Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 25.02.2022 – AN 2 K 21.01712
Titel:

Fiktive Kosten einer Monatskarte als Referenz für Schulwegkosten

Normenketten:
BaySchKfrG Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 1
BaySchBefV § 2 Abs. 1 S. 1, S. 3 Nr. 3 Hs. 2, Abs. 3, Abs. 4
GG Art. 20 Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Regelung des § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 Hs. 2 BaySchBefV, wonach zur Ermittlung des Beförderungsaufwands im allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr die Tarife von Monatskarten für den betroffenen Personenkreis heranzuziehen sind, wenn ein verbundweit gültiges Jahresticket zum Pauschalpreis eingeführt ist, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Liegen keine Anhaltspunkte mit Blick auf eine außergewöhnliche Fallgestaltung iSv § 2 Abs. 4 Nr. 4 BaySchBefV vor, besteht auch kein Anlass, etwaige Zustimmungen anzufragen oder einzuholen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schülerbeförderung, Frage der nächstgelegenen Schule, Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV, Auslegung des § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV, Schulweg, Kosten, nächstgelegene Schule, Pauschalpreis
Fundstelle:
BeckRS 2022, 19040

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Schulwegkosten.
2
Die am … 2005 geborene Schülerin …, die Tochter der Kläger, besuchte im Schuljahr 2020/2021 die 9. Jahrgangsstufe des … in … in der Ausbildungsrichtung Wirtschaftswissenschaftliches Gymnasium.
3
Die Klägerin zu Ziff. 1 beantragte unter dem 1. September 2020 für ihre Tochter ab dem Schuljahr 2020/2021 die Übernahme der Fahrtkosten zum Besuch des … auf der Strecke … (Hinfahrt) und auf der Strecke … (Rückfahrt) mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
4
Mit Bescheid vom 22. September 2020 lehnte das Landratsamt … den Antrag für das Schuljahr 2020/2021 und weitere Schuljahre ab. Zur Begründung führt der Bescheid sinngemäß aus, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV bestehe die Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule. Dies sei diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand (den geringsten Kosten) erreicht werden könne. Zur Ermittlung des Beförderungsaufwands seien im allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr die Tarife von Monatskarten für den betreffenden Personenkreis heranzuziehen, wenn ein verbundweit gültiges Jahresticket zum Pauschalpreis eingeführt sei. Die Beförderungskosten von … zum … in … betrügen derzeit monatlich 71,80 EUR (Tarifstufe 3), die Beförderungskosten zum … monatlich 54,00 EUR (Tarifstufe 2). Da die Schülerin die wirtschaftswissenschaftliche Ausbildungsrichtung besuche, sei das nächstgelegene Gymnasium das … Diese Schule sei gleicher Art (Gymnasium) und biete in ihrer Auffächerung der Ausbildungsrichtungen den gleichen Bildungsgang wie die Schule in … Eine private Nachmittagsbetreuung der Schülerin in … sei schülerbeförderungsrechtlich nicht relevant. Nach dem Grundsatzbeschluss des Kreistages vom … würden nur noch die Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule im Sinne des § 2 Abs. 1 SchBefV übernommen. Eine Teilkostenübernahme sei nicht möglich. Die Beförderungskosten zum … würden deshalb nicht - auch nicht teilweise - übernommen.
5
Hiergegen legten die Kläger mit Telefax vom 21. Oktober 2020, eingegangen bei dem Beklagten am selben Tag, Widerspruch ein.
