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VG München, Urteil v. 27.06.2022 – M 5 K 17.47305
Titel:

Asyl, Uganda: Erfolglose Klage

Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Eine Behandlungsmöglichkeit im Grundsatz ist für psychische Erkrankungen in Uganda gegeben. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Nichtstaatliche Bedrohung (Ehemann), Polizei schutzbereit und –fähig, Posttraumatische Belastungsstörung, Asyl, Existenzminimum, Erreichbarkeit medizinischer Behandlung, psychische Erkrankung, Bedrohung durch Ehemann
Fundstelle:
BeckRS 2022, 17899

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der 1985 geborene Klägerin zu 1 und die die 2010 geborene Klägerin zu 2 sind ugandische Staatsangehörige. Sie reisten am … September 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten hier am … Februar 2016 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung trug die Klägerin zu 1 vor, dass ihr Ehemann versucht habe, sie umzubringen. Die Klägerin zu 1 haben herausgefunden, dass ihr Ehemann sie mit einer anderen Frau betrogen habe. Von da an habe es immer Streit gegeben. Im Jahr 2013 habe ihr Ehemann versucht, das Haus der Familie in Brand zu setzen, als die Klägerin zu 1 mit ihren Kindern im Haus gewesen sei. Sie habe sich und die Kinder in Sicherheit bringen können, das Haus sei völlig abgebrannt. Den Anschlag habe sie bei der Polizei angezeigt, ihr Mann sei verschwunden. Die Klägerin zu 1 sei mit ihren Kindern zu einer Schulfreundin gegangen. Dort habe sie auf ihrem Handy Drohungen von ihrem Mann erhalten, alle umzubringen. Sie sei mit der Klägerin zu 2 im Jahr 2013 in die Türkei ausgereist und von dort nach Deutschland gegangen.
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Mit Bescheid vom … August 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Am 28. August 2017 hat die Klagepartei Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … August 2017 wird hinsichtlich Ziffer 1 sowie Ziffer 3 bis 6 aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus sowie Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG vorliegen.
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Ferner die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes gem. § 11 Abs. 1 AufenthG zu reduzieren.
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Es wurde ein Schreiben von SOLWODI Bayern e.V. vom ... April 2017 vorgelegt, in dem bestätigt wurde, dass die Klägerin zu 1 nach dem Mordanschlag auf sie und ihre Kinder nicht nach Uganda zurückkehren könne, da ihr Mann sie überall finden könne. Denn er sei beruflich viel unterwegs. Seit dem Brandanschlag könne sie nurmehr schwer schlafen. Ihre Freundin in Uganda könne ihre Kinder nicht mehr weiter versorgen. Hinzu befürchte sie, dass ihre taubstumme Tochter leicht verschleppt und ein Opfer sexueller Übergriffe werden könnte.
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Nach einem Arztbericht eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vom … Mai 2017 leidet die Klägerin zu 1 an einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode. Sie werde medikamentös behandelt, eine ambulante psychiatrische Anbindung sei notwendig.
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Die Beklagte hat die Akte vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Am 27. Juni 2022 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift vom 27. Juni 2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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a) Die Klägerinnen haben kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
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Die von den Klägerinnen vorgetragenen Drohungen knüpfen nicht an asylerhebliche Merkmale im Sinn des Art. 16a Abs. 1 GG an (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 16. Auflage 2020, Art. 16a Rn. 11 ff.). Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Asylgesetzes /AsylG ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich, dass sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Auch eine kriminelle Verfolgung muss an ein in § 3 AsylG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können. Eine Verfolgung i.S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten (VG Augsburg, B.v. 6.4.2017 - 4 S 17.31616 - juris Rn. 17).
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Die vorgetragenen Drohungen durch den Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Klägerin zu 2 knüpfen nicht an asylerhebliche Merkmale an. Denn dieser hat aus privaten Motiven das Haus der Familie in Brand gesetzt und die Klägerin zu1 mit dem Tod bedroht. Eine irgendwie geartete politische Dimension dieser Tat oder der Drohungen wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Im Übrigen ist der ugandische Staat grundsätzlich schutzbereit und -fähig (Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juli 2017, S, 7 ff. -trotz Korruption). Nach dem Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juli 2017 (S. 6 f.) kann die politische Lage in Uganda als relativ stabil bezeichnet werden.
