Inhalt

VG München, Urteil v. 19.05.2022 – M 31 K 19.34066
Titel:

Asylverfahren, Herkunftsland Peru

Normenketten:
GG Art. 16a Abs. 1
AsylG § 1 Abs. 1 Nr. 1
AsylG §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 ff.
AufenthG § 60 Abs. 5 und 7 S. 1
Schlagworte:
Asylverfahren, Herkunftsland Peru
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19348

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist peruanische Staatsangehörige. Sie reiste am 11. September 2018 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 15. Januar 2019 einen Asylantrag.
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Nach vorheriger persönlicher Anhörung am 8. Februar 2019 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 4. November 2019 den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (Nr. 3) ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Peru oder in einen anderen Staat angedroht, in den sie einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Am 12. November 2019 erhob die Klägerin persönlich zur Niederschrift beim Urkundsbeamten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Beantragt wird sinngemäß,
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den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2019, Aktenzeichen …, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen, hilfsweise ihr die Flüchtlingseigenschaft oder weiter hilfsweise den subsidiären Schutz zuzuerkennen, und noch weiter hilfsweise festzustellen, dass bei ihr Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Peru vorliegen.
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Zur Begründung verweist die Klägerin im Wesentlichen auf ihre Angaben im Rahmen des behördlichen Verfahrens.
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Die Beklagte übersandte die Behördenakten; sie stellt keinen Antrag.
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Mit Beschluss vom 25. April 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der sonstigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2022 trotz des Ausbleibens der Klägerin entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Klägerin ist mit am 27. April 2022 abgesandter Verfügung, ihr zugestellt am 30. April 2022, form- und fristgerecht geladen worden; sie wurde in der Ladung auf die Möglichkeit der Verhandlung und Entscheidung auch bei Ausbleiben eines Beteiligten hingewiesen.
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Die zulässige Klage ist sowohl im Hauptantrag als auch in den Hilfsanträgen unbegründet.
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Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Asylberechtigung oder der hilfsweise begehrten Flüchtlingseigenschaft oder des weiter hilfsweise angestrebten subsidiären Schutzes. Gleiches gilt für die noch weiter hilfsweise beantragte Feststellung, dass bei ihr ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Peru besteht. Vielmehr erweist sich der streitbefangene Bescheid des Bundesamts vom 4. November 2019 als rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Asylberechtigung nach Art. 16a Abs. 1 GG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylG oder des internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3 ff. AsylG.
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Der Vortrag der Klägerin vor dem Bundesamt ist nicht geeignet, ihre Verfolgung oder das Drohen eines ernsthaften Schadens in Peru i.S.d. Art. 16a Abs. 1 GG oder §§ 3 ff. AsylG ausreichend zu belegen.
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1.1 Weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Asylberechtigung nach Art. 16a Abs. 1 GG noch der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylG liegen bei der Klägerin vor.
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Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigte oder Flüchtling rechtfertigen würde, ist aus dem Vortrag der Klägerin nicht ableitbar.
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Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
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Die Furcht vor Verfolgung (Art. 16a Abs. 1 GG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) ist begründet, wenn dem Ausländer die oben genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen. Der in dem Tatbestandsmerkmal „… aus der begründeten Furcht vor Verfolgung …“ des Art. 2 Buchst. d der RL 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG übernommen worden ist, orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er stellt auf die tatsächliche Gefahr ab („real risk“; vgl. EGMR, Große Kammer, U.v. 28.2.2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 18.4.1996 - 9 C 77.95, Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; B.v. 7.2.2008 - 10 C 33.07, ZAR 2008, 192; U.v. 27.4.2010 - 10 C 5.09, BVerwGE 136, 377; U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10, BVerwGE 140, 22; U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936). Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12, NVwZ 2013, 936; U.v. 5.11.1991 - 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162).
