Inhalt

VG München, Urteil v. 30.06.2022 – M 26a K 21.1542
Titel:

Aufhebung des Widerrufs der staatlichen Anerkennung einer Therapieeinrichtung nach §§ 35, 36 BtMG

Normenketten:
BtMG § 35 Abs. 1, Abs. 4, § 36 Abs. 1 S. 1
AGSG Art. 97
BayVwVfG Art. 48 Abs. 4, Art. 49 Abs. 2 S. 2
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 167
Leitsätze:
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist, da es sich um eine Anfechtungsklage handelt und das einschlägige materielle Recht, hier Art. 97 AGSG, keine anderweitige Regelung trifft, der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG BeckRS 2013, 47174 Rn. 13; VGH Mannheim BeckRS 2020, 19483 Rn. 20; OVG Berlin-Brandenburg BeckRS 2017, 106858 Rn. 13). (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht ersichtlich, dass die Behandlung der Probanden nicht (mehr) nach einem wissenschaftlich anerkannten Konzept nach Art. 97 Abs. 1 Nr. 1 AGSG erfolgt oder dass die räumlichen Voraussetzungen für die Behandlung nicht mehr gegeben sind (Art. 97 Abs. 1 Nr. 3 AGSG). (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die leitende Person nicht zuverlässig ist (Art. 97 Abs. 1 Nr. 4 AGSG). Die fehlende Zuverlässigkeit wird damit begründet, dass das Therapiekonzept nicht umgesetzt werde und die Mitteilungspflichten an die Vollstreckungsbehörden nicht erfüllt würden. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Gewerbeausübung ist nicht ordnungsgemäß, wenn die betroffene Person weder willens noch in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde, einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten (vgl. VG Regensburg BeckRS 2020, 34616 Rn. 59). (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
5. Mit der Erteilung der Anerkennung durch Bescheid vom 28. Juni 2012 hat der Beklagte einen ihm zurechenbaren Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen die Klägerin annehmen konnte, ihr würden die Vorkommnisse aus den Jahre 2012 nicht mehr entgegengehalten (vgl. OVG Lüneburg BeckRS 2022, 14022 Rn. 29). (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
6. Nach der Vorgabe des § 35 Abs. 4 BtMG ist die Einrichtung nur verpflichtet, den Abbruch der Therapie mitzuteilen. (Rn. 74) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der staatlichen Anerkennung als Einrichtung nach §§ 35, 36 BtMG, Anerkennungsvoraussetzungen, Fortführungsnachweis, Einrichtung nach §§ 35 36 BtMG, staatliche Anerkennung, Widerruf, Vertrauenstatbestand, Mitteilungspflicht, Zusammenarbeit mit den Vollstreckungsbehörden, Unzuverlässigkeit, Therapieabbruch, Rückfall
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19342

Tenor

I. Der Bescheid der Regierung von Niederbayern (Az. …) vom 18.02.21 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist Inhaberin der Therapieeinrichtung A… … (im Folgenden als Einrichtung bezeichnet) und wendet sich gegen den Widerruf der Anerkennung als Einrichtung nach §§ 35, 36 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG).
2
Mit Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 29. Januar 2004 wurde die Einrichtung der Klägerin, die zum damaligen Zeitpunkt ihren Sitz in O… hatte, als Einrichtung nach § 35 Abs. 1,§ 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG anerkannt. In der Begründung wurde u.a. festgehalten, dass in der Einrichtung nicht mehr als zwei bis drei Personen gleichzeitig unter Zurückstellung der Strafverfolgung gemäß § 35 BtMG aufgenommen werden.
3
Im September 2009 erhielt die nunmehr für die Anerkennung zuständige Regierung von Niederbayern durch Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Justiz und Verbraucherschutz Hinweise, dass die Voraussetzungen der Anerkennung nach Art. 97 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG) für die Einrichtung nicht erfüllt sein könnten. Es wurde mitgeteilt, dass ein ehemaliger Klient in einem Strafverfahren geschildert habe, dass kaum Drogenkontrollen stattfänden, keine Sanktionen bei positiven Kontrollen erfolgten und die Klienten nach Belieben ein- und ausgingen. Bei dem ehemaligen Klienten sei nachträglich nachgewiesen worden, dass er während des Aufenthalts in der Einrichtung zumindest gelegentlich Heroin und Kokain in Verbindung mit Alkohol, regelmäßig Ecstasy und intensiv Amphetamine konsumiert habe (Blatt 4 ff.).
4
Am … April 2010 wurde die Klägerin wegen eines möglichen Widerrufs der Anerkennung als Einrichtung nach §§ 35, 36 BtMG angehört (Blatt 73). In einer Stellungnahme der Klägerin vom … Juni 2010 wurde zugesichert, künftig mehr Drogentests durchzuführen (Blatt 76 ff.). Aus einer internen Stellungnahme des Sachgebiets 53 (Gesundheit) der Regierung von Niederbayern vom … August 2010 geht hervor, dass die Einrichtung grundsätzlich für geeignet gehalten werde, Suchtkranke zu therapieren. Nachbesserungen seien hinsichtlich der Kontrollen erforderlich, es müsse ereignisunabhängige Drogenscreenings durch Mehrfachtests geben. Bei Drogenkonsum müsse die Beendigung der Maßnahme als Konsequenz erwogen werden.
5
Bereits am … April 2010 war seitens der Klägerin ein Antrag auf Änderung der Anerkennung im Hinblick auf die Anzahl der nach § 35 BtMG aufzunehmenden Personen gestellt worden. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde festgestellt, dass die Anerkennung aufgrund eines Umzugs der Einrichtung gegenstandslos geworden war.
6
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2010 wurde die Einrichtung erneut als Einrichtung nach §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG anerkannt (Blatt 84). Die Anerkennung war aufgrund der bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bis zum 30. Juni 2012 befristet und enthielt unter anderem die Auflagen, vermehrt verdachtsunabhängige Drogentests und dabei mindestens alle zwei Wochen stichprobenartig Urinkontrollen durchzuführen, die Tests und ihre Ergebnisse zu dokumentieren und einmal jährlich einen Jahresbericht vorzulegen, der Aussagen zu Fachpersonal, Belegungszahl, Drogentests, Aufnahmen, Entlassungen und Beendigungen trifft.
7
Mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Justiz und Verbraucherschutz vom 22. November 2010 wurde der Regierung von Niederbayern mitgeteilt, dass in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft M. … ein ehemaliger Klient der Einrichtung ausgesagt habe, dass er in der Einrichtung kein drogenfreies Umfeld vorgefunden habe und ein grenzenloses Konzept vorhanden sei, bei dem er von Anfang an den ganzen Tag Ausgang gehabt habe, am Wochenende keine Pflicht bestehe, in der Einrichtung zu sein, und diese nur Schlafplatz sei (Blatt 95 ff.).
8
Mit Schreiben vom … Januar 2011 wurde die Klägerin zu einer möglichen Rücknahme der Anerkennung angehört. In der Stellungnahme der Klägerin vom … Januar 2011 wurde ausgeführt, dass das Konzept missbraucht werden könne und zunächst vielleicht missbraucht werde (Blatt 103 ff.). In der internen Stellungnahme des SG 53 (Gesundheit) der Regierung von Niederbayern vom … April 2011 wurde festgestellt, dass die Einrichtung geeignet sei, die therapeutischen Hauptziele zu erreichen. Die Einrichtung sei aufgrund der geringen Strukturen nicht für jeden Klienten geeignet, es sei deshalb erforderlich, dass die Klienten, die sich nach § 35 BtMG in der Einrichtung aufhielten, bei wiederholtem Besitz, Einnahme oder Weitergabe von Drogen aus der Einrichtung verwiesen, Drogenkontrollen intensiviert würden und Drogenscreenings durch Mehrfachtests öfter stattfänden.
9
Mit Bescheid vom 28. Juni 2012 wurde die Einrichtung unbefristet als Einrichtung nach §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG anerkannt. Der Bescheid enthält unter anderem die Auflagen, die Behandlungen zu dokumentieren und jährlich einen Jahresbericht mit Angaben wie im vorhergehenden Bescheid vorzulegen.
