Titel:
Erfolglose Klage auf Erteilung eines Vorbescheids für ein Wohngebäude im Außenbereich
Normenkette:
BauGB § 35 Abs. 2, § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5, § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. Nr. 7
Leitsatz:
Da der Außenbereich grundsätzlich von jeglicher Bebauung freigehalten werden soll führt jede weitere Bebauung (hier: Vorbescheid für ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB) dazu, dass Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert beeinträchtigt werden. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorbescheid für Wohnhaus im Außenbereich, Vorbescheid, Außenbereich, Wohnhaus, sonstiges Vorhaben, Wohngebäude, Eigenart der Landschaft, Naturschutz, Landschaftspflege
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 17.04.2023 – 1 ZB 22.1789
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19373
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger möchte ein Vorbescheid für ein Einfamilienhaus auf dem Grundstück FlNrn. ... (Teilfläche), Gemarkung B. …, dessen Erteilung das Landratsamt mit Bescheid vom 14. Februar 2019 abgelehnt hat.
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Mit Datum vom 5. September 2018 beantragte der Kläger die Erteilung eines Vorbescheids für ein Einfamilienhaus mit sinngemäß den Fragen nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens sowie nach der Zulässigkeit einer Verschmelzung der FlNrn. … und …(Teilfläche). Bereits 1994 sei ein Vorbescheid erteilt worden und es habe mündliche Zusagen bezüglich einer Baugenehmigung gegeben. Die Fläche sei zwischen 250 m² und 300 m² groß, die verschmolzen werden solle.
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Die beigeladene Gemeinde hat mit Beschluss vom 1. Oktober 2018 das gemeindliche Einvernehmen erteilt. Das Vorhaben befinde sich im Innenbereich. Die Erschließung sei gesichert. Die Zufahrt solle über die H1. straße erfolgen und auf dem Grundstück FlNr. …1 seien zwei Stellplätze nachgewiesen. Der Vorbescheid aus dem Jahre 1994 sei nicht verlängert worden.
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Bereits im Jahre 2014 hat eine Ortseinsicht durch Gemeinde und Baubehörde stattgefunden (Bl. 34 BA). Ausweislich des Vermerks vom 26. Februar 2014 bestehe ein Baurecht nur bei Erlass einer Ortsabrundungssatzung.
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Mit Bescheid vom 14. Februar 2019 lehnte das Landratsamt den Vorbescheidungsantrag ab. Die Fragestellung betreffe die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit. Das Vorhaben liege im Außenbereich. Die Bebauung auf FlNr. …8 im Westen läge jenseits des Grundwegs und des Hangs, der trennende Wirkung habe. Das Vorhabensgrundstück gehöre daher trotz der Bebauung im Süden und Osten zu dem sich nach Norden erstreckenden Außenbereich.
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Mit Schriftsatz vom 13. März 2019 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragte,
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Aufhebung des Bescheids des Landratsamts vom 14. Februar 2019 und Verpflichtung des Beklagten, den begehrten Vorbescheid zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. … positiv zu erteilen.
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Das Vorhaben läge im Innenbereich, da ein Bebauungszusammenhang mit der FlNr. …8 im Westen bestehe. Der Weg trenne nicht und die Erschließung des Bauvorhabens erfolge nicht über den G.weg, sondern von Süden über die H2. straße. Ein Bebauungszusammenhang bestehe. Die FlNrn. … und …1 Teilfläche seien an drei Seiten bebaut. Da nur im Norden eine Freifläche angrenze läge eine Baulücke vor. Sofern ein Außenbereich vorläge handle es sich bei dem Bauvorhaben um ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB. Entgegenstehende öffentliche Belange nach § 35 Abs. 1 Nr. 7 BauGB bestünde nicht und eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenacht der Landschaft läge nicht vor, wenn wie hier eine andere Nutzung nicht baulicher Art verdrängt werde und da hier keine Zersiedelung über die vorhandene hinaus drohe.
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Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 25. Juli 2019
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Der Bebauungszusammenhang ende hier unabhängig vom Verlauf der Grundstücksgrenzen am Ortsrand hinter dem letzten Gebäude. Der G.weg, der auf Höhe des Vorhabensgrundstücks als Feldweg weiter Norden verlaufe habe wegen der im Westen angrenzenden 2 bis 3 m hohen Böschung eine trennende Wirkung; der H2.weg erschließe deshalb ausschließlich die Grundstücke auf seiner Westseite und die parallel dazu verlaufende H2. straße ende als Sackgasse am Grundstück FlNr. …1. Die Bebauung im Westen oberhalb der Böschung werde durch diese beiden Straßen nicht erschlossen. Eine Baulücke läge nicht vor, da das Vorhabensgrundstück wegen seiner Zugehörigkeit zur freien Landschaft zum Außenbereich gehöre. Die öffentliche Belange des § 35 S. 1 Nr. 5 und § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB stünden dem Außenbereichsvorhaben entgegen.