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Das Gericht muss dabei sowohl von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung bzw. Schadens die volle Überzeugung gewinnen. Dem persönlichen Vorbringen des Rechtssuchenden und dessen Würdigung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Es ist Sache des Ausländers, die Gründe seiner Verfolgung und Bedrohung in schlüssiger Form vorzutragen (vgl. §§ 15, 25 AsylG). Dabei hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmige Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei dessen Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung oder Bedrohung begründet ist, sodass ihm nicht zuzumuten ist, in das Herkunftsland zurückzukehren.
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Gemessen daran kann dem Vortrag der Klägerin zur Überzeugung des Gerichts nicht entnommen werden, dass sie von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren (vgl. § 3c AsylG) vor ihrer Ausreise aus Peru aus asylrelevanten Gründen verfolgt wurde bzw. bei einer Rückkehr nach Peru mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von diesen verfolgt werden würde. Das Gericht geht davon aus, dass für die Klägerin im Falle der Rückkehr keine Verfolgungsgefahr besteht.
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Die Klägerin begründet ihre Furcht vor Verfolgung und Bedrohung maßgeblich damit, sie sei von Professor M. …, einem Dozenten an ihrer ehemaligen Universität, vergewaltigt worden und sei daraufhin nicht ausreichend seitens der peruanischen Behörden vor seinen Nachstellungen bzw. denen seiner Ehefrau geschützt worden. Die Klägerin habe den Professor von einem Workshop gekannt, infolgedessen es bei einem persönlichen Treffen in seinem Appartement zu einer gewissen Annäherung und in der Folge zu telefonischen Kontaktaufnahmen seinerseits gekommen sei. Die Vergewaltigung sei dann im März 2017 geschehen, als sie ihn wegen persönlicher Probleme in seiner Wohnung aufsuchte; die Ablehnung seiner Annäherungsversuche habe ihn wütend gemacht und er habe sie daraufhin vergewaltigt. Dieses Ereignis habe sie sehr belastet und sie habe beschlossen, eine psychotherapeutische Therapie zu machen. Deshalb habe sie sich an Prof. M. … mit der Bitte gewandt, ihr eine Therapie zu bezahlen, um über das hinwegzukommen, was er ihr angetan habe. Er habe ihr daraufhin vorgeworfen, ihn zu erpressen und ihr gedroht sie anzuzeigen. Auf den Rat ihrer Freundinnen hin habe sie sich am 4. August 2017 an das Ministerium für Frauen und vulnerable Personen (MIMP) gewandt, welches daraufhin Anzeige bei der Staatsanwaltschaft eingereicht habe. Gleichzeitig habe das MIMP einen Antrag auf Schutz bei Gericht gestellt und ihr sei ein Anwalt zugeteilt worden, der sie unterstützen sollte. Die Klägerin trägt vor, die Staatsanwaltschaft habe jedoch nicht einmal Untersuchungen angestellt, so dass es auch zu keiner Anklage gegen Prof. M. … gekommen sei. Das Verfahren sei vielmehr am 29. Dezember 2017 eingestellt worden, was sie nur auf eigene Nachfrage hin in Erfahrung bringen konnte, während Prof. M. … über die Verfahrenseinstellung benachrichtigt worden sei; sie vermute, er habe Schmiergeld für die Einstellung gezahlt.
Zumindest habe die Klägerin gerichtlichen Schutz erlangen können, da eine Verfügung gegen Prof. M. … ergangen sei, wonach er sich ihr nicht mehr nähern dürfe. Diesen Schutz habe er versucht aufheben zu lassen, jedoch ohne Erfolg, denn die Verfügung wurde am 14. Februar 2018 durch das Gericht („Corte superior de justicia de Lima“) auf unbeschränkte Dauer bestätigt. Allerdings sei sie in der Folge von der Frau des Professors angerufen und bedroht worden.
Am 5. März 2018 habe sie Beschwerde wegen Untätigkeit gegen die Staatsanwaltschaft eingelegt, jedoch sei das Verfahren am 19. Juni 2018 als unbegründet zurückgewiesen worden. Ohne Erfolg habe sie sich an Nichtregierungsorganisationen und die Universität gewandt.