10
Mit Schreiben vom 23. August 2018 informierte das Staatsministerium für Justiz (StMJ) über Erkenntnisse zur Einrichtung und legte Berichte der Staatsanwaltschaft M. … vom 11. Juni 2018 und der Staatsanwaltschaft I. … vom 24. April 2018 vor (Blatt 241 ff.). Die Staatsanwaltschaft M. … berichtete über den ehemaligen Klienten B., dessen Restfreiheitsstrafe ab dem … Januar 2018 nach § 35 BtMG zur Behandlung in der Einrichtung zurückgestellt wurde. Am … Januar 2018 sei er unter Einfluss von Betäubungsmitteln orientierungslos und unterkühlt von der Polizei in M. … aufgegriffen worden. Am … Februar 2018 sei er erneut unter Einfluss von Betäubungsmitteln von der Polizei aufgegriffen und wegen Eigengefährdung in eine Klinik eingewiesen worden. Am … März 2018 sei er nach einem Einbruchdiebstahl festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft M. … habe nur durch Mitteilung der Polizei Kenntnis von den Vorkommnissen erhalten. Die Einrichtung habe auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft M. … mitgeteilt, dass kein Abbruch der Therapie geplant, sondern ein Platz für eine Entgiftung gesucht worden sei. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft M. … vom 20. März 2018 sei die Zurückstellungsentscheidung widerrufen worden. Die Staatsanwaltschaft I. … berichtet über den ehemaligen Klienten P., dessen Reststrafe mit Verfügung vom … Juni 2017 zur Behandlung in der Einrichtung zurückgestellt wurde. Ab … August 2017 seien alle zwei Monate Fortführungsnachweise an die Staatsanwaltschaft geschickt worden, so auch am … Februar 2018 und … März 2018. Zu diesem Zeitpunkt seien bereits Verfahren wegen Diebstählen am …, … und … Januar 2018 anhängig gewesen. Diese hätten zur Inhaftierung am … März 2018 geführt. Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft teilte die Einrichtung mit, dass sich der Proband bereits seit … Januar 2018 nicht mehr in der Einrichtung befunden habe, sondern bei seinen Eltern auf einen Entgiftungsplatz gewartet habe. Mit Verfügung vom … März 2018 wurde die Zurückstellung der Reststrafe widerrufen.
11
In einer internen Stellungnahme des Sachgebiets 53 der Regierung von Niederbayern vom … September 2018 wird festgestellt, dass die Einrichtung aufgrund des Konzepts nur für stabilisierte Patienten geeignet sei. Entsprechende Auswahlkriterien seien im Konzept vorhanden. Laut Konzept gebe es auch klare Regelungen zum Umgang mit Rückfällen. Laut Jahresbericht werde eine ausreichende Anzahl von Tests durchgeführt. Es sei nicht nachvollziehbar, ob die eigenen Vorgaben zum Umgang mit Rückfällen umgesetzt würden. Das therapeutische Konzept sei weiter geeignet, wenn eine sorgfältige Auswahl geeigneter Klienten stattfinde und die eigenen Hausregeln und Angaben im Therapiekonzept durch Drogen- und Ausgangskontrollen eingehalten würden. Aufgrund der mangelhaften Zusammenarbeit der Vollstreckungsbehörden sei das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen jedoch zweifelhaft (Blatt 253 ff.).
12
Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft I… vom 21. November 2018 wurde mitgeteilt, dass der Klient P. in der Hauptverhandlung ausgesagt habe, dass die Therapie „komplett offen“ gewesen sei. Er sei ab … Dezember 2017 für zwei Wochen bei seiner Familie gewesen. Pro Tag habe er bis zu ein Gramm Heroin konsumiert. Er sei nicht kontrolliert worden.
13
Mit Schreiben des StMJ vom 10. Dezember 2018 wurde mitgeteilt, dass der Klient L. in der Zeit vom … Februar 2018 bis … Oktober 2018 in der Einrichtung gewesen sei. Währenddessen seien acht neue Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Die Einrichtung habe jeweils reguläre Fortführungsnachweise übersandt, ohne Unregelmäßigkeiten zu erwähnen. Ob die Therapieeinrichtung Kenntnis von den Taten bzw. den neuen Ermittlungsverfahren gehabt habe, lasse sich den Akten nicht entnehmen.
14
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 wurde die Klägerin zu einem möglichen Widerruf der Anerkennung angehört. In der Stellungnahme vom … Februar 2019 (Blatt 324 ff.) teilte die Klägerin zum Klienten B. mit, dass aufgrund von Auffälligkeiten Drogentests durchgeführt worden seien, diese jedoch negativ gewesen seien. Der Klient habe vermutlich sogenannte Badesalze konsumiert, die nicht in normalen Urintests, sondern nur durch teure und aufwändige Labortests nachgewiesen werden könnten. Es sei beim Bezirk Oberbayern nachgefragt worden, wie mit diesem Fall umzugehen sei. Beim Klienten seien während des Aufenthalts neun Drogentests durchgeführt worden, dabei seien die letzten beiden positiv gewesen. Daraufhin sei mit ihm vereinbart worden, dass ein Platz zur Entgiftung gesucht werde. Aus Sicht der Einrichtung habe es keinen Anlass für eine Mitteilung an die Vollstreckungsbehörde gegeben. Im Fall L. seien 27 Drogentests vorgenommen worden, davon seien vier sowie ein Alkoholtest positiv gewesen. Bei einer Taschenkontrolle sei eine Flasche Bier gefunden worden. Zweieinhalb Monate vor der Entlassung habe es keine positiven Tests mehr gegeben. Beim Klienten P. seien von 17 Tests fünf positiv gewesen, erstmals habe es nach vier Monaten ein positives Ergebnis gegeben. Ab Dezember 2017 habe die Vermutung bestanden, dass der Klient Badesalze konsumiere, die im Urin nicht nachweisbar seien. Der Klient sei ab … Januar 2018 beurlaubt worden, um einen Entgiftungsplatz zu suchen. Die Beurlaubung sei am … Januar 2018 verlängert worden, weil der Klient erneut positiv getestet worden sei. Ab … Januar 2018 habe er eine Entgiftung angetreten, diese habe er am … Februar 2018 abgebrochen. Es sei geplant gewesen, dass der Klient am … März 2018 eine stationäre Entgiftung beginnt, er sei jedoch dann am … März 2018 verhaftet worden. Ein Therapieabbruch während der Beurlaubung sei nicht indiziert gewesen. Der Vollstreckungsbehörde sei nur ein Abbruch der Therapie mitzuteilen, so dass die Fortführungsnachweise korrekt ausgestellt worden seien. Bei der Einrichtung handele es sich nicht um eine geschlossene Einrichtung, eine Freiheitsentziehung sei nur mit richterlichem Beschluss möglich. Das Haus sei daher von 7 bis 22 Uhr offen, die Klienten müssten sich an- und abmelden. Bei Auffälligkeiten bei der Rückkehr finde eine Urin- und Taschenkontrolle statt. Drogentests würden ansonsten alle 14 Tage stichprobenartig und auf Verdacht durchgeführt. Zimmerkontrollen seien wöchentlich und auf Verdacht. Bei Rückfällen gebe es Einzelgespräche, bei wiederholten Rückfällen Gespräche mit Klienten, Team und externen Personen wie Bewährungshelfer, Betreuer oder Vertreter des Bezirks. Die Reaktionsmöglichkeiten seien eine stationäre Entgiftung oder eine Entgiftung in der Einrichtung. Bis zur Entgiftung sei eine Beurlaubung nötig, wenn der Proband für die Einrichtung bis dahin nicht tragbar sei. Sofern keine cleane Rückkehr von der Entgiftung stattfinde, erfolge eine disziplinarische Entlassung. Eine Beurlaubung sei kein Abbruch der Therapie. Als Reaktion auf die Vorfälle werde künftig eine Fachkraft für den Kontakt zu den Vollstreckungsbehörden eingesetzt und die Fortführungsnachweise um Angaben zu Testhäufigkeit, Testergebnissen, Angaben zu Rückfällen und einer Kurzdarstellung des Therapieverlaufs erweitert.
15
Der Stellungnahme der Klägerin vom … Februar 2019 war eine Stellungnahme des Diakonischen Werks als Träger der externen Suchtberatung der Justizvollzugsanstalten B…, C… und D… … vom … Januar 2019 beigefügt. Das Konzept, mit Rückfällen zu arbeiten und nach der Entgiftung eine Rückkehr in die Therapie zu ermöglichen, sei gerade für Langzeitabhängige eine Chance, nach mehreren Anläufen doch Drogenfreiheit zu erreichen. Das Haus A… sei von der Diakonie seit Jahren gerne und häufig belegt. Die Anerkennung des Hauses gemäß §§ 35, 36 BtMG sei hierbei für die Arbeit der Diakonie von höchster Wichtigkeit. Die Therapieeinrichtung A… … schließe aus fachlicher Sicht der Diakonie bayernweit eine riesige Lücke in den Angeboten der Suchthilfe. Die Staatsanwaltschaft über jeden Rückfall zu informieren, sei aus fachlicher Sicht kontraindiziert, da die Klienten aus Angst vor Repressalien ihre Rückfälle nicht mehr zugeben würden und diese nicht mehr fachlich kompetent bearbeitet werden könnten. Die Zusammenarbeit mit der Einrichtung sei sehr gut.
