Titel:
Suchpflicht des Dienstherrn vor Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand
Normenketten:
BeamtStG § 26 Abs. 1 S. 2, S. 3, Abs. 3
BayBG Art. 65 Abs. 1, § 66
SGB IX § 178 Abs. 2
Leitsatz:
Zwar hat eine dienstunfähige Beamtin mit Verwendungseinschänkungen einen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung; eine voraussetzungslose Verpflichtung für die Geschäftsbereiche des beklagten Landes, diese zu übernehmen, besteht allerdings nicht. Vielmehr steht dem aufnehmenden Geschäftsbereich ein Beurteilungsspielraum dahingehend zu, ob die zu einer anderweitigen Verwendung angebotene Beamtin für eine Verwendung im dortigen Verantwortungsbereich geeignet ist. Allein das jeweilige Ressort ist in Anbetracht der grundlegenden Kenntnis der Anforderungen und Abläufe seines Geschäftsbereichs befähigt, eine fundierte Einschätzung hinsichtlich der Eignung der Klägerin für einen Dienstposten zu treffen. Wenn im Rahmen dieser Eignungseinschätzung die angefragten Behörden zu dem Ergebnis kommen, dass die Klägerin für eine Verwendung nicht geeignet ist und der Dienstherr dies ohne weitere Nachfrage zur Kenntnis nimmt, ist dagegen rechtlich nichts zu erinnern. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ruhestandsversetzung, Keine dauernde Dienstunfähigkeit, Anderweitige Verwendung nicht möglich, Suchpflicht erfüllt, Obersekretärin, Justizvollzugsdienst, Schwerbehinderung, Behinderung, Dienstunfähigkeit, anderweitige Verwendung, Suchpflicht, Einschränkungen, Dienstposten, geringerwertige Tätigkeit, Zumutbarkeit, Beurteilungsspielraum, vorzeitig
Fundstelle:
BeckRS 2022, 18684
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die am ... Oktober 1981 geborene Klägerin stand bis zu der hier streitgegenständlichen Ruhestandsversetzung als Obersekretärin im Justizvollzugsdienst (Besoldungsgruppe A 7) in Diensten des Beklagten; zuletzt war sie in der Justizvollzugsanstalt (JVA) M. tätig. Bei der Klägerin besteht ein Grad der Behinderung von 40.
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Seit dem … Juni 2015 ist die Klägerin ununterbrochen dienstunfähig erkrankt.
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Am … April 2016 wurde die Klägerin durch die Medizinische Untersuchungsstelle der Regierung von Oberbayern (MUS) amtsärztlich untersucht. Mit Gesundheitszeugnis vom … April 2016 wurde festgestellt, dass bei der Klägerin ernsthafte tiefgreifende psychische Beeinträchtigungen sowie körperliche Beschwerden vorliegen würden, die zu einer dauerhaften Einschränkung der Leistungsfähigkeit geführt hätten. Es sei genug Leistungsfähigkeit vorhanden, dass die Klägerin ihren Dienst mit bestimmten Einschränkungen (Tätigkeit ohne unmittelbaren Kontakt zu Gefangenen) antreten könne. Aus derzeitiger gutachterlicher Sicht bestünden keine realistischen Aussichten auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten Monate. Auch für einen späteren Zeitpunkt sei das grundsätzlich ganz ausgeschlossen.
4
Mit Schreiben vom … Juni 2016 führte die MUS zu dem Gutachten ergänzend aus, dass es der Beamtin aus medizinischer Sicht nicht möglich sei innerhalb einer JVA Dienst zu leisten, da im Bereich der Verwaltung einer JVA ein täglicher Kontakt zu Gefangenen nicht auszuschließen sei. Aus medizinischer Sicht sei es der Beamtin möglich, für eine Beschäftigung im Verwaltungsbereich bei einer anderen Behörde eine Umschulungs- bzw. Ausbildungsmaßnahme abzuleisten.
5
Mit Schreiben vom … Juni 2016 versendete das Bayerische Staatsministerium der Justiz eine Anfrage an die Geschäftsbereiche sämtlicher Bayerischer Staatsministerien, oberste Dienstbehörden, die Staatskanzlei und den Obersten Rechnungshof sowie in einem gesonderten Schreiben an die Geschäftsbereiche des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz mit den Oberlandesgerichten B., N. und M. hinsichtlich einer anderweitigen Verwendung der Klägerin. Die Anfrage ist von sämtlichen Behörden abgelehnt worden.
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Mit Schreiben vom … September 2016 teilte die JVA M. der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, ein Ruhestandsversetzungsverfahren einzuleiten.