Außerdem sei sie in der Folge auf der Straße angegriffen worden, als ein junger Mann ihr das Handy aus der Hand entwendete; sie vermute, dass Prof. M. … jemanden damit beauftragt habe, um ihr Beweise wegzunehmen.
Die Klägerin gibt ferner an, dass sie Angst habe wegen der erlittenen Vergewaltigung stigmatisiert zu werden, da viele der ehemaligen Studenten der Universität nun an wichtigen Positionen sitzen würden und wahrscheinlich von ihrem Vorgehen gegen Prof. M. … wüssten. So sei sie etwa an ihrer neuen Stelle im Arbeitsministerium bereits am ersten Tag ungebührlich angefasst worden und ein verheirateter Mann habe ihr Avancen gemacht. Des Weiteren habe sie Angst, dass Prof. M. … Personen damit beauftragen könnte, ihr etwas anzutun, da er sich ihr nicht mehr nähern dürfe.
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Dieser Vortrag der Klägerin vermag zur Überzeugung des Gerichts die vorgetragene Furcht vor Verfolgung und Bedrohung nicht zu begründen. Denn die von der Klägerin geschilderte Vergewaltigung durch Prof. M. … sowie die vorgebrachten Drohungen durch diesen bzw. dessen Ehefrau im Nachgang der Tat stellen allenfalls ein kriminelles Unrecht dar, das von privater Seite gegen sie begangen worden wäre und keine Anknüpfung an die für die Flüchtlingseigenschaft oder Asylberechtigung maßgeblichen Merkmale i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG bzw. Art. 16a Abs. 1 GG erkennen lässt. Es kann daher offenbleiben, ob das Gericht das Vorbringen bezüglich der erlittenen Vergewaltigung, das - ausweislich der Niederschrift - zumindest im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt plausibel und detailreich hinsichtlich der Schilderung der Umstände erfolgte und auch durch vorgelegte Dokumente aus den peruanischen Verfahren (rechtsmedizinisches Attest, psychologische Berichte) gestützt wird, für glaubhaft und die Klägerin für glaubwürdig hält, wovon sich das Gericht wegen Ausbleibens der Klägerin bei der mündlichen Verhandlung kein eigenes Bild machen konnte.
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Demgegenüber erweisen sich indes die Schilderungen der Klägerin zu den angeblichen Nachstellungen des Prof. M. … bzw. seiner Ehefrau im Nachgang der Vergewaltigung, insbesondere der Überfall auf der Straße, bei der ihr das Handy entwendet worden sein soll, sowie die Stigmatisierung im beruflichen Umfeld infolge der Vergewaltigung als rein spekulativ; mangels konkreter Anhaltspunkte dahingehend, ob die geschilderte Belästigung des Kollegen überhaupt in Kenntnis der Vergewaltigung geschahen, handelt es sich um eine lediglich pauschale Behauptung.
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Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass eine Verfolgung durch einen gemäß § 3c AsylG relevanten Akteur zu befürchten wäre. Wird eine Verfolgung durch Einzelpersonen geltend gemacht, so bedarf es einer eingehenden Prüfung, inwieweit Schutz gegen Verfolgung durch staatliche Akteure erlangt werden kann. Das Gericht hegt diesbezüglich keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der peruanische Staat prinzipiell sowohl in der Lage als auch willens ist, seine Staatsangehörigen vor kriminellen Übergriffen zu schützen und diese zu verfolgen. Denn in Peru stellt Gewalt gegen Frauen zwar nach aktueller Erkenntnislage ein ernsthaftes Problem dar - laut einer Studie im Auftrag der peruanischen Regierung von 2019 wurde über die Hälfte der peruanischen Frauen zwischen 15 und 49 Jahren im zurückliegenden Jahr Opfer von physischer, psychischer oder sexueller Gewalt (Human Rights Watch, World Report 2021, 1.1.2021, S. 17) - allerdings hat der peruanische Staat eine nationale Politik der Geschlechtergleichheit beschlossen, die die strukturelle Benachteiligung von Frauen beenden soll, und hierfür u.a. einen telefonischen Notfallservice sowie Notfallzentren für Frauen eingerichtet und während der Pandemie mobile Teams gegen Gewalt eingesetzt (BAMF, Länderreport Peru, 2021, S. 17f; Immigration and Refugee Board of Canada, Responses to Information Requests, Peru: Domestic violence, including femicide; legislation; state protection and support services available to victims 2014-February 2018; Human Rights Watch, World Report 2021, ebd.). Auch sexuelle Belästigung von Frauen u.a. auch am Arbeitsplatz stellt ein ernstzunehmendes Problem in Peru dar, wobei auch insoweit entsprechende straf- und arbeitsrechtliche Sanktionen vorgesehen sind, deren behördlicher Vollzug noch stark verbesserungsbedürftig ist (Human Rights Watch, World Report 2021, ebd.). Indes - selbst wenn die Effektivität dieser Maßnahmen noch nicht das angestrebte Schutzniveau erreicht hat, so folgt daraus zumindest, dass der peruanische Staat prinzipiell schutzwillig und -fähig ist.