16
Mit Schreiben vom 5. April 2019 wandte sich die Regierung von Niederbayern an das StMJ. Es sei nicht bekannt, nach welchen Kriterien die Zustimmung der Vollstreckungsbehörden zur Einrichtung, die der Verurteilte ausgewählt habe, erfolge und welche Voraussetzungen für die unterschiedlichen Therapieformen (stationär, teilstationär oder ambulant) von den Vollstreckungsbehörden zugrunde gelegt würden. Es stelle sich die Frage, ob aus Sicht der Strafvollstreckungsbehörde eine Beurlaubung von einer Zurückstellungsentscheidung gedeckt sein könne und, wenn dies bejaht werde, ob diese Beurlaubung der Strafvollstreckungsbehörde gemeldet werden müsse. Die Einrichtung gehe bei einer Beurlaubung jedenfalls nicht vom Abbruch der Behandlung aus, weder von Seiten des Verurteilten noch von Seiten der Einrichtung. Auch bei Rückfällen, die vorübergehend eine Einweisung eines Verurteilten in eine Entgiftungsklinik erforderlich machen würden, stelle sich die Frage, ob diese von der Zurückstellungsentscheidung gedeckt sei und ggf. eine Meldepflicht bestehe. Nach § 35 Abs. 4 Halbsatz 2 BtMG seien die behandelnden Personen oder Einrichtungen nur verpflichtet, der Vollstreckungsbehörde den Abbruch der Behandlung mitzuteilen. Die in den Auflagen und Weisungen aus den Zurückstellungsentscheidungen enthaltenen Meldepflichten würden sich an den Verurteilten selbst richten; würden diese nicht eingehalten werden, sei dies aus Sicht der Regierung von Niederbayern nicht der Einrichtung zuzurechnen.
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Mit Schreiben vom 29. Mai 2019 teilte das StMJ mit, dass die Frage, welche Kriterien für die Zurückstellung der Strafvollstreckung zugunsten einer ambulanten, teilstationären oder stationären Therapie erfüllt sein müssten, nicht pauschal beantwortet werden könne. Die Zurückstellung zugunsten einer ambulanten bzw. teilstationären Therapie komme aber jedenfalls regelmäßig nur dann in Betracht, wenn eine Therapieeinrichtung an der Behandlung mitwirke, mit der eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gewährleistet sei. Zudem setze die Zurückstellung unter anderem einen häufigen, möglichst täglichen Kontakt zwischen der verurteilten Person und der Therapieeinrichtung ebenso wie eine Tagesstruktur voraus. Die Frage, ob eine Beurlaubung von einer Zurückstellungsentscheidung gedeckt sein könne, sei ebenfalls nicht pauschal zu beantworten. Die Beurlaubung einer verurteilten Person im Rahmen einer Zurückstellung könne nur dann eine Behandlung im Sinne des § 35 BtMG darstellen, wenn sie im Einzelfall als eine therapeutische Maßnahme zur Überwindung der Sucht eingesetzt werde. Diese Entscheidung obliege in erster Linie der Therapieeinrichtung. Nach hiesiger Einschätzung dürfte aber eine über mehrere Tage oder gar Wochen dauernde Beurlaubung ohne therapeutischen Kontakt nur in besonderen Einzelfällen als Behandlungsmaßnahme zur Überwindung der Sucht einzuordnen sein, was im jeweiligen Einzelfall konkret darzulegen und zu begründen sei. Die behandelnden Personen oder Einrichtungen seien gemäß § 35 BtMG nur verpflichtet, einen Therapieabbruch mitzuteilen. Sofern eine Einweisung in eine Entgiftungsklinik aufgrund eines Rückfalls der verurteilten Person erfolge, löse dies daher immer dann eine Mitteilungspflicht aus, wenn hierin aus Sicht des Behandelnden zugleich ein Therapieabbruch zu sehen sei. Ergänzend zu den nach Durchführung eines Prüfvorgangs zum Haus A. … in den Jahren 2010/2011 aufgetretenen drei Vorfällen werde ein möglicher vierter Fall zur Kenntnis gebracht, wonach ein ehemaliger Klient der Einrichtung in der Hauptverhandlung ausgesagt habe, dass in der Einrichtung viele Drogen im Umlauf seien und mit Drogen gehandelt werde.
18
Mit Schreiben vom … Juni 2019 erfolgte eine erneute Anhörung der Klägerin zu einem möglichen Widerruf der Anerkennung. In der Stellungnahme des Bevollmächtigten der Klägerin vom … September 2019 wurde ausgeführt, dass es möglich sei, dass Drogen im Umlauf seien, dies sei auch in Justizvollzugsanstalten der Fall, obwohl diese sehr stark kontrolliert seien. Bei der Einrichtung handele es sich aus therapeutischen Gründen um ein offenes Haus, da Selbstverantwortung Teil des Konzepts sei. Künftig könne die Einrichtung die Klienten immer nach längeren Abwesenheiten testen. Im Fall P. bestehe Einigkeit, dass eine Anzeige an die Vollstreckungsbehörde erforderlich gewesen wäre. Der damals zuständige Sozialpädagoge sei von seinen Aufgaben entbunden worden, es sei eine neue Sozialpädagogin tätig, die nur für Klienten nach § 35 BtMG zuständig sei (Blatt 382 ff.).
19
Mit Schreiben vom … November 2019 wurde die Klägerin erneut zu einem möglichen Widerruf der Anerkennung angehört. Danach seien die Vorgaben aus dem Therapiekonzept und der Hausordnung zu verpflichtenden Veranstaltungen und An- und Abwesenheiten der Klienten angesichts der Vorfälle nicht eingehalten worden. Es gebe in der Einrichtung keine klaren Kriterien, wann eine Therapie zu beenden sei. Die Vorfälle gingen einher mit einer steigenden Anzahl von Klienten nach § 35 BtMG. In der hierzu erfolgten Stellungnahme des Bevollmächtigten der Klägerin vom … Dezember 2019 wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen des Art. 97 AGSG nach wie vor vorlägen. Es gebe keine gesetzliche Vorgabe, wie ein Therapiekonzept aussehen müsse. Die Leiterin der Einrichtung habe ihre Aufgabe zuverlässig erfüllt, indem sie auf die Vorkommnisse reagiert und den zuständigen Sozialpädagogen von seinen Aufgaben entbunden, sowie organisatorische Maßnahmen ergriffen habe. Seither habe es keine neuen Vorkommnisse gegeben. Soweit die gestiegenen Fallzahlen an Klienten nach § 35 BtMG verantwortlich gemacht würden, sei eine entsprechende Senkung der Belegungszahlen eine verhältnismäßige Maßnahme. Eine Regelung zu Therapieabbrüchen finde sich in Ziffern 3.1, 3.2, 3.4 und 3.7 der Hausordnung. Ein schematisches Vorgehen sei nicht möglich, es müsse immer eine Einzelfallentscheidung geben, da Rückfälle zur Therapie gehörten und entscheidend sei, wie die Therapie insgesamt verlaufe und ob der Klient Fortschritte mache.
20
Am … Februar 2020 fand ein Gespräch mit der Klägerin, ihrem Bevollmächtigten und Vertretern der Regierung von Niederbayern statt. Dabei wurde vereinbart, dass aufgrund der Vorkommnisse eine Entgiftung, Beurlaubung etc. künftig zügig der Staatsanwaltschaft mitgeteilt werde. Das Therapiekonzept werde bis Ende März 2020 überarbeitet, ggf. erfolge eine Reduzierung der Plätze für Klienten nach § 35 BtMG.
21
Am … März 2020 wurde das überarbeitete Konzept übersandt (Blatt 427 ff.), wonach künftig den Vertretern der Justizbehörden die therapeutische Vorgehensweise und die Ergebnisse der Drogenscreenings mitgeteilt würden. Darüber hinaus werde bei akuten Krisensituationen umgehend informiert und das weitere Vorgehen abgestimmt. Beurlaubungen fänden nur noch in Absprache mit den Justizbehörden und der Fachabteilung des Bezirks statt. Verstöße gegen gerichtliche Auflagen und Absprachen während einer Beurlaubung würden unverzüglich mitgeteilt.
22
Am … Juni 2020 hörte der Beklagte die Klägerin zur Änderung der Anerkennung als Einrichtung nach §§ 35, 36 BtMG dahingehend, dass künftig nur noch vier Probanden nach §§ 35, 36 BtMG gleichzeitig therapiert werden dürften, unter dem Betreff „Anhörung zum teilweisen Widerruf der Anerkennung“ an.
23
Am 16. September 2020 informierte das StMJ über Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem ehemaligen Klienten R. (Blatt 446 ff.). Dieser habe bei einer Vernehmung angegeben, dass er in der Einrichtung regelmäßig, zum Teil täglich, Heroin konsumiert habe. Einmal habe er eine Überdosis genommen, was von niemanden bemerkt worden sei. An einem Tag habe er zweimal Heroin und einmal MDMA konsumiert. Am selben Tag habe er dem ehemaligen Bewohner M. Heroin verabreicht. Dieser sei in der Folge verstorben. Er sei zwei Jahre in der Einrichtung gewesen, während dieser Zeit habe sich keine Verbesserung seiner Suchtproblematik eingestellt. In der Einrichtung habe es keine Langzeittests gegeben.