7
Dagegen wendete die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom ... November 2016 sowie vom ... Dezember 2016 ein, dass bei der Klägerin keine dauernde Dienstunfähigkeit bestehe und der Dienstherr gehalten sei, einen geeigneten Dienstposten für die Klägerin zur Verfügung zu stellen. Die Anfrage des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz sei von den Adressaten wohl nicht dahingehend verstanden worden, Auskunft über freie bzw. in absehbarer Zeit frei werdende Dienstposten der zweiten Qualifikationsebene zu erteilen, sondern dahingehend, ob von den Adressaten ein Interesse an einer Verwendung der Klägerin bestehe. Denn entsprechende Dienstposten seien durchaus vorhanden. Zudem sei das Gesundheitszeugnis vom … April 2016 ungeschwärzt an die Behörden versandt worden. Lediglich die Angabe, dass die Klägerin nicht in Bereichen eingesetzt werden könne, in denen sie unmittelbaren Kontakt zu Gefangenen habe, hätte als konkrete Leistungseinschränkung mitgeteilt werden dürfen. Die entsprechende Anfrage müsse daher präzisiert und erneut gestellt werden.
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Daraufhin stellte das Bayerische Staatsministerium der Justiz mit Schreiben vom … Januar 2017 erneut eine (berichtigte) Anfrage an die Geschäftsbereiche sämtlicher Bayerischer Staatsministerien, oberste Dienstbehörden, die Staatskanzlei und den Obersten Rechnungshof sowie in einem gesonderten Schreiben an die Geschäftsbereiche des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz mit den Oberlandesgerichten B., N. und M. hinsichtlich einer anderweitigen Verwendung der Klägerin. Die Anfrage wurde von sämtlichen Behörden abgelehnt. Das Bayerische Landesamt für Steuern kam nach intensiver Prüfung (Vorstellungsgespräch, Praktikum) zu dem Ergebnis, dass ein Wechsel in die Bayerische Steuerverwaltung nicht realisiert werden könne.
9
Am … April 2018 ist die Klägerin nochmals von der MUS amtsärztlich zur Frage der Dienstfähigkeit untersucht und begutachtet worden. Zusätzlich wurde am … Juni 2018 ein Neuropsychologisches Gutachten erstellt. In dem Gesundheitszeugnis vom … Juli 2018 wurde festgestellt, dass die Leistungsfähigkeit der Beamtin nach wie vor eingeschränkt sei, dass jedoch genug Leistungsfähigkeit vorhanden sei, um den Dienst mit bestimmten Einschränkungen antreten zu können. Aus medizinischer Sicht sei es der Klägerin möglich, für eine Beschäftigung im Verwaltungsbereich bei einer anderen Behörde eine Umschulungs- bzw. Ausbildungsmaßnahme abzuleisten. Gegenüber anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten bestünden aus neuropsychologischer Sicht qualitativ keine Bedenken, sofern sie nicht in der JVA seien, die Beamtin sich der Tätigkeit gewachsen fühle und sie in M. bleiben könne.
10
Mit Schreiben vom … August 2018 schrieb das Bayerische Staatsministerium der Justiz nochmals sämtliche Ressorts des Beklagten mit der Bitte um Prüfung einer anderweitigen Verwendung der Klägerin an. Auch diese Anfrage blieb jedoch erfolglos.
11
Darüber hinaus bearbeitete das Bayerischen Staatsministerium der Justiz sämtliche von der Klägerin übersandte Stellenausschreibungen und kontaktierte die entsprechenden Geschäftsbereiche. Eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit für die Klägerin hat sich daraus nicht aufgetan.
12
Die von der Klägerin mit Schreiben vom … September 2018 beantragte Kostenübernahme für den Beschäftigungslehrgang I wurde vom Bayerischen Staatsministerium der Justiz abgelehnt. Eine Qualifizierungsmaßnahme werde ermöglicht, sobald der Klägerin ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden könne und eine Qualifizierungs- oder Ausbildungsmaßnahme hierfür erforderlich sei. Zudem sei die Teilnahme der Klägerin am Beschäftigungslehrgang I weder chancenerhöhend noch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll.
13
Mit Schreiben vom … November 2018 teilte die JVA M. dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz mit, dass beabsichtigt sei, das Ruhestandsversetzungsverfahren einzuleiten und bat um Erteilung des Einverständnisses hierfür. Dieses wurde mit Schreiben vom … November 2018 erteilt. Die Klagepartei wurde mit Schreiben vom … November 2018 zu der beabsichtigten Ruhestandsversetzung angehört.
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Mit Schreiben vom … Dezember 2018 sowie vom … Februar 2019, machte die Klägerin Einwendungen gegen die beabsichtigte Ruhestandsversetzung geltend. Bei der Klägerin bestehe nach wie vor ein ausreichend positives Leistungsbild für eine anderweitige Verwendung. Eine dauernde Dienstunfähigkeit liege nicht vor. Der Beklagte habe die Anforderungen an die Suchpflicht nicht erfüllt, da unstreitig vakante Dienstposten existierten, auf welchen die Klägerin erprobt werden könnte. Es sei nicht ausreichend, wenn von anderen Ressorts lediglich die Mitteilung gemacht werde, dass keine Verwendungsmöglichkeit für die Klägerin bestehe. Der Dienstherr habe auch keine dialogischen Bemühungen angestellt, um der Klägerin eine der zahlreichen freien Stellen in der zweiten Qualifikationsebene zu vermitteln. Des Weiteren sei der Klägerin die Teilnahme an dem Beschäftigungslehrgang I zu Unrecht versagt worden.
