Titel:
Asyl, Uganda: Erfolglose Klage
Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG Art. 16a
Leitsatz:
Es ist völlig unlogisch, dass ein potentielles Mitglied einer Geheimorganisation, der der Kläger angehört haben will, bereits beim ersten Treffen mit der Gruppe als offizielles Mitglied formal und mit einem Ritus aufgenommen wird. Auch wenn der Kläger durch seinen Freund einen „Fürsprecher“ gehabt haben sollte, so drängt es sich auf, dass Kandidaten erst eine gewisse Zeit vor der Aufnahme beobachtet werden. Denn allein aus Selbstschutz muss eine Geheimorganisation von der Loyalität der Beitrittskandidaten überzeugt sein, was eine Überprüfung oder Bewährung voraussetzt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Nigeria, Uganda, Nichtstaatliche Bedrohung, Polizei schutzbereit und –fähig, Asyl, Geheimbund, unglaubhaft, innerstaatlicher Schutz
Fundstelle:
BeckRS 2022, 17900
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der 1994 geborene Kläger ist ugandischer Staatsangehöriger, reiste am ... Juni 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … September 2015 einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung gab er an, dass er in Uganda geboren sei, aber in Alter von fünf Jahren nach dem Tod seines ugandischen Vaters dieses Land mit seiner Mutter verlassen und dann in Nigeria gelebt habe. Er sei nach der Grundschule im Dorf seiner Mutter nach L. … auf eine weiterführende Schule gegangen.
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Er sei gezwungen worden, einer Gruppe mit der Bezeichnung „Kotigs Aye“ beizutreten, die begonnen habe, in Schulen und auf der Straße Menschen zu töten. Ein Pastor habe ihm im Namen Gottes gesagt, dass sein Leben in Gefahr sei und er aus dieser Gruppe aussteigen solle. Die Gruppe habe allerdings nicht zugelassen, dass der Kläger diese verlasse. Der Kläger habe sich im Dorf seiner Mutter versteckt. Dort sei er jedoch von Mitgliedern dieser Gruppe aufgespürt, angegriffen und verletzt worden. Er habe weglaufen können. Er sei mit einem Schiff in die Türkei gereist und von dort auf dem Landweg nach Deutschland.
4
Mit Bescheid vom … September 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder Nigeria oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Der Bescheid wurde am … September 2017 per Einschreiben zur Post gegeben.
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Die Klagepartei hat am 29. September 2017 Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … September 2017 wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG zuzuerkennen,
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hilfsweise, dem Kläger subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zu gewähren,
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wiederum hilfsweise, festzustellen, dass zugunsten des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) besteht.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Am 23. Mai 2022 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 23. Mai 2022 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Er kann sich nicht auf Art. 16 a des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz/GG) berufen, da er nach seinen Angaben auf dem Landweg und damit zwangläufig über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG). Zudem hat er kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Anerkennung als Asylberechtigte wie auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
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b) Der Vortrag des Klägers ist unglaubhaft.
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Es ist völlig unlogisch, dass ein potentielles Mitglied einer Geheimorganisation, der der Kläger angehört haben will, bereits beim ersten Treffen mit der Gruppe als offizielles Mitglied formal und mit einem Ritus aufgenommen wird. Auch wenn der Kläger durch seinen Freund einen „Fürsprecher“ gehabt haben sollte, so drängt es sich auf, dass Kandidaten erst eine gewisse Zeit vor der Aufnahme beobachtet werden. Denn allein aus Selbstschutz muss eine Geheimorganisation von der Loyalität der Beitrittskandidaten überzeugt sein, was eine Überprüfung oder Bewährung voraussetzt.
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Auch das plötzliche Auftreten eines Priesters ist nicht nachvollziehbar, der dem Kläger aufgegeben habe, aus dem Geheimbund auszutreten, um sein Leben zu retten.
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Schließlich ist es gegen jede Logik, dass der Kläger der Gruppe gesagt haben will, dass er nach dem Gespräch mit dem Priester die Gruppe verlassen werde. Denn dadurch hätte er sich selbst gefährdet, zumal er zu diesem Zeitpunkt schon von den kriminellen Taten der Gruppe gewusst haben will.
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Auch den Widerspruch in seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung, als er zu Beginn angegeben hat, dass ihm bei der Aufnahme gesagt worden sei, dass sein Leben beendet sei, wenn er sich von der Gruppe abwenden würde, später aber ausgesagt hat, dass er nicht gewusst habe, dass er die Gruppe nicht verlassen dürfe, hat er nicht auflösen können. Vielmehr hat er auf einen entsprechenden Vorhalt ausweichend geantwortet, dass er der Gruppe nach der Warnung durch den Priester habe sagen müssen, dass er austreten wolle.
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c) Abgesehen von der Unglaubhaftigkeit des Vortrags des Klägers droht ihm bei einer Rückkehr nach Nigeria keine beachtliche Verfolgungsgefahr.
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Der nigerianische Staat bietet hinreichend Schutz vor Verfolgungshandlungen nichtstaatlicher Akteure, hier der Gruppe, der der Kläger angeblich angehört haben will. Im Übrigen stehen dem Kläger Fluchtalternativen innerhalb Nigerias - in dem es an einem funktionierenden Meldesystem fehlt - zur Verfügung, um Nachstellungen der Gruppe innerhalb dieses Landes auszuweichen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 9.4.2019 - 7 ZB 19.30172 - juris Rn. 7; VG München, U.v. 27.11.2020 - M 27 K 17.49639 - juris Rn, 20 f.; VG Stuttgart, U.v. 8.11.2021 - A 8 K 6180/19 - juris, S. 9 ff.).
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Hinsichtlich Uganda ist weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass ihm bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer asyl- oder flüchtlingsrelevanten Verfolgung drohen könnte.
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d) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
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Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Der Umstand, dass der Kläger erwerbstätig ist (wofür am …5.2022 ein Arbeitsvertrag vorgelegt wurde), bezieht sich nicht auf die zielstaatsbezogene Gefahrenprognose, die dem Gericht vorliegend ausschließlich zukommt.
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Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom … September 2017 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.