24
Am … Oktober 2020 hörte der Beklagte die Klägerin zu einem möglichen Widerruf der Anerkennung an. Mit Schreiben vom … Oktober 2020 erfolgte eine Stellungnahme des Bevollmächtigten der Klägerin. Danach seien R. und M. nicht nach §§ 35 ff. in der Einrichtung gewesen, es habe daher keine Verpflichtung bestanden, die Vollzugsbehörden über den Therapieverlauf von R. zu informieren. Die Rückfallarbeit sei Teil des Therapiekonzeptes, der Klient habe Fortschritte gemacht, Rückfälle seien bei derart schweren Fällen der Sucht nicht erstaunlich. Der Klient M. sei nach § 57 BtMG als Bewährungsauflage in der Einrichtung gewesen. Es habe eine enge Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer gegeben. M. sei über 50 Jahre drogensüchtig gewesen, zuletzt habe er Alkohol und das Medikament Pregabalin konsumiert. Es sei ihm schwergefallen, abstinent zu leben, zum Todeszeitpunkt sei er dabei gewesen, aus der Einrichtung auszuziehen. Die Todesursache sei laut Polizei ungeklärt. Bei freiwilligen Aufenthalten sei eine disziplinarische Beendigung der Maßnahme schwierig, da der Bezirk Oberbayern als Kostenträger zuletzt auch bei Drogenweitergabe in der Einrichtung einer Beendigung nicht zugestimmt habe.
25
Mit Schreiben vom … Oktober 2020 teilte der Bewährungshelfer des Klienten M. mit, dieser sei bei Gericht als Risikoproband geführt worden. Es habe ein guter und offener Austausch mit der Einrichtung bestanden. Deren Mitwirkungspflichten seien jederzeit erfüllt worden.
26
Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft M. … vom 8. Januar 2021 wurde mitgeteilt, dass die Klienten R. und M. nicht nach §§ 35 ff. BtMG in der Einrichtung gewesen seien. Die Ursache für den Tod des Klienten M. sei nach dem Vermerk der Ermittlungsstaatsanwältin vom … Januar 2021 (Blatt 464 f.) der Konsum von Heroin gewesen. Nach dem toxikologischen Gutachten habe Heroin, Paracetamol, Ibuprofen und Ramipril nachgewiesen werden können. Auch eine Alkoholisierung in Höhe von 0,21 Promille sei nachweisbar gewesen. Die festgestellten Konzentrationen von Methanol im Oberschenkelvenenblut sowie im Urin sprächen deutlich für eine dem Ableben vorausgehende länger andauernde und durchgehende Alkoholisierung. Eine Veränderung am rechten Handrücken lasse sich möglicherweise auf die Aufnahme von Betäubungsmitteln oder Medikamente zurückführen. Der Tod des Klienten lasse sich als Folge einer protrahiert verlaufenden Intoxikation mit Heroin bei vorbestehender Alkoholisierung und fehlender Opiattoleranz erklären.
27
Mit Schreiben vom 13. Januar 2021 teilte das StMJ Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Klienten S. mit. Dieser habe nach Vollverbüßung seiner Freiheitsstrafe unter Führungsaufsicht gestanden und habe eine gerichtliche Abstinenzweisung bezüglich Alkohol und illegaler Drogen sowie eine Abstinenzkontrollweisung erhalten. Seit … Mai 2020 habe er sich in der Einrichtung aufgehalten, in den Fortführungsnachweisen sei ihm eine zuverlässige Teilnahme am Therapieprogramm bescheinigt worden, obwohl im Nachweis vom … August 2020 drei Verstöße gegen das Alkoholabstinenzgebot und ein verweigerter Alkoholtest und im Nachweis vom … Oktober 2020 elf Verstöße gegen das Alkoholabstinenzgebot aufgeführt wurden. Es sei trotz der Verstöße kein Abbruch der Therapie vorgenommen worden. Die Fälle hätten nach Überarbeitung des Therapiekonzepts stattgefunden.
28
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 18. Februar 2021 wurde die mit Bescheid der Regierung von Niederbayern vom 28. Juni 2012 erteilte staatliche Anerkennung des „Haus A. …“ als Einrichtung gemäß §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG mit Wirkung zum 30. April 2021, 24.00 Uhr widerrufen (Ziffer 1). Die sofortige Vollziehung des Widerrufs wurde angeordnet (Ziffer 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der Vorkommnisse in den Jahren 2009 und 2010 sowie 2018, 2019 und 2020 aufgezeigt werde, dass bei der Behandlung der Probanden nach § 35 BtMG erhebliche Mängel bestünden und die Anerkennungsvoraussetzungen nach Art. 97 Abs. 1 Nrn. 2, 4 und 5 ASGS in der Einrichtung nicht mehr erfüllt seien. Die auf Eigenverantwortlichkeit, gegenseitigem Vertrauen sowie damit einhergehender Offenheit und Freizügigkeit der Einrichtung basierenden Therapieprinzipien stünden nicht in Einklang mit den Kontroll- und Verfahrensmaßgaben, die eine staatliche Einrichtung nach §§ 35, 36 BtMG zu gewährleisten habe. Daran ändere auch das überarbeitete Therapiekonzept nichts, da sich bereits kurz nach der Übersendung schwerwiegende Vorfälle ereignet hätten. Es sei deutlich geworden, dass nicht ausreichend Fachpersonal zur Verfügung stehe, da im Jahr 2018, in dem sich mehrere Vorfälle ereignet hatten, die Einrichtung im Schnitt mit 8,25 Klienten nach § 35 BtMG belegt gewesen sei. Im Jahr 2016 seien es nur 3,83 solcher Klienten gewesen. Die Anzahl der Vollzeitstellen habe sich im selben Zeitraum nur von 5,25 auf 5,95 Stellen erhöht. Aus den Zahlen sei ersichtlich, dass zwischen den Unregelmäßigkeiten und der nicht ausreichenden Ausstattung von Fachpersonal ein Zusammenhang bestehe. Die Schwere der Vorkommnisse seit 2018 stelle die Zuverlässigkeit der Leiterin der Einrichtung in Frage, da diese dafür Sorge zu tragen habe, dass die Hausordnung und das therapeutische Konzept eingehalten würden und die Zusammenarbeit mit den Vollstreckungsbehörden erfolge. Die Zusammenarbeit mit den Vollstreckungsbehörden habe insbesondere im Rahmen der Vorkommnisse im Jahr 2018 wiederholt nicht funktioniert. Im Januar 2021 habe der Beklagte erneut Kenntnis davon erhalten, dass trotz Änderung des Konzepts und dessen Vorlage am … März 2020 Unregelmäßigkeiten bei der Zusammenarbeit mit den Vollstreckungsbehörden nach § 35 Abs. 4 BtMG aufgetreten seien, da in Fortführungsnachweisen trotz Verstößen gegen das Alkoholabstinenzgebot eine zuverlässige Therapieteilnahme bescheinigt worden und keine disziplinarischen Maßnahmen ergriffen worden seien. Der Widerruf entspreche pflichtgemäßem Ermessen. Der Sofortvollzug sei erforderlich, weil es andernfalls aufgrund der zum Teil massiven und seit 2018 gehäuften Unregelmäßigkeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu weiteren durch die Klienten verübten Straftaten oder anderen, schlimmstenfalls tödlich endenden Zwischenfällen kommen werde.
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Mit Schreiben vom 26. Februar 2021 berichtetet das StMJ über Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Klienten P. Dessen Reststrafe sei mit Verfügung vom … September 2018 nach § 35 BtMG zurückgestellt worden. Er habe sich vom … September 2018 bis … September 2020 in der Einrichtung aufgehalten. Der Klient sei regelmäßig rückfällig geworden und habe mehrmals entgiftet. Trotzdem sei ihm eine zuverlässige Teilnahme am Therapieprogramm bescheinigt worden, so zum Beispiel im Fortführungsnachweis vom … Januar 2020, in dem vier positive Drogentests aufgeführt worden seien. Trotz der Rückfälle habe er die Erlaubnis erhalten, während des Lockdowns im März 2020 bei seiner Familie zu wohnen und nur telefonisch im Kontakt mit der Einrichtung zu sein. Trotz erneuter Anklagen wegen Taten während der Therapie sei ihm von der Einrichtung eine positive Prognose hinsichtlich eines drogen- und straffreien Lebens erteilt worden.
30
Am 19. März 2021 erhob die Klägerin Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte,
31
Der Bescheid der Regierung von Niederbayern (AZ …) vom 18.02.21 wird aufgehoben.
32
Zur Begründung wird ausgeführt, der Beklagte führe eine Reihe von Vorfällen an, zu denen sich die Einrichtung in der Vergangenheit ausführlich geäußert und dargelegt habe, dass - mit Ausnahme eines Vorfalls im Jahr 2018 - kein Verschulden der Einrichtung vorliege. Die Zahl der Probanden nach § 35, 36 BtMG sei einvernehmlich auf vier reduziert worden. Eine Knappheit an Personal bestehe daher nicht mehr. Die Einrichtung habe zudem ausreichend mit den Justizbehörden kooperiert und Verstöße ordnungsgemäß mitgeteilt. Ein Abbruch der Therapie sei aus therapeutischer Sicht nicht veranlasst gewesen, die Staatsanwaltschaft habe die Maßnahme nach §§ 35, 36 BtMG jederzeit widerrufen können.