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Mit Schreiben vom … April 2019 stimmte die Hauptschwerbehindertenvertretung beim Bayerischen Staatsministerium der Justiz der beabsichtigten Ruhestandsversetzung zu.
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Mit Bescheid vom … September 2019 verfügte das Bayerische Staatsministerium der Justiz die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand mit Ablauf des Monats Oktober 2019. Dem Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ sei umfassend Rechnung getragen worden. In drei gesonderten Anfragen an alle Ressorts des Beklagten sei unter anonymisierter Darstellung der vorhandenen Leistungsfähigkeit sowie der persönlichen Verhältnisse und Vorbildung der Klägerin nach Möglichkeiten gesucht worden, eine Ruhestandsversetzung der Klägerin zu vermeiden. Die dargelegten Ausführungen zur Person, den beruflichen Erfahrungen und dem bisherigen dienstlichen Werdegang der Beamtin hätten den angefragten Ressorts eine hinreichende Einschätzung erlaubt, ob die Beamtin für eine Verwendung im dortigen Verantwortungsbereich geeignet sei. Die schriftliche Suche habe sich auf Dienstposten erstreckt, die bereits frei oder in absehbarer Zeit neu zu besetzen gewesen seien. Die Anfragen seien jeweils mit der Bitte um Prüfung erfolgt, ob die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme und Übertragung einer geringwertigeren Tätigkeit bestehe. Zudem sei um Einbeziehung von mindestens innerhalb der nächsten sechs Monate frei werdenden Stellen gebeten worden. Eine probeweise Übernahme der Beamtin im Rahmen einer Abordnung zum Zwecke der Erprobung sei ausdrücklich angeboten worden. Im Rahmen intensiver dialogischer Bemühungen seien zusätzlich mehrfach konkrete Einzelanfragen bei anderen Behörden unternommen worden, nachdem Stellenausschreibungen vorgelegt worden seien, die aus Sicht der Beamtin für eine weitere Verwendung in Betracht kommen würden. Sämtliche Anfragen und Vermittlungsversuche seien ohne Erfolg geblieben. Es habe zu keinem Zeitpunkt Anlass dazu bestanden, an der sorgfältigen Prüfung der schriftlichen Anfragen und der Richtigkeit der Antworten aus den verschiedenen Ressorts des Dienstherrn zu zweifeln. Nach Abschluss der mehrmaligen Prüfung einer anderweitigen Verwendung sei es unerheblich, wenn der Dienstherr in verschiedenen Geschäftsbereichen Stellen zur Besetzung ausgeschrieben habe. Durch den Vermittlungsversuch des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz entstehe für die angefragten Behörden keine Pflicht zur Übernahme der Beamtin in einen Geschäftsbereich des Beklagten. Nachdem die Klägerin bereits Beamtin der zweiten Qualifikationsebene sei und zum Zeitpunkt der Beantragung der Genehmigung des Beschäftigungslehrgangs I keine konkrete Tätigkeit für die Klägerin im Raum gestanden habe, sei eine bestimmte Qualifizierung für eine bestimmte neue Befähigung nicht angezeigt gewesen. Im Übrigen sei der Beschäftigungslehrgang I keine geeignete Qualifizierungsmaßnahme für den Erwerb einer neuen Befähigung als Beamtin der zweiten Qualifikationsebene. Die Teilnahme an dieser Qualifizierungsmaßnahme könne sich daher nicht förderlich auswirken. Nachdem eine anderweitige Verwendung trotz intensiver Bemühungen nicht erreicht werden habe können, sei die Klägerin in den Ruhestand zu versetzen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom ... Februar 2020 wurde der Widerspruch der Klägerin vom ... November 2019 zurückgewiesen. Sämtliche Anfragen bei den Geschäftsbereichen des Dienstherrn hätten unstreitig den Anforderungen höchstrichterlicher Rechtsprechung entsprochen. Dem aufnehmenden Geschäftsbereich stehe ein Beurteilungsspielraum dahingehend zu, ob die zu einer anderweitigen Verwendung angebotene Beamtin für eine Verwendung im dortigen Verantwortungsbereich geeignet sei. Allein das jeweilige Ressort sei in Anbetracht der grundlegenden Kenntnis der Anforderungen und Abläufe seines Geschäftsbereichs befähigt, eine fundierte Einschätzung hinsichtlich der Eignung der Klägerin für einen Dienstposten zu treffen. Es dürfe und müsse davon ausgegangen werden, dass die angefragten Geschäftsbereiche die Suchanfrage zu einer möglichen anderweitigen Verwendung gewissenhaft geprüft hätten. Anlass zu Zweifeln habe zu keiner Zeit bestanden. Die von der Klägerin vorgetragene Bereitschaft zur Aufnahme einer ihr entsprechenden Tätigkeit sei ohne faktische Umsetzung geblieben.
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Mit Schriftsatz vom 9. März 2020, eingegangen bei Gericht am 11. März 2020, hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom … September 2019 und der Widerspruchsbescheid vom ... Februar 2020 werden aufgehoben.