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Nach dem Ergebnis des am 25. Mai 2022 durchgeführten Augenscheins endet der Bebauungszusammenhang im Süden an der nördlichen Hauswand des Wohnhauses auf FlNr. …1 und im Osten mit der Bebauung auf den FlNrn. …4 und …5, jeweils an der westlichen Hauswand. Die im Westen auf der FlNr. …8 bestehende Bebauung nimmt aufgrund des topografischen Höhenunterschieds nicht am Bebauungszusammenhang teilt. Der H2.weg und die anschließende über 2 m hohe Böschung haben nach Westen trennende Wirkung. Auf das Protokoll des Augenscheins wird Bezug genommen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte und das Protokoll des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
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Der Bescheid vom 14. Februar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Der beantragte Vorbescheid für ein Einfamilienhaus wurde zurecht abgelehnt, da das Bauvorhaben im Außenbereich errichtet werden sollte. Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung des beantragten Vorbescheids besteht daher nicht.
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Das geplante Vorhaben liegt nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebautem Ortsteils, § 34 BauGB, sondern im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, § 35 BauGB. Es fehlt im vorliegenden Fall an einem Bebauungszusammenhang und damit an einer Baulücke.
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Voraussetzung für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ist am Ortsrand, in wie weit die Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrserfassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Grundsätzlich endet der Bebauungszusammenhang unabhängig von den Grundstücksgrenzen mit der letzten Wohnbebauung. Die daran anschließenden Flächen gehören zum Außenbereich mit der Einschränkung, dass örtliche Besonderheiten es rechtfertigen können, dem Bebauungszusammenhang topografische Besonderheiten zuzuordnen (BVerfG B.v. 8.10.2015 - 4 B 28/15 und ständige Rechtsprechung).
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Gemessen an diesen Grundsätzen nimmt der Vorhabensstandort nach dem Ergebnis des Augenscheins nicht am Bebauungszusammenhang teil. Auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück, das noch nicht verschmolzen ist, befindet sich keine Bebauung. Der Bebauungszusammenhang endet mit dem Wohnhaus im Süden und den beiden Wohnhäusern im Osten. Im Norden gibt es keine Bebauung. Im Westen grenzt das Vorhabensgrundstück an den H2.weg, einem auf dieser Höhe nicht ausgebautem Feldweg, an dessen Westseite eine 2 bis 4 m hohe (Schätzung) Böschung anschließt. Oberhalb dieser Böschung gibt es eine Wohnbebauung, die jedoch aufgrund der Lage und der Entfernung von der FlNr. … und dem H2.weg aus kaum wahrnehmbar ist. Optisch sowie von der Erschließung her besteht kein Zusammenhang zu der Bebauung auf FlNr. …1, …4 und …5. Ungeachtet dieser topografischen Besonderheit ist auch wegen der Größe der FlNr. …, seiner Ausdehnung Richtung Ost-West sowie des Umstands, dass das Grundstück im Norden an den freien Außenbereich anschließt, nicht der Eindruck vermittelt worden, dass es sich um eine Baulücke innerhalb der vorhandenen Bebauung und damit um ein Innenbereichsgrundstück handelt. Insgesamt hat der Augenschein ergeben, dass das Vorhabensgrundstück am Ortsrand den Beginn des Außenbereichs darstellt.
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Als sonstiges Bauvorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB ist das Vorhaben des Klägers im Außenbereich nicht zulässig, da das geplante Einfamilienhaus öffentliche Belange beeinträchtigt. Insbesondere die Verfestigung einer Splittersiedlung ist zu befürchten, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB. Die Entstehung und Verfestigung einer Splittersiedlung ist anzunehmen, wenn durch das Vorhaben ein Bezugsfall für eine weitere Wohnbebauung entsteht. Dies ist vorliegend der Fall, da das geplante Einfamilienhaus Vorbildwirkung für eine weitergehende Wohnbebauung nördlich und östlich auf der FlNr. … hat. Im Bereich des Vorhabensgrundstück und in seiner unmittelbaren Umgebung würde sich die bestehende Bebauung verdichten und wegen der Bezugsfallwirkung eine weitere Wohnbebauung ermöglicht werden. Als Vorhaben im Außenbereich beeinträchtigt das geplante Wohnhaus den öffentlichen Belangen der natürlichen Eigenart der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. Da der Außenbereich grundsätzlich von jeglicher Bebauung freigehalten werden soll führt jede weitere Bebauung dazu, dass Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert beeinträchtigt werden. Aktuell besteht dort eine landwirtschaftlich genutzte, unbebaute Fläche.
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Darüber hinaus steht dem Vorhaben der ungeschriebene Belang der Notwendigkeit einer baurechtlichen Planung entgegen. Ein baurechtliches Planungsbedürfnis besteht, da hier durch das geplante Bauvorhaben eine Bezugsfallwirkung für ca. bis zu 5 weitere Wohnhäuser entsteht. Unter Berücksichtigung dessen, dass die beigeladene Gemeinde einen Bebauungsplan erlassen hat und der Kläger die Einbeziehung seines Grundstücks abgelehnte, besteht jedoch derzeit nach Auffassung der Gemeinde keine Veranlassung und kein Raum für eine neuerliche Bauplanung z.B. durch eine Außenbereichssatzung.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gemeinde hat keinen Antrag gestellt und trägt daher ihre außergerichtlichen Kosten selbst, § 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 f. ZPO.