33
Mit Schreiben vom 29. Juli 2021 erwiderte der Beklagte und beantragte,
34
die Klage abzuweisen.
35
Zur Begründung führte er aus, dass die Bestimmung des § 35 BtMG als Kompromiss zwischen dem Bemühen um die Resozialisierung drogenabhängiger Straftäter und dem Interesse der Verteidigung der Rechtsordnung durch die Verfolgung von Straftaten zu verstehen sei, so dass eine hinreichende Kontrolle des Probanden und seiner therapeutischen Bemühungen gewährleistet sein müsse, da der Strafanspruch im Grundsatz fortbestehe. Die bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten machten deutlich, dass das genehmigte Konzept nicht gelebt und umgesetzt werde und eine sorgfältige Auswahl der Probanden nicht erfolge. Die vermehrten gleichlautenden Aussagen der Probanden zu den Zuständen in der Einrichtung seien glaubhafter als die Aussagen der Mitarbeiter der Einrichtung. Inzwischen seien zwei Personen infolge ihres Drogenkonsums in der Einrichtung verstorben. Das Konzept gelte für alle Probanden der Einrichtung, so dass es unerheblich sei, wenn Vorkommnisse Probanden beträfen, die nicht nach §§ 35, 36 BtMG in der Einrichtung sind. Aufgrund der zu laxen Teststrategie komme die Einrichtung ihrer Kontroll- und Sicherungsfunktion nicht ausreichend nach. Entgegen der Vorgabe im Konzept, seien Beurlaubungen in den Jahren 2019 und 2020 nicht mit den Justizbehörden und der zuständigen Fachabteilung des Bezirks abgesprochen worden. Für die Beurteilung seien auch Vorkommnisse vor 2018 relevant, da diese für sich genommen zwar eine Unzuverlässigkeit nicht belegen konnten, jedoch bei einer Gesamtbetrachtung aller Faktoren zu berücksichtigen seien. Die Unterwanderung des Therapiekonzepts sei zwar nicht zu vermeiden, die Einrichtung müsse ihre Regelungen jedoch deutlich konsequenter umsetzen. Nach dem Jahresbericht 2020 seien pro Proband durchschnittlich nur 2,3 Testungen pro Monat durchgeführt worden, was angesichts des behandelten Klientels und des offenen Konzepts zu wenig sei. Zwar entspreche dies der Testhäufigkeit in anderen Einrichtungen, es werde jedoch allgemein zu selten getestet, worauf der Beklagte aufgrund der Therapiefreiheit keinen Einfluss nehmen könne. Das Prinzip Vertrauen sei an seine Grenzen gestoßen und das Konzept könne nicht mehr als geeignet eingestuft werden, so dass die Behandlung nicht mehr nach einem wissenschaftlich anerkannten Konzept erfolge. Klienten nach §§ 35, 36 BtMG hätten einen höheren Bedarf an therapeutisch-medizinischer Betreuung, weil sie die Grenzen der reinen Sucht überschritten hätten und straffällig wurden, so dass ein größerer Fachpersonalkörper erforderlich sei. In Bayern existiere für Einrichtungen nach § 35 BtMG keine klar definierte Richtlinie, wie viel Fachpersonal notwendig sei, die Anzahl richte sich nach dem Therapiekonzept und es müsse immer wieder überprüft werden, ob das vorhandene Personal ausreichend sei. Dies sei in Anbetracht der Situation in der streitgegenständlichen Einrichtung nicht der Fall. Verantwortlich für die Unregelmäßigkeiten sei die Einrichtungsleitung, diese könne daher nicht als zuverlässig angesehen werden. Missstände hätten früher beseitigt werden müssen. Es habe mehrfach Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Vollstreckungsbehörden nach § 35 Abs. 4 BtMG gegeben. Massive und andauernde gravierende Verstöße müssten zu einer Entlassung aus disziplinarischen Gründen führen, dies erfolge nicht. Bei den bekannt gewordenen Sachverhalten in der Einrichtung handele es sich bayernweit um einzigartige Vorkommnisse. Die Vollstreckungsbehörden seien nicht zuständig, über einen Therapieabbruch zu entscheiden, da nach § 35 Abs. 4 BtMG von der Einrichtung nur ein solcher Therapieabbruch mitzuteilen sei und die erforderlichen Tatsachengrundlagen den Vollstreckungsbehörden daher nicht bekannt seien. Die Einrichtung übersende Fortführungsnachweise, in denen positive Drogenscreenings mitgeteilt werden und gleichzeitig pauschal angegeben werde, dass der Proband die Therapie ordnungsgemäß fortführe und am Therapieprogramm zuverlässig teilnehme. Die Vollstreckungsbehörden seien aufgrund dieser Mitteilung nicht in der Lage, über einen Abbruch zu entscheiden, da diese Entscheidung individuell im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, wie dem Anlass des Rückfalls und dem Umgang des Probanden damit entschieden werden müsse. Positive Testergebnisse würden außerdem mit zeitlichem Verzug übermittelt. Die erforderliche Mitwirkungs- und Kooperationsbereitschaft der Einrichtung habe sich auch nach Änderung des Therapiekonzeptes nicht verbessert. So sei für den Probanden S. ein positiver Fortführungsnachweis übersandt worden, obwohl telefonisch mitgeteilt worden war, dass der Proband keine Entscheidung für ein abstinentes Leben getroffen habe, kein Problem im Alkohol sehe und keine Veränderungsbereitschaft zu erkennen sei. Eine Abstimmung zu akuten Krisensituationen oder Beurlaubungen habe auch nach Änderung des Konzepts nicht stattgefunden. Kontrollen durch den Beklagten vor Ort seien nicht geeignet, um die grundsätzlichen Missstände in der Einrichtung zu beseitigen. Eine Reduzierung der Zahl der Probanden nach §§ 35, 36 BtMG sei kein milderes und gleich wirksames Mittel, da sich gezeigt habe, dass auch die freiwillige Reduzierung der Belegungszahl nicht zu einer Verbesserung der Situation geführt habe. Das Konzept der Einrichtung sei aus medizinisch-fachlicher Sicht nicht mehr zu befürworten, so dass eine Anerkennung nicht mehr erfolgen würde.
36
Der Bevollmächtigte der Klägerin wies mit Schreiben vom … November 2021 auf Nachfrage des Gerichts darauf hin, dass es seit dem … März 2020 keine Entgiftungen mehr gegeben habe. Es hätten coronabedingt drei Beurlaubungen stattgefunden. Diese seien ordnungsgemäß im Rahmen der Fortführungsnachweise mitgeteilt worden. Es habe mit Ausnahme eines Falles keine Rückmeldung der Justiz gegeben, so dass die Klägerin von einem Einverständnis ausgegangen sei. In zwei Krisenfällen habe es Gespräche mit dem Richter bzw. der Bewährungshilfe gegeben. Aus der vorgelegten Dokumentation der Fälle, die ihre Therapie nach § 35 BtMG in der Einrichtung durchführten oder noch durchführen, ergebe sich, dass sämtliche Vorwürfe des Beklagten jeglicher Grundlage entbehrten. Die Klägerin sei in jedem Fall ihrer Berichtspflicht an die Staatsanwaltschaft bzw. Bewährungshilfe gerecht geworden. Es habe keinen einzigen Fall gegeben, in dem sich die Justiz über mangelnde Information der Einrichtung beklagt oder in Fällen der Rücksprache Maßnahmen der Einrichtung wie Urlaub oder Fortführung der Therapie trotz Rückfälle beanstandet hätten. Es sei eine Besonderheit der Klägerin, dass sie mit einem hohen Anteil rückfälliger Probanden arbeite. Rückfall sei bei Probanden, die teilweise seit Jahren schwerst abhängig sind, keine Krise, sondern Alltag und kein Grund an sich, die Therapie abzubrechen.
37
Am 30. Juni 2022 fand die mündliche Verhandlung statt.
38
Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Behördenakten, die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 26a S 21.1544 sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

39
Die Klage ist zulässig und begründet.
40
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO zulässig.
41
2. Die Klage ist auch begründet, da der Bescheid des Beklagten vom 18. Februar 2021 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
42
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist, da es sich um eine Anfechtungsklage handelt und das einschlägige materielle Recht, hier Art. 97 AGSG, keine anderweitige Regelung trifft, der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2012 - 8 C 28/11 - juris Rn. 13). Bei dem Widerruf der staatlichen Anerkennung der Therapieeinrichtung handelt es sich auch nicht um einen Dauerverwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist dadurch gekennzeichnet, dass er die auf Dauer angelegten Rechtsverhältnisse zur Entstehung bringt und sie ständig aktualisiert. Bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung ergibt sich die prinzipielle Bedeutsamkeit einer nachträglichen Veränderung der ihr zugrunde liegenden Sach- und Rechtslage daraus, dass eine Vermutung dafür besteht, dass dem Betroffenen durch die Bündelung von Bescheiden in einem einzigen Verwaltungsakt keine Nachteile im Vergleich zu jenen Fällen entstehen soll, bei denen eine Vielzahl zeitlich begrenzter Verwaltungsakte ergehen, für die jeweils gesondert geprüft werden müsste, ob die ihren Erlass rechtfertigende Sach- oder Rechtslage noch besteht. Nach diesem Maßstab stellt der Widerruf der Anerkennung keinen Dauerverwaltungsakt dar. Es handelt sich um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, durch den eine auf Antrag eingeräumte Rechtsposition wieder entzogen wird. In solchen Fällen ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 6.8.2020 - 10 S 1509/20 - juris Rn. 20 mit Verweis u.a. auf OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 22.03.2017 - OVG 1 B 22.15 - juris Rn.13 und m.w.N.).