6
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 26. April 2021 begründeten die Kläger ihren Widerspruch sinngemäß im Wesentlichen wie folgt: Der Bescheid vom 22. September 2020 sei rechtswidrig, da dieser ermessensfehlerhaft sei. Insbesondere liege ein Ermessensausfall vor. Im Rahmen der Ermessensentscheidung habe die Tatsache, dass die Schülerin nach dem Schulaufenthalt die Wegstrecke vom … nach … antreten müsse, keinerlei Berücksichtigung gefunden. Vielmehr sei ausgeführt, diese Tatsache besitze keine Relevanz. Die Tochter werde nach dem Schulaufenthalt von der Patentante in … betreut, da sie beide eine Berufstätigkeit in Vollzeit ausübten. Diese Tatsache sei nicht für die Ermessensbeurteilung herangezogen worden. Außerdem liege ein Ermessensausfall vor. Der Tatbestand des § 2 Abs. 4 SchBefV sei in keiner Weise in der Begründung des Bescheides erörtert worden. Der Beschluss des Kreistages aus dem Jahr … könne nicht als Entscheidungsgrundlage für die generelle Ablehnung herangezogen werden, da sich die Rechtslage zwischenzeitlich geändert habe. Darüber hinaus erscheine es zweifelhaft, ob § 2 Abs. 1 Nr. 3 SchBefV rechtmäßig sei und als Rechtsgrundlage herangezogen werden könne. In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes sei geklärt, dass grundsätzlich nicht auf Entfernung oder Zeitaufwand zum Erreichen der Schule abzustellen sei, sondern auf den finanziellen Aufwand der Beförderung durch Vergleich der anfallenden Fahrtkosten. Heranzuziehen seien dabei die tatsächlich anfallenden Fahrtkosten. Die Heranziehung fiktiver Fahrtkosten für den Fall, dass ein verbundweites Jahresticket bestehe, widerspreche dieser ständigen Rechtsprechung. Vielmehr müsse das günstigere 365-Euro-Ticket herangezogen werden, da dieses tatsächlich den anspruchsberechtigten Schülerinnen und Schülern ausgehändigt werde und nicht die teuren Monatskarten. Ziehe man also hier das 365-Euro-Ticket heran, sei der Vergleich des finanziellen Aufwandes für die Beförderung der Schülerin zum Gymnasium in … und zum … gleich gering. Ebenso widerspreche die Heranziehung der fiktiven, höheren Beförderungskosten für die Berechnung der Beförderungskosten dem in Art. 2 Abs. 1 Satz 3 SchKfrG verankertem Wirtschaftlichkeitsprinzip.
7
Das Landratsamt … half dem Widerspruch nicht ab und legte ihn der Regierung von Mittelfranken zur Entscheidung vor.
8
Mit Bescheid vom 10. August 2021, den Bevollmächtigten zugestellt am 17. August 2021, wies die Regierung von Mittelfranken den Widerspruch zurück. Zur Begründung ist sinngemäß im Wesentlichen ausgeführt, im Sinne des Schülerbeförderungsrechts sei das … nächstgelegene Schule. § 2 Abs. 3 SchBefV bestimme zwar, dass die Beförderung zu einer anderen als der nächstgelegenen Schule übernommen werden solle, wenn die Schülerin diese Schule wegen ihrer pädagogischen oder weltanschaulichen Eigenheiten besuche, insbesondere eine Tagesheimschule, eine Schule mit gebundenem oder offenem Ganztagesangebot, eine nicht koedukative Schule oder eine Bekenntnisschule. Hier würden aber beide Schulen ein offenes Ganztagesangebot anbieten. Die anderen Tatbestände des § 2 Abs. 3 SchBefV seien nicht einschlägig. Eine private Betreuung im Anschluss an den Pflicht- und Wahlpflichtunterricht sei hiervon nicht erfasst. Die Übernahme der Fahrtkosten komme auch nicht nach § 2 Abs. 4 Nrn. 1 und 2 SchBefV im Rahmen des schülerbeförderungsrechtlichen Ermessensrahmens in Betracht, da das … keine Schule besonderer Art mit schulartübergreifendem integrierten Unterricht darstelle (Nr. 1) und kein unzumutbarer Schulwechsel vorliege (Nr. 2). Die Schülerin besuche keine Abschlussklasse und aufgrund Widerspruchsbescheids der Regierung von Mittelfranken aus dem Jahr 2016 sei den Klägern bekannt, dass die schülerbeförderungsrechtlich nächstgelegene Schule das … sei. Der Schulbesuch der nächstgelegenen Schule, das …, sei nach objektiver Beurteilung zumutbar. Der Tatbestand des § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV sei nicht erfüllt. § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV sei auch nicht einschlägig. Diese sog. Härtefallregelung ermögliche es den Aufgabenträgern der Schülerbeförderung insbesondere, außergewöhnliche Härten im persönlichen und familiären Bereich zu berücksichtigen. Solche Extremfälle wie z.B. der Tod beider Elternteile kämen wohl selten vor. Im Rahmen dieser Regelung könne eine Härte aufgrund geltend gemachter privater Nachmittagsbetreuung wegen Berufstätigkeit beider Elternteile folglich nicht angenommen werden. Zudem würden sowohl das … als auch das … ein schulisches Betreuungsangebot bieten. Das nach § 2 Abs. 4 SchBefV eingeräumte Ermessen übe der Landkreis … dahingehend aus, dass mit Grundsatzbeschluss des Kreistages vom … beschlossen worden sei, nur die Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule zu übernehmen. Auch eine Teilkostenübernahme sei nicht möglich. An diesen Beschluss sei die Verwaltung gebunden und die Verfahrensweise könne von der Regierung von Mittelfranken nicht beanstandet werden. Es gebe im Übrigen keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten in Höhe der Beförderungskosten, die zur nächstgelegenen Schule anfielen, wenn der Schüler aber eine andere Schule besuche. Dies gelte auch im Zusammenhang mit einem im Verkehrsverbund pauschalierten 365-Euro-Ticket. Dagegen sprächen in erster Linie schulorganisatorische Erwägungen und Kostengründe. Die kommunalen Aufgabenträger hätten für ihre Einzugsbereiche Schülerbeförderungsnetze unter Einbindung des öffentlichen Personennahverkehrs zu organisieren. Da dies nur unter Einsatz erheblicher Mittel möglich sei, bestehe großes Interesse im Sinne nachhaltiger Planungssicherheit daran, dass die bereitgestellten Beförderungsmittel auch genutzt und ausgelastet würden und mit Steuergeldern finanzierte Busse nicht leer zur nächstgelegenen Schule fahren würden. Genauso solle vermieden werden, dass nächstgelegene Schulen nicht ausgelastet seien, während Schülern der Schulweg zu anderen Schulen subventioniert werde. Die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs beurteilten diese Rechtsauffassung seit Jahrzehnten als verfassungsgemäß. Danach seien die Gerichte der Ansicht, dass kein verfassungsmäßiger Anspruch auf die Kostenfreiheit des Schulweges bestehe und demzufolge die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit sehr weit sei.
