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VG München, Urteil v. 11.07.2022 – M 5 K 18.31258
Titel:

Keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bei 10 Jahre zurückliegender Unterstützung der FDC in Uganda

Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG Art. 16a
Leitsatz:
Es ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass einer Person aufgrund ihrer über 10 Jahre zurückliegenden Unterstützung der FDC eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda droht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, FDC, Flüchtlingseigenschaft, Unterstützung der FDC, subsidiärer Schutz, Abschiebungsverbot
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 13.09.2022 – 9 ZB 22.30893
Fundstelle:
BeckRS 2022, 17901

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der 1987 geborene Kläger ist ugandischer Staatsangehöriger. Er reiste am ... Juli 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am … September 2015 einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung gab er an, dass er Uganda nach der Präsidentschaftswahl im Jahr 2011 verlassen habe. Er habe den Wahlkampf des Kandidaten der Partei FDC unterstützt, der nach Mitteilung der Wahlkommission nicht erfolgreich gewesen sei. Anhänger der Partei des Präsidenten, der die Wahl gewonnen habe, seien in den Distrikt des Klägers gekommen und hätten Häuser und Eigentum der Bewohner zerstört. Auch das Geschäft und das Haus des Klägers seien dabei zerstört worden. Der Kläger habe mit seinem Motorrad fliehen können. Einige Mitglieder der FDC seien verhaftet oder gleich getötet worden. Er habe zwei Jahre (später korrigiert bis zum Jahr 2014) im Sudan gelebt, habe allerdings nach Uganda zurückkehren müssen. Dort habe ihm sein Bruder innerhalb von zwei Wochen ein Visum für die Türkei besorgt. Dort habe er etwa ein Jahr gelebt und sei dann nach Deutschland weitergereist. Sollte er nach Uganda zurückkehren, so werde das an die Behörden weitergegeben. Er würde dann Probleme bekommen.
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Mit Bescheid vom … März 2018 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Am 19. März 2018 hat die Klagepartei Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Bescheid der Beklagten vom … März 2018 wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
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3. Die Beklagte wird verpflichtet, mich als Asylberechtigten anzuerkennen.
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4. Die Beklagte wird verpflichtet, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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5. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bestehen.
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Den Kläger drohe bei einer Rückkehr nach Uganda die Gefahr politischer Verfolgung.
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Die Beklagte hat die Akten vorgelegt, ohne sich in der Sache zu äußern.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift vom 11. Juli 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid stellt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Asylgesetz - AsylG) als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
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a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Er kann sich nicht auf Art. 16 a des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz/GG) berufen, da er nach seinen Angaben auf dem Landweg und damit zwangläufig über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG). Zudem hat er kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Anerkennung als Asylberechtigter wie auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
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b) Nach § 3 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich
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a) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
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b) außerhalb des Landes befindet
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aa) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder
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bb) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
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Weitere Einzelheiten zum Begriff der Verfolgung, den maßgeblichen Verfolgungsgründen sowie zu den in Betracht kommenden Verfolgungs- bzw. Schutzakteuren regeln die §§ 3 a bis d AsylG.
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Gemessen an diesen Kriterien liegen hinsichtlich des Klägers die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr nach Uganda dort Verfolgung droht.
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Für die Beurteilung dieser Frage gilt der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei zusammenfassender Würdigung des zur Prüfung stehenden Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25/10 - juris Rn. 24; B.v. 7.2.2008 - 10 C 33/07 - juris Rn. 23; U.v. 5.11.1991 - 9 C 118/90 - juris Rn. 17).
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c) Nach diesen Grundsätzen ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger aufgrund seiner über 10 Jahre zurückliegenden Unterstützung der FDC eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda droht.
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Dem Gericht liegen keine Erkenntnisse über eine gezielte staatliche Verfolgung von FDC Mitgliedern und Sympathisanten in Uganda vor. Nach dem Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. September 2017 (S. 6 f.) kann die politische Lage in Uganda als relativ stabil bezeichnet werden. Nach der Wahl 2021 errang die FDC einen Stimmenanteil von 3,24% und ist mit Abgeordneten im Parlament vertreten (vgl. der in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführte Artikel „Präsidentschaftswahl in Uganda 2021“ aus wikipedia). Es kann daher nicht gesehen werden, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Uganda mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr politischer Verfolgung drohen könnte. Denn er hat eine im Parlament vertretene Partei unterstützt. Es ist nicht ersichtlich, dass der ugandische Staat gegenüber dem Kläger deshalb Verfolgungsmaßnahmen ergreifen könnte. Wenn selbst exponierte Repräsentanten dieser Partei ein Parlamentsmandat ausüben können, ist kein Raum für die Annahme, dass Unterstützer oder Mitglieder dieser Partei einer politischen Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein könnten.
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Auch aufgrund des vorgetragenen Engagements des Klägers für die FDC sind keine konkreten Verfolgungshandlungen oder Bedrohungen beachtlich wahrscheinlich. Der Kläger hat angegeben, kein offizielles Parteiamt innegehabt zu haben. Er habe lediglich allgemein durch Werbung, Teilnahme an Demonstrationen und Fahrdienste die Partei unterstützt. Ein besonders herausgehobenes Engagement oder eine exponierte Stellung für die FDC folgen daraus gerade nicht. Hinzu kommt, dass seit der Ausreise inzwischen über acht Jahre vergangen sind, sein Engagement fand bei den Wahlen 2011 statt, wobei zuletzt im Jahr 2021 erneut Präsidentschaftswahlen stattfanden, sodass unwahrscheinlich ist, dass dem Kläger aufgrund seines angeblichen Engagements für die FDC heute noch eine Verfolgung drohen könnte.
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c) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten. Der Klägerin ist ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann, sodass davon auszugehen ist, dass er mindestens das Existenzminium wird sichern können. Ob und inwieweit er in der Lage wäre, zum Unterhalt von anderen bereits in Uganda lebenden Personen einen Beitrag leisten könnte, ist nicht Gegenstand des Maßstabs des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
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Auch der Umstand, dass der Kläger Vater eines Deutschland geborenen Kindes ist, bedingt kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis bezüglich Uganda. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger ein Zusammenleben mit diesem Kind in Uganda durch staatliche Maßnahmen verwehrt wäre. Es ist auch nicht vorgetragen, dass eine besondere schützenwerte Verbundenheit zwischen Vater und Kind über die formale Vaterschaftsanerkennung und Erklärung über die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts hinaus bestünde (VG München, GB v. 29.2.2016 - M 12 K 15.50784 - juris Rn. 47). Da der Kläger im Bundesgebiet keine tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft mit dem hier geborenen Kind und dessen Mutter praktiziert hat, ist gerade nicht von der Regelvermutung einer gemeinsamen Rückkehr auszugehen (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 45.18 - BVerwGE 166, 113, juris Rn. 15 ff.). Im Übrigen ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger, der sowohl in Uganda wie auch im Südsudan und auch hier in Deutschland arbeitet und seinen Lebensunterhalt absichert, bei einer Rückkehr nach Uganda den Lebensunterhalt auch für diese Personen nicht bestreiten könnte.
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d) Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (Nr. 5 des Bescheids) sowie des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG (Nr. 6 des Bescheids) bestehen keine Bedenken.
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2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.