43
Rechtsgrundlage für den Widerruf der Anerkennung als staatlich anerkannte Therapieeinrichtung nach §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG ist Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
44
1. wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist
45
2. wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist, und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat,
46
3. wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre,
47
4. wenn die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder aufgrund des Verwaltungsakts noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde,
48
5. um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
49
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt.
50
2.1. Es ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen, dass die Voraussetzungen der Nummern 2, 4 oder 5 des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG gegeben sind. Zwar ist der Anerkennungsbescheid vom 28. Juni 2012 mit Auflagen verbunden, ein Verstoß gegen diese Auflagen ist jedoch nicht ersichtlich (Nr. 2). Auch ist keine geänderte Rechtsvorschrift vorhanden, die die Behörde berechtigen würde, die Anerkennung nicht zu erteilen (Nr. 4) und es sind keine schweren Nachteile für das Gemeinwohl zu befürchten, die den Widerruf erforderlich machen würden (Nr. 5). Dabei handelt es sich um einen Auffangtatbestand für nicht absehbare Ausnahmefälle, der eng auszulegen ist, so dass ein restriktives Verständnis der geschützten öffentlichen Interessen erforderlich ist. Gefordert ist somit eine Notstandslage, wie eine Katastrophensituation oder vergleichbare außergewöhnliche Umstände (Schoch/Schneider VwVfG/Schoch, Juli 2020, VwVfG § 49, Rn.132-136). Allein die abstrakte Gefahr, dass weitere Straftaten begangen oder Personen durch den Konsum von Drogen zu Schaden kommen könnten, reicht somit hierfür nicht aus.
51
Im Übrigen hat der Beklagte seine Widerrufsentscheidung auch nicht auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 4 oder 5 BayVwVfG gestützt.
52
2.2. Auch die Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG liegen nicht vor. Zwar ist unter Ziffer 2 des Anerkennungsbescheides vom 28. Juni 2012 der Widerruf für den Fall vorbehalten, dass die Einrichtung die nach Art. 97 Abs. 1 AGSG genannten Anerkennungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt, jedoch steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dieser Fall eingetreten ist.
53
2.2.1. Es ist nicht ersichtlich, dass die Behandlung der Probanden nicht (mehr) nach einem wissenschaftlich anerkannten Konzept nach Art. 97 Abs. 1 Nr. 1 AGSG erfolgt oder dass die räumlichen Voraussetzungen für die Behandlung nicht mehr gegeben sind (Art. 97 Abs. 1 Nr. 3 AGSG). Nach dem streitgegenständlichen Widerrufsbescheid vom 18. Februar 2021 sind allein die Anerkennungsvoraussetzungen nach Art. 97 Abs. 1 Nr. 2, 4 und 5 AGSG nicht mehr erfüllt.
54
2.2.2. Weiter ist weder dem streitgegenständlichen Widerrufsbescheid noch den vorgelegten Behördenakten zu entnehmen, dass die Behandlung nicht mehr durch Fachpersonal in ausreichender Zahl durchgeführt wird (Art. 97 Abs. 1 Nr. 2 AGSG). Weder aus den genannten Unterlagen noch aus dem Anerkennungsbescheid vom 28. Juni 2012 wird ersichtlich, welche Anzahl an Fachpersonal der Beklagte für den Betrieb der Therapieeinrichtung mit 20 Plätzen bzw. für die Aufnahme von Probanden nach §§ 35, 36 BtMG für erforderlich erachtet bzw. wie groß die Anzahl von Probanden nach §§ 35, 36 BtMG, die gleichzeitig in der Einrichtung therapiert werden, in Anbetracht des vorhandenen Fachpersonals sein darf. Auch nach Angaben des Beklagten im Schreiben vom 29. Juli 2021 (Blatt 43) existieren in Bayern für Einrichtungen nach § 35 BtMG keine klar definierten Richtlinien, wie viel Fachpersonal benötigt wird. Die Anzahl richte sich in erster Linie nach dem Therapiekonzept. Soweit aus den Vorkommnissen in der Einrichtung geschlussfolgert wird, dass „für die Behandlung der Probanden nach § 35 BtMG offenbar nicht in ausreichender Anzahl Fachpersonal zur Verfügung stehe“, handelt es sich dabei lediglich um eine im Widerrufsbescheid angestellte Vermutung. Aus den Jahresberichten der Jahre 2016, 2017 und 2018 ergibt sich, dass die Anzahl der insgesamt belegten Plätze in diesem Zeitraum von 18,08 auf 19,75 angestiegen ist. Dies entspricht einem Anstieg von ca. 1,5 Personen, mit dem wohl auch der moderate Anstieg des Fachpersonals im selben Zeitraum korreliert. Aufgrund einer mündlichen Vereinbarung mit dem Beklagten wurde die Anzahl der Probanden nach § 35 BtMG in der Einrichtung im Übrigen auch auf vier reduziert.
55
2.2.3. Weiter ist für das Gericht nichts dafür ersichtlich, dass die leitende Person nicht zuverlässig ist (Art. 97 Abs. 1 Nr. 4 AGSG). Die fehlende Zuverlässigkeit wird damit begründet, dass das Therapiekonzept nicht umgesetzt werde und die Mitteilungspflichten an die Vollstreckungsbehörden nicht erfüllt würden.
56
(1) Bei dem Begriff der Unzuverlässigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung obliegt. In Anlehnung an die Rechtsprechung zum Gewerberecht ist unzuverlässig, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird. Die Gewerbeausübung ist nicht ordnungsgemäß, wenn die betroffene Person weder willens noch in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde, einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten (vgl. VG Regensburg, B.v. 26.11.2020 - RN 5 S 20.2026 - juris Rn. 59 m.w.N.). Dass dies vorliegend der Fall ist, steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest.
57
(2) Weder das AGSG noch §§ 35 ff. BtMG enthalten Vorgaben, auf welche Weise das Therapieziel der dauerhaften Abstinenz erreicht werden soll. Nach allgemeiner Ansicht liegt § 35 BtMG ein weites Therapieverständnis zugrunde (Bohnen in BeckOK BtMG, Bohnen/Schmid, 9. Edition, Stand 15. 12. 2020 § 35 Rn 25, m.w.N.). Aus dem Zweck und dem Gesamtzusammenhang der Regelung des § 35 BtMG ergibt sich, dass während der Zurückstellung eine hinreichende Kontrolle des Probanden und seiner therapeutischen Bemühungen gewährleistet sein muss (Kornprobst in Münchner Kommentar zum StGB, 3. Auflage § 35 BtMG, Rn. 67). Therapie ist jedoch ein langes, prozesshaftes Geschehen, in dem es darum geht, Rückfälle therapeutisch zu verarbeiten, drogenfreie Intervalle zu vergrößern und Erfolge in kleinen Schritten anzustreben. Dabei sind zu einem Therapieerfolg regelmäßig zahlreiche Therapieversuche notwendig. Die neuere Rückfallforschung sieht chronischen Missbrauch und Abhängigkeit von Rauschmitteln als Symptom einer seelischen Störung und den Rückfall als zentralen Bestandteil der Abhängigkeit an (Fabricius in Körner/Patzak/Volkmer, Betäubungsmittelgesetz, 9. Auflage 2019, § 35, Rn. 449).
58
Aus internen Stellungnahmen des Sachgebiets 53 (Gesundheit) der Regierung von Niederbayern, zuletzt vom … September 2018, geht hervor, dass das Therapiekonzept grundsätzlich als geeignet angesehen wird, wenn eine sorgfältige Auswahl der Klienten nach §§ 35, 36 BtMG erfolgt und die eigenen Hausregeln und Angaben im Therapiekonzept eingehalten und entsprechende Drogen- und Ausgangskontrollen umgesetzt werden. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass die in den Jahresberichten dargestellte Drogentesthäufigkeit akzeptabel sei. Inwieweit die therapeutischen Bemühungen und Konsequenzen nach Rückfällen fruchten, lasse sich aus dem Konzept und den Jahresberichten nicht ableiten. Aufgrund der Vorkommnisse sei jedoch fraglich, ob die therapeutischen Prinzipien, basierend auf Eigenverantwortlichkeit, gegenseitigem Vertrauen und damit einhergehender Offenheit und Freizügigkeit im Einklang mit angegeben Kontroll- und Verfahrensmaßgaben, die eine staatlich anerkannte Einrichtung gewährleisten muss, stünden.