9
Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 17. September 2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Klage erhoben.
10
Zur Begründung führen sie sinngemäß im Wesentlichen aus, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SchBefV bestehe eine Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule. Hierbei werde als nächstgelegene Schule die Schule definiert, welche nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 SchBefV diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung sei, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar sei. Hierbei komme es bei einem Vergleich des Beförderungsaufwands nicht auf die Entfernung oder den Zeitaufwand an, sondern auf die unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit zu ermittelnden Fahrtkosten. Vergleiche man hier die tatsächlichen Fahrtkosten für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen dem Wohnort der Schülerin und dem … bzw. dem …, so sei der Beförderungsaufwand für beide Schulen gleich. Der nunmehr eingefügte § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV zur Ermittlung des Beförderungsaufwandes könne keine Anwendung finden, da dieser nicht rechtmäßig und somit nichtig sei. Die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit einer Rechtsverordnung setze voraus, dass diese mit höherrangigem Recht vereinbar sei. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV sei nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Insbesondere verstoße die Vorschrift gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot hinreichender Bestimmtheit und Klarheit einer Norm. Die Norm sei widersprüchlich und nicht klar und verständlich. In § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 1 lege die SchBefV fest, dass die Schule nächstgelegene Schule sei, welche mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar sei. Hierbei komme es auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der zu ermittelnden Fahrtkosten an. Dies sei seit Jahren gefestigte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes. Wenn aber nun der nachfolgende § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV von dieser Praxis und Intention des Halbsatzes 1 abweiche, konkretisiere dieser den Halbsatz 1 nicht, sondern stehe im Widerspruch zu diesem. Für die möglichen Begünstigten der Schülerbeförderung sei somit nicht ersichtlich, dass der tatsächlich geringere Beförderungsaufwand nicht entscheidend, sondern eine andere, komplexere Berechnungsmethode notwendig sei. Darüber hinaus liege auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV vor. Es möge zwar zutreffen, dass der Anspruch auf kostenlose Schülerbeförderung eine verfassungsrechtlich nicht geschuldete freiwillige Leistung des Staates sei, bei der dem bayerischen Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zukomme. Dieser Spielraum sei aber durch § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV überschritten. Diese Norm sei willkürlich und diene keinem sachlichen Zweck. Die Regelung stelle willkürlich nicht auf die kostengünstigste Schülerbeförderung ab, sondern rein fiktiv auf eine monatliche Abrechnung. Dieses widersprüchliche und willkürliche Handeln werde auch dadurch aufgezeigt, dass den anspruchsberechtigten Schülerinnen und Schülern tatsächlich eine Jahreswertmarke im Sinne des 365-Euro-Tickets übergeben werde und eben keine Monatskarte des öffentlichen Personennahverkehrs. Damit verstoße § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV gegen höherrangiges Recht sei damit unwirksam und nicht anzuwenden. Vielmehr stehe den Klägern ein Anspruch auf Übernahme der Schulwegkosten für ihre Tochter gemäß Antrag vom 1. September 2020 zu.
11
Die Kläger beantragen wörtlich, zu erkennen:
1. Der Bescheid des Landratsamtes … vom 22.09.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Mittelfranken vom 10.08.2021 wird aufgehoben.
2. Den Klägern wird die Fahrtkostenübernahme für das Schuljahr 2020/2021 und weitere Schuljahre gem. Antrag vom 01.09.2020 bewilligt.