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Dies ist auch insoweit nicht in Zweifel zu ziehen, als die Klägerin auf die Bedeutung und das Renommee des Prof. Morosini verweist, wonach dieser als öffentliche Person mit Macht und politischem Einfluss in der Lage sei, ihr landesweit zu schaden. Denn schon die Unterstützung der Klägerin durch das MIMP wie auch die gerichtliche Verfügung in Form eines Kontaktverbots zum Schutz der Klägerin zeigen, dass die peruanischen Behörden willens und in der Lage sind, der Klägerin Schutz vor einem potentiellen Täter angedeihen zu lassen. Die gerichtliche Verfügung wurde von Prof. Morosini ausweislich der Äußerungen der Klägerin vor dem Bundesamt auch beachtet; ferner hätte die Klägerin gegen die behaupteten Drohungen der Ehefrau ebenfalls eine entsprechende Verfügung beantragen können, was sie aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht getan hat. Weiterhin stellt sich das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Gründe für die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft als spekulativ dar. Gleiches gilt bezüglich der Untätigkeit der Universität auf den von der Klägerin vorgebrachten Vorwurf der Vergewaltigung, die seitens der Universität nachvollziehbar mit dem Ende des Studentenstatus der Klägerin begründet wird. Schließlich wird aus dem Vortrag der Klägerin nicht plausibel, inwiefern Prof. Morosini - oder dessen Ehefrau - seinen Einfluss auch im Falle eines Umzugs der Klägerin innerhalb Perus zu ihrem Schaden ausüben will oder gar kann. Insbesondere hinsichtlich des von der Klägerin geschilderten Überfalls auf der Straße sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dieser in Zusammenhang mit der behaupteten Vergewaltigung bzw. den Nachstellungen durch Prof. Morosini stünde.
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Eine Verfolgung in Peru durch staatliche oder insbesondere nichtstaatliche Akteure steht somit zur Überzeugung des Gerichts für die Klägerin nicht zu befürchten.
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1.2 Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des hilfsweise angestrebten subsidiären internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 4 AsylG.
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Der Vortrag der Klägerin vor dem Bundesamt ist nicht geeignet, das Drohen eines ernsthaften Schadens in Peru i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG ausreichend zu belegen.
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Subsidiär schutzberechtigt ist, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden in Gestalt der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe (Satz 2 Nr. 1), der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (Satz 2 Nr. 2) oder einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlich bewaffneten Konflikts (Satz 2 Nr. 3). Nach 4 Abs. 3 AsylG gelten die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend, wobei an die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens treten; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.
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Es ist nach dem Vortrag der Klägerin nicht ersichtlich, dass einer dieser Tatbestände einschlägig wäre. Ein hier einzig in Betracht kommender ernsthafter Schaden in Form einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.s.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, auch im Zusammenhang mit den vorgebrachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, liegt nicht vor. Bei der von der Klägerin vorgebrachten Furcht vor Nachstellungen und Misshandlungen durch Prof. M. … würde es sich lediglich um kriminelles Unrecht von privater Seite handeln, so dass es - wie vorstehend unter 1.1 ausgeführt - am erforderlichen Merkmal des relevanten Akteurs gemäß § 3c AsylG fehlt.