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Hinzu kommt der Umstand, dass sich die Brandstiftung und die Drohungen im Jahr 2013 ereignet haben und mittlerweile neun Jahre zurückliegen, sodass weitere kriminelle Bedrohungen durch den Ehemann der Klägerin zu 1 und den Vater der Klägerin zu 2 aufgrund der damaligen Ereignisse äußerst unwahrscheinlich sind. Das gilt auch mit Blick auf den Umstand, dass der Ehemann in Uganda viel reise. Für eine besonders herausgehobene Bedeutung der Vorkommnisse ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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b) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
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Die Voraussetzungen für das Vorliegen von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG liegen nicht vor.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erkrankungsbedingtes Abschiebungshindernis nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Die Gefahr muss zudem konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr in das Heimatland eintreten würde (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 - 1 C 3.11 - BVerwGE 142, 179, juris Rn. 34 m.w.N.; U.v. 25.11.1997 - 9 C 58/96 - juris). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes liegt nicht schon dann vor, wenn von einer Heilung der Erkrankung im Zielland der Abschiebung wegen der dortigen Verhältnisse nicht auszugehen ist, die Erkrankung sich aber auch nicht gravierend zu verschlimmern droht. Das Abschiebungsverbot dient nämlich nicht dazu, dem ausreisepflichtigen erkrankten Ausländer die Heilung seiner Erkrankung im Rahmen des sozialen Systems der Bundesrepublik Deutschland zu eröffnen; vielmehr stellt es alleine den Schutz vor einer gravierenden Beeinträchtigung von Leib und Leben im Zielland einer Abschiebung oder Rückkehr sicher. Der Ausländer muss sich grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende Gefährdung verbunden ist (OVG NRW, B.v. 15.9.2003 - 13 A 3253/03.A - juris). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat gleichwertig ist mit derjenigen in der Bundesrepublik Deutschland (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).
21
Rechtlich ausschlaggebend ist, ob eine Behandlungsmöglichkeit im Grundsatz besteht. Das ist für psychische Erkrankungen in Uganda grundsätzlich gegeben. In Uganda wird ein großer Teil der psychiatrischen Versorgung durch die beiden Referenzkliniken in K. gewährleistet. Im Universitätskrankenhaus M. (50 Betten) und im psychiatrischen Krankenhaus B. (550 Betten) werden Patienten ambulant und stationär versorgt. Des Weiteren gibt es 13 regionale Referenzkrankenhäuser mit einer Kapazität von 337 Betten für die psychiatrische Versorgung. Daneben gibt es eine Reihe ambulanter Behandlungseinrichtungen. Die Abgabe von Medikamenten ist seit 2001 im staatlichen Gesundheitssystem kostenfrei. Allerdings werden Medikamente häufig im Krankenhaus „unter der Hand“ an Patienten verkauft. In kirchlichen Einrichtungen sind Medikamente weiterhin kostenpflichtig. Patienten kaufen Medikamente auch privat in Apotheken (vgl. zum Ganzen: Rukat, Diagnostische Praxis und Verschreibungsmuster in psychiatrischen Kliniken in Uganda, Dissertation, Berlin 2015, S. 6 - 11, im Internet allgemein verfügbar unter: https. …d-nb.info/1075493366/34).
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Die im Attest vom … Mai 2017 (neuere Atteste liegen soweit ersichtlich nicht vor) diagnostizierte Erkrankung der Klägerin zu 1 - derzeit diagnostiziert eine posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1 G) sowie eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F 33.1 G) - kann in Uganda grundsätzlich behandelt werden. Denn die Klägerin zu 1 stammt aus dem Raum K. Dort bestehen die beiden Referenzkliniken für psychische Erkrankungen. Eine erforderliche psychiatrische Behandlung ist in Uganda vorhanden und auch für die Klägerin zu 1 verfügbar.
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Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin zu 1 eventuelle auftretende Kosten für eine psychiatrische Behandlung in Form von Medikamenten aufbringen könnte, ebenso dass ausgeschlossen wäre, dass sie das Existenzminimum für sich und ihre Kinder absichern könnte. Insoweit ist auf eine gemeinsame Rückkehr der Klägerin zu 1 mit ihren Kindern nach Uganda abzustellen (BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 45/18 - BVerwGE 166, 113, juris Rn. 17 ff.). Die Klägerin zu 1 hat angegeben, dass sie bis zu ihrer Heirat in einem Krankenhaus im Pflegedienst gearbeitet habe und davon gut habe leben können. Es ist daher davon auszugehen, dass sie bei einer Rückkehr das Existenzminimum für sich und ihre Kinder aufbringen kann, ebenso wie eventuelle Kosten einer Behandlung für sich. Außerdem leben in Uganda weitere Familienangehörige, an die sie sich wenden könnte. Schließlich ist auch in den Blick zu nehmen, dass die Klägerin zu 1 die nicht unerheblichen Kosten für ihre Ausreise und die der Klägerin zu 2 aufbringen konnte. Auch das belegt, dass sie bei ihrer Rückkehr nach Uganda ihr Existenzminimum wird absichern können.
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c) Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom … August 2017 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
26
2. Die Kläger haben als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.