Inhalt

LG München II, Endurteil v. 29.03.2022 – 12 O 2538/21
Titel:

Widerruf eine Maklervertrages

Normenkette:
BGB § 652, § 653, § 654, § 355, § 312g
Leitsätze:
1. Eine Widerrufsbelehrung kann auch vor Vertragsschluss erfolgen, die Frist beginnt dann mit Vertragsschluss zu laufen.  (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Verwirkung des Lohnanspruchs nach § 654 BGB liegt nur vor, wenn der Makler für beide Seiten als Vermittlungsmakler tätig wird. (Rn. 43 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Maklervertrag, Verwirkung, Vermittlungsmakler, Widerrufsbelehrung
Vorinstanz:
LG München II, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 08.03.2022 – 12 O 2538/21
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 07.07.2022 – 36 W 814/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 17536

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 26.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.10.2020 zu zahlen.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.358,86 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.07.2021 zu zahlen.
III. Die Widerklage wird abgewiesen.
IV. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
V. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin macht gegen den Beklagten ihr Maklerhonorar und der Beklagte mit der Widerklage die Rückzahlung einer Reservierungsgebühr und Schadensersatzansprüche geltend.
2
Die Klägerin wurde durch die hälftigen Miteigentümer des Grundstücks D. Straße ... in T., Flurnummer .../9, die Eheleute Dr. M. und Ma. F. mit dem Verkauf beauftragt. Die Klägerin stellte das Grundstück auf dem Internetportal i. ein. Am 05.07.2020 meldete sich der Beklagte auf dem Portal bei der Klägerin. Hierauf sandte die Klägerin am 06.07.2020, 07:59 Uhr eine Mail (Anlage K 13) an die Mailadresse des Beklagten und fügte im Anhang eine Lagebeschreibung, Fotos, Grundrisse und das Formular einer Widerrufsbelehrung bei. Der Beklagte bestreitet, diese Mail erhalten zu haben. Am 06.07.2020 um 08:45 Uhr wurde über den Mailaccount des Beklagten, an den die Klägerin die zuvor genannte Mail versandt hatte, eine Mail an die Klägerin geschickt (Anlage K 10), von der der Beklagte behauptet, er könne sich an die Versendung nicht erinnern. Noch am 06.07.2020 wurde für den 07.07.2020 zwischen dem Gesellschafter der Klägerin G. X. und entweder dem Beklagten oder dessen Ehefrau ein Besichtigungstermin am Objekt vereinbart. Am 06.07.2020 um 09:29 Uhr sandte daraufhin die Klägerin ein Mail an den Beklagten (Anlage K 12).
3
Am 07.07.2020 kam es vor Ort zu einem Besichtigungstermin durch den Beklagten. Unstreitig anwesend waren der Gesellschafter der Klägerin G. X., M. Y. mit ihrem Lebensgefährten sowie der Beklagte. Streitig ist, ob auch die Ehefrau des Beklagten anwesend war.
4
Bei diesem Termin übergab der Gesellschafter der Klägerin G. X. dem Beklagten ein Exposé des Objekts, ein Formular einer Widerrufsbelehrung und die Reservierungsvereinbarung. Während der Beklagte mit der Klageerwiderung vom 28.09.2021 (Seite 2) noch die Behauptung aufstellen ließ, dass er die als Anlage K 2 vorgelegte Widerrufsbelehrung nicht unterzeichnet habe, ließ er mit Schriftsatz vom 03.12.2021 (Seite 3) vortragen, dass er „auf der Widerrufsbelehrung Anlage K 2 seine Unterschrift tatsächlich geleistet“ habe. Dies sei auch niemals bestritten worden. Auch könne es sein, dass er am 07.07.2020 „evtl.“ das Original der Widerrufsbelehrung doch an den Gesellschafter G. X. übergeben habe.
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Mit Mail des Beklagten an die Klägerin vom 08.07.2020, 09:24 Uhr (Anlage K 12) sandte er das Formular der Anlage K 3, das von ihm im oberen Teil handschriftlich ausgefüllt wurde, unterzeichnet als Anhang an die Klägerin zurück. Auf die Anlage K 11 wird Bezug genommen. Während der Beklagte zunächst bestreiten ließ, seine Steuer-ID in das Formular eingetragen zu haben, ließ er mit Schriftsatz vom 03.12.2021 vortragen, dass dies doch der Fall war; es habe sich um einen „Übertragungsfehler“ gehandelt. Durch die Klägerin wurde das vom Beklagten an sie übersandte Formular der Reservierungsvereinbarung dann handschriftlich am rechten Rand abgeändert, durch den Gesellschafter G. X. unterzeichnet und an den Beklagten wieder zurückgesandt (vgl. Anlage K 14, die Anlage K 13 entspricht).