59
Ausgehend davon steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Konzept entweder nicht wissenschaftlich anerkannt sein könnte (a) oder die Behandlung nicht nach diesem Konzept erfolgt ist (b). Anstoß für den Widerruf der Anerkennung waren die Schilderung von Aussagen ehemaliger Klienten in Ermittlungsverfahren aufgrund von Straftaten, die nach oder während der Therapie verübt wurden. Relevant für die Beurteilung sind dabei lediglich die Vorkommnisse ab dem Jahr 2018, da Vorkommnisse aus den Jahren 2012 nicht für einen Widerruf herangezogen werden können. Es wäre sinnwidrig, zunächst in Kenntnis dieser Vorkommnisse die Anerkennung mit Bescheid vom 28. Juni 2012 unbefristet zu erteilen und dieselben Vorkommnisse als Argument für den späteren Widerruf der Anerkennung heranzuziehen. Mit der Erteilung der Anerkennung durch Bescheid vom 28. Juni 2012 hat der Beklagte einen ihm zurechenbaren Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen die Klägerin annehmen konnte, ihr würden die Vorkommnisse aus den Jahre 2012 nicht mehr entgegengehalten (vgl. zum Ausweisungsrecht z.B. OVG Lüneburg, B.v. 16.06.2022 - 13 ME 367/21 - juris Rn. 29).
60
Es kann an dieser Stelle offenbleiben, ob die Jahresfrist des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG der Berücksichtigung weiterer Vorkommnisse grundsätzlich entgegensteht oder ob erst die Gesamtschau der Vorfälle nach Ansicht des Beklagten den Widerruf rechtfertigte und die Behörde daher erst innerhalb der Jahresfrist Kenntnis aller relevanten Umstände erlangt hat, denn in jedem Fall führen die geschilderten Vorkommnisse nicht zur Überzeugung des Gerichts, dass die Voraussetzungen des Art. 97 Abs. 1 Nr. 1 AGSG nicht mehr vorliegen.
61
Das Gericht stellt bei seiner Bewertung auf die aktenkundigen ehemaligen Klienten B. und P. (Schreiben des StMJ vom 23. August 2018), den Klienten L. (Schreiben des StMJ vom 10. Dezember 2018), den Klienten S. (Schreiben des StMJ vom 13. Januar 2021), den Klienten P. (Schreiben des StMJ vom 26. Februar 2021) und den Klienten K. (Polizeibericht vom …07.2020, Blatt 94) ab. Im Hinblick auf den mit Schreiben des StMJ vom 18. Mai 2019 mitgeteilten „vierten Fall“ erfolgte keine namentliche Nennung bzw. weitere nähere Angaben, so dass auch die Klägerin hierzu nicht Stellung nehmen konnte. Die im Schreiben des StMJ vom 16. September 2020 genannten Klienten R. und M. hatten sich nicht nach §§ 35, 36 BtMG in der Einrichtung aufgehalten, so dass keine Vorgaben aus diesen Vorschriften, wie etwa Berichtspflichten nach § 35 Abs. 4 BtMG oder aus S. 5 des überarbeiteten Konzeptes zu berücksichtigen waren. Die Rückfälligkeit des mit Schreiben des StMJ vom 26. Februar 2021 genannten Klienten P. wurde dem Beklagten zwar erst nach Erlass des Bescheides vom 18. Februar 2021 bekannt. Da die sich die vom StMJ berichteten Vorfälle in Bezug auf den Klienten P. jedoch auf den Zeitraum vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides erstrecken, können sie bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides noch herangezogen werden, auch wenn entscheidungserheblicher Zeitpunkt der der letzten Behördenentscheidung ist.
62
(a) Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich nicht um ein wissenschaftlich anerkanntes Konzept handelt. Wie dargelegt, entspricht es der neueren Rückfallforschung, dass Rückfälle zentraler Bestandteil der Abhängigkeit sind, so dass allein Rückfälle kein Beleg für eine fehlende wissenschaftliche Anerkennung sind. Die Eignung des Konzepts wird grundsätzlich auch durch den Beklagten anerkannt (siehe oben), sofern die Vorgaben zu Kontrollen eingehalten werden. Ob dies der Fall ist, ist Frage der Umsetzung des Konzepts (siehe unter (b.)). Das Konzept enthält auch zumindest unter Ziffer 3.2 und 3.7 der Hausordnung (als Anhang Teil des Konzepts) Regelungen zum Abbruch der Therapie. Obwohl im Gespräch vom … Februar 2020 Änderungen des Konzepts besprochen und in der Folge umgesetzt wurden, gab es zu diesem Punkt keine Forderung. Der Beklagte war mit dem überarbeiteten Konzept, das am … März 2020 vorgelegt wurde, einverstanden.
63
(b) Darüber hinaus wurde nicht dargelegt, dass die Behandlung nicht nach diesem Konzept erfolgt und daraus auf eine Unzuverlässigkeit der die Einrichtung leitenden Person zu schließen ist. Dafür reichen die dargelegten Vorkommnisse in der Einrichtung seit dem Jahr 2018 nicht aus. In den Jahresberichten der Einrichtung wird eine Zahl an Drogentests angegeben, die auch nach Auffassung des Beklagten (interne Stellungnahme vom … September 2018) grundsätzlich ausreichend ist. Die Drogenscreenings sind auch nach Angaben des Beklagten im Schreiben vom … Juli 2021 (Blatt 42) im Vergleich mit anderen §§ 35, 36 BtMG-Einrichtungen nicht signifikant niedriger. Die Klägerin hat zudem im Verwaltungsverfahren mehrfach dargelegt, wie der Ein- und Ausgang kontrolliert wird, dies wurde in der Theorie nicht beanstandet. Konkrete Verstöße gegen die von der Klägerin geschilderten Kontrollmodalitäten wurden vom Beklagten nicht benannt. Es wurde weiter wiederholt dargelegt, dass bei Rückfällen nicht sofort ein Therapieabbruch erfolgt, sondern vielmehr ein gestuftes Verfahren stattfindet, das zuerst Einzelgespräche, dann Gruppengespräche und ggf. eine Entgiftung vorsieht. Zwar heißt es in der Hausordnung der Einrichtung unter Ziffer 3.2, dass Besitz, Einnahme und Weitergabe von Alkohol, Drogen und bewusstseinsverändernden Medikamenten ein Grund zur Beendigung des Aufenthalts sind, dies ist aufgrund der Erläuterungen der Klägerin im Verwaltungsverfahren jedoch so zu verstehen, dass nicht in jedem Fall ein Abbruch erfolgt. Auch dieses Prozedere wurde nicht beanstandet, vielmehr wurden im Gespräch vom … Februar 2020 Nachbesserungen des Konzepts nur hinsichtlich der Mitteilungen gegenüber den Justizbehörden vereinbart.
64
Die Aussagen der rückfälligen und erneut straffälligen Klienten reichen aus Sicht des Gerichts nicht aus, um die Darlegungen der Klägerin zu vorgenommenen Drogen- und Alkoholtests und der Kontrolle des Ein- und Ausgangs zu widerlegen. Die Tatsache, dass Rückfälle erfolgt sind und Drogen in der Einrichtung vorhanden sind, spricht aus Sicht des Gerichts nicht gegen die Durchführung von Kontrollen. Es erscheint durchaus nachvollziehbar, dass trotz der geschilderten anlassbezogenen Ein- und Ausgangskontrollen und der Drogen- und Alkoholtests weiter entsprechender Konsum stattfinden kann - auch innerhalb der Einrichtung. Die Art und Weise der durchgeführten Kontrollen wurde von der Klägerin stets dargelegt, vom Beklagten erfolgte kein Hinweis darauf, dass diese unzureichend seien. Zweifel wurden vielmehr nur daran geäußert, dass die behaupteten Kontrollen tatsächlich durchgeführt wurden. Eine weitere Aufklärung dieser Zweifel, z.B. durch Kontrollen vor Ort, Befragung aktueller Probanden oder ähnlichem erfolgte jedoch nicht, so dass hieraus für eine (Nicht-)Umsetzung des Konzepts nichts hergeleitet werden kann. Wie dargelegt, wurden Nachbesserungen im Konzept im Gespräch vom … Februar 2020 nur hinsichtlich der Mitteilungen gegenüber den Vollstreckungsbehörden gefordert.
