliegend fehlerfrei ausgeübt worden sei.
32
Nicht in eine Abwägung einbezogen werden könne, dass es sich um eine äußerst minimale Abstandsflächenüberschreitung handele. Auch minimale Überschreitungen würden in die Rechte des Nachbarn eingreifen. Daher könne auch nicht erheblich sein, wie groß die Überschreitung ist.
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Mit Beschluss vom 30. Mai 2022 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2022.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet; die der Beigeladenen von der Beklagten erteilte Baugenehmigung verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Klägerin kann die streitgegenständliche Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, welche auch dem nachbarlichen Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und Gegenstand des vorliegenden vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO sind.
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Derartige Vorschriften sind vorliegend nicht verletzt. Eine Verletzung der nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO prüfpflichtigen, nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften liegt hier nicht vor. Das streitgegenständliche Vorhaben verstößt auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO i.V.m. §§ 29 bis 38 BauGB).
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a) Eine Rechtswidrigkeit und in Folge davon eine Rechtsverletzung der Klägerin als Nachbarin ergibt sich nicht aus dem Abstandsflächenrecht gemäß Art. 6 BayBO.
39
aa) Das streitgegenständliche Bauvorhaben erfordert eine Neubewertung der Abstandsflächen.
40
Die Frage der Beurteilung von Abstandsflächen ergibt sich nicht nur bei Neubauten, sondern kann auch bei Nutzungsänderungen oder baulichen Veränderungen neu aufgeworfen werden. Eine abstandsflächenrechtliche Neubetrachtung ist bei der Änderung eines Gebäudes immer dann veranlasst, wenn sich entweder die für die Ermittlung der Abstandsflächentiefe relevanten Merkmale ändern oder wenn die Änderung für sich betrachtet zwar keine abstandsflächenrele-vanten Merkmale betrifft, das bestehende Gebäude aber die nach dem geltenden Recht maß-geblichen Abstandsflächen nicht einhält und die Änderung möglicherweise zu nicht nur uner-heblichen nachteiligen Auswirkungen auf die durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange wie Belichtung, Belüftung und Wohnfrieden führen kann (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2015 - 15 ZB 13.2384 - juris; BayVGH, U.v. 26.11.1979 - 51 XIV 78 - juris; VG Ansbach, U.v. 27.8.2014 - AN 9 K 13.00456 - juris).
41
Mit der vorliegenden Generalsanierung gehen auch bauliche Veränderungen insbesondere des Daches einher, welche abstandsflächenrelevante Merkmale betreffen.
42
bb) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ist die Einhaltung von Abstandsflächen jedoch nicht erforderlich vor Außenwänden, die an den Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.
43
Der Vorrang des Städtebaurechts gilt nicht nur für Festsetzungen in Bebauungsplänen, sondern auch der tatsächlich vorhandenen Bauweise im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) kommt grundsätzlich der Vorrang vor dem Abstandsflächenrecht zu (vgl. BVerwG, B.v. 11.3.1994 - 4 B 53/94 - juris; BayVGH, U.v. 25.11.2013 - 9 B 09.952 - juris; U.v. 23.3.2010 - 1 BV 07.2363 - juris; VG Ansbach, U.v. 12.9.2012 - AN 9 K 11.01743 - juris). Eine geschlossene Bauweise, bei der die seitlichen Grundstücksgrenzen bebaut werden, kann sich also in den Fällen, in denen nach § 34 BauGB der planungsrechtliche Beurteilungsmaßstab für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens die vorhandene Bebauung ist, auch aus dieser ergeben, mit der Folge, dass sie dann die verbindliche Bauweise ist (vgl. auch VG Würzburg, B.v. 30.5.2014 - W 4 S 14.472 - juris; VG Ansbach, B.v. 4.8.2014 - AN 9 S 14.00575 - juris). Denn aus § 34 Abs. 1 BauGB folgt, dass sich ein Vorhaben auch im Hinblick auf die Bauweise in die Eigenart der näheren Umgebung einzufügen hat. Dies gilt auch dann, wenn die vorhandene Mischung von Gebäuden mit und ohne seitlichem Grenzabstand „regellos“ erscheint (vgl. u.a. BayVGH, U.v. 25.11.2013 - 9 B 09.952 - juris Rn. 47).