12
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
13
Zur Begründung wiederholt er teilweise sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt und die Behördenakte sowie wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
16
1. Die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist zulässig. Insbesondere sind die Kläger klage- und prozessführungsbefugt.
17
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in seinen Rechten verletzt zu sein. Klagebefugt ist, wer substantiiert Tatsachen vorträgt, nach denen es möglich ist, dass er in eigenen Rechten verletzt ist (vgl. Schmidt-Kötters in Beck‘scher Online-Kommentar, VwGO, 61. Edition Stand 1.10.2019, § 42 Rn. 175).
18
Inhaber des Anspruchs auf Übernahme von Schulwegkosten ist zwar zunächst die Schülerin bzw. der Schüler selbst. Darüber hinaus ist aber auch - aus eigenem Recht - ein Anspruch der Eltern der Schülerin bzw. des Schülers auf Übernahme der Schulwegkosten anzuerkennen (vgl. ausführlich m.w.N. VG Ansbach, U.v. 27.5.2019 - AN 2 K 17.01114 - BeckRS 2019, 13926). Gemeinsam sorgeberechtigte Elternteile sind dabei grundsätzlich lediglich gemeinsam im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO prozessführungsbefugt (vgl. zur Prozessführungsbefugnis Schmidt-Kötters in Beck‘scher Online-Kommentar VwGO, 61. Edition Stand 1.10.2019, § 42 Rn. 114). Danach sind die sorgeberechtigten Eltern der Schülerin, die hier gemeinsam Klage erhoben haben, klage- und prozessführungsbefugt.
19
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Bescheid des Beklagten vom 22. September 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Mittelfranken vom 10. August 2021 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt. Vorliegend besteht kein Anspruch auf Erstattung von Schulwegkosten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
20
a) Insbesondere ergibt sich kein Anspruch auf Erstattung von Schulwegkosten unter dem Gesichtspunkt des Besuchs der nächstgelegenen Schule. Denn bei dem besuchten … handelt es sich nicht um die nächstgelegene Schule im Sinne des Schülerbeförderungsrechts.
21
aa) Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs (Schulwegkostenfreiheitsgesetz - SchKfrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 452, BayRS 2230-5-1-K) ist die notwendige Beförderung der Schülerinnen und Schüler auf dem Schulweg bei öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Gymnasien bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 Aufgabe der kreisfreien Gemeinde bzw. des Landkreises des gewöhnlichen Aufenthalts der Schülerin oder des Schülers. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG ist eine Beförderung notwendig, wenn der Schulweg in einer Richtung mehr als drei Kilometer beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist. Hinsichtlich des Umfangs der Beförderungspflicht konkretisiert § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung - SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K), dass die Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule besteht. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 1 SchBefV ist nächstgelegene Schule diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Hinsichtlich des Beförderungsaufwands ist weder auf die räumliche noch auf die zeitliche Entfernung, sondern durch Vergleich der jeweils anfallenden Fahrtkosten auf den finanziellen Aufwand der Beförderung abzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 13.4.2011 - 7 B 10.1423 - BeckRS 2011, 49904 m.w.N.). Insoweit bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV, dass zur Ermittlung des Beförderungsaufwands im allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr die Tarife von Monatskarten für den betroffenen Personenkreis heranzuziehen sind, wenn ein verbundweit gültiges Jahresticket zum Pauschalpreis eingeführt ist.
22
bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ergibt sich vorliegend kein Anspruch auf Erstattung von Schulwegkosten zum … Denn bei der nächstgelegenen Schule im Sinne des Schülerbeförderungsrechts handelt es sich vorliegend um das … So ist im Tarifverbund des Verkehrsverbundes Großraum … (***) mit dem 365-EUR-Ticket insbesondere für Schüler ein verbundweit gültiges Jahresticket zum Pauschalpreis eingeführt. Zudem ist unstreitig geblieben, dass für die Beförderung zum … die Monatskarte der Tarifstufe 3 einschlägig ist, für die Beförderung zum … dagegen die günstigere Tarifstufe 2. cc) Die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV, wonach zur Ermittlung des Beförderungsaufwands im allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr die Tarife von Monatskarten für den betroffenen Personenkreis heranzuziehen sind, wenn ein verbundweit gültiges Jahresticket zum Pauschalpreis eingeführt ist, verstößt entgegen der klägerischen Ansicht auch nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Verfassungsrecht.