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Hinsichtlich des Gesundheitszustands der Klägerin ist zu ergänzen: Zu den Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ist - wie bei § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK - aufgrund weitgehend identischer sachlicher Regelungsbereiche auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK zurückzugreifen. Danach haben die sozio-ökonomischen und humanitären Bedingungen im Abschiebezielstaat weder notwendig noch ausschlaggebenden Einfluss auf die Frage, ob eine Person tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach dieser Rechtsprechung allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK annehmen zu können (BVerwG, U.v. 20.5.2020 - 1 C 11/19 - juris Rn. 10 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Ferner gilt, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung wegen der schlechten humanitären Situation im Herkunftsland nur dann einen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG begründet, wenn sie zielgerichtet von einem Akteur im Sinne des § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG ausgeht (BVerwG, aaO, Rn. 12; BayVGH, U.v. 29.10.2020 - 14 B 20.30408 - juris Rn. 28; Hailbronner, Ausländerrecht, 4. Update Oktober 2021, Art. 4 AsylG, Rn. 50). Dementsprechend kann auch die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustandes eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen angemessener Behandlungsmöglichkeiten in seinem Herkunftsland zurückzuführen ist, ohne dass diesem Drittstaatsangehörigen die Versorgung „vorsätzlich“ verweigert würde, keine ausreichende Rechtfertigung dafür sein, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen (BVerwG, aaO, Rn. 12).
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Der Klägerin droht zur Überzeugung des Gerichts weder aufgrund der Sicherheitslage noch ihrer persönlichen Situation als Auslandsheimkehrerin ein ernsthafter Schaden. Auch der Gesundheitszustand der Klägerin führt nicht dazu, dass ihr in ihrem Herkunftsland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Soweit die Klägerin in der Anhörung vor dem Bundesamt vorgetragen hat, sie leide unter Albträumen, wegen derer sie erwog psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wurde im gerichtlichen Verfahren nichts weiter vorgetragen und auch keinerlei aktuelle medizinische Atteste oder Gutachten vorgelegt, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung belegen. Davon abgesehen ist weder vorgetragen noch entspricht es aktueller Erkenntnislage, dass in Peru eine derart defizitäre Gesundheitsversorgung bestünde, die überhaupt ein Fahlen angemessener Behandlungsmöglichkeiten oder gar eine Verweigerung medizinischer Versorgung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung begründete.
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1.3 Die Klägerin hat zudem die Möglichkeit, internen Schutz gemäß § 3e i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG in Peru zu erlangen.
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Nach der Auskunftsklage (vgl. BAMF, Länderreport Peru, 2021, S.5f) besteht im Falle der Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure in Peru die grundsätzliche Möglichkeit einer inländischen Fluchtalternative. Die Umstände des Einzelfalls gebieten keine Abweichung hiervon. Selbst unterstellt, die Klägerin wäre in ihrer Heimatstadt Lima tatsächlich Nachstellungen von Prof. M. … und dessen Ehefrau ausgesetzt, führt dies nicht zum Ausschluss der Möglichkeit des Erlangens internen Schutzes in Peru. Dies zunächst schon deshalb, weil die Klägerin sich seit dem Herbst 2018 und somit bereits seit fast vier Jahren nicht mehr in ihrer Heimat aufhält. Zur Überzeugung des Gerichts ist es nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht wahrscheinlich, dass eine Einzelperson willens und in der Lage wäre, die Klägerin nach mehreren Jahren außer Landes landesweit ausfindig zu machen. Aus der - im Übrigen ziemlich pauschalen - Behauptung der Klägerin, wonach ein Leben in anderen Stadt in Peru mangels guter Arbeitsmöglichkeiten und des verbreiteten Machismo der Männer nicht in Frage komme, folgt sich nichts anderes, denn hiernach droht dort jedenfalls kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 3 AsylG.
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2. Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheiden unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation in Peru und der individuellen Umstände der Klägerin ebenfalls aus.