65
(3) Ein Verstoß gegen Mitteilungspflichten gegenüber den Justizbehörden, die auf eine Unzuverlässigkeit der Leiterin der Einrichtung schließen lassen, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
66
Zunächst ist nicht ersichtlich, dass die gesetzlichen Berichtspflichten nach § 35 Abs. 4 Halbsatz 2 BtMG nicht eingehalten wurden. Danach muss von den behandelnden Personen oder Einrichtungen (nur) ein Abbruch der Behandlung mitgeteilt werden. Der Stellungnahme des StMJ vom 29. Mai 2019 zufolge obliegt es der jeweiligen Therapieeinrichtung, darüber zu entscheiden, ob aus behandlerischer Sicht, beispielsweise bei einer Einweisung in eine Entgiftungsklinik, ein Therapieabbruch angenommen wird. Klare Kriterien, wann zwingend von einem Abbruch der Therapie ausgegangen werden muss, wurden weder von den Vollstreckungsbehörden noch von der für das Anerkennungsverfahren zuständigen Regierung von Niederbayern benannt. Wie sich aus dem Schreiben der Regierung von Niederbayern an das StMJ vom 5. April 2019 ergibt, bestand auch bei der Aufsichtsbehörde keine Klarheit darüber, ob eine Beurlaubung von einer Zurückstellungsentscheidung gedeckt sein kann und - sofern dies der Fall sei - der Strafvollstreckungsbehörde zu melden sei.
67
Die Vollstreckungsbehörde trägt auch nach der Zurückstellung die Verantwortung für den weiteren Verlauf der Strafvollstreckung und kann die Entscheidung, wann von einem Therapieabbruch auszugehen ist, nicht völlig aus der Hand geben (Kornprobst in Münchner Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, § 35 BtMG Rn. 69). Die Vollstreckungsbehörden. sind an die Einschätzung des Therapeuten hinsichtlich der Entscheidung über den Abbruch einer Therapie nicht gebunden (Bohnen in BeckOK BtMG, Bohnen/Schmid, Stand 15.03.2021, § 35 Rn. 360, Weber in Weber, BtMG, 5. Auflage 2017, § 35, Rn. 268, m.w.N). Im vorliegenden Fall waren die Vollstreckungsbehörden spätestens durch die Berichtspflichten der Klägerin aus dem überarbeiteten Konzept vom März 2020 nachweislich über den Verlauf den Therapien und mögliche Rückfälle so weit informiert, dass zumindest frühzeitig Nachfragen hinsichtlich des Erfordernisses eines Therapieabbruchs hätten erfolgen können. Dies ist - soweit aus den Akten ersichtlich - nur in einem Fall mit Schreiben der Staatsanwaltschaft L. … vom 5. März 2021 (Blatt 172) erfolgt, woraufhin der Sachverhalt in der Folge auch aufgeklärt werden konnte. Sofern - wie der Beklagte annimmt - die Informationen an die Vollstreckungsbehörden im Fortgang der Therapien nicht ausreichend gewesen sein sollten, um über einen Therapieabbruch zu entscheiden, können diese Informationen im Nachgang für die Aufsichtsbehörde auch nicht als Beleg dafür verwendet werden, dass den Probanden die Einsicht in den Sinn und die ausreichende Motivation, suchtmittelabstinent zu leben, fehlte, deshalb die jeweilige Therapie zu beenden war und die Klägerin ihrer dahingehenden Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Auch nach Ansicht des Beklagten kann diese Entscheidung nur aufgrund der Beurteilung verschiedener Parameter, wie des Therapieverlaufs, des Anlasses für den Rückfall und des Umgangs des Probanden mit dem Rückfall beurteilt werden. Die Vollstreckungsbehörden haben es unterlassen, aufgrund der Mitteilungen der Einrichtung zum Therapieverlauf zu diesen Parametern nachzufragen, wenn für sie ein Therapieabbruch in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Im Nachgang ist es ohne Kenntnis dieser Parameter - auch für das Gericht - nicht möglich, zu beurteilen, ob ein Therapieabbruch angezeigt war.
68
Auch ein Verstoß gegen die Mitteilungspflichten aus dem überarbeiteten Konzept der Klägerin von März 2020, der die Zuverlässigkeit der Einrichtungsleitung infrage stellen würde, ist nicht erkennbar. Nach dem neu aufgenommenen Passus auf S. 5 des Konzeptes teilt die Einrichtung bei Aufnahmen nach gerichtlicher Anordnung (§§ 35, 36 BtMG und § 57 StGB) den zuständigen Vertretern der Justizbehörden die Ergebnisse der Drogenscreenings sowie des Therapieverlaufs regelmäßig mit. Bei akuten Krisensituationen wird umgehend informiert, um das weitere Vorgehen gemeinsam abzustimmen. Beurlaubungen finden nur nach Absprache mit den Justizbehörden und der zuständigen Fachabteilung des Bezirks statt. Verstöße gegen gerichtliche Auflagen und Absprachen während der Beurlaubung werden unverzüglich gemeldet.
69
Wie zum Beispiel aus dem Schreiben des StMJ vom 26. Februar 2021 deutlich wird, waren die vereinbarten Informationen zu den Ergebnissen der Drogenscreenings und zum Therapieverlauf in den Fortführungsnachweisen enthalten. Entsprechende weitere Fortführungsnachweise, die Mitteilungen über positive Drogentests enthalten, befinden sich in der Akte, so z.B. vom 1. April 2019, 31. Mai 2019, 31. Juli 2019,1. Oktober 2019, 28. November 2019 und 31.Januar 2020 (Blatt 412 ff.).
70
Anhaltspunkte dafür, dass seit Geltung des überarbeiteten Konzepts von März 2020 über Krisensituationen nicht informiert wurde, sind nicht ersichtlich und wurden vom Beklagten nicht vorgebracht. Insbesondere die vom Beklagten angeführten Entgiftungen des Probanden P. fanden vor Übersendung des überarbeiteten Konzepts, mithin vor Geltung der Verpflichtung zu weitergehenden Informationen statt.
71
Auch wurde nicht geltend gemacht und ist nicht ersichtlich, dass seither Verstöße gegen gerichtliche Auflagen oder Absprachen während einer Beurlaubung nicht mitgeteilt worden seien.
72
Hinsichtlich der Absprache von Beurlaubungen ist zwar festzustellen, dass in verschiedenen Fällen (B. und G.) die Informationen erst am Tag der Beurlaubung an die Vollstreckungsbehörden gemeldet wurden. Die teilweise um Wochen verzögerten Mitteilungen im Fall P. im Zeitraum Juni 2019 bis März 2020 sind auch hier nicht heranzuziehen, da zu diesem Zeitpunkt die weitergehenden Mitteilungspflichten aus dem Konzept der Klägerin noch keine Gültigkeit hatten. Im Übrigen ist aus der Formulierung „Absprache“ im Konzept zu schließen, dass dies eine Kontaktaufnahme mit der Vollstreckungsbehörde vor Beginn der Beurlaubung erfordern würde, jedoch ist festzustellen, dass in keinem der Fälle eine Rückmeldung der Vollstreckungsbehörde erfolgte, dass eine frühzeitigere Abstimmung gewünscht sei. Aus der Tatsache, dass die Einrichtung die Beurlaubungen nun zumindest mit Beginn derselben mitteilte, ist zu schließen, dass sie davon ausging, den vereinbarten Anforderungen damit Rechnung zu tragen. Ohne eine Rückmeldung dazu, dass die Anforderungen von Seiten des Beklagten anders verstanden werden, aus dieser Vorgehensweise der Einrichtung eine Unzuverlässigkeit der Leitung zu schließen, erscheint unverhältnismäßig. Das Erfordernis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Einrichtung und Vollstreckungsbehörden, dem auch die Mitteilungspflichten der Einrichtung dienen, ist aus Sicht des Gerichts keine Einbahnstraße, sondern erfordert auch zeitnahe Rückmeldungen der Vollstreckungsbehörden in jedem Einzelfall.
73
2.2.4. Ferner wurde nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass die Einrichtung nicht die Gewähr dafür bietet, dass sie mit den Vollstreckungsbehörden nach Maßgabe des § 35 Abs. 4 BtMG zusammenarbeitet.
74
Nach der Vorgabe des § 35 Abs. 4 BtMG ist die Einrichtung nur verpflichtet, den Abbruch der Therapie mitzuteilen.
75
Dass die Klägerin trotz der Rückfälle der Klienten keinen Abbruch der Therapie vorgenommen hatte, war spätestens seit Juli 2019 durch die Darstellung der positiven Testergebnisse in den Fortführungsnachweisen bekannt. Die Forderung eines Therapieabbruchs durch die Vollstreckungsbehörden erfolgte dennoch nicht, so dass es nicht zu beanstanden ist, dass die Therapien durch die Klägerin nicht abgebrochen wurden und entsprechend keine Mitteilung an die Vollstreckungsbehörden erfolgte (siehe auch 2.2.3).
76
2.3. Auch die Voraussetzungen eines Widerrufs nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG liegen nicht vor, da die Anerkennungsvoraussetzungen nach Art. 97 Abs. 1 AGSG, wie unter 2.2. dargelegt, weiterhin erfüllt sind, so dass die Klägerin nach wie vor einen Anspruch auf eine entsprechende Anerkennung hat und der Beklagte nicht berechtigt wäre, diese nicht zu erteilen.
77
2.4. Da das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für den Widerruf der staatlichen erteilten Anerkennung des „Haus A. …“ als Einrichtung gemäß §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG nicht festgestellt wurde, ist ein Ermessen für eine Widerrufsentscheidung des Beklagten bereits nicht eröffnet.
78
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
79
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergeht gemäß § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.