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2. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
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Der Beklagte sei der Suchpflicht nach einer anderweitigen Verwendung der Klägerin nicht ausreichend nachgekommen. Die verfügte Ruhestandsversetzung sei nicht damit in Einklang zu bringen, dass beim Dienstherrn der Klägerin unstreitig zahlreiche Stellen im Verwaltungsbereich der zweiten Qualifikationsebene vakant seien und die Klägerin bereit wäre, eine Erprobung und gegebenenfalls Nachqualifizierung für diese Stellen anzutreten, wozu sie ausweislich der letzten amtsärztlichen Überprüfung gesundheitlich auch in der Lage wäre. Die angefragten Behörden hätten ganz überwiegend eine Ablehnung ohne inhaltliche Begründung formuliert. Es sei der Eindruck entstanden, dass kein Interesse bestehe, einen „Versorgungsfall“ aufzunehmen. Der Anspruch der Beamtin auf Beschäftigung im Rahmen einer anderweitigen Verwendung dürfe nicht unter dem Vorbehalt stehen, dass die Behörde, bei der der freie Dienstposten bestehe, der Besetzung zustimme. Das federführende Bayerische Staatsministerium der Justiz hätte zur Durchsetzung des Anspruchs der Klägerin auf eine anderweitige Verwendung gegebenenfalls nachfassen müssen, mit welcher Begründung eine solche Erprobung bzw. eine Erprobung mit gegebenenfalls anschließender Nachqualifizierung abgelehnt werde. Es erschließe sich nicht, warum das Bayerische Staatsministerium der Justiz nicht mit dem Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr Kontakt aufgenommen habe, um abzuklären, ob nach der Ableistung des sogenannten Beschäftigungslehrgangs I eine anderweitige Verwendung möglich wäre. Der Anspruch der Klägerin auf Beschäftigung werde unterlaufen, wenn sich der Dienstherr diesem dadurch entziehen könne, dass vorgetragen werde, die angefragten Behörden hielten die Beamtin hierfür nicht für geeignet, mehr könne man nicht tun, obwohl unstreitig zahlreiche Stellen im Verwaltungsbereich in der zweiten Qualifikationsebene unbesetzt seien. Dem Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ sei angemessen Rechnung zu tragen. Die letzte Suchanfrage des Dienstherrn sei im August 2018 erfolgt. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids im Februar 2020 sei nicht mehr von einer ausreichenden Aktualität der Suchanfrage auszugehen. Die Klägerin habe dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz im gesamten Jahr 2019 zahlreiche freie Stellen in der zweiten Qualifikationsebene vorgelegt, für die sie Interesse hätte. Die Klägerin habe Initiative zur aktiven und eigenständigen Bewerbung gezeigt und den Beklagten davon in Kenntnis gesetzt. Im Übrigen sei es Aufgabe des Dienstherrn, nach einer anderweitigen Verwendung zu suchen. Der gescheiterte Versuch, die Klägerin in der Steuerverwaltung unterzubringen, sei nicht der Klägerin anzulasten. Die Klägerin habe keinerlei einschlägige Erfahrungen mit Bürotätigkeiten und insbesondere nicht im Bereich Finanzen. Es sei unzutreffend, dass die Klägerin nicht offen für eine Tätigkeit im S-Bahn-Bereich der Stadt München wäre.
22
Mit Schriftsatz vom 28. April 2020 hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz für den Beklagten die Behördenakten vorgelegt und beantragt,
24
Der Vortrag der Klagepartei, dass die Ablehnungen ohne inhaltliche Begründung den Eindruck erwecke, es habe kein Interesse zur Beschäftigung eines Versorgungsfalles bestanden, stelle eine jeglicher Tatsachengrundlage entbehrende Unterstellung gegenüber den verschiedenen Geschäftsbereichen des Beklagten dar, die einzig das Ziel verfolge, die sorgfältig und gewissenhaft getroffenen Feststellungen der einzelnen Geschäftsbereiche in Frage zu stellen und aus einem Schutzinteresse der Klägerin heraus der Arbeit der Geschäftsbereiche die uneingeschränkte Qualität abzusprechen. Vor der Frage, ob ein fehlerhafter Ermessensgebrauch durch die angefragten Behörden vorliege, bedürfe es zunächst der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen. Zur Übernahme einer Beamtin bedürfe es der Eignung der Beamtin für eine derzeit oder in absehbarer Zeit zu besetzende Stelle. Bei der Frage der Eignung der Klägerin seien die zur Verfügung stehenden Tatsachengrundlagen zur Verfügung gestellt worden. Im Ergebnis habe dies in allen Fällen zu einer Ablehnung einer Übernahme in den jeweiligen Geschäftsbereich geführt. Da bereits die Voraussetzungen der Übernahme nicht gegeben gewesen seien, habe sich die Frage etwaiger Ermessensfehler nicht gestellt. Innerhalb der Behörden des Beklagten dürfe und müsse im Sinne eines effektiven und vertrauensvollen Geschäftsablaufs davon ausgegangen werden, dass das mitgeteilte Ergebnis dem Inhalt der dortigen sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung zur Möglichkeit einer anderweitigen Verwendung entspreche. Die Ablehnung der Übernahme durch das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sei aufgrund von Zweifeln an der persönlichen Eignung erfolgt. Weitere dialogische Bemühungen seien nicht angezeigt gewesen. Die letzte Suchanfrage sei im August 2018 erfolgt. Die Tatsache, dass im Laufe des weiteren Verfahrens ständig Stellen im Bereich des Dienstherrn frei gewesen seien und auch aktuell seien, könne das Zwangspensionierungsverfahren nicht dauerhaft hemmen oder unterbrechen. Nach gewissenhafter, umfangreicher und mehrfacher erfolgloser Suche nach einer anderweitigen Verwendung habe davon ausgegangen werden dürfen, dass eine Vermittlung aus dem aktiven Dienst heraus in absehbarer Zeit auch weiterhin nicht mehr möglich sein werde. Unter dem Eindruck bereits mehrfach gescheiterter erfolgsversprechender Vermittlungsversuche und einer im Raum stehenden Ruhestandsversetzung, hätten aktive und zahlreiche Bewerbungsversuche der Klägerin die Chancen einer Fortführung ihres aktiven Dienstverhältnisses erhöhen können und die Motivation an einer weiteren Beschäftigung erkennen lassen können. Die Verantwortung für die nicht geglückten Übernahmen der Klägerin sei nicht ausschließlich dem Beklagten zuzuordnen.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie auf die Niederschrift vom 6. April 2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