44
Nähere Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB ist der Bereich, auf den sich das Bauvorhaben städtebaulich prägend auswirken wird und von dem aus die vorhandene Bebauung das Baugrundstück prägt. Wie weit diese gegenseitige Prägung reicht, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 - 4 C 9.77 - juris). Für das hier streitgegenständliche Bauvorhaben wird die nähere Umgebung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Grundstückssituation, wie sie sich der Kammer aus den Plänen darstellt, gebildet durch die Bebauung nördlich der … straße zwischen dem Ufer der … im Nordwesten sowie dem … bzw. der … Straße im Nordosten. In der so umgrenzten, den Einfügensrahmen bildenden näheren Umgebung befindet sich auf zahlreichen Grundstücken Bebauung (straßenseitig oder als Hinterlieger) ohne oder nur mit geringem seitlichen und vorderen Grenzabstand (geschlossene Bauweise), welche vereinzelt komplett, überwiegend jedoch an zwei oder drei Grundstücksseiten grenzständig ist.
45
Nach alledem darf das streitgegenständliche Bauvorhaben gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ohne Einhaltung von Abstandsflächen verwirklicht werden.
46
cc) Darüber hinaus wäre die Klägerin auch bei Verneinung der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nicht durch eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften in ihren nachbarlichen Rechten verletzt. Denn in diesem Fall würden die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO vorliegen.
47
Nach dieser Vorschrift können die Bauaufsichtsbehörden Abweichungen von den Anforderungen der Bayerischen Bauordnung zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO, vereinbar sind.
48
Zwar liegt vorliegend kein Fall des Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayBO, wonach von den Anforderungen des Art. 6 Abweichungen insbesondere zugelassen werden sollen, wenn ein rechtmäßig errichtetes Gebäude durch ein Wohngebäude höchstens gleicher Abmessung und Gestalt ersetzt wird, vor. Gleichwohl liegen die Voraussetzungen des Art. 63 BayBO vor.
49
Die nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bei der Zulassung einer Abweichung von der vorgeschriebenen Tiefe der Abstandsflächen zu fordernde atypische Situation (vgl. etwa BayVGH, B.v. 15.11.2005 - 2 CS 05.2817 - juris) liegt in dem hier zu entscheidenden Fall in der Lage des Baugrundstücks im dicht bebauten innerstädtischen Bereich, in dem historische Bausubstanz vorhanden ist. Jedwede bauliche Veränderung der bestehenden Anwesen ist in solchen Lagen geeignet, eine Abstandsflächenüberschreitung auszulösen. Soll auch in diesem Bereich Instandsetzung, Aufwertung oder Erneuerung der zum Teil überalterten Bausubstanz ermöglicht werden, so kommt man nicht umhin, Ausnahmen vom generalisierenden Abstandsflächenrecht zuzulassen. Dies gilt auch insbesondere deshalb, weil im dicht bebauten innerstädtischen Bereich kaum ein Anwesen die Abstandsflächen wahrt (vgl. BayVGH, U.v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris). Dass es im Zuständigkeitsbereich der Beklagten weitere Grundstücke wie das der Beigeladenen gibt, schließt das Vorliegen einer Atypik nicht aus. Entscheidend ist, ob sich ein Vorhaben vom normativen Regelfall unterscheidet. Dies ist hier der Fall.