23
(1) Die Regelung ist hinreichend bestimmt. Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und sind die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Durch das Grundgesetz normiert ist damit das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Sommermann in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 287). Gesetze können ihre freiheitsschützende und -fördernde Aufgabe jedoch nur erfüllen, wenn durch sie das Handeln der Exekutive überprüfbar, berechenbar und voraussehbar wird (Sommermann a.a.O. Rn. 288). Dies setzt voraus, dass Gesetze und sonstige Rechtsnormen hinreichend bestimmt sind (vgl. Sommermann a.a.O. Rn. 289). Das vom Normsetzer Gewollte muss demnach hinreichend bestimmt, klar und erkennbar sein (Kotzur in von Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 148).
24
Nach diesen Grundsätzen ist § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV hinreichend bestimmt. Zunächst knüpft die Vorschrift an den vorausgegangenen Halbsatz an, wonach der geringste (tatsächliche) Beförderungsaufwand ausschlaggebend sein soll. Auf dieser Grundlage stellt sich aber die Frage, was gelten soll, sofern aufgrund der Einführung eines verbundweit geltenden Jahrestickets zum Pauschalpreis kein geringster Beförderungsaufwand feststellbar ist, sondern aufgrund der Pauschalierung verbundweit stets dieselben Kosten anfallen. Diese Frage beantwortet § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV dahingehend, dass in diesen Fällen auf die Tarife für Monatskarten abgestellt werden soll. All dies ist für einen Leser der Norm ohne weiteres nachvollziehbar, erkennbar und klar verständlich, so dass keine Bedenken hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots bestehen. Damit ist aus der Lektüre der Norm auch ohne weiteres ersichtlich, dass § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV dem vorangegangenen Halbsatz nicht widerspricht, sondern diesen ergänzt.
25
(2) Auch verstößt die Regelung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV.
26
(a) Nach der Grundstruktur des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG dürfen gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, es sei denn, eine Ungleich- bzw. Gleichbehandlung ist sachlich gerechtfertigt (Kischel in Beckscher Online-Kommentar GG, 42. Edition Stand 1.5.2019, Art. 3 Rn. 14). Zur Rechtfertigung von Ungleich- bzw. Gleichbehandlungen ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein stufenloser Prüfungsmaßstab anerkannt (vgl. Kischel a.a.O. Rn. 29). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich hinsichtlich Ungleich- bzw. Gleichbehandlungen unterschiedliche Maßstäbe, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Differenzierungen bedürfen aber stets einer sachlichen Rechtfertigung, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen ist. Verletzt ist der Gleichheitssatz, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (so zum Ganzen BVerfG, B.v. 21.6.2011 − 1 BvR 2035/07 - NvwZ 2011, 1316 Rn. 77). Mit Blick auf Art. 118 Abs. 1 BV hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof zum Recht der Schülerbeförderung ausgeführt, der Gleichheitssatz lasse Ungleichbehandlungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt seien. Er verbiete Willkür. Es bleibe dem Ermessen des Normgebers überlassen, zu entscheiden, in welcher Weise dem allgemeinen Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung zu tragen sei. Nur wenn die äußersten Grenzen dieses Ermessens überschritten seien, mithin für die entsprechende Regelung jeder sachlich einleuchtende Grund fehle, sei der Gleichheitssatz verletzt. Bei Bestimmungen über Leistungen des Staates, auf die der Bürger keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch habe, sei die Gestaltungsfreiheit des Normgebers noch weiter als bei der Regelung hoheitlicher Eingriffsbefugnisse (vgl. hierzu im Ganzen BayVerfGH, E.v. 7.7.2009 - Vf. 15-VII-08 - juris Rn. 38 m.w.N.).
27
(b) Danach liegt hier auch dann kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 118 Abs. 1 BV vor, sofern der strenge Prüfungsmaßstab einer Verhältnismäßigkeitsprüfung angelegt wird.
28
Hinsichtlich § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV, nach dem auf die Kosten eines Monatstickets abzustellen ist, sind strukturell zwei Ungleichbehandlungen denkbar. Zum einen besteht eine Ungleichbehandlung innerhalb eines Tarifverbunds, der ein verbundweit geltendes Jahresticket zum Pauschalpreis eingeführt hat, zwischen Schülern, die die nächstgelegene Schule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV besuchen und deswegen einen Anspruch auf Schulwegbeförderung besitzen, und Schülern, bei denen dies - obwohl für den Schulweg dieselben, pauschalierten Kosten anfallen - nicht der Fall ist, weil sie im Sinne der genannten Vorschrift nicht die nächstgelegene Schule besuchen. Zum anderen erfolgt eine Ungleichbehandlung von Schülern innerhalb und außerhalb eines Verbundgebietes mit verbundweit eingeführtem Jahresticket zum Pauschalpreis. So wird bei Schülern innerhalb des Verbundgebietes nicht auf die tatsächlich anfallenden Kosten des Jahrestickets abgestellt, sondern vielmehr auf fiktive Kosten eines Monatstickets. Für Schüler, die außerhalb des Verbundgebietes wohnen, wird hingegen nicht auf fiktive Kosten, sondern auf die tatsächlich anfallenden Kosten abgestellt.