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Im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK reicht der Umstand, dass die Lage des Betroffenen und seine Lebensumstände im Fall einer Aufenthaltsbeendigung erheblich beeinträchtigt würden, allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen - hier nicht vorliegenden - Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. EGMR, U.v. 27.5.2008 - 26565/05 - NVwZ 2008, 1334; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris; B.v. 25.10.2012 - 10 B 16/12 - juris). Unabhängig davon, in welchen Fällen existenzbedrohende Armut im Sinne von Art. 3 EMRK relevant sein kann, liegen Anhaltspunkte hierfür nicht vor.
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Die Klägerin ist volljährig und nach Aktenlage arbeitsfähig. Insbesondere wurde weder vorgetragen noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nicht arbeitsfähig sei. Hinweise darauf, dass die Klägerin nach ihrer Rückkehr - allein oder gegebenenfalls mit familiärer Unterstützung, namentlich durch die im Heimatland lebende (Groß-) Familie, insbesondere der Eltern und der Geschwister, - nicht in der Lage sein wird, das Existenzminimum für sich zu sichern, sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Es ist nichts dafür erkennbar, dass die Klägerin, die in ihrer Heimat aufgewachsen und sozialisiert ist und über einen Hochschulabschluss verfügt, nicht in der Lage wäre, im Falle der Rückkehr ihren Lebensunterhalt zumindest „mit ihrer Hände Arbeit“, wenn gegebenenfalls auch auf eher niedrigem Niveau, so doch noch ausreichend zu bestreiten. Im Rahmen der Anhörung gab die Klägerin an, insgesamt zehn Jahre berufstätig gewesen zu sein, zunächst habe sie in der Bekleidungsbranche gearbeitet und danach habe sie bei einer Lebensversicherung Versicherungen verkauft und Kundenkonten verwaltet. Bessere wirtschaftliche oder soziale Perspektiven in Deutschland begründen im Übrigen kein Abschiebungsverbot.
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Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Danach soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
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Bei den in Peru vorherrschenden Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG ausnahmsweise dann nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - juris; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris), wenn ein Einzelner gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde, liegt nach dem vorstehend Ausgeführten nicht vor. Auch aus den Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie folgt schließlich nichts anderes, wie sich zur Überzeugung des Gerichts ohne weiteres aus der aktuellen Erkenntnislage ergibt (vgl. z.B. Länderbericht Peru des Auswärtigen Amts, Homepage des AA, zuletzt aufgerufen am 19.5.2022; BayVGH, B.v. 5.8.2021 - 19 ZB 21.1143 - juris Rn. 26).
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Ferner liegt bei der Klägerin kein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis dergestalt vor, dass die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 3.7.2012 - 13a B 11.30064 - juris Rn. 34; vgl. auch Hailbronner, Ausländerrecht, 4. Update Oktober 2021, § 60 AufenthG Rn. 104 m.w.N.). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NRW, B.v. 30.12.2004 - 13 A 1250/04.A - juris Rn. 56). Posttraumatische Belastungsstörungen oder andere schwerwiegende psychische Erkrankungen können nur in Ausnahmefällen bei unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten im Heimatland dann zu einem Abschiebungsverbot führen, wenn die konkrete erhebliche Gefahr besteht, dass sich die Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers alsbald nach seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern wird (Hailbronner, aaO, Rn. 109).
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Nach §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen (§ 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG). Bezüglich der vorgetragen psychischen Probleme, hat die Klägerin im Verfahren lediglich psychologische Berichte aus den Jahren 2017 und 2018 vorgelegt, die im Auftrag des MIMP erstellt worden waren und die ihr eine schwere Depression attestieren. Darüber hinaus hat die Klägerin keine aktuellen ärztlichen Unterlagen vorgelegt, die eine solche Gefahr belegen könnten. Die normative Vermutung nach § 60a Abs. 2c AufentG ist mithin nicht widerlegt.
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3. Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG sowie gegen die Entscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 AufenthG bestehen schließlich ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
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Sonach war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen; das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.