50
Eine Abweichung kann des Weiteren nur zugelassen werden, wenn sie „unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange“ mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Damit verlangt das Gesetz eine Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn. Werden die nachbarlichen Belange nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt, wird der Nachbar auch dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Vorschrift, von der die Abweichung zugelassen wird, nicht dem Nachbarschutz dient. Bei der Zulassung einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften, wie den Abstandsflächenvorschriften, kann der Nachbar hingegen nicht nur eine ausreichende Berücksichtigung seiner Interessen beanspruchen. Er ist auch dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Abweichung aus einem anderen Grund, etwa weil sie nicht mit im konkreten Fall zu erwägenden öffentlichen Belangen zu vereinbaren ist, (objektiv) rechtswidrig ist (vgl. etwa BayVGH, B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - juris).
51
Nach diesen Maßstäben ist die Klägerin durch die Abweichung nicht in ihren Rechten verletzt.
52
Vorliegend überwiegen die Interessen der Beigeladenen hinsichtlich einer Abweichungsentscheidung. Das hinter dem Vorhaben stehende Interesse der Beigeladenen, durch eine Generalsanierung ihres Anwesens zeitgemäßen sowie energieeffizienten Wohnraum zu schaffen, ist rechtlich beachtlich. Äußerst zweifelhaft ist hingegen, ob sich durch das streitgegenständliche Bauvorhaben die Situation für die Klägerin überhaupt verschlechtert. Denn gegenüber dem bisherigen Zustand ergibt sich - entgegen dem insoweit unsubstantiierten Vorbringen der Klägerin - hinsichtlich der Belichtung und der Besonnung aufgrund der weitestgehend unveränderten Kubatur ganz offensichtlich keine Änderung und damit keine Verschlechterung. Zu dem Grundstück der Klägerin hin werden insbesondere auch keine neuen Einblickmöglichkeiten geschaffen. Mithin ergeben sich auch insofern keine Verschlechterungen für die Klägerin. Im Übrigen handelt es sich bei dem rückwärtigen Bereich des klägerischen Grundstückes im Hinblick auf die in der näheren Umgebung bereits vorhandene Bebauung auch nicht etwa um einen besonders schützenswerten rückwärtigen Hof- oder Gartenbereich.
53
b) Aus den soeben genannten Gründen verletzt das streitgegenständliche Bauvorhaben auch nicht das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, auf welches sich die Klägerin grundsätzlich berufen könnte.
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Eine ausnahmsweise unzumutbare Beeinträchtigung, obwohl das Bauvorhaben den Abstandsflächenvorschriften entspricht (vgl. hierzu etwa BayVGH, B.v. 9.2.2015 - 1 CS 14.2763 - juris; B.v. 3.6.2016 - 1 CS 16.747 - juris; B.v. 16.8.2012 - 1 CS 12.1498 - juris; BVerwG, B.v. 22.11.1984 - 4 B 244.84 - juris; B.v. 11.1.1999 - 4 B 128.98 - juris), ist nicht zu erkennen. Das Vorhaben der Beigeladenen erweist sich ganz offensichtlich weder hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung und der Situierung des Gebäudes noch hinsichtlich einer damit verbundenen Einmauerungs- oder Verschattungswirkung auf das Anwesen der Klägerin als rücksichtslos. Eine Einsichtnahme in die Räumlichkeiten oder einen besonders schützenswerten Gartenbereich der Klägerin ist ebenfalls nicht möglich.
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c) Nicht weiterhelfen kann der Klägerin ihre Rüge im Hinblick auf das Stellplatzerfordernis nach Art. 47 BayBO. Diesbezüglich führt der Bayerischer Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 23. Dezember 2013, 15 CS 13.1445, juris Folgendes aus:
„Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass eine unzureichende Zahl von Stellplätzen auf dem Baugrundstück keinen Abwehranspruch des Antragstellers begründen würde. Die Stellplatzpflicht dient grundsätzlich nur dem Interesse der Allgemeinheit an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsfläche vom ruhenden Verkehr. Ernstliche Anhaltspunkte dafür, dass die Nutzung des Schulungs-/Veranstaltungsraums für die im Gebäude der Beigeladenen ausgeübte und genehmigte freiberufliche Nutzung einen Zu- und Abgangsverkehr mit sich bringen würde, den die vorhandene Straße nicht mehr aufnehmen könnte oder der in der Nachbarschaft nicht mehr zumutbar wäre, bestehen nicht. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass aufgrund der Baugenehmigung vom 26. Februar 1998 schon bisher im Untergeschoss ein „Unterrichtsraum/Aufenthaltsraum“ zugelassen war.“
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Anhaltspunkte für eine derartig unzumutbare Beeinträchtigung durch das inmitten stehende Vorhaben sind vorliegend weder in substantiierter Weise geltend gemacht worden noch sonst auch nur ansatzweise ersichtlich. Zu berücksichtigen ist insoweit insbesondere auch, dass das streitgegenständliche Gebäude auch zuvor bereits acht Wohneinheiten aufgewiesen hat und dass trotz beengter Innenstadtlage zahlreiche Parkmöglichkeiten in der Umgebung vorhanden sind. Stellplätze „direkt vor der Haustüre“ sind insoweit nicht erforderlich. Es ist auch nicht erkennbar, dass es aufgrund des Bauvorhabens und dem damit einhergehenden Zu- und Abfahrtsverkehr sowie der Stellplatzsuche in dem hier relevanten Bereich der … straße zu einem Verkehrschaos kommt.
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d) Auch mit der geltend gemachten Verletzung ihres Geh- und Fahrtrechtes dringt die Klägerin nicht durch. Unabhängig davon, dass eine derartige Verletzung durch das inmitten stehende Vorhaben nicht erkennbar ist und sich im Übrigen die erwähnte Stützwand an dem sog. Mittelbau befindet, welcher hier nicht streitgegenständlich ist, ist die Vereinbarkeit des streitgegenständlichen Bauvorhabens mit dem Geh- und Fahrtrecht der Klägerin nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt hierzu etwa in seinem Beschluss vom 7. September 2020, 15 CS 20.1832, juris Rn. 14 Folgendes aus: „Soweit sich die Kläger auf eine Beeinträchtigung ihres Geh- und Fahrtrechts berufen, scheidet eine Verletzung von subjektiven Rechten gerade aufgrund der Baugenehmigung aus. Die Vereinbarkeit des streitgegenständlichen Bauvorhabens mit einem (auch dinglich gesicherten) Geh- und Fahrtrecht Dritter ist nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung. Dies ergibt sich auch aus Art. 68 Abs. 4 BayBO, wonach die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird. Das bedeutet, dass über die Vereinbarkeit privater Rechte Dritter - wie vorliegend eines Geh- und Fahrtrechts auf dem Baugrundstück - mit dem Bauvorhaben im Baugenehmigungsverfahren nicht entschieden wird. Die Baugenehmigung sagt über solche Rechte nichts aus und wirkt sich demnach auf sie nicht belastend bzw. unzumutbar aus. Daher begründet ein solches privates Recht grundsätzlich auch kein Abwehrrecht des Nachbarn gegen die Baugenehmigung, sondern muss zivilrechtlich vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden (BayVGH, B.v. 25.11.2013 - 2 CS 13.2267 - juris Rn. 3 ff.; B.v. 29.8.2014 - 15 CS 14.615 - juris Rn. 18; B.v. 1.6.2016 - 15 CS 16.789 - juris Rn. 15 ff., 18 f.; B.v. 6.2.2017 - 1 ZB 16.398 - juris Rn. 19; VG München, B.v. 1.8.2016 - M 11 SN 16.2976 - juris Rn. 22 ff.; U.v. 17.10.2018 - M 9 K 17.2673 - juris Rn. 23 ff.).“
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Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO. Es entspricht der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, nachdem diese einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO (vgl. BayVGH, U.v. 4.8.2017 - 15 N 15.1713 - juris Rn. 50).