29
Die genannten Ungleichbehandlungen entstehen jeweils dadurch, dass § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV nicht auf tatsächliche, sondern auf fiktive Kosten eines Monatstickets abstellt. Hiermit werden verschiedene legitime öffentliche Zwecke verfolgt. Zum einen wird der öffentliche Zweck verfolgt, Schülerströme zu lenken und die optimale Organisation der Schülerbeförderung sicherstellen. Es soll ermöglicht werden, ein Schülertransportnetz aufzubauen, das den Schulen tragfähige Einzugsbereiche sichert und das Entstehen langer Schulwege verhindert. Durch den Aufbau eines Schülertransportnetzes soll auch darauf hingewirkt werden, dass einzelne Schulen, die grundsätzlich für bestimmte Einzugsgebiete und im Hinblick auf voraussichtliche Schülerzahlen geschaffen und bereitgehalten werden, angemessen ausgelastet sind (vgl. hierzu im Ganzen BayVGH, U.v. 11.2.2008 - 7 B 06.1390 - juris; BayVGH, B.v. 2.3.2015 - 7 ZB 14.2484 - juris; vgl. ebenso auch VG Würzburg, U.v. 24.3.2021 - W 2 K 20.1737 - juris). Schließlich ist davon auszugehen, dass durch das Abstellen auf fiktive Kosten - in Übereinstimmung mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz aus Art. 2 Abs. 1 Satz 3 SchKfrG - auch verhindert werden soll, dass etwa Schülerinnen und Schüler, die aufgrund bewusster Entscheidung (der Eltern) im Zeitpunkt der Einführung des 365-EUR-Tickets keine nächstgelegene Schule besucht haben, mit der Einführung des Tickets anspruchsberechtigt werden.
30
Die genannten Ungleichbehandlungen sind zur Erreichung der genannten Zwecke geeignet. Eine Eignung in diesem Sinne ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass der angestrebte Erfolg eintritt, mithin der Erfolg gefördert wird (Sachs in Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 150). Dem Gesetz- bzw. Normgeber kommt dabei ein Gestaltungs- oder Einschätzungsspielraum zu (Sachs a.a.O. Rn. 151). Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs handelt es sich bei der Schülerbeförderung um eine freiwillige Leistung des Staates, auf die kein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch besteht. Bei der Ausgestaltung der kostenlosen Schülerbeförderung kommt dem Gesetz- und Verordnungsgeber daher ein weiter Spielraum zu (vgl. hierzu im Ganzen BayVerfGH, E.v. 28.10.2004 - Vf.8 - VII-03 - juris; E.v. 7.7.2009 - Vf.15-VII/08 - juris). Dieser Spielraum ist vorliegend nicht überschritten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Schülerinnen und Schüler die im Sinne des Schülerbeförderungsrechts nächstgelegene Schule besuchen, wird durch § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV erhöht und damit der Zweck der Planungssicherheit und der kürzeren Schulwege gefördert. Denn durch die Übernahme der Schülerbeförderung lediglich zur nächstgelegenen Schule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV wird für Eltern ein Anreiz gesetzt, ihre Kinder die entsprechende Schule besuchen zu lassen. Indem die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV auch im Fall eines verbundweit eingeführten Jahrestickets zum Pauschalpreis auf die fiktiven Kosten einer Monatskarte abstellt, bleibt der Wohnort der Schülerinnen und Schüler maßgebend für die Bestimmung der nächstgelegenen Schule. Auf diese Weise wird es den Behörden erleichtert, die zu erwartenden Schülerströme zu bestimmen bzw. zu prognostizieren und bezüglich Schülertransportnetzen langfristige Planungen auf einer tragfähigen Grundlage vorzunehmen. Die Ausweitung der Schülerbeförderung auf alle vom Wohnort beliebig weit entfernten Schulen innerhalb eines Verkehrsverbundgebietes würde hingegen zu einer noch stärkeren Streuung der Schülerströme führen. Dies widerspräche dem öffentlichen Interesse der auf den näheren Einzugsbereich abstellenden Schulplanung (vgl. VG Würzburg, U.v. 24.3.2017 - W 2 K 20.1737 - juris). Da sich die Preise der Monatskarten nach den durchfahrenen Tarifzonen richten, wird im Regelfall der Schulweg zur nächstgelegenen Schule auch der kürzeste und schnellste Schulweg sein.