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Am 13.07.2020 bezahlte der Beklagte an die Klägerin die Reservierungsgebühr in Höhe von 1.500,00 Euro.
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Am 29.07.2020 wurde der Notarvertrag der Anlage K 4 über den Erwerb des Anwesens und die Erklärung der Auflassung zwischen dem Beklagten und den Miteigentümern Dr. M. F. und M. Y. geschlossen. Die Maklerprovision ist unter Ziffer XIV. erwähnt.
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Am 11.08.2020 stellte die Klägerin dem Beklagten eine Rechnung über einen Gesamtbetrag in Höhe von 28.000,00 Euro, in der die bezahlte Reservierungsgebühr in Höhe von 1.500,00 Euro abgezogen wird, sodass noch ein Zahlbetrag von 26.500,00 Euro begehrt wird.
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Mit Schreiben vom 05.11.2020 (Anlage B 2, Seite 3) erklärte der Beklagte „vorsorglich“ den Widerruf/Rücktritt von der Reservierungsvereinbarung und dem Maklerauftrag.
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2. Die Klägerin behauptet, dass in einem Telefonat zwischen ihrem Gesellschafter G. X. und dem Beklagten am 08.07.2020 vereinbart worden sei, dass der Kaufpreis für das Grundstück 860.000,00 Euro betragen soll. Daraufhin habe sie die vom Beklagten übersandte und unterzeichnete Reservierungsvereinbarung entsprechend der Anlage K 3 abgeändert und mit Mail vom 09.07.2020, 08:10 Uhr als Anlage an den Beklagten versandt.
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3. Die Klägerin beantragt zur Klage:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 26.500,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 01.10.2020 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. hieraus über dem jeweils gültigen Basiszinssatz nach § 247 BGB ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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4. Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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5. Der Beklagte beantragt im Wege der Widerklage:
Die Klägerin wird dazu verurteilt, an den Beklagten 1.500,00 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit 14.07.2020 zu bezahlen.
Die Klägerin wird dazu verurteilt, an den Beklagten 41.958,63 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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6. Die Klägerin beantragt zur Widerklage,
diese abzuweisen.
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7. Der Beklagte ist der Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf Rückzahlung der Reservierungsgebühr in Höhe von 1.500,00 Euro zustehe, da ein Maklervertrag mit der Klägerin nicht zustande gekommen sei. Deswegen sei die Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt.
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Er meint, dass er mit der Meldung auf die Anzeige auf dem Portal I... noch keine Willenserklärung abgegeben habe, die auf den Abschluss eines Maklervertrags gerichtet gewesen sei. Auch die Unterzeichnung der Reservierungsvereinbarung stelle keinen Maklervertrag dar. Soweit in dieser Reservierungsvereinbarung von einem Maklerhonorar die Rede sei, sei schon unklar, ob der Beklagte dieses überhaupt bezahlen soll oder nicht sein Kaufvertragspartner. Der Beklagte meint, dass Verstöße gegen AGB-Recht vorlägen, insbesondere gegen §§ 309 Nr. 2.a), 308 Nr. 1.b) BGB. Außerdem habe die Klägerin für ihn praktisch keine Leistungen erbracht. Zudem habe er den Maklervertrag widerrufen. Schon deswegen sei dieser nicht wirksam.
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Der Beklagte meint zudem, dass die Klägerin ihren Provisionsanspruch gemäß § 654 BGB verwirkt habe. Als Grundlage hierfür sieht der Beklagte eine vorsätzliche oder grob leichtfertige Verletzung wesentlicher Vertragspflichten durch die Klägerin. Er meint, es sei „die absolute Pflicht“ der Klägerin gewesen, den Umstand, dass das Objekt in unmittelbarer Nähe zur Wertach und zu den angrenzenden Hochwasserrisikogebieten in Türkheim liege, mitzuteilen. Durch diese Pflichtverletzung habe sich die Klägerin als unwürdig in Bezug auf ihr Maklerhonorar erwiesen.