27
Der Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom … September 2019 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom ... Februar 2020 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Beklagte ist ohne Rechtsfehler zu der Einschätzung gelangt, dass die Klägerin dauernd dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 S. 2 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG) i.V.m. Art. 65 Abs. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) und in den Ruhestand zu versetzen ist, da eine anderweitige Verwendung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG nicht in Betracht kommt.
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1. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauerhaft unfähig (dienstunfähig) sind.
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Als dienstunfähig kann nach § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Hierzu bestimmt Art. 65 Abs. 1 BayBG, dass Beamtinnen und Beamte auch dann als dienstunfähig im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG angesehen werden können, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden.
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Für die Annahme einer Dienstunfähigkeit reicht es jedoch nicht aus, dass der Beamte die Aufgaben des von ihm wahrgenommenen Amtes im konkret-funktionellen Sinn (Dienstposten) nicht mehr erfüllen kann. Denn Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinn. Es umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen der Beamte amtsangemessen beschäftigt werden kann. Damit setzt Dienstunfähigkeit voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der dem statusrechtlichen Amt des Beamten zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist (vgl. zu § 42 BBG a.F.: BVerwG, U.v. 26.3.2009 - 2 C 73/08 - BVerwGE 133, 297, juris Rn. 14).
31
Nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG ist von der Versetzung in den Ruhestand zwingend abzusehen, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist, d.h. dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann (§ 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG). Mit Wirkung zum 7. Dezember 2018 wurde aus der zuvor geltenden „Soll“-Vorschrift eine zwingende Norm. Danach wird nicht in den Ruhestand versetzt, wer anderweitig verwendbar ist (Art. 1 Nr. 7, Art. 8 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenstatusgesetzes und des Bundesbeamtengesetzes sowie weiterer dienstrechtlicher Vorschriften vom 29.11.2018, BGBl. I S. 2232; vgl. Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Januar 2022, § 26 BeamtStG Rn. 4).
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Gemäß § 26 Abs. 3 BeamtStG kann unter Beibehaltung des übertragenen Amtes dem Beamten ohne seine Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.2009 - 2 C 46.08 - juris; U.v. 26.3.2009 - 2 C 73/08 - BVerwGE 133, 297, juris; BayVGH, B.v. 11.1.2012 - 3 B 10.346- juris).
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Die vorgenannten Vorschriften begründen die Pflicht des Dienstherrn, nach einer anderweitigen, dem Beamten gesundheitlich möglichen und zumutbaren Verwendung (einschließlich der Verwendung nach § 26 Abs. 3 BeamtStG) von Amts wegen ernsthaft und gründlich zu suchen. Nur dieses Verständnis entspricht dem Ziel der Vorschrift, dienstunfähige Beamte nach Möglichkeit im aktiven Dienst zu halten. Das wurde durch die Neufassung des § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG unterstrichen. Ohne die so verstandene gesetzliche Suchpflicht könnte der Dienstherr über die Geltung des Grundsatzes „Weiterverwendung vor Versorgung“ nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit entscheiden und autonom festlegen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Kriterien er sich um eine anderweitige Verwendung bemüht. Das wäre mit Wortlaut und Zweck des Gesetzes nicht vereinbar (BVerwG, U.v. 26.3.2009 - 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297, juris Rn. 25; U.v. 19.3.2015 - 2 C 37/13 - NVwZ-RR 2015, 625, juris Rn. 15 zu Art. 56 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F.; BayVGH, B.v. 2.10.2014 - 3 ZB 12.1740 - juris Rn. 4). Das übereinstimmende Interesse aller Dienstherren an der vollen Nutzung der knappen personellen Ressourcen des öffentlichen Dienstes und an der Realisierung der von den Beamtinnen und Beamten eingegangenen Verpflichtung zur vollen Dienstleistung bis zum Erreichen der Altersgrenze rechtfertigt diese Regelung. Die zuständigen Dienststellen müssen im Fall der Dienstunfähigkeit vor einer Versetzung in den Ruhestand als ultima ratio zunächst umfassend Möglichkeiten einer anderweitigen Verwendung prüfen (BT-Drs. 780/06, S. 57 f. zu § 27 BeamtStG a.F.). Die Suche nach einem anderen Amt muss dem Grundsatz „Weiterverwendung vor Versorgung“ in effektiver Weise zur Umsetzung verhelfen (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2012 - 2 A 5/10 - juris Rn. 4; U.v. 26.3.2009 - 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297, juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 29.4.2014 - 3 CS 14.273 - juris Rn. 28).