31
Die Ungleichbehandlungen sind auch erforderlich, um die genannten Zwecke zu erreichen. Mildere, vergleichbar wirksame Mittel sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Übernahme fiktiver Beförderungskosten, wie sie zur nächstgelegenen Schule im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV angefallen wären, nicht gleich wirksam. Denn eine solche Übernahme fiktiver Beförderungskosten ist bei Vorliegen eines verbundweit gültigen Jahrestickets zum Pauschalpreis kaum denkbar, da in derartigen Fällen die Übernahme der fiktiven Kosten einer Übernahme der vollständig anfallenden Beförderungskosten darstellen würde, womit beförderungsrechtlich kein Anreiz mehr zum Besuch der nächstgelegenen Schule bestünde.
32
Schließlich sind die Ungleichbehandlungen mit Blick auf die verfolgten Zwecke auch angemessen. Dies ist der Fall, wenn Beeinträchtigungen nicht außer Verhältnis zu den verfolgten Zwecken stehen und deshalb für den Betroffenen zumutbar sind (Sachs in Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 20 Rn. 154). Hier ist es zum einen Schülerinnen und Schülern grundsätzlich zumutbar, die nächstgelegene Schule i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV zu besuchen oder auf eine solche Schule zu wechseln. Insbesondere kommen die durch das Abstellen auf die (fiktiven) Kosten der Monatskarte im Regelfall ermöglichten kurzen Schulwege unmittelbar den Schülern zugute. Zum anderen ist es Eltern bzw. Schülern, die von ihrem - durch das Schülerbeförderungsrecht nicht tangierten - Recht der Schulwahl in der Weise Gebrauch machen, dass nicht die nächstgelegene Schule besucht wird, zuzumuten, die finanziellen Folgen der Entscheidung selbst zu tragen. Ein allgemeiner Anspruch auf Subventionierung von Ausbildungskosten in Gestalt der Übernahme der Beförderungskosten in jedem Fall lässt sich auch der Verfassung nicht entnehmen (vgl. VG München, U.v. 20.6.2017 - M 3 K 15.5905 - juris Rn. 40, OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2012 - 2 ME 359/12 - NVwZ-RR 2013, 148). Bereits ausgeführt ist, dass es sich bei der Schülerbeförderung um eine freiwillige Leistung des Staates handelt, auf die kein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch besteht. Schließlich folgt die Zumutbarkeit der Kostentragung auch daraus, dass sich die Erfüllung der Schulpflicht als „Bringschuld“ darstellt, so dass grundsätzlich die Eltern die mit dem Schulweg verbundenen Kosten zu tragen haben (OVG Koblenz, U.v. 25.8.2003 - 2 A 10588/03, BeckRS 2003, 24249 Rn. 25).
33
(3) Auch steht der Wirksamkeit von § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 Halbs. 2 nicht höherrangiges Recht in Gestalt des Wirtschaftlichkeitsprinzips aus Art. 2 Abs. 1 Satz 3 SchKfrG entgegen. Schließlich ist die gegenwärtige Regelung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot besser in Einklang zu bringen als eine Regelung, nach der allein auf Grund der Einführung eines verbundweit gültigen Tickets zum Pauschalpreis alle Schulen im Verbundgebiet als nächstgelegen gälten. Denn dies hätte zur Folge, dass alle im Verbundgebiet wohnhaften Schülerinnen und Schüler - unabhängig von der Schulwahl - hinsichtlich der Voraussetzung nach § 2 Abs. 1 SchBefV anspruchsberechtigt wären.
34
b) Die Erstattung von Schulwegkosten ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 2 Abs. 3 SchBefV. Denn hier ist mit Blick auf das … in … keine pädagogische oder weltanschauliche Eigenheit geltend gemacht oder ersichtlich. Es fehlt mithin bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 SchBefV, so dass die Rechtsfolge der Sollvorschrift nicht einschlägig war und dem Beklagten insoweit auch kein Ermessen eröffnet war. Entsprechend kann es insoweit auch nicht zu Ermessensfehlern gekommen sein.
35
c) Auch nach § 2 Abs. 4 SchBefV war dem Beklagten kein Ermessen eingeräumt, Schulwegkosten der Tochter der Kläger (teilweise) zu übernehmen. Denn auch insoweit liegen die hierfür erforderlichen Voraussetzungen auf Tatbestandsseite nicht vor. Entsprechend kann es auch hier nicht zu Ermessenfehlern gekommen sein.
36
aa) § 2 Abs. 4 Nr. 1 SchBefV ist nicht einschlägig, da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Tochter der Kläger eine Schule besonderer Art mit schulartübergreifendem integriertem Unterricht besucht.
37
bb) Auch liegt kein Fall der Unzumutbarkeit des Schulwechsels nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV vor. Eine solche Unzumutbarkeit setzt außergewöhnliche individuelle Umstände voraus, die zum Ausgleich der durch die Beschränkung der Beförderungspflicht auf die nächstgelegene Schule verursachten Härten Berücksichtigung verlangen (BayVGH, B.v. 4.8.2003 - 7 C 03.800 - juris Rn. 10). Vorliegend sind solche Umstände nicht ersichtlich. Auch der Gesichtspunkt, dass die Tochter der Kläger nach Schulschluss von ihrer Patentante in … betreut wird, stellt keinen außergewöhnlichen individuellen Umstand dar. Vielmehr ist eine privat organisierte Nachmittagsbetreuung schulpflichtiger Kinder an einem anderen Ort als dem Wohnort nicht unüblich und stellt deswegen keinen außergewöhnlichen individuellen Umstand dar. Auch war die Tochter der Kläger im Schuljahr 2020/2021 bereits 15 Jahre alt, sodass auf Grund ihres Alters nicht ersichtlich ist, dass eine ständige Betreuung durch die Patentante erforderlich gewesen wäre. Die Zumutbarkeitsschwelle ist mithin nicht überschritten. Im Übrigen wäre der Tochter der Kläger ein Schulwechsel zum Schuljahr 2020/2021 zumutbar gewesen, da sie damals die 9. Klasse besucht hatte, sodass auch mit Blick auf die zeitlich noch entfernte Abschlussprüfung ein Schulwechsel ohne weiteres möglich gewesen wäre. Nach alledem fehlt es bereits an den Voraussetzungen nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV, so dass kein Ermessen eröffnet war. Entsprechend kann es auch nicht zu Ermessensfehlern gekommen sein.
38
cc) Auch § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV ist bereits tatbestandlich nicht einschlägig. Nach der genannten Vorschrift kann die Schülerbeförderung ganz oder teilweise übernommen werden, wenn der Beförderungsaufwand die ersparten Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule um nicht mehr als 20% übersteigt. Hier übersteigen aber die Beförderungskosten zum … die Beförderungskosten zum Besuch des … um mehr als 20%, nämlich um 33%. Auch insoweit ist folgerichtig auf die fiktiven Kosten einer Monatskarte für den öffentlichen Personennahverkehr abzustellen. Denn § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV nimmt ausdrücklich Bezug auf die Begriffe des Beförderungsaufwands und der nächstgelegenen Schule, wie sie zuvor in § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV definiert wurden.
39
dd) Auch der Tatbestand nach § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV ist nicht eröffnet, sodass dem Beklagten auch insoweit kein Ermessen eingeräumt war. So ist weder eine Zustimmung der Stadt … als betroffener Aufwandsträger noch der betroffenen Schulen ersichtlich. Eine solche Zustimmung kommt im Übrigen nur in außergewöhnlichen Fällen in Betracht (vgl. Allmannshofer in Wüstendörfer, Schulfinanzierung in Bayern, Stand November 2021, § 2 SchBefV Rn. 42, der § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV zudem als Härtefallregelung einordnet). Insoweit werden etwa Fallgestaltungen genannt, in denen beide Elternteile der Schülerin oder des Schülers verstorben sind oder Schülerinnen oder Schüler gar Opfer eines Sexualdelikts geworden sind (Allmannshofer a.a.O.). Sofern in solchen oder ähnlichen Fällen Zustimmungen nach § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV in Betracht kommen, ist es der Behörde verwehrt, sich argumentativ darauf zurückziehen, der Tatbestand der genannten Norm sei mangels erteilter Zustimmungen nicht erfüllt. In diesen Fällen muss die Behörde vielmehr die fraglichen Zustimmungen aufgrund ihrer Verpflichtung zur Amtsermittlung (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) anfragen bzw. einholen (die Amtsermittlung im Rahmen von § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV ansprechend, aber offen lassend VG Augsburg, B.v. 3.8.2017 - Au 3 K 17.130 - BeckRS 2017, 120955 Rn. 28). Liegen dagegen keine Anhaltspunkte mit Blick auf eine außergewöhnliche Fallgestaltung im Sinne von § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV vor, besteht auch kein Anlass, etwaige Zustimmungen anzufragen oder einzuholen, sodass bereits der Tatbestand nach § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV nicht verwirklicht ist. So liegt der Fall hier.
40
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
41
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, §§ 711, 713 ZPO.