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Der Beklagte meint zudem, dass ihm ein Zurückbehaltungsrecht zustehe, da er den Kaufpreis wegen der Differenz zwischen bezahltem Kaufpreis und realem Bewertungsansatz (einschließlich Berücksichtigung der Gefahrenlage) mindern könne. Dieser Minderungsanspruch in Bezug auf den Kaufpreis übersteige den Klageanspruch der Klägerin. Zudem habe die Klägerin bei dem Ortstermin am 07.07.2020 erklärt, dass ein bislang unbebautes Nachbargrundstück „unbebaubar“ sei. Dies sei unzutreffend. Hierbei handele es sich um eine arglistige Täuschung der Klägerin.
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Mit Schriftsatz vom 11.11.2021 ließ der Beklagte die Aufrechnung mit einem behaupteten Schadensersatzanspruch in Höhe von 41.958,63 Euro erklären. Dieser Betrag stelle die Bruttokosten für einen Hochwasserschutz für die bestehenden Fenster und bodentiefen Türen dar. Insoweit verweist er auf ein Angebot der Fa. Z. GmbH & Co. KG (Anlage B 13). Er meint, es handle sich um einen Anspruch aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB.
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Mit Schriftsatz vom 29.11.2021 ließ der Beklagte zudem Widerklage über Zahlung des Betrages in Höhe von 41.958,63 Euro erheben und verwies zur Begründung auf den Schriftsatz vom 11.11.2021.
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8. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze und die von ihnen eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
22
Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.02.2022 (Bl. 101/103 d. A.) Bezug genommen.
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Dem Beklagten ist nachgelassen worden, bis 25.02.2022 auf den Schriftsatz der Klägerin vom 26.01.2022 Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat sich mit Schriftsatz vom 07.02.2022 geäußert.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet, während die Widerklage in den beiden Anträgen unbegründet ist.
A. Zur Klage
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Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von restlichem Maklerhonorar in Höhe von 26.500,00 Euro (nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten) aus §§ 652 Abs. 1, 653 Abs. 1 BGB i.V.m. dem geschlossenen Maklervertrag zu.
1. Abschluss eines Maklervertrages
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Zwischen den Parteien kam ein Maklervertrag zustande.
27
Das Angebot des Beklagten auf Abschluss eines Maklervertrages liegt darin, dass er das von dem Gesellschafter der Klägerin G. X. am 07.07.2020 übergebene Blankoformular („Reservierungsvereinbarung“) ausgefüllt und am Ende unterzeichnet hat. Unmittelbar über der Unterschrift des Beklagten findet sich folgender Text:
„Der Vermittler ist berechtigt, eine Provision von 3% des notariellen Kaufpreises zzgl. ges. Mehrwertsteuer in der jeweiligen Höhe zu vereinnahmen. Sie ist fällig nach Beurkundung des Kaufvertrages. Die Vereinbarung wird erst wirksam, wenn der Kaufinteressent bei der Fa. A. I. GbR eine Reservierungsgebühr von 1.500,00 Euro in bar oder auf unser Konto bei der Oberbank Germering bezahlt hat. Die Reservierungsgebühr fällt nicht zusätzlich an, sondern dient der Vorbereitung der notariellen Kaufurkunde. Sie wird nach Beurkundung des Kaufpreises verrechnet.“
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Dass der Beklagte diesen Text als Steuerberater, der gewohnt ist, mit geschäftlichen Dingen umzugehen, nicht zur Kenntnis genommen oder nicht gelesen hat, hat er weder vorgebracht noch spricht hierfür eine Lebenserfahrung. Der Inhalt des Textes ist eindeutig: er beinhaltet eine „Vereinbarung“, nach der die Klägerin „Provision“ verlangen kann; die Höhe der Provision beträgt 3% des Kaufpreises (netto); Bedingung für die Wirksamkeit dieser Vereinbarung ist Zahlung der „Reservierungsgebühr“. Dies stellt, da der Beklagte unter diesen Text seine Unterschrift geleistet hat, eine Willenserklärung dar, die alle wesentlichen Bestandteile eines Maklervertrages enthält: Vertragsparteien, Voraussetzung für eine Provisionspflicht, Höhe der Provision. Dass dies dem Beklagten nicht bewusst gewesen sein sollte, ist nicht schlüssig vorgebracht. Anhaltspunkte hierfür sind auch nicht ersichtlich, zumal der Beklagte das Formular nicht vor Ort ausfüllte, sondern erst nach Mitnahme desselben. Der Beklagte hatte also hinreichend Zeit und Gelegenheit, den kurzen Text zu lesen. Dass er ihn nicht verstanden haben sollte, ist bei der Eindeutigkeit nicht nachvollziehbar.