34
Der Dienstherr ist von der Suchpflicht nur dann entbunden, wenn feststeht, dass der Beamte generell nicht mehr oder nur mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten zur Dienstleistung imstande ist; deren Zweck kann dann von vornherein nicht mehr erreicht werden (BVerwG, B.v. 6.11.2014 - 2 B 97/13 - NVwZ 2015, 439, juris Rn. 13; U.v. 5.6.2014 - 2 C 22/13 - BVerwGE 150, 1, juris Rn. 34).
35
Die Suche nach einer Verwendungsmöglichkeit muss sich regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn sowie auf Dienstposten erstrecken, die frei sind oder in absehbarer Zeit (sechs Monate) voraussichtlich neu zu besetzen sind. Die Suchanfrage muss eine die noch vorhandene Leistungsfähigkeit des dienstunfähigen Beamten charakterisierende und sachliche Kurzbeschreibung enthalten. Diese Kurzbeschreibung muss unter Wahrung des Personaldatenschutzes den angefragten Behörden die Einschätzung erlauben, ob der Beamte für eine Verwendung in ihrem Verantwortungsbereich in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 2 C 37/13 - NVwZ-RR 2015, 625, juris Rn. 17 f.; B.v. 6.3.2012 - 2 A 5/10 - juris Rn. 4). Die Suchpflicht darf sich nicht auf die Nachfrage beschränken, ob eine andere Behörde im Bereich des Dienstherrn bereit ist, den Beamten zu übernehmen. Vielmehr sind konkrete, ggf. auch dialogische Bemühungen erforderlich, den Beamten anderweitig zu verwenden. Zur Suchpflicht gehört des Weiteren eine Nachfrage bei einer anderen Behörde, wenn diese eine Abfrage unbeantwortet lässt (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2012 - 2 A 5/10 - juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 29.4.2014 - 3 CS 14.273 - juris Rn. 28).
36
Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der ihm obliegenden Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die Vorgaben des § 26 Abs. 3 BeamtStG beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat (BVerwG, U.v. 19.3.2015 - 2 C 37/13 - NVwZ-RR 2015, 625, juris Rn. 20).
37
Für die Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzungsverfügung kommt es materiell-rechtlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an (BVerwG, U.v. 5.6.2014 - 2 C 22.13 - BVerwGE 150, 1, Rn. 10; U.v. 16.10.1997 - 2 C 7/97 - BVerwGE 105, 267; BayVGH, B.v. 12.8.2005 - 3 B 98.1080 - juris; VG München, U.v. 13.2.2019 - M 5 K 17.3644 - juris Rn. 24).
38
2. Nach diesen Maßgaben ist die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand durch den Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin war zur Überzeugung des Gerichts zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheids vom ... Februar 2020 dienstunfähig, da eine anderweitige Verwendung der Klägerin nicht möglich war.
39
a) Die streitgegenständliche Ruhestandsversetzung ist formell rechtmäßig. Insbesondere wurde die Klägerin ordnungsgemäß angehört und die Hauptschwerbehindertenvertretung beim Bayerischen Staatsministerium der Justiz gem. § 178 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) beteiligt.
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b) Auch in materieller Hinsicht ist die Ruhestandsversetzungsverfügung nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt, obwohl bei der Klägerin nach dem amtsärztlichen Gutachten vom … Juli 2018 genug Leistungsfähigkeit vorhanden war, um den Dienst mit bestimmten Einschränkungen antreten zu können. Denn eine anderweitige - auch geringerwertige - Verwendung der Klägerin im Bereich des Beklagten ist nicht möglich. Der Beklagte ist seiner Suchverpflichtung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und 3 BeamtStG in ausreichendem Maße nachgekommen.
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In dem der Verfügung zugrundeliegenden Gesundheitszeugnis der MUS vom … Juli 2018 ist festgehalten, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin weiterhin in einem Ausmaß vorhanden seien, dass die Klägerin die im Tätigkeitsprofil gestellten Anforderungen nicht in vollem Umfang erfüllen könne. Es bestünden auch keine realistischen Aussichten auf Wiederherstellung der vollen tätigkeitsbezogenen Leistungsfähigkeit innerhalb der nächsten Monate, auch für einen späteren Zeitpunkt sei das grundsätzlich ganz ausgeschlossen. Eine dauernde Dienstunfähigkeit liege jedoch nicht vor. Vielmehr sei nach wie vor genug Leistungsfähigkeit vorhanden, dass die Klägerin ihren Dienst mit bestimmten Einschränkungen antreten könne. Aus medizinischer Sicht sei es der Beamtin möglich, für eine Beschäftigung im Verwaltungsbereich bei einer anderen Behörde eine Umschulungs- bzw. Ausbildungsmaßnahme abzuleisten. Gegenüber anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten bestünden aus neuropsychologischer Sicht qualitativ keine Bedenken, sofern sie nicht in der JVA seien, die Klägerin sich der Tätigkeit gewachsen fühle und sie in M. bleiben könne.
42
Eine solche anderweitige Verwendung konnte für die Klägerin jedoch - trotz intensiver Suche - nicht aufgetan werden, sodass sie in den Ruhestand zu versetzen war.
43
aa) Die konkreten Suchbemühungen des Beklagten genügen den oben dargestellten Anforderungen der Rechtsprechung. Der Beklagte hat dargelegt, dass er ernsthaft und gründlich nach einer anderweitigen Verwendung für die Klägerin gesucht hat. So hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz in drei gesonderten Schreiben (Juni 2016, Januar 2017, August 2018) an die Geschäftsbereiche des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz mit den Oberlandesgerichten B., N. und M. sowie sämtliche Bayerische Staatsministerien, oberste Dienstbehörden, die Staatskanzlei und den Obersten Rechnungshof unter Darstellung der vorhandenen Leistungsfähigkeit sowie der persönlichen Verhältnisse und der Vorbildung der Klägerin Möglichkeiten einer anderweitigen Verwendung angefragt. Die dargelegten Ausführungen zur Person, den beruflichen Erfahrungen und dem bisherigen dienstlichen Werdegang der Klägerin haben den angefragten Ressorts eine hinreichende Einschätzung erlaubt, ob die Klägerin für eine Verwendung in ihrem Verantwortungsbereich in Betracht kommt. Die Suchanfragen umfassten zudem den gesamten Bereich des Beklagten und erstreckten sich auf Dienstposten, die frei waren oder in absehbarer Zeit (sechs Monate) voraussichtlich neu zu besetzen sind. Auch sind die Anfragen jeweils mit der Bitte um Prüfung erfolgt, ob die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme und Übertragung einer geringwertigeren Tätigkeit besteht. Eine probeweise Übernahme der Klägerin im Rahmen einer Abordnung zum Zwecke der Erprobung ist ausdrücklich angeboten worden.
44
Auf sämtliche Anfragen erhielt das Bayerische Staatsministerium der Justiz von jeder angeschriebenen Behörde eine schriftliche Absage. In der Bayerischen Steuerverwaltung wurde eine Verwendung der Klägerin im Rahmen eines einwöchigen Praktikums geprüft. Ein Wechsel konnte jedoch nicht realisiert werden, da das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat zu der Einschätzung kam, dass die Klägerin weder persönlich noch fachlich für eine Verwendung in der Bayerischen Steuerverwaltung geeignet sei. Auch die Klägerin konnte sich eine diesbezügliche Verwendung nicht vorstellen.
45
Darüber hinaus hat das Bayerische Staatsministerium der Justiz im Rahmen dialogischer Bemühungen zusätzlich mehrfach konkrete Einzelanfragen bei anderen Behörden gestellt, nachdem die Klägerin Stellenausschreibungen vorgelegt hatte, die aus ihrer Sicht für eine weitere Verwendung in Betracht gekommen wären.
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Der Beklagte ist seiner Suchpflicht daher ausreichend nachgekommen. Die Vornahme weitergehender dialogischer Bemühungen war nicht erforderlich.
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bb) Soweit die Klägerbevollmächtigte vorträgt, dass es beim Beklagten zahlreiche freie Stellen gebe, die Ablehnungen der Behörden pauschal und ohne inhaltliche Begründung erfolgt seien und das Bayerische Staatsministerium der Justiz im Rahmen dialogischer Bemühungen nachfassen hätte müssen, kann sie damit nicht durchdringen. Zwar hat die Klägerin einen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung; eine voraussetzungslose Verpflichtung für die Geschäftsbereiche des Beklagten, die Klägerin zu übernehmen, besteht allerdings nicht. Vielmehr steht dem aufnehmenden Geschäftsbereich ein Beurteilungsspielraum dahingehend zu, ob die zu einer anderweitigen Verwendung angebotene Beamtin für eine Verwendung im dortigen Verantwortungsbereich geeignet ist. Allein das jeweilige Ressort ist in Anbetracht der grundlegenden Kenntnis der Anforderungen und Abläufe seines Geschäftsbereichs befähigt, eine fundierte Einschätzung hinsichtlich der Eignung der Klägerin für einen Dienstposten zu treffen. Wenn im Rahmen dieser Eignungseinschätzung die angefragten Behörden zu dem Ergebnis kommen, dass die Klägerin für eine Verwendung nicht geeignet ist und das Bayerische Staatsministerium der Justiz dies ohne weitere Nachfrage zur Kenntnis nimmt, ist dagegen rechtlich nichts zu erinnern. Im Sinne eines effektiven und vertrauensvollen Geschäftsablaufs innerhalb der Behörden des Beklagten durfte das Bayerische Staatsministerium der Justiz davon ausgehen, dass das mitgeteilte Ergebnis einer sorgfältigen und gewissenhaften Prüfung entspricht. Gegenteilige Anhaltspunkte sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Beklagte war daher nicht verpflichtet, weitere Nachfragen anzustellen oder dialogische Bemühungen dahingehend aufzunehmen, aus welchem Grund eine anderweitige Verwendung bei den angefragten Stellen nicht möglich war. Dies ist vielmehr nur dann erforderlich, wenn die Suchanfrage von einer angefragten Behörde unbeantwortet bleibt (BVerwG, B.v. 6.3.2012 - 2 A 5/10 - juris Rn. 4). Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.
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cc) Auch gegen die Nichtgenehmigung der Teilnahme der Klägerin am Beschäftigungslehrgang I ist rechtlich nichts zu erinnern. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat die Ablehnung damit begründet, dass die Klägerin als Beamtin der zweiten Qualifikationsebene schon nicht der Zielgruppe dieses Lehrgangs angehöre. Der Beschäftigungslehrgang I stelle daher keine geeignete Qualifizierungsmaßnahme für den Erwerb einer neuen Befähigung als Beamtin der zweiten Qualifikationsebene dar. Es erschließe sich auch nicht, inwiefern sich die Chancen auf eine anderweitige Verwendung durch diese Fortbildung erhöhen würden. Zudem habe zum Zeitpunkt der Beantragung der Genehmigung des Beschäftigungslehrgangs I keine konkrete Tätigkeit für die Klägerin im Raum gestanden, sodass eine bestimmte Qualifizierung für eine bestimmte neue Befähigung nicht angezeigt gewesen sei. Denn Ausbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen für Bedienstete des Beklagten würden individuell und auf die Bedürfnisse der jeweils aufnehmenden Dienststelle zugeschnitten sowie unter der Voraussetzung einer grundsätzlich vorhandenen und festgestellten Eignung für die künftige Tätigkeit ermöglicht. Die Ablehnung der Übernahme durch das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr sei aufgrund von Zweifeln an der persönlichen Eignung erfolgt. Weitere dialogische Bemühungen seien daher nicht angezeigt gewesen. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
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dd) Auch die Tatsache, dass seit der letzten Suchanfrage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids bereits anderthalb Jahre vergangen waren, steht der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzung vorliegend nicht entgegen.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ruhestandsversetzungsverfügung ist der Erlass des Widerspruchsbescheides, hier der … Februar 2020. Zu diesem Zeitpunkt muss feststehen, dass für die Klägerin weder aktuell noch in absehbarer Zeit eine andere Verwendungsmöglichkeit besteht. Welche Anforderungen an die Aktualität einer Abfrage zu stellen sind, ist dabei stets vom Einzelfall abhängig. Wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass möglicherweise eine zum Zeitpunkt der ersten Abfrage noch nicht verfügbare Stelle nunmehr mit dem betroffenen Beamten besetzt werden könnte, ist in jedem Fall eine neue Abfrage durchzuführen (SächsOVG, U.v. 30.10.2018 - 2 A 479/15 - juris Rn. 28), in allen anderen Fällen wird man hingegen davon ausgehen dürfen, dass eine durchgeführte Abfrage mehrere Monate lang ihre Gültigkeit behält (VG Kassel, U.v. 18.6.2020 - 1 K 2834/18.KS - juris Rn. 60).
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Zwar liegt zwischen der letzten Suchanfrage und dem Erlass des Widerspruchsbescheids ein nicht unerheblicher Zeitraum. Anhaltspunkte dafür, dass die Suchanfrage nicht mehr aktuell genug ist, bestehen jedoch nicht. Denn im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass nicht nur diese eine, sondern insgesamt drei Suchanfragen durchgeführt worden sind (Juni 2016, Januar 2017, August 2018). Alle drei Suchanfragen verliefen erfolglos. Darüber hinaus ist der Beklagte auch konkreten Stellenvorschlägen der Klägerin im Rahmen dialogischer Bemühungen nachgegangen. Ein bei der Steuerverwaltung durchgeführtes Praktikum scheiterte, nachdem sich die Klägerin eine Tätigkeit dort nicht vorstellen konnte. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass eine erneute Abfrage zu einem anderen Ergebnis führen könnte, insbesondere gibt es keine Hinweise, dass eine zum Zeitpunkt der durchgeführten Abfragen noch nicht verfügbare Stelle nunmehr mit der Klägerin besetzt werden könnte. Aus diesem Grund erscheint eine weitere Abfrage nicht erfolgsversprechend. Die Suchanfrage war daher vorliegend ausreichend aktuell für die Ruhestandsversetzungsverfügung. Der Beklagte hat alles getan, um seiner Suchverpflichtung nachzukommen.
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3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Feststellung gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, erübrigt sich daher. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).