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VG München, Urteil v. 19.05.2022 – M 13 K 17.47719
Titel:

Unzulässige asylrechtliche Klage wegen fehlender ladungsfähiger Anschrift

Normenkette:
VwGO § 82 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage, die spätestens bei Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen muss. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht, Herkunftsland: Äthiopien, Unzulässige Klage, Äthiopien, äthiopischer Staatsangehöriger, Unzulässigkeit, ladungsfähige Anschrift
Fundstelle:
BeckRS 2022, 18652

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger ist ein am ... 2016 im Bundesgebiet geborener äthiopischer Staatsangehöriger.
2
Am 22. Juni 2017 wurde die Geburt des Klägers gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) angezeigt, wodurch gemäß § 14a Abs. 2 AsylG ein Asylantrag als für den Kläger gestellt gilt.
3
Mit Schreiben vom 18. Juli 2017 verzichtete der Vater des Klägers auf die Durchführung eines Asylverfahrens, woraufhin das Bundesamt ohne weitere Anhörung der gesetzlichen Vertreter mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28. August 2017 das Verfahren einstellte (Nr. 1) und feststellte, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Der Kläger wurden zur Ausreise binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens aufgefordert und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Äthiopien oder einen anderen zur Rückübernahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht (Nr. 3). Das für den Fall der Abschiebung verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
4
Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 12 September 2017, am selben Tage bei Gericht eingegangen, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2017 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger den Status als Flüchtling, hilfsweise subsidiären Schutzstatus oder die Vorlage eines Abschiebungsverbots zuzuerkennen.
5
Die Beklagte hat die Behördenakten auf elektronischem Weg vorgelegt, ohne einen Antrag zu stellen.
6
Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2022 hat der Bevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, dass er seit Januar 2022 keinen Kontakt mehr zum Kläger oder dessen Eltern habe und die Familie in Deutschland nicht mehr auffindbar / gemeldet sei.
7
In der mündlichen Verhandlung am 19. Mai 2022 war der Kläger weder persönlich anwesend noch durch seinen Bevollmächtigten vertreten. Die Beklagte war ebenfalls nicht vertreten.
8
Eine durch das Gericht am 19. Mai 2022 durchgeführte Abfrage des Ausländerzentralregisters hat ergeben, dass der Kläger bereits seit dem 3. Mai 2021 unbekannt ins Ausland verzogen ist.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. 
10
Über die Verwaltungsstreitsache konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2022 entschieden werden, obwohl die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend oder vertreten waren. Die Beteiligten wurden zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
II. 
11
Die Klage ist bereits unzulässig, da die Voraussetzungen des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht erfüllt sind.
12
Außer dem Namen ist mit der Klage auch die ladungsfähige Anschrift des Klägers anzugeben. Ladungsfähige Anschrift ist die Anschrift, unter der die Partei tatsächlich zu erreichen ist. Bei einer natürlichen Person ist dies in der Regel die Wohnungsanschrift. Bei einer Änderung während des Prozesses - wie im vorliegenden Fall - ist diese mitzuteilen. Das ergibt sich aus der dem Kläger obliegenden Mitwirkungspflicht. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten wird. Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift des Klägers soll nämlich nicht nur dessen hinreichende Individualisier- und Identifizierbarkeit sicherstellen und die Zustellung von Entscheidungen, Ladungen so-wie gerichtlichen Verfügungen ermöglichen; sie soll vielmehr darüber hinaus auch gewährleisten, dass der Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragt und sich im Falle des Unterliegens seiner Kostentragungspflicht nicht entziehen kann (vgl. zum Ganzen Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 82 Rn. 3). Die Angabe der ladungsfähigen Anschrift ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage (BVerwG, B.v. 14.2.2012 - 9 B 79/11 - juris), die spätestens bei Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen muss.
13
Der Kläger ist laut AZR bereits seit dem 3. Mai 2021 unbekannt ins Ausland verzogen. Weder seine gesetzlichen Vertreter noch sein Prozessbevollmächtigter haben bis zur mündlichen Verhandlung dem Gericht eine neue ladungsfähige Anschrift mitgeteilt.
14
Zur mündlichen Verhandlung am 20. Mai 2022 ist weder der Kläger bzw. seine Eltern als seine gesetzlichen Vertreter noch dessen Bevollmächtigter erschienen.
15
Im für die Entscheidung des Gerichts maßgeblichen Zeitpunkt liegt somit keine ladungsfähige Anschrift des Klägers vor, weshalb die Klage unzulässig und folglich abzuweisen ist.
III. 
16
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
17
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.