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Da der Text eine eindeutige Erklärung enthält, bleibt auch kein Raum für eine Auslegung. Denn eindeutige Erklärungen können nicht gemäß § 133, 157 BGB ausgelegt werden. Der Text ist selbsterklärend.
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Durch Unterzeichnung dieses Formulars hat der Beklagte die dort enthaltene Erklärung abgegeben. Sie ist der Klägerin unstreitig gemäß § 130 BGB zugegangen.
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Unabhängig davon, ob ein Telefonat zwischen dem Gesellschafter der Klägerin G. X. und dem Beklagten stattgefunden hat, hat die Klägerin die Annahme durch die Unterzeichnung durch ihren Gesellschafter G. X. erklärt. Diese Erklärung ist dem Beklagten durch die Mail der Klägerin vom 09.07.2020, 08:10 Uhr auch übermittelt worden und ihm daher zugegangen.
2. Provisionsvereinbarung
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Der Beklagte schuldet auch Provision für die Maklertätigkeit der Klägerin.
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Dies ergibt sich schon aus § 653 Abs. 1 BGB. Die Parteien haben in der Reservierungsvereinbarung eine Honorarvereinbarung über 3% des notariellen Kaufpreises (zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer) geschlossen. Auch insoweit ist der Text der Anlage K 3 eindeutig und der Auslegung nicht zugänglich. Im Übrigen war bereits auf dem Immobilienportal ein Hinweis auf die „Käuferprovision“ von brutto 3,48% enthalten. In diesem Zusammenhang muss auch auf die Mail des Beklagten vom 08.07.2020, 9.24 Uhr (Anlage K 12) hingewiesen werden. Aus dem Absatz „Maklerprovision“ folgt eindeutig, dass dem Beklagten vollständig bewusst war, dass er Maklerprovision zu zahlen haben wird, wenn der notarielle Kaufvertrag zustande kommt. Dass ihm der Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Rechtslage durch das geänderte Gesetz nicht bewusst war, spricht nicht gegen ein derartiges Zahlungsbewusstsein, sondern gerade dafür.
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Die Provisionshöhe beträgt mindestens die geforderten 28.000,00 Euro. Soweit der Beklagte den handschriftlichen Vermerk auf der Reservierungsvereinbarung der Anlage K 3 durch den Gesellschafter G. X. über eine Provision in Höhe von 28.000,00 Euro nicht gegen sich gelten lassen will, ist dies unerheblich, da der Klägerin grundsätzlich nach der Reservierungsvereinbarung ein Provisionsanspruch in Höhe von 3% netto aus dem Notarkaufpreis zusteht. Dieser Betrag (30.702 Euro brutto) übersteigt bei einem Kaufpreis von 860.000,00 Euro die 28.000,00 Euro (brutto), die die Klägerin fordert. Denkbar wäre also, wenn der handschriftliche Vermerk des Gesellschafters keine Geltung haben sollte, dass der Klägerin nur der weitere Differenzanspruch zusteht.
3. Kausalität Vermittlungstätigkeit Klägerin - Abschluss des Hauptvertrages
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Diese ergibt sich zumindest aus Ziffer XIV. des Notarvertrages vom 29.07.2020. Einwände hiergegen hat der Beklagte auch nicht erhoben. Der Einwand, die Klägerin habe für ihn faktisch keine Arbeiten geleistet, ist rechtlich unerheblich.
4. Kein rechtzeitiger Widerruf der Vertragserklärung durch den Beklagten
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Grundsätzlich steht dem Beklagten ein Widerrufsrecht gemäß §§ 355, 312 g Abs. 1 BGB zu.
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Die Klägerin ist Unternehmerin im Sinne von § 14 BGB und der Beklagte Verbraucher im Sinne von § 13 BGB. Dies ist zwischen den Parteien auch nicht streitig.
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Es handelt sich um eine Außergeschäftsraumvertrag bzw. einen Fernabsatzvertrag.
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Unstreitig hat der Beklagte mit Schreiben vom 05.11.2020 (Anlage B 2), das der Klägerin auch unstreitig zugegangen ist, vorsorglich auch den Widerruf erklärt.
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Allerdings ist der Widerruf verfristet.
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Grundsätzlich beträgt die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 BGB 14 Tage und beginnt mit dem Vertragsschluss. Die Frist beginnt dementsprechend am 09.07.2020. Die Klägerin hat mit Mail vom 09.07.2020, 08.10 Uhr (Anlage K 14) die unterzeichnete Reservierungsvereinbarung an den Beklagten zurückgesandt. Dieser hat sie erhalten. Damit war die Frist am 23.07.2020 abgelaufen.
42
Vorliegend greift auch kein späterer Fristbeginn gemäß § 356 Abs. 3 S. 1 BGB. Diese spezielle Regelung verdrängt bei Außergeschäftsraumverträgen und Fernabsatzverträgen die zweiwöchige Regelfrist des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB. Jedoch wurde der Beklagte bereits durch Aushändigung der Widerrufsbelehrung am 07.07.2020 ordnungsgemäß entsprechend Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über sein Recht unterrichtet. Soweit der Beklagte die Rechtsauffassung vertritt, dass eine Widerrufsbelehrung vor Vertragsschluss nicht erfolgen könne, kann sich dem das Gericht nicht anschließen. Hierfür ergibt sich weder aus §§ 355, 356 BGB noch aus Art. 246a EGBGB keinerlei Anhaltspunkt. Erfolgt die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss, so ordnet § 356 Abs. 3 S. 2 BGB lediglich an, dass die Widerrufsfrist in Abweichung zu § 355 Abs. 2 S. 1 BGB erst dann zu laufen beginne, wenn eine gesetzmäßige Belehrung erfolgt ist. Schon daraus folgt, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von einer Belehrung vor oder mit dem Vertragsschluss ausgeht: denn ansonsten wäre die Ausnahmeregelung in § 356 Abs. 3 S. 2 BGB nicht verständlich. Dass die Belehrung vor Vertragsschluss nicht erfolgen dürfe, ergibt sich daraus keinesfalls.
5. Kein Anspruchsausschluss nach § 654 BGB
43
Da die Klägerin für den Beklagten nur als Nachweismaklerin tätig wurde, ist es unerheblich, ob die Klägerin für die Eheleute Franz als Nachweis- oder Vermittlungsmaklerin tätig war. Denn nur dann, wenn der Makler für beide Seiten als Vermittlungsmakler tätig wird, liegen die Voraussetzungen des § 654 BGB vor (BGH: Urteil vom 26.03.1998: III ZR 206/97; Urteil vom 30.04.2003: III ZR 318/02; OLG Karlsruhe: Urteil vom 31.03.2005: 15 U 20/03).
44
Auch unter Hinweis des Beklagten auf die Kommentierung im Münchner Kommentar zu § 654 BGB (Münchner Kommentar/Roth: 8. Aufl. 2020: § 654 BGB, Rn. 2) lässt sich eine Verwirkung des Provisionsanspruchs nicht begründen. Voraussetzung ist, dass eine schwere Verletzung der maklerrechtlichen Treuepflicht vorliegt. Dies setzt voraus, dass der Makler objektiv unter Verletzung wesentlicher Vertragspflichten dem Interesse des Kunden in schwerwiegender Weise zuwider gehandelt hat und deswegen unwürdig ist, hierfür Lohn zu erhalten. Subjektiv ist Voraussetzung, dass den Makler ein schweres Verschulden trifft im Sinne von Vorsatz oder diesem nahekommende grobe Fahrlässigkeit. Weder die objektiven noch die subjektiven Voraussetzungen hat der Beklagte schlüssig vorgebracht. Er beruft sich objektiv darauf, dass die Klägerin ihn auf die Lage des Hauses in Bezug auf den Fluss Wertach und die Hochwasserrisikogebiete hätte hinweisen müssen. Dies ist nicht der Fall. Wer ein Grundstück in einer bestimmten Lage erwirbt, hat selbst dafür zu sorgen, dass er über die Eigenarten der Lage informiert ist. Allenfalls denkbar ist noch, dass den Verkäufer eine derartige Pflicht treffen könnte. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, hat dies auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin keinerlei Auswirkung. Auch die subjektiven Voraussetzungen sind noch nicht einmal ansatzweise vorgebracht. Im Übrigen besteht auch keinerlei Aufklärungspflicht darüber, dass ein Grundstück in der Nähe zu einem Fluss liegt oder an einer Grenze zu einem Hochwasserrisikogebiet. Selbst wenn eine Aufklärungspflicht dahingehend bestünde, dass über die Lage in einem Hochwasserrisikogebiet aufgeklärt werden müsste, so würde es die Aufklärungspflicht überspannen, wenn auch darüber aufgeklärt werden muss, dass das Grundstück nahe einem Hochwasserrisikogebiet liegt.
6. Kein Verstoß gegen AGB-Recht
45
Der Beklagte kann sich nicht auf einen Verstoß gegen AGB-Recht berufen.
46
Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, dass die gesamte Reservierungsvereinbarung gegen AGB-Recht verstoßen könnte, ist dies unzutreffend. Die Reservierungsvereinbarung enthält die essentialia negotii für einen Maklervertrag. Diese unterliegen nicht der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff BGB. Es handelt sich nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen zu einem Vertrag, sondern um den Vertrag(sschluss) selbst.
47
Im Übrigen liegt ein Verstoß gegen § 309 Nr. 2.a) BGB nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist eine AGB-Klausel, durch die ein Leistungsverweigerungsrecht des Vertragspartners des Verwenders nach § 320 ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, unwirksam. Dem Beklagten steht jedoch keinerlei Recht nach § 320 BGB zu. Denn der Maklervertrag ist nach allgemeiner Auffassung kein gegenseitiger Vertrag im Sinne von §§ 320 ff BGB, sondern ein entgeltlicher, einseitig verpflichtender Vertrag. Denn der Makler ist nach der Regelung des BGB zu einer Tätigkeit für den Kunden nicht verpflichtet. Vielmehr wird nach § 652 Abs. 1 S. 1 BGB nur der Kunde verpflichtet. Allerdings steht dessen Verpflichtung unter der Voraussetzung, dass der von dem Kunden erwünschte Vertrag durch die Bemühungen des Maklers zustande gekommen ist. Der Provisionsanspruch des Maklers ist also erfolgsabhängig, ohne dass der Makler zu einer Herbeiführung des Erfolges verpflichtet wäre (Münchner Kommentar/Roth: 8. Aufl. 2020: § 652 BGB, Nr. 3 unter Hinweise auf die Rechtsprechung und die Literatur unter der Fußnote 6).
48
Soweit sich der Beklagte auf § 308 Nr. 1.b) BGB beruft, erscheint dies abwegig. Voraussetzung wäre, dass die Klägerin als Verwender von AGBs „eine Entgeltforderung des Vertragspartners“ erst nach langer Zeit erfüllen muss. Der Beklagte als Vertragspartner der Klägerin ist nicht Inhaber einer Entgeltforderung gegen die Klägerin.
49
Im Übrigen würde die Unwirksamkeit einer allgemeinen Geschäftsbedingung nicht zu einer Unwirksamkeit des gesamten Vertrages führen, vgl. § 306 Abs. 1 BGB.
7. Kein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB
50
Soweit denkbar ist, dass sich der Beklagte insoweit auf die unter der vorhergehenden Ziffer 5. behauptete Aufklärungspflichtverletzung berufen kann, ist eine Forderung, die ihm zustehen könnte, nicht ersichtlich. Auf die Ausführungen zur vorhergehenden Ziffer 5. wird Bezug genommen.
8. Keine hilfsweise Aufrechnung
51
Der Beklagte hat hilfsweise die Aufrechnung mit einer behaupteten Gegenforderung über 41.958,63 Euro erklärt.
52
Die Aufrechnungserklärung unter einer innerprozessualen Bedingung ist zulässig.
53
Dem Beklagten steht gegen die Klägerin kein Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzanspruchs in Höhe von 41.958,63 Euro für den Hochwasserschutz an Türen und Fenstern zu.
54
Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB.
55
Die Klägerin hat keine Pflichtverletzung begangen. Auf die Ausführungen zur Ziffer 5. wird Bezug genommen. Allein deswegen, weil der Beklagte meint, einen weitergehenden Hochwasserschutz an seinem Haus anbringen zu müssen, ergibt sich noch keine Pflichtverletzung der Klägerin - weder unmittelbar aus dem Vertrag noch aