Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 28.07.2022 – AN 9 K 19.02429
Titel:

Feststellungsklage gegen baurechtlichen Rückstellungsbescheid

Normenketten:
BauGB § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
Leitsätze:
1. Ein Feststellungsinteresse besteht, wenn der Kläger aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts einen Amtshaftungsprozess oder einen sonstigen bürgerlich rechtlichen Rechtsstreit führen kann, es sei denn, dieser ist offensichtlich aussichtslos. Hierbei muss er hinreichend konkrete Angaben zum behaupteten Schaden und zur Schadenshöhe machen. (Rn. 43 und 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu den formellen und materiellen Voraussetzungen eines Bescheides, mit dem ein Bauantrag zurückgestellt wird. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Voraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage, Anforderungen an die Darlegung des Feststellungsinteresses, Voraussetzungen der Rückstellung von Baugesuchen, Sicherungsfähige Planung und hinreichende Planungskonzeption, sicherungsfähige Planung und hinreichende Planungskonzeption
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19702

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt zuletzt die Feststellung, dass der Bescheid der Beklagten vom 22. November 2019 über die Zurückstellung des klägerischen Bauantrags rechtswidrig war.
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Mit Schreiben vom 9. Mai 2019, eingegangen bei der Beklagten am 21. Juni 2019, beantragte die Klägerin eine Genehmigung zur Nutzungsänderung einer Möbelausstellungsfläche zu einem Wettbüro mit Lagerfläche sowie die hiermit einhergehende brandschutztechnische Ertüchtigung auf den Grundstücken FlNr. …, …, …, jeweils Gemarkung … (* …*). In der Betriebsbeschreibung zum Bauantrag heißt es: „Vorliegender Betrieb wird als Wettbüro mit Verweildauer mit ca. 216 m² Gastraumfläche geführt. Den Gästen werden Sitzmöglichkeiten eingeräumt. An der Theke findet der eigentliche Wettvorgang statt: Einlesen der Lesekarte mittels Scanner durch Personal am Schalter, Zahlung des Wetteinsatzes, Aushändigung der Wettquittung, alternativ: Bedienung eines SB-Wett-Terminals. Die Kunden können sich auch Wettgewinne auszahlen lassen. Im Wettbüro sind Bildschirme zur Übertragung von Sportereignissen angebracht (…)“. Auf den Grundrissen zum Bauantrag vom 9. Mai 2019 sind die rückwärtigen, nicht unmittelbar an der … gelegenen Gebäude auf den Flurstücken … und …, jeweils Gemarkung …, abgebildet. Ausweislich der Grundrisse wurde der Eingang zum Wettbüro im Erdgeschoss geplant. Der Raum für das Wettbüro selbst ist hingegen im Grundriss Untergeschoss eingetragen. Auch ausweislich der Nutzflächenaufstellung zum Bauantrag vom 9. Mai 2019 ist lediglich für das Untergeschoss eine Nutzung als Wettbüro vorgesehen. Im Erdgeschoss sind ausweislich der Nutzflächenaufstellung stattdessen ein Ausstellungs- und Verkaufsraum und im ersten sowie zweiten Obergeschoss ein Möbellager geplant.
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Die erste planungsrechtliche Stellungnahme des Stadtplanungsamts der Beklagten erging am 31. Juli 2019. Im Ergebnis teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Genehmigung für das streitgegenständliche Vorhaben voraussichtlich nicht erteilt werden könne, da dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenständen. Das Vorhaben liege gemäß § 33 BauGB im räumlichen Geltungsbereich des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. … „…“, welcher unter Berücksichtigung des Vergnügungsstättenkonzepts zum Ziel habe, Vergnügungsstätten, insbesondere Wettbüros und Spielhallen, im Umkreis von schützenswerten Einrichtungen zu verhindern. Es sei beabsichtigt zeitnah eine Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1 BauGB zu beschließen. Es sei zudem beabsichtigt die Entscheidung über das klägerische Baugesuch nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB mittels Bescheid für 12 Monate auszusetzen. Bevor ein solcher Bescheid erlassen werde, würde der Klägerin Gelegenheit gegeben, innerhalb von vier Wochen zum Sachverhalt Stellung zu nehmen (grüne Behördenakte Seiten 21 bis 23). Mit Schreiben an die Beklagte vom 20. September 2019 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 BauGB nicht vorlägen und das beantragte Vorhaben weder das Vergnügungsstättenkonzept der Beklagten, noch den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan gefährde (grüne Behördenakte Seite 25-28). Mit Datum vom 25. Oktober 2019 erging eine weitere planungsrechtliche Stellungnahme, in welcher das Stadtplanungsamt der Beklagten sich insbesondere mit der Argumentation im klägerischen Schreiben vom 20. September 2019 auseinandersetzte.
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Am 22. November 2019, dem Klägerbevollmächtigten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 27. November 2019 zugegangen, erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid (grüne Behördenakte Seiten 38 bis 40).
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In diesem heißt es wie folgt:
„1. Die Entscheidung über die Zulässigkeit des oben genannten Vorhabens wird gemäß § 15 Baugesetzbuch (BauGB) für einen Zeitraum von 12 Monaten ab Zustellung dieses Bescheides ausgesetzt.
2. Für die Nr. 1 dieses Bescheides wird die sofortige Vollziehung angeordnet.“
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Zur Begründung des Bescheids wird angeführt, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen zur Zurückstellung eines Baugesuches nach § 15 Abs. 1 BauGB vorlägen. Würde eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht beschlossen, obwohl die Voraussetzungen hierfür gegeben seien, so hätte die Baugenehmigungsbehörde die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens im Einzelfall für einen Zeitraum von bis zu 12 Monaten auszusetzen, wenn zu befürchten sei, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werde. Der Stadtrat der Beklagten hätte am … (Bekanntmachung im Amtsblatt Nr. … vom …*) die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. … „…“ beschlossen. Ziel dieses Bebauungsplanes sei es, unter Berücksichtigung des Vergnügungsstättenkonzepts vom 26. Oktober 2016, eine Beeinträchtigung der städtebaulichen Funktion des Gebiets durch Vergnügungsstätten zu verhindern. Das von der Klägerin beantragte Vorhaben widerspreche den Zielen und Zwecken dieses in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans, da das Vorhaben gerade die geplante Nutzung eines Wettbüros beinhalte. Die Verwirklichung des von der Klägerin beantragten Vorhabens würde dazu führen, dass die Durchführung der Planung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werde. Das öffentliche Interesse, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das städtebauliche Ziel des Bebauungsplanes zu schaffen, überwiege das Interesse der Klägerin, ihr Vorhaben durchzuführen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO sei erforderlich, da ansonsten bei der Einlegung von Rechtsmitteln aufgrund der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO die mit dem Bescheid bezweckte Zurückstellung der Entscheidung über das Vorhaben nicht greife und über den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung eventuell positiv zu entscheiden sei. Aufgrund der Ausführungen im Bescheid ergäbe sich, dass vorliegend ein besonderes öffentliches Interesse an der vollziehbaren Zurückstellung des beantragten Vorhabens gegeben sei, da ansonsten die Planung unmöglich gemacht werde.
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Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2019, am selben Tag beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen, erhob die Klägerin Klage mit dem Ziel, den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2019 aufzuheben (Gerichtsakte Seiten 1 und 2).
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Zur Begründung wurde seinerzeit ausgeführt, dass der Bescheid der Beklagten über die Zurückstellung des klägerischen Baugesuchs rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten verletze. Der Tatbestand des § 15 Abs. 1 BauGB sei nicht erfüllt, weil nicht zu befürchten sei, dass das klägerische Vorhaben die Durchführung der Planung der Beklagten unmöglich mache oder wesentlich erschwere. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein konkretes Vorhaben die Durchführung einer städtebaulichen Planung im erforderlichen Maß gefährde, komme der Behörde kein Beurteilungsspielraum zu. Der künftige Planinhalt müsse für das gesamte Plangebiet bereits in einem Mindestmaß bestimmt und absehbar sein. Der künftige Planinhalt könne sich vorliegend nur aus dem Aufstellungsbeschluss und seiner Begründung in Verbindung mit dem Vergnügungsstättenkonzept ergeben. Hierin läge aber bereits keine hinreichend konkrete, eindeutige Planungsabsicht und kein hinreichender Planungsinhalt. In der Begründung vom … zum Aufstellungsbeschluss des gegenständlichen Bebauungsplans wäre von der Beklagten festgehalten worden, dass das Plangebiet des gegenständlichen Bebauungsplans auch den Bereich des bestehenden Bebauungsplans Nr. … umfasse. Für das streitgegenständliche Grundstück wäre seinerzeit ein zentraler Zulässigkeitsbereich für Vergnügungsstätten ausgewiesen worden. In der Begründung zum Aufstellungsbeschluss werde zudem von der Beklagten festgehalten, dass „eine Umsetzung des Zulässigkeitsbereichs durch ggf. Anpassung der betroffenen Bebauungspläne weiterverfolgt werde“ und im weiteren Verfahren noch „zu überprüfen“ sei, ob die Abgrenzungen des Gutachtens noch gültig seien. Sodann würde aber ebenfalls in der Begründung zum Aufstellungsbeschluss von der Beklagten dargelegt, dass „im gesamten Planbereich (…) ein Ausschluss von Spielhallen und Wettbüros angestrebt wird“. Die Planungsabsicht der Beklagten sei widersprüchlich, da sich das Ziel der grundsätzlichen Übernahme der im Gutachten gekennzeichneten Zulässigkeitsbereiche mit dem später formulierten Ziel des Ausschlusses von Spielhallen im gesamten Planbereich nicht vertrage. Diese Widersprüchlichkeit der Begründung des Aufstellungsbeschlusses verhülle das mit dem Bebauungsplan verfolgte Planungsziel. Auch würde sich die Beklagte hierdurch ihre Planvorstellung unzulässiger Weise noch offenhalten. Zudem beständen Inkonsistenzen hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs zwischen der jetzigen Bauleitplanung und dem bestehenden Vergnügungsstättenkonzept. Der Einwand der Beklagten, die vertikale Steuerung des Vergnügungsstättenkonzepts schließe genau wie der Aufstellungsbeschluss Vergnügungsstätten überall im Erdgeschoss aus, könne nicht überzeugen, da sich das klägerische Vorhaben nicht im Erdgeschoss, sondern im Untergeschoss befände.
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Selbst aber unter der Annahme eines hinreichend konkreten Planungsziels der Beklagten sei festzuhalten, dass das klägerische Vorhaben sich im Rahmen dieses Planungsziels bewege. Das im Rahmen des § 15 Abs. 1 BauGB erforderliche Planungsziel könne sich vorliegend nur aus dem Aufstellungsbeschluss des gegenständlichen Bebauungsplans ergeben. Erstens könne das Vergnügungsstättenkonzept dem Aufstellungsbeschluss allenfalls insoweit zugrunde gelegt werden, als es sich auf den relevanten Zulässigkeitsbereich für Vergnügungsstätten beziehe, die das Gutachten aus dem Jahr 2013 festgelegt hatte. Das Gutachten aus dem Jahr 2015 könne namentlich nicht herangezogen werden. Das Gutachten aus dem Jahr 2015 gehe von falschen Tatsachen, insbesondere der Existenz eines tatsächlich nicht bestehenden Schulgebäudes, aus. Zudem ständen die Schlussfolgerungen im Gutachten aus dem Jahr 2015 im Widerspruch zu den einzelnen Darstellungen des Gutachtens. So würden die Darstellungen im Gutachten davon ausgehen, dass die Grenzen für die Zulässigkeitsbereiche der Spielhallennutzung an der nördlichen Seite der … verändert werden könnten. Die Schlussfolgerungen im Gutachten würden hingegen aber gerade keine Änderung des Zulässigkeitsbereichs empfehlen.
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Zweitens wäre eine Abweichung des jetzigen Aufstellungsbeschlusses vom Gutachten aus dem Jahr 2013 unzulässig. Vonseiten der Beklagten könne nicht argumentiert werden, dass der Aufstellungsbeschluss zum gegenständlichen Bebauungsplan selbst einen modifizierten Zulässigkeitsbereich festsetze, der vom Gutachten aus dem Jahr 2013 abweiche. Hierzu fehle es an einer Begründung des städtebaulichen Konzepts. Namentlich würde auf Seite 11 der Begründung zum Aufstellungsbeschluss allein auf die im Gutachten vorgesehenen Zulässigkeitsbereiche Bezug genommen und keine Änderungen bzw. Abweichungen von diesem Gutachten städtebaulich begründet.
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Abschließend sei die Rückstellung des Baugesuchs der Klägerin auch ermessensfehlerhaft. Zwar sei die Entscheidung über die Rückstellung für die Beklagte an sich eine gebundene Entscheidung. Vorliegend würden aber die beantragende Gemeinde und die Bauaufsichtsbehörde in einer juristischen Person zusammenfallen und damit kein Antrag der Gemeinde erforderlich sein, sodass es sich bei der Rückstellung um eine Ermessensentscheidung handele. Vorliegend läge ein Ermessensfehler in Form eines Ermessennichtgebrauchs vor, weil die Beklagte fälschlich davon ausgegangen sei, dass es sich um eine gebundene Entscheidung handele. So hätte die Beklagte wie folgt im Bescheid formuliert: „Wird eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB nicht beschlossen, obwohl die Voraussetzungen gegeben sind, hat die Baugenehmigungsbehörde die Entscheidung über die Zulässigkeit (…) auszusetzen.“. Zudem fänden sich im streitgegenständlichen Bescheid auch keine Ermessenserwägungen.
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Mit Schriftsatz vom 14. April 2020 beantragte die Beklagte die Klage abzuweisen. Der streitgegenständliche Bescheid sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 BauGB für die Aussetzung der Entscheidung über den Bauantrag seien erfüllt. Eine Zurückstellung nach § 15 Abs. 1 BauGB sei zulässig, wenn bereits ein Mindestmaß dessen erkennbar sei, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein solle. Die Anforderungen an die Konkretisierung des Planungsziels dürften im Interesse eines effektiven Schutzes der gemeindlichen Planungshoheit nicht überspannt werden. Grundsätzlich könne bereits eine Aussage zur Art der baulichen Nutzung, zum Beispiel zu einem bestimmten Baugebietstyp oder einer Festsetzung nach § 9 BauGB, genügen. Einzelheiten der Planung stünden nicht selten unter dem Vorbehalt von Änderungen im Rahmen des weiteren Aufstellungsverfahrens. Deshalb könne nicht verlangt werden, dass Art und Maß der vorgesehenen baulichen Nutzung bereits detailliert und abgewogen im Aufstellungsbeschluss dargelegt werden könnten. Aus gutem Grund stelle der gesetzgeberische Wortlaut aber auf den Aufstellungsbeschluss ab. In der Begründung des gegenständlichen Aufstellungsbeschlusses würden der Anlass der Planaufstellung, die Planungsziele, die Grundlagen der Planung und das Planungskonzept im Einzelnen dargestellt werden. Der Aufstellungsbeschluss beschreibe bereits einen ganz bestimmten Baugebietstyp mit klarem Planungsziel. Dieses Ziel werde auch in der Beschlussbegründung klar und eindeutig formuliert. Die … stelle zudem die Begrenzung des Sanierungsgebietes „…“ dar, weshalb die Zurückstellung für das vorliegende Grundstück auch nicht nach § 15 Abs. 2 BauGB ausgeschlossen sei.
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Soweit die Klägerin einen Widerspruch hinsichtlich dem räumlichen Anwendungsbereichs im Vergnügungsstättenkonzept und dem Planbereich des Aufstellungsbeschlusses sehe, sei dem entgegenzutreten. Maßstab für die Feststellung einer sicherungsfähigen Planung sei gerade nicht das Vergnügungsstättenkonzept. Das Konzept bleibe Anlass der Planung, dessen Zulässigkeitsbereiche in der Planung Berücksichtigung finden könnten. Die verbindliche Bauleitplanung könne durchaus auch Abweichung von den räumlichen Grenzen des Konzepts vorsehen. Tatsächlich würden aber auch keine relevanten Abweichungen vom Vergnügungsstättenkonzept vorliegen, da auch das Konzept einen Ausschluss von Wettbüros und Spielhallen für das gesamte Planungsgebiet im Erdgeschossbereich vorsehe. Hinsichtlich des Vergnügungsstättenkonzepts sei zutreffend, dass dieses die Art und Weise der Bauleitplanung zu seiner Umsetzung nicht abschließend festlege. Die Aufstellung des gegenständlichen Bebauungsplans und die damit verfolgte Planungsabsicht würden hierdurch aber nicht infrage gestellt werden. Das Planungsziel würde in der Begründung des Aufstellungsbeschlusses klar definiert und mit dem Ausschluss von Spielhallen und Wettbüros hinreichend konkret benannt werden. Die Zwecksetzung ergebe sich im Übrigen auch aus der gewählte Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 2b BauGB. Bei der Betrachtung des Vergnügungsstättenkonzepts ließe die Klägerin zudem die vertikale Steuerung des Konzepts außer Betracht. Das Konzept schließe gerade die Nutzung von Spielhallen und Wettbüros im Erdgeschoss – wie vorliegend von der Klägerin geplant – aus.
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Ein Ermessensfehler der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid würde bereits deshalb nicht vorliegen, weil die Beklagte mit der von der Klägerin zitierten Passage im streitgegenständlichen Bescheid nicht ausdrücken wollte, dass kein Ermessen bestehe. Stattdessen hätte die Beklagte nur den Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB zitieren wollen. Zudem hätte die Beklagte auch Ermessenserwägungen getroffen, da sie sich mit den vonseiten der Klägerin mit Schreiben vom 20. September 2019 vorgebrachten Einwendungen in der Stellungnahme des Stadtplanungsamtes vom 25. Oktober 2019 auseinandergesetzt habe. Erst nach Würdigung der Gesamtlage wäre der streitgegenständliche Bescheid am 22. November 2019 ergangen.
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Der Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. … „…“ wurde im Amtsblatt der Beklagten Nr. … vom … ortsüblich bekannt gemacht. Demnach ist es Ziel des Bebauungsplans, „unter Berücksichtigung des Vergnügungsstättenkonzepts, das vom Stadtrat am 26.10.2016 beschlossen wurde, die planungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, die Beeinträchtigung der städtebaulichen Funktion des Gebiets durch Vergnügungsstätten, insbesondere Spielhallen und Wettbüros, zu verhindern“. Der Bekanntmachung kann in einer zeichnerischen Darstellung die Grenze des räumlichen Geltungsbereichs des gegenständlichen Bebauungsplans entnommen werden. Demnach umfasst der Bebauungsplan das Gebiet südlich der Bahnanlagen, westlich der … sowie H1. Straße, nördlich der … und östlich des …, … und … Das gegenständliche Grundstück FlNr. …, … und …, jeweils Gemarkung …, befindet sich im Geltungsbereich des Aufstellungsbeschlusses.
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Zur Einleitung des Bebauungsplans liegt eine Begründung mit Datum vom … vor. Dort heißt es wie folgt:
„Unter „I. Planbericht“, Unterpunkt „I.1. Allgemeines“
„Für den vorliegenden Bereich der Südstadt ist ein Bebauungsplan aufzustellen, um die Ansiedlung von Vergnügungsstätten, insbesondere von Spielhallen und Wettbüros zu steuern. Grundlage ist das Baugesetzbuch (BauGB), insbesondere die §§ 9 Absatz 2b, 10 und 13 BauGB.“
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Unter „I. Planbericht“, Unterpunkt „I.2. Anlass zur Aufstellung, Planziele“
„An den Hauptverkehrsstraßen ist die Anzahl inhabergeführter Läden mit abwechslungsreichen Sortiment des täglichen und periodischen Bedarfs erheblich zurückgegangen. Dafür ist ein vermehrtes Aufkommen von Vergnügungsstätten in Form von Spielhallen und Wettbüros festzustellen. (…) Um den an den Hauptstraßen des Gebiets feststellbaren Trading-Down-Effekt entgegenzuwirken (…) und das Ausbreiten dieses Effekts hinein in noch besser funktionierende Bereiche zu verhindern, muss die Zulässigkeit von Spielhallen und Wettbüros planungsrechtlichen gesteuert werden.“
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Unter „I. Planbericht“, Unterpunkt „I.3. Grundlagen der Planung “
„Die geringen Entfernungen von sozialen und kulturellen Anlagen zu Spielhallen und die Tatsache, dass sich Vergnügungsstätten in Versorgungsbereichen häufen und somit eine direkte Wirkung auf die Anwohner jedes Alters haben, erzeugen eine Divergenz.“
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Unter „I. Planbericht“, Unterpunkt „I.1.3.3 Sonstige Rahmenbedingungen“
„Wegen der erheblichen Ausbreitungstendenzen von Spielhallen hatte der Stadtplanungsausschuss am 19.05.2011 beschlossen, ein Vergnügungsstättenkonzept für die Stadt … erarbeiten zu lassen.“ (…) (Im Vergnügungsstättenkonzept) „werden Zulässigkeitsbereiche abgegrenzt, für die eine ausnahmsweise Zulässigkeit von Vergnügungsstätten verträglich erscheint.“
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Unter „I. Planbericht“, Unterpunkt „I.4.1 Planungskonzept – Zentrale Zulässigkeitsbereiche“
„Im Plangebiet ist im Bereich des Bebauungsplans Nr. … ein zentraler Zulässigkeitsbereich für Vergnügungsstätten ausgewiesen. (…) Seit Erstellung des Gutachtens zum Vergnügungsstättenkonzept sind inzwischen ca. 5 Jahre vergangen. Die Revitalisierung des Kaufhauskomplexes hat bislang nicht stattgefunden. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf das B-Zentrum … Grundsätzlich wird eine Umsetzung des Zulässigkeitsgrenze durch ggf. Anpassung der betroffenen Bebauungspläne weiterverfolgt. Im weiteren Verfahren ist jedoch zu prüfen, ob die Prognose, dass das B-Zentrum … stabil genug ist, um einen Zulässigkeitsbereich zu tragen noch gilt, bzw. ob die kleinteilige Abgrenzung lt. Gutachten noch ebenso gültig ist.“
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Unter „I. Planbericht“, Unterpunkt „I.4.1 Planungskonzept – Ausschlussbereiche“
„Im gesamten Planbereich wird ein Ausschluss von Spielhallen und Wettbüros angestrebt.“
22
Mit Bescheid vom 23. November 2020 versagte die Beklagte der Klägerin die Genehmigung für das streitgegenständliche Vorhaben (grüne Behördenakten Seiten 74-76). Da dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenständen, welche im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen seien, wäre die Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 BayBO zu versagen gewesen. Der Bescheid wurde damit begründet, dass die mit Bescheid vom 22. November 2019 angeordnete Zurückstellung des klägerischen Baugesuchs für 12 Monate am 27. November 2020 ende. Zur Sicherung des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans hätte die Beklagte die Satzung über die Veränderungssperre Nr. … für das Gebiet „…“ für das Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, gefasst. Die Satzung über die Veränderungssperre wäre im Amtsblatt Nr. … vom … bekannt gemacht worden und sei mit der Bekanntmachung in Kraft getreten. Zudem wurde der Geltungsbereich der Veränderungssperre auf die Grundstücke FlNr. … und …, jeweils Gemarkung …, mit der im Amtsblatt Nr. * vom … bekannt gemachten Satzung erweitert. Das streitgegenständliche Vorhaben läge im Geltungsbereich dieser Veränderungssperre, verstieße gegen diese und dürfe daher nicht ausgeführt werden. Eine Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 BauGB werde nicht zugelassen.
23
Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2020 erhob die Klägerin Klage mit dem Ziel, die Versagung der Baugenehmigung vom 23. November 2020 aufheben zu lassen und die Beklagte zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung zu verpflichten. Das Verfahren wird bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach unter Az. AN 9 K 20.02807 geführt. Das Verfahren wurde anlässlich des beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anhängigen Normenkontrollantrags gegen den gegenständlichen Bebauungsplan Nr. … in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2022 ausgesetzt.
24
In den Behördenakten finden sich Auszüge aus den Amtsblättern Nr. … vom … sowie Amtsblatt Nr. * vom … über die o.g. Veränderungssperre für das Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, sowie über deren Erweiterung auf die Grundstücke FlNr. … und …, jeweils Gemarkung … (grüne Behördenakte Seite 55 und 56).
25
Mit Bescheid der Beklagten vom 27. November 2020 wurde der streitgegenständliche Zurückstellungsbescheid vom 22. November 2019 aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die beschlossene Veränderungssperre Nr. 86 der Beklagten rechtsverbindlich geworden und daher der streitgegenständliche Bescheid nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG aufzuheben gewesen sei (grüne Behördenakte Seite 81 und 82).
26
Mit Schriftsatz der Klägerin vom 1. Dezember 2020 stellte diese die von ihr zunächst erhobene Anfechtungsklage wegen der Erledigung des streitgegenständlichen Zurückstellungsbescheids auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO um. Die Klägerin beantragt nunmehr, dass festgestellt wird, dass der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 22. November 2019 über die Zurückstellung des klägerischen Bauantrags rechtswidrig war. Der streitgegenständliche Verwaltungsakt hätte sich nach Klageerhebung erledigt, weil seine Regelungswirkung weggefallen sei. Denn mit dem Bescheid vom 23. November 2020 hätte die Beklagte die Baugenehmigung für das auch im hiesigen Rechtsstreit maßgebliche Bauvorhaben abgelehnt. Zudem sei am 27. November 2020 die Jahresfrist des streitgegenständlichen Rückstellungsbescheids abgelaufen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei auch im Übrigen zulässig. Das Feststellungsinteresse bestände, da die Klägerin ein Interesse an der Vorbereitung eines etwaigen Amtshaftungsprozesses hätte. Aufgrund der erheblichen Verzögerungen durch die rechtswidrige Rückstellung des Bauantrags seien der Klägerin erhebliche Kosten sowie Umsatzeinbußen entstanden. Im Übrigen folge das Feststellungsinteresse auch daraus, dass die rechtlichen Grundlagen des gegenständlichen Rechtsstreits für eine Klage gegen die besagte Versagung der Baugenehmigung maßgeblich seien. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei begründet, da der streitige Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Erledigung rechtswidrig gewesen sei, wodurch die Klägerin in ihren Rechten verletzt worden wäre.
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Die Klägerin beantragt zuletzt sinngemäß
28
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Stadt … vom 22.11.2019, Az. …, über die Zurückstellung des klägerischen Bauantrags zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses rechtswidrig war.
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Die Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Zwar sei der streitgegenständliche Zurückstellungsbescheid vom 22. November 2019 durch den nun ergangenen Bescheid vom 23. November 2020 mit welchen die Baugenehmigung versagt wurde, tatsächlich aufgehoben. Allerdings sei bereits zweifelhaft, ob überhaupt ein Feststellungsinteresse vorliege. So sei entgegen der Auffassung der Klägerin keine zeitliche Verzögerung hinsichtlich der Erteilung der Baugenehmigung erfolgt. Stattdessen zeige der Bescheid der Beklagten vom 23. November 2020, mit welchem die Baugenehmigung versagt wurde, dass höchstens eine Verzögerung hinsichtlich der Versagung der Baugenehmigung erfolgt sei. Auch mit einer früheren Entscheidung über den Bauantrag hätte die Klägerin daher ihr Vorhaben nicht realisieren können. Etwaige Umsatzeinbußen und Mietzahlung wären auch bei früherer Versagung der Baugenehmigung nicht angefallen. Im Übrigen verweist die Beklagte zur Fortsetzungsfeststellungsklage auf ihren Sachvortrag aus der Anfechtungsklage.
32
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegenden Behördenakten sowie auf die Gerichtsakten aus dem hiesigen Verfahren sowie dem Verfahren AN 9 K 20.02807 verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.
33
Streitgegenstand ist die klägerseitig begehrte Feststellung, dass der Bescheid der Beklagten vom 22. November 2019 zur Rückstellung des klägerischen Baugesuchs zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses rechtswidrig war.
B.
34
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist bereits unzulässig; hierüber hinaus ist sie auch unbegründet.
35
Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht ein Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich der Verwaltungsakt durch Zurücknahme oder anders erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
36
I. Die Klage ist bereits unzulässig.
37
1. Zwar war vorliegend eine am 6. Dezember 2019 erhobene Anfechtungsklage anhängig, welche bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses auch zulässig war.
38
Insbesondere wahrte die Klägerin die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO und war nach § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO auch klagebefugt. Zudem stellt die Rückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 BauGB einen belastenden Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar (VGH Kassel, U.v. 27.05.1993 – 7 C 33/92; OVG Berlin, B.v. 21.11.1994 – 2 S 28/94; EZBK, BauGB § 15, Rn. 4).
39
2. Auch hat sich der streitgegenständliche Rückstellungsbescheid nach Klageerhebung erledigt. Die Erledigung des Verwaltungsakts setzt voraus, dass dessen Beschwer nachträglich weggefallen ist (BVerwG, B.v. 08.08.2007 – 1 WB 52/06; Schoch/Schneider VwGO/Gerhardt, § 113 Rn. 81), wobei sich der Eintritt des Wegfalls objektiv nach dem Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes und nicht etwa vom Klägerinteresse her beurteilt (VGH München, B.v. 22.02.2010 – 2 ZB 08.2773; BVerwG, U.v. 15.11.1990 – 3 C 49/87).
40
Alleine das Inkrafttreten der Veränderungssperre führt nicht automatisch zur Erledigung der Rückstellung (so auch zutreffend Battis/Krautzberger/Löhr/Mitschang, BauGB § 15, Rn. 8). Allerdings führen sowohl die Versagung der Baugenehmigung vom 23. November 2020, als auch der Ablauf der Frist der Rückstellung und die – in den Behördenakten befindliche – Aufhebung des Zurückstellungsbescheides zur Erledigung der Rückstellung, Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG. Welches Ereignis vorliegend maßgeblich ist, kann letztlich dahinstehen. Die im streitgegenständlichen Bescheid niedergelegte, zwölfmonatige Dauer der Rückstellung begann mit Zustellung des Rückstellungsbescheides am 27. November 2019 an den Klägervertreter und endete somit am 27. November 2020. Am selben Tag ging ausweislich der Gerichtsakte dem Klägervertreter auch die Versagung der Baugenehmigung zu. Zudem datiert auch die Aufhebung des Zurückstellungsbescheides auf den 27. November 2020.
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3. Allerdings fehlt der Klägerin vorliegend das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides, weshalb die Fortsetzungsfeststellungsklage unzulässig ist.
42
Nicht in jedem Fall einer Erledigung kann eine bereits anhängige Anfechtungsklage auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt werden. Dies ist vielmehr nur dann möglich, wenn der Kläger zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung bzw. bei Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (BVerwG, U.v. 27.03.1998 – 4 C 14/96; VGH München, B.v. 07.07.2009 – 7 BV 08.254) ein besonderes Feststellungsinteresse hieran hat. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat bestimmte Fallgruppen anerkannt, in welchen das besondere Feststellungsinteresse bejaht wird. Vorliegend macht die Klägerin lediglich die Vorbereitung eines nicht offensichtlich aussichtslosen Amtshaftungsprozesses geltend.
43
Ein Feststellungsinteresse ist von der Rechtsprechung dann bejaht worden, wenn der Kläger aufgrund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts einen Amtshaftungsprozess oder einen sonstigen bürgerlich rechtlichen Rechtsstreit führen kann, es sei denn, dieser ist „offensichtlich aussichtslos“ (BVerwG, U.v. 03.06.2003 – 5 C 50/02). Der Schadensersatzprozess muss bereits anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein (BVerwG, B.v. 09.03.2005 – 2 B 111/04). Die bloße unsubstantiierte oder nur aus prozesstaktischen Gründen aufgestellte Behauptung, einen Schadensersatzprozess führen zu wollen, genügt hierfür nicht (OVG Lüneburg, B.v. 29.08.2007 – 10 LA 31/06). Von der „offensichtlichen Aussichtslosigkeit“ eines beabsichtigten zivilgerichtlichen Haftungsprozesses kann aber nur dann ausgegangen werden, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete zivilrechtliche Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht (BeckOK VwGO/Decker, VwGO § 113, Rn. 87.3).
44
In der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2022 trug der Klägervertreter das Bestehen zweier Schadenspositionen vor. Zwar seien der Klägerin zunächst angeführte Mietzinszahlungen tatsächlich nicht angefallen, da die Klägerin im relevanten Zeitraum eine Aussetzung der Mietzinszahlungen hätte erreichen können. Durch die rechtswidrige Zurückstellung des Bauantrags sei der Klägerin allerdings der mit dem Wettbüro angestrebte Gewinn entgangen. Der Bauantrag sei vonseiten der Beklagten bis heute nicht positiv verbeschieden worden. Der Schaden könne allerdings – auch wegen des noch anhängigen Normenkontrollverfahrens zur Überprüfung des gegenständlichen Bebauungsplans Nr. … – nicht näher beziffert werden. Die Klägerin betreibe andere Wettbüros, in denen der Gewinn bei 20.000 bis 30.000 Euro im Monat liege. Die Daten stammten aus der Zeit vor der COVID-19-Pandemie und wären für den hier maßgeblichen Zeitraum im Jahr 2019 heranzuziehen. In Zeiten der Pandemie wären Wettbüros und Spielhallen hingegen zeitweise geschlossen gewesen.
45
Die klägerischen Ausführungen genügen nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen an die Darlegungslast eines Klägers zum besonderen Feststellungsinteresse bei der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses.
46
Denn zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass ein Haftungsrisiko auf Seiten der Genehmigungsbehörde besteht, sollte diese eine Zurückstellung rechtswidrigerweise aussprechen, obwohl die Voraussetzungen des § 15 BauGB nicht vorliegen. Schadensersatzansprüche drohten demnach grundsätzlich für den Fall, dass es durch das amtspflichtwidrige Verhalten zu einer Verzögerung der Erteilung der Genehmigung kommt (Kröninger/Aschke/Jeromin, Baugesetzbuch, BauGB § 15, Rn. 21; so auch VG Karlsruhe, U.v. 07.06.2018 – 10 K 1237/16; VG Würzburg, U.v. 24.11.2015 – W 4 K 14.906).
47
Allerdings hat ein Kläger nach der ober- und höchstverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bereits im Verwaltungsprozess substantiiert dartun, was er konkret anstrebt. Hierbei muss er insbesondere hinreichend konkrete Angaben zum behaupteten Schaden und zur Schadenshöhe machen (BVerwG, U.v. 03.11.2014 – 2 B 24.14; VGH München, U.v. 09.09.2020 – 15 B 19.666; OVG Münster, B.v. 23.9.2015 – 12 A 1787/15; VGH Mannheim, U.v. 5.6.2018 – 6 S 2670/17; siehe zu alledem Schoch/Schneider/Riese, VwGO § 113, Rn. 129). Es bedarf zwar regelmäßig nicht der Vorlage einer genauen Schadensberechnung. Jedoch muss der Vortrag zur Rechtfertigung des mit der Fortsetzung des Prozesses verbundenen Aufwands über die bloße Behauptung hinaus nachvollziehbar erkennen lassen, dass der Kläger einen Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess tatsächlich anstrebt (VGH München, U.v. 09.09.2020 – 15 B 19.666). Die von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen fallen hierbei streng aus; so wurden gar klägerische Schadensprognosen als zu unsubstantiiert – und damit als zur Begründung eines besonderen Feststellungsinteresses nicht ausreichend – eingestuft (VGH Mannheim, U.v. 05.06.2018 – 6 S 2670/17).
48
Die Klägerin hat keine nachvollziehbaren Ausführungen zur Schadenshöhe dargetan. Aussagen zum entgangenen Gewinn hinsichtlich des streitgegenständlichen Vorhabens fehlen vollständig. Die in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juli 2022 vonseiten des Klägervertreters gemachten Angaben (20.000 bis 30.000 Euro monatlicher Gewinn) genügen den Anforderungen an die Darlegung bereits deshalb nicht, da es sich lediglich um Durchschnittswerte aus den Erfahrungen der Klägerin zu anderen Wettbüros handelt. In einem, dem Verwaltungsprozess nachfolgenden, Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess wären aber nicht Durchschnitts- oder Erfahrungswerte, sondern allein die Umstände des vorliegenden Einzelfalls maßgeblich. Die Einnahmen eines Wettbüros können – wie die Einnahmen eines jeden Gewerbebetriebs – abhängig von dessen Lage, Ausstattung und Größe erheblich variieren. So wäre vorliegend in eine Schadensprognose beispielsweise einzustellen, dass das Vorhaben aufgrund seiner Untergeschoss- und Innenhoflage vermutlich weniger Laufkundschaft anzieht, als ein straßenseitiges oder im Erdgeschoss befindliches Wettbüro. Anderseits ist aufgrund der geplanten Lage des Vorhabens im hochfrequentierten Nahversorgungsgebiet … und in unmittelbarer Nähe zur U-Bahn-Station von erheblich mehr Kundschaft auszugehen, als beispielsweise bei einer Lage im Industriegebiet. Aussagen, wie sich die Größe und Ausstattung des Wettbüros auf dessen Gewinn auswirken könnten und inwieweit hierdurch Abweichungen von den angeführten Durchschnittswerten zu erwarten sein könnten, fehlen im klägerischen Vortrag vollständig. Die pauschalierten Durchschnittswerte stellen zudem nicht auf tages- oder saisonabhängige Besonderheiten ab. Auch wären etwaige COVID-Entschädigungen oder andere öffentliche Leistungen bei der Berechnung des Schadens vom errechneten Gewinn der Klägerin vorliegend in Abzug zu bringen gewesen, was vonseiten der Klägerin ebenfalls nicht dargetan wurde. Schließlich wurden klägerseitig keine Ausführungen zum Beginn und zur Dauer der geltend gemachten entgangenen Gewinne gemacht. Es bleibt insbesondere fraglich, zu welchem Zeitpunkt vonseiten der Klägerin mit der Erteilung der Baugenehmigung und der Nutzungsaufnahme gerechnet wurde bzw. wann bei ordnungsgemäßer Ausübung der Amtspflicht mit der Erteilung einer Baugenehmigung zu rechnen gewesen sei.
49
Nach alledem sind die Angaben der Klägerin zu unsubstantiiert, um daraus entnehmen zu können, dass sie ernsthaft einen Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozess anstrebt (so beispielsweise auch VGH München, U.v. 09.09.2020 – 15 B 19.666 zu der Aussage „ein jährlicher Gewinn von mindestens 20.000 Euro für wenigstens zehn Jahre“). Die Klage ist daher aufgrund fehlendem Feststellungsinteresse bereits unzulässig.
50
II. Da der streitgegenständliche Rückstellungsbescheid sich nach Auffassung des erkennenden Gerichts als rechtmäßig darstellt, ist die Klage auch unbegründet.
51
Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet, wenn der erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig war und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wurde (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO; BeckOK VwGO/Decker, VwGO § 113, Rn. 88). Maßgeblich für diese Beurteilung ist der Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsakts und die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage (BVerwG, U.v. 25.07.1985 – 3 C 25/84; BVerwG, B.v. 03.07.1991 – 6 P 3/89). Maßgeblich ist daher vorliegend die Sach- und Rechtslage vom 27. November 2020.
52
Zu diesem Zeitpunkt stellt sich der streitgegenständliche Rückstellungsbescheid aber als rechtmäßig dar, da die formellen (siehe nachfolgend Ziffer 1) und materiellen (siehe nachfolgend Ziffer 2) Voraussetzungen der Rückstellung gegeben waren und auch die klägerseitigen Ausführungen zum Ermessensausfall der Beklagten fehlgehen (siehe nachfolgend Ziffer 3).
53
1. Die Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 BauGB ist nur dann anwendbar, wenn zwar die Voraussetzungen für eine Veränderungssperre vorliegen, die Veränderungssperre aber von der Gemeinde bisher nicht erlassen worden ist.
54
Es muss daher der Beschluss vorliegen, einen qualifizierten oder einfachen Bebauungsplan aufzustellen (Aufstellungsbeschluss nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB; EZBK/Stock, BauGB § 15, Rn. 25). Liegt ein solcher Beschluss nicht vor oder wurde dieser nicht wirksam bekannt gegeben, so hätte die Zurückstellung des Baugesuchs nicht erfolgen dürfen und die Klage gegen die Rückstellung ist begründet (BeckOK BauGB/Hornmann, BauGB § 15, Rn. 55).
55
Vorliegend wurde der Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan Nr. … „…“ im Amtsblatt der Beklagten Nr. … vom … ortsüblich bekannt gemacht. Der Bekanntmachung kann in einer zeichnerischen Darstellung die Grenze des räumlichen Geltungsbereichs des gegenständlichen Bebauungsplans entnommen werden. Das streitgegenständliche Grundstück FlNr. …, … und …, jeweils Gemarkung …, befindet sich demnach im Geltungsbereich des Aufstellungsbeschlusses. Mängel an der Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses sind weder vonseiten der Klägerin vorgetragen, noch dem Gericht sonst wie ersichtlich.
56
Die Rückstellung von Baugesuchen ist für das streitgegenständliche Grundstück auch nicht nach § 15 Abs. 2 BauGB ausgeschlossen. Die Norm legt fest, dass in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten die Vorschriften über die Zurückstellung von Baugesuchen nicht anwendbar sind, da der jeweiligen Gemeinde durch die sanierungsrechtlichen Genehmigungspflichten der §§ 144 ff. BauGB bereits ausreichend Steuerungsmechanismen zukommen. Nach den Feststellungen des Gerichts befindet sich das streitgegenständliche Grundstück aber nicht innerhalb eines förmlich festgelegten Sanierungsgebiets. Ausweislich der Satzung der Beklagten über die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets „…“ und der Karte vom 21. Juli 2010, welche Anlage der Satzung ist, endet das Sanierungsgebiet „…“ auf der …, sodass das streitgegenständliche Grundstück, welches südlich an die … grenzt, sich nicht mehr im Sanierungsgebiet befindet.
57
2. Auch die materiellen Voraussetzungen der Rückstellung waren zum maßgeblichen Zeitpunkt gegeben.
58
Materiell-rechtlich ist die Zurückstellung eines Baugesuchs nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB zulässig, „wenn zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde“.
59
Hierbei handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Anwendung uneingeschränkt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt und die deshalb der Verwaltungsbehörde keinen eigenen Beurteilungsspielraum zugestehen (EZBK/Stock, BauGB § 15, Rn. 28).
60
Dem Aufstellungsbeschluss der Beklagten vom 17. Oktober 2018 lag eine hinreichende Planungskonzeption zugrunde (siehe unter Buchstabe a)), deren Umsetzung durch das klägerische Vorhaben erschwert worden wäre (siehe unter Buchstabe b)).
61
a) Die Beantwortung der Frage, ob die materiellen Voraussetzungen für eine Zurückstellung gegeben sind, hängt von der Planungskonzeption der Gemeinde und dem Stand der Planungsarbeiten ab (EZBK/Stock, BauGB § 15, Rn. 30). Die Klage gegen einen Rückstellungsbescheid ist demnach dann begründet, wenn die Zurückstellung nicht hätte erfolgen dürfen, weil die gemeindliche Planungskonzeption nicht einmal ansatzweise vorliegt (BeckOK BauGB/Hornmann, BauGB § 15, Rn. 55). Die Planung muss im Zeitpunkt der Entscheidung über die beantragte Aussetzung des Verfahrens bereits einen Stand erreicht haben, welcher ein Mindestmaß des Inhalts der beabsichtigten Planung erkennen lässt (ständige Rechtsprechung zur Veränderungssperre, BVerwG, U.v. 09.08.2016 – 4 C 5.15; BVerwG, U.v. 10.09.1976 – IV C 39/74; BayVGH, B.v. 22.03.2012 – 22 CS 12.349). Maßgeblich ist zudem, ob die konkreten Planungsabsichten der Gemeinde überhaupt rechtlich und tatsächlich verwirklicht werden können (BVerwG, B.v. 17.09.1987 – 4 B 185.87). Eine ausschließlich negative Zielsetzung reicht weder für eine Veränderungssperre noch für eine Zurückstellung aus; die Ziele und Zwecke der Planung müssen sich auf positive Inhalte erstrecken (BVerwG, B.v. 05.02.1990 – 4 B 191.89).
62
Auf der anderen Seite dürfen die Anforderungen an die Konkretisierung der Planung im Interesse eines effektiven Schutzes der Planungshoheit aber nicht überspannt werden (BVerwG, U. v. 19.02.2004 – 4 CN 16.03). Grundsätzlich kann schon eine Aussage zur Art der baulichen Nutzung genügen, beispielsweise ein bestimmter Baugebietstyp oder eine Festsetzung nach § 9 BauGB (EZBK/Stock, BauGB § 15, Rn. 30).
63
Das Mindestmaß der Konkretisierung der planerischen Vorstellungen der Gemeinde kann sich aus gemeindeinternen Beschlussvorlagen und Niederschriften über die Beratung und Beschlussfassung ergeben, aber auch aus anderen Unterlagen und Umständen, wie Akten oder der anderweitig bekannten Vorgeschichte (BVerwG, U.v. 30.08.2012 – 4 C 1.11; BVerwG, B.v. 1.10.2009 – 4 BN 34.09; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.01.2014 – OVG 2 S 71.13).
64
(1) Ausweislich des Aufstellungsbeschlusses zum Bebauungsplan Nr. … aus dem Amtsblatt der Beklagten vom … ist es Ziel des Bebauungsplans, „unter Berücksichtigung des Vergnügungsstättenkonzepts, das vom Stadtrat am 26.10.2016 beschlossen wurde, die planungsrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, die Beeinträchtigung der städtebaulichen Funktion des Gebiets durch Vergnügungsstätten, insbesondere Spielhallen und Wettbüros, zu verhindern“. Zur Einleitung des Bauleitplanverfahrens liegt eine Begründung mit Datum vom … vor, in welcher es unter „I. Planbericht“, Unterpunkt „I.1. Allgemeines“ heißt: „Für den vorliegenden Bereich der Südstadt ist ein Bebauungsplan aufzustellen, um die Ansiedlung von Vergnügungsstätten, insbesondere von Spielhallen und Wettbüros zu steuern. Grundlage ist das Baugesetzbuch (BauGB), insbesondere die §§ 9 Absatz 2b, 10 und 13 BauGB.“ Detaillierte Ausführungen zu den zukünftigen Zulässigkeitsbereichen für Vergnügungsstätten und dem Ausschluss von Vergnügungsstätten im Übrigen finden sich sodann unter „I. Planbericht“, Unterpunkt „I.4.1 Planungskonzept – Zentrale Zulässigkeitsbereiche“ sowie unter „I. Planbericht“, Unterpunkt „I.4.1 Planungskonzept – Ausschlussbereiche“. Demnach wird in den Ausschlussbereichen „Im gesamten Planbereich (…) ein Ausschluss von Spielhallen und Wettbüros angestrebt.“
65
Diese vonseiten der Beklagten im Aufstellungsbeschluss und dessen Begründung niedergelegten Ausführungen genügen den dargelegten Anforderungen der Rechtsprechung an eine hinreichende Planungskonzeption. Die Beklagte hat angegeben, mit der Planung die Ansiedlung von Vergnügungsstätten, insbesondere von Spielhallen und Wettbüros, steuern zu wollen und hat dies insbesondere auf die §§ 9 Absatz 2b, 10 und 13 BauGB gestützt.
66
(2) Etwas Anderes folgt auch nicht aus den vonseiten der Klägerin vorgebrachten Einwänden.
67
Entgegen der Ansicht des Klägervertreters ist für die streitgegenständliche Rückstellung des Baugesuchs nicht auf das Vergnügungsstättenkonzept der Beklagten, sondern lediglich auf den Aufstellungsbeschluss vom … sowie dessen Begründung abzustellen. Die Ausführungen des Klägervertreters zu etwaigen falschen Annahmen sowie zu vermeintlichen Widersprüchlichkeiten im Vergnügungsstättenkonzept sind daher nicht entscheidungserheblich. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB stellt für die Rückstellung auf die Voraussetzungen der Veränderungssperre und damit auf den „Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans“ ab, § 14 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Auf andere, d.h. vorliegend informelle Planungen der Gemeinde, verweisen §§ 14, 15 BauGB hingegen nicht.
68
Die Aussage des Klägervertreters, die Beklagte hätte nicht – ohne niedergelegte städtebauliche Würdigung – im Aufstellungsbeschluss in inhaltlicher und räumlicher Hinsicht vom Vergnügungsstättenkonzept abweichen dürfen, kann nicht verfangen. Dabei kann auch dahinstehen, ob – wie die Beklagte meint – das Vergnügungsstättenkonzept, die Voraussetzungen eines städtebaulichen Entwicklungskonzepts nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB erfüllt, da derartige Konzepte bei der Aufstellung der Bauleitpläne lediglich zu berücksichtigen bzw. in die gemeindliche Abwägung nach §§ 1 Abs. 7, 2 Abs. 3 BauGB einzustellen sind. Inwieweit eine Gemeinde einer informellen Planung folgt oder von dieser abweicht, ist damit eine Frage des (zeitlich nachgelagerten) Abwägungs-, nicht bereits des vorliegend maßgeblichen Aufstellungsbeschlusses. Im Rahmen der gemeindlichen Abwägung sind die Gemeinden dann auch nicht dazu angehalten, städtebauliche Entwicklungskonzepte inhaltsgleich umzusetzen. Es ist vielmehr gerade Aufgabe der Gemeinde sich mit den Inhalten von Entwicklungskonzepten auseinander zu setzen und diese ggf. auch wegen bestimmter Umstände zu verwerfen (siehe zu alledem BeckOK BauGB/Dirnberger, BauGB § 1, Rn. 129). So hat die Beklagte vorliegend für den streitgegenständlichen Bereich in der Begründung zum Aufstellungsbeschluss ausgeführt, dass das Vergnügungsstättenkonzept mittlerweile 5 Jahre alt sei und die Revitalisierung des Kaufhauskomplexes bislang nicht stattgefunden habe.
69
Auch der Einwand des Klägervertreters, die Ausweisung von Zulässigkeitsbereichen für Vergnügungsstätten und die Aussage, dass diese im gesamten Planbereich ausgeschlossen werden sollen, sei widersprüchlich und verhülle die eigentliche Planungsabsicht der Beklagten, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Es kann vorliegend keine reine Verhinderungsplanung angenommen werden, da die Beklagte in der Begründung zur Einleitung des Bauleitplanverfahrens klargestellt hat, einem Trading-Down-Effekt entgegenwirken zu wollen und damit eine (positive) städtebauliche Begründung niedergelegt hat. Es steht einer Gemeinde auch frei, städtebauliche Ziele zu verfolgen, die mehr auf Bewahrung (also auf die Verhinderung von Veränderungen), statt auf die Veränderung des vorgefundenen Zustands abzielen (BVerwG, B.v. 15.03.2012 – 4 BN 9.12). Soweit zwischen der Definition von Zulässigkeitsbereichen und einem vollständigen Ausschluss von Spielhallen ein Widerspruch im Aufstellungsbeschluss bestanden haben sollte, wovon die Kammer nicht ausgeht, so wäre dieser von der Beklagten im Rahmen des (zeitlich nachgelagerten) Abwägungsbeschlusses, nicht aber bereits im Aufstellungsbeschluss zu beseitigen gewesen.
70
Auch der Einwand des Klägervertreters, im damaligen Bebauungsplan Nr. …, in dessen Umgriff sich das Vorhabensgrundstück später befunden hat, sei ein Zulässigkeitsbereich für Vergnügungsstätten für das vorliegende Grundstück definiert worden, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die Instrumente der Plansicherung nach §§ 14 ff. BauGB (hier die Rückstellung des Baugesuchs) dienen gerade auch dazu, geänderte Planungskonzeptionen einer Gemeinde abzusichern.
71
Nicht entscheidungserheblich sind die Aussagen der Beteiligten zur vertikalen Steuerung des Vergnügungsstättenkonzepts, nach welcher Wettbüros gerade im Erdgeschoss ausgeschlossen werden sollten. Vorliegend ist die Wettbüronutzung – das ist dem Klägervertreter zuzugeben – nicht im Erdgeschoss, sondern im Untergeschoss beabsichtigt. Für die notwendige Konkretisierung der Planungsabsicht im Rahmen des Aufstellungsbeschlusses bedarf es aber gerade nicht dem Konkretisierungsgrad, wie er sich im Vergnügungsstättenkonzept zur vertikalen Feinsteuerung von Vergnügungsstätten findet. Es genügt vielmehr eine allgemeine Aussage zur geplanten Art der baulichen Nutzung auf den Grundstücken im Planumgriff. Vorliegend hat die Beklagte in der Begründung zur Einleitung des Bauleitplanverfahrens vom … klargestellt, dass dem „an den Hauptstraßen des Gebiets feststellbaren Trading-Down-Effekt entgegenzuwirken“ ist. Bei der …, an welcher sich das streitgegenständliche Vorhaben befinden soll, handelt es sich gerade um eine solche H2.straße des Gebiets. Zudem hat die Beklagte mit der Begründung klargestellt, dass gerade eine Steuerung der Vergnügungsstätten im Bereich des B-Zentrums … notwendig ist, da die Revitalisierung des Kaufhauskomplexes bislang nicht stattgefunden habe. Das streitgegenständliche Grundstück befindet sich in unmittelbarer Nähe zu diesem B-Zentrum. Auf die vertikale Feinsteuerung aus dem Vergnügungsstättenkonzept kommt es damit nicht an.
72
Abschließend kann auch nicht überzeugen, wenn der Klägervertreter anführt, dass sich die Beklagte ihre Planungsabsichten noch offenhalte. Die Anforderungen an die Konkretisierung der Planungsabsicht im Aufstellungsbeschluss dürfen im Interesse eines effektiven Schutzes der Planungshoheit nicht überspannt werden. Einem Aufstellungsbeschluss, welcher einer Veränderungssperre oder einer Rückstellung zugrunde liegt, ist damit gerade immanent, dass die gemeindlichen Planungsabsichten im späteren Verlauf des Bauleitplanverfahrens noch konkretisiert werden. Hierbei ist auch unproblematisch, dass das streitgegenständliche Grundstück sich zunächst zwar im Umgriff des Aufstellungsbeschlusses für den Bebauungsplan Nr. … befand, später jedoch im Umgriff des (erlassenen) Bebauungsplans Nr. … lag. Maßgeblich für die Rückstellung ist alleine der Aufstellungsbeschluss, welcher – nach den vorliegenden Ausführungen – eine hinreichende Planungskonzeption erkennen lässt.
73
b) Diese hinreichende Planungskonzeption wäre durch das klägerische Vorhaben auch erschwert worden.
74
Bei der diesbezüglichen Prüfung ist das beantragte Vorhaben zu der Planungskonzeption in Beziehung zu setzen. Vermutungen genügen hierbei nicht zur Begründung einer Zurückstellung. Andererseits muss das Vorliegen eines Hinderungsgrundes für die Verwirklichung des Vorhabens nicht mit endgültiger Sicherheit nachgewiesen werden (EZBK/Stock, BauGB § 15, Rn. 31). Zu verlangen sind aber konkrete objektive Anhaltspunkte, welche die Befürchtung belegen, dass die Verwirklichung des Vorhabens die Wirkungen haben kann, die durch eine Zurückstellung verhindert werden sollen (OVG Münster, U.v. 08.04.1976 – X A 1011/75).
75
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Gerade an den Hauptstraßen des überplanten Gebiets, wie vorliegend der …, möchte die Beklagte zur Verhinderung des Trading-Down-Effekts Spielhallen und Wettbüros soweit wie möglich ausschließen. Das gegenständliche Vorhaben steht diesem Planungswillen entgegen.
76
3. Der Ansicht des Klägervertreters, es handele sich bei der Entscheidung über die Rückstellung um eine Ermessenentscheidung, da die Beklagte zugleich Gemeinde und Bauaufsichtsbehörde sei, kann nicht gefolgt werden.
77
Sind die formellen und materiellen Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB erfüllt, so ist die Genehmigungsbehörde verpflichtet, die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens auszusetzen. Ein Ermessensspielraum ist der Genehmigungsbehörde nicht eingeräumt. Es handelt sich um eine gebundene Entscheidung (VGH Kassel, B.v. 10.07.2009 – 4 B 426/09; OVG Lüneburg, B.v. 28.03.2017 – 1 ME 7 /17; EZBK/Stock, BauGB § 15, Rn. 41a).
78
Ist die Gemeinde zugleich Bauaufsichtsbehörde, so fasst der Stadtrat oder der zuständige Ausschuss einen Zurückstellungsbeschluss, welcher für die Bauaufsichtsbehörde bindend ist (OVG Lüneburg, B.v. 28.03.2017 – 1 ME 7 /17; EZBK/Stock, BauGB § 15, Rn. 36 sowie 41d). Bei Rechtswidrigkeit des Beschlusses sind kommunalaufsichtsrechtliche Maßnahmen erforderlich. Auch die Pflicht des Bürgermeisters, rechtswidrige Beschlüsse kommunalrechtlich zu beanstanden, bleibt bestehen (EZBK/Stock, BauGB § 15, Rn. 41d).
79
Die Ansicht des Klägervertreters, die gebundene Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde würde sich in eine Ermessensentscheidung wandeln, findet hingegen im Gesetzeswortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauGB keine Stütze. Dort heißt es, dass die Bauaufsichtsbehörde die Entscheidung auszusetzen hat. Die Identität von Gemeinde und Bauaufsichtsbehörde führt lediglich dazu, dass der Antrag der Gemeinde – welcher der Wahrung der kommunalen Planungshoheit dient – nicht mehr erforderlich ist bzw. durch Verwaltungsinterna ersetzt wird (so auch OVG Lüneburg, B.v. 28.03.2017 – 1 ME 7 /17). Hingegen bestehen keine Gründe dafür, dass bei Identität von Gemeinde und Bauaufsichtsbehörde sich auch die Rechtsnatur der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde von einer gebundenen in eine Ermessenentscheidung wandeln soll.
80
Diese Ansicht führt auch nicht zu einer Schlechterstellung des von der Rückstellung betroffenen Bauherrn im Vergleich zu denjenigen Fällen, bei denen Gemeinde und Bauaufsichtsbehörde nicht identisch sind. Der Antrag der Gemeinde auf Zurückstellung eines Vorhabens ist kein Verwaltungsakt, sondern ein verwaltungsinterner Vorgang (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 15 Rn. 9; EZBK/Stock, BauGB § 15, Rn. 101). Auch wenn Gemeinde und Bauaufsichtsbehörde nicht identisch sind, kann sich der Bauherr daher nicht gegen die Entscheidung der Gemeinde, sondern nur gegen den Rückstellungsbescheid der Bauaufsichtsbehörde wenden, bei welchem es sich um eine gebundene Entscheidung handelt.
C.
81
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
82
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
83
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.