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VG München, Urteil v. 11.05.2022 – M 25 K 19.31750
Titel:

Asyl: Nigeria, IPOB, Vortrag unglaubhaft, Abschiebungsverbote (verneint).

Normenketten:
AsylG § 3
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenhG § 60 Abs. 7 S. 1
Schlagworte:
Asyl: Nigeria, IPOB, Vortrag unglaubhaft, Abschiebungsverbote (verneint).
Fundstelle:
BeckRS 2022, 18670

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Asylberechtigung, der Flüchtlingseigenschaft, die Feststellung des subsidiären Schutzstatus und die Feststellung von Abschiebungsverboten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 29. April 2019.
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Der am … Juli 1989 geborene Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger und der Volksgruppe der Ibo zugehörig.
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Er reiste nach eigenen Angaben am 28. April 2017 über Griechenland kommend in die Bundesrepublik ein und stellte am 12. Mai 2017 einen Asylantrag.
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In der Anhörung beim Bundesamt am 2. Juni 2017 gab der Kläger im Wesentlichen an, er habe Nigeria aufgrund seiner Probleme mit der nigerianischen Regierung verlassen, da er ein Mitglied der „IPOB“ gewesen sei. Er sei am 31. Mai 2016 bei einer Demonstration gewesen, wo er von der Polizei angegriffen worden sei. Er habe sich dabei seine Hand gebrochen. Es habe Verletzte und Tote gegeben. In der Folge sei er von der Polizei für zwei Wochen festgenommen worden. Leute aus der Kirche hätten für seine Freilassung gesorgt. Die Polizei werde auch weiterhin Mitglieder der „IPOB“ verfolgen. In Nigeria sei er aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der „IPOB“ nicht sicher. Seit dem 31. Mai 2016 sei ihm nichts weiter zugestoßen. Er sei seit 2015 Mitglied bei der IPOB Bewegung und für die Mitgliedergewinnung zuständig gewesen. In Nigeria habe er mit seiner Mutter und seinem Bruder in Anambra State in ihrem Familienhaus gelebt. Am 23. April 2017 habe er Nigeria verlassen. Die Schule habe er mit der allgemeinen Hochschulreife abgeschlossen. Danach habe er in Teilzeit Politikwissenschaften studiert. Zuletzt habe er einen eigenen Kiosk betrieben. Unter körperlichen oder seelischen Gebrechen leide er nicht.
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Mit Bescheid vom 29. April 2019 lehnte das Bundesamt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziff. 1) und die Asylanerkennung ab (Ziff. 2). Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (Ziff. 3). Das Bundesamt stellte fest, dass keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen (Ziff. 4). Der Kläger wurde deshalb aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen; für den Fall des Nichteinhaltens der Ausreisefrist wird der Kläger nach Nigeria abgeschoben (Ziff. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Tage ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 6).
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Dies begründete das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass der Kläger seine Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden aufgrund von detailarmen, lückenhaften und widersprüchlichen Angaben nicht glaubhaft gemacht habe. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Nigeria führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Der Kläger sei ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann. Er verfüge über die allgemeine Hochschulreife sowie universitäre Bildung, weshalb er weit überdurchschnittlich gebildet sei. Es sei davon auszugehen, dass die Familie des Klägers willens sei, der Kläger bei einer Rückkehr nach Nigeria erneut aufzunehmen und zu unterstützen. Es sei daher davon auszugehen, dass der Kläger in Nigeria seinen Lebensunterhalt sichern könne. Individuelle gefahrerhöhende Umstände seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Die Bevollmächtigte des Klägers erhob mit Schriftsatz vom 6. Mai 2019, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München per Telefax am selben Tag, Klage mit folgenden Anträgen:
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1. Der Bescheid vom 29. April 2019 wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass der Kläger asylberechtigt ist,
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3. die Flüchtlingseigenschaft bei ihm vorliegt,
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4. das subsidiäre Schutzstatut bei ihm vorliegt
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5. und festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG beim Kläger vorliegen.
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Mit Beschluss vom 6. April 2022 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Am 11. Mai 2022 wurde in der Sache mündlich vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München verhandelt. Hinsichtlich der Details wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die vorgelegte Behördensowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet.
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I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Asylanerkennung, der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG oder des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG bzw. auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG, § 113 Abs. 5 VwGO. Auch gegen die Abschiebungsandrohung und die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bestehen keine rechtlichen Bedenken. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Zuerkennung von Asyl im Sinne des Art. 16a GG scheidet bereits daher aus, da der Kläger aus Griechenland in die Bundesrepublik Deutschland einreiste.
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Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zugunsten des Klägers besteht nicht.
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Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist - unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist. Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer Verfolgungshandlungen aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris Rn. 19). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen. Auch eine kriminelle Verfolgung muss an ein in § 3 AsylG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris Rn. 21 ff.).
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Daran gemessen ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass dem Kläger aufgrund seiner geltend gemachten „IPOB“-Mitgliedschaft die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung droht.
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Der klägerische Vortrag hinsichtlich seiner Tätigkeit bei der „IPOB“ ist widersprüchlich und daher unglaubhaft. Vor diesem Hintergrund ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger tatsächlich aktives Mitglied bei der „IPOB“ gewesen ist.
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Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist - unter Berücksichtigung der Herkunft, des Bildungsstands und des Alters des Asylsuchenden sowie sprachlicher Schwierigkeiten - ein geeigneter Vortrag, der die in die eigene Sphäre des Asylsuchenden fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen, lückenlos trägt (vgl. BVerwG, B. v. 20.8.1992 - 9 B 295.91 - juris Rn. 5; U. v. 8.5.1984 - 9 C 141/83 - juris Rn. 11). Der Asylbewerber hat von sich aus einen stimmigen, der Wahrheit entsprechenden, vollständigen und widerspruchsfreien Sachverhalt zu geben (vgl. stRspr. BVerwG, B. v. 20.5.1992 - 9 B 295/91 - juris Rn. 5; U. v. 20.10.1987 - 9 C 147/86 - juris Rn. 16; U. v. 22.3.1983 - 9 C 68/81 - juris Rn. 5). Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht, sein Vorbringen nicht überzeugend auflösbare Widersprüche enthält oder er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert (vgl. BayVGH, U. v. 19.4.2021 - 11 B 19.30575 - juris Rn. 23 m.w.N.; BVerwG, U. v. 8.2.1989 - 9 C 29/87 - juris Rn. 8).
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Der Kläger gab zunächst widersprüchliche Tätigkeiten bei der „IPOB“-Bewegung bei den verschiedenen Anhörungen an. Im Rahmen seiner Anhörung beim Bundesamt trug er vor, er sei bei der „IPOB“ für die Mitgliedergewinnung zuständig gewesen. Davon abweichend gab er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München an, er sei im Sekretariat tätig gewesen und habe unter anderem Protokolle von Sitzungen angefertigt. Bereits daher stellt sich der Vortrag als unglaubhaft dar. Darüber hinaus trug er lediglich vor, bei einer Demonstration anwesend gewesen zu sein und schilderte keine weiteren Details zu einer etwaigen aktiven dauerhaften Tätigkeit bei der Vereinigung, sodass nicht davon auszugehen ist, dass der Kläger dort tatsächlich aktiv tätig gewesen ist.
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Selbst wenn man den klägerischen Vortrag als wahr unterstellen sollte, fehlt es angesichts der fehlenden herausgehobenen Stellung des Klägers innerhalb der Organisation an der begründeten Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung des Klägers durch die Sicherheitskräfte bei einer Rückkehr nach Nigeria.
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Die IPOB-Bewegung wird zwar vom nigerianischen Staat als terroristische Vereinigung angesehen und ist als solche verboten (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand 5.12.2020, S. 10). Im Jahr 2021 gingen Sicherheitskräfte vermehrt gegen den militanten Arm der IPOB, das Eastern Security Network (ESN) vor (vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation, Nigeria, Stand 3.9.2021, S. 7). Festnahmen oder Verhaftungen von IPOB-Mitgliedern einzig wegen ihrer Mitgliedschaft in der Organisation sind aber nicht bekannt (vgl. Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation, Nigeria, Stand 3.9.2021, S. 27). Ein erhöhtes Risiko einer Verfolgung besteht allenfalls für die Anführer der IPOB-Bewegung in Nigeria (vgl. VG Düsseldorf, U. v. 14. Oktober 2019 - 27 K 10084/17.A - Rn. 23 m.w.N.). Eine Fahndung nach zurückkehrenden Straftätern am Flughafen findet nicht statt (vgl. VG Düsseldorf, U. v. 16.8.2021 - 27 K 7543/20.A - juris Rn. 49 f. m.w.N), auch nicht nach Biafra-Anhängern (vgl. VG Würzburg, U. v. 24.2.2021 - W 8 K 20.30328 - juris Rn. 34).
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Nach seinen (widersprüchlichen) Angaben war der Kläger wahlweise als Sekretär oder in der Mitgliedergewinnung für die Organisation tätig. Er bekleidete keine Führungsposition oder vertrat die Bewegung öffentlichkeitswirksam nach außen, sodass das Gericht nicht davon ausgeht, dass der Kläger bei einer Rückkehr beachtlich wahrscheinlich verfolgt werden würde.
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Auch die Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten des Klägers scheidet aus, da das Gericht vor dem Hintergrund des oben genannten nicht davon ausgeht, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Nigeria aufgrund seiner geltend gemachten IPOB-Mitgliedschaft mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht. Darüber hinaus gehende Anhaltspunkte für eine Gefährdung sind weder ersichtlich noch geltend gemacht.
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Ferner begegnet die Feststellung des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG keinen rechtlichen Bedenken.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, wenn sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685 - EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK setzt voraus, dass dem Betroffenen im Fall der Abschiebung im Zielgebiet eine erhebliche individuelle Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Schlechte humanitäre Verhältnisse können dann eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen, wenn diese ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nichtstaatlicher Akteure beruhen, die dem Staat zurechenbar sind, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will. Ganz außerordentliche individuelle Umstände müssen dagegen hinzutreten, um schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet als „Behandlung“ im Sinne von Art. 3 EMRK anzusehen, wenn diese nicht überwiegend auf Handlungen der genannten Akteure zurückzuführen sind (vgl. VGH BW, U.v. 24.7.2013 - A 11 S 697/13 - juris Rn. 71, 79 ff. m.w.N.). Im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK reicht der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage der Betroffenen einschließlich ihrer Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wobei ein sehr hohes Gefährdungsniveau vorauszusetzen ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.10.2012 - 10 B 16/12 - juris Rn. 8 m.w.N.; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 23f. m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 30.9.2015 - 13a ZB 15.30063 - juris Rn. 5). Maßgeblich sind die Gesamtumstände des jeweiligen Falls, Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (vgl. VG Lüneburg, U.v. 6.2.2017, 3 A 140/16 - juris Rn. 53 m.w.N.; OVG Lüneburg, U.v. 7.9.2015 - 9 LB 98/13 - juris Rn. 26).
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In zeitlicher Hinsicht kommt es dabei auf die absehbare Zeit nach der Rückkehr an. Es ist nicht erforderlich, dass das Existenzminimum des Klägers in seinem Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist. Maßstab für die Gefahrenprognose ist vielmehr, ob der Kläger nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährten Rückkehrhilfen, in der Lage ist, die oben genannten elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 - 1 C 10.21, Pressemitteilung Nr. 25/2022). Ein solcher besonderer Ausnahmefall ist hier beim Kläger nicht ersichtlich.
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Der junge gesunde Kläger ist in der Lage sich in seinem Herkunftsland ein wirtschaftliches Existenzminimum im Sinne des Art. 3 EMRK zu sichern. Er hat in Nigeria die Schule regulär mit einem der allgemeinen Hochschulreife vergleichbaren Abschluss beendet und in Teilzeit Politikwissenschaften studiert. Darüber hinaus hat er einen eigenen Kiosk für Aufladekarten für Mobiltelefone betrieben, wo er etwa 40.000 Naira monatlich verdient hat. Zudem kann er nach seiner Rückkehr zumindest in der Anfangszeit Unterstützung von seinen noch lebenden Eltern und seinem Bruder erlangen.
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Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass es dem Kläger auch zumutbar ist, durch eine freiwillige Rückkehr nach Nigeria die nicht unerheblichen finanziellen und logistischen Leistungen aus nationalen und europäischen Start- und Rückkehrhilfen sowie von Reintegrationsprogrammen in Anspruch zu nehmen (vgl. u.a. gemeinsames Informationsangebot des BAMF und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) unter https://www.returningfromgermany.de/de/countries/nigeria, über das der Kläger bereits mit der Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids informiert wurde, die ergänzenden Förderangebote des „Bayerischen Rückkehrprogramms“ unter www.lfar.bayern.de sowie grundsätzlich: BVerwG, U.v. 15.4.1997 - 9 C 38/96 - juris Rn. 27).
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Eine individuelle erhebliche konkrete Gefahr für den Kläger im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist vorliegend weder ersichtlich noch geltend gemacht.
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Gegen die Abschiebungsandrohung und das erlassene Einreise- und Aufenthaltsverbot bestehen keine rechtlichen Bedenken. Insbesondere erweist sich die Befristung auf 30 Monate mangels erkennbarer Besonderheiten als ermessensfehlerfrei.
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II. Die nach § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Klage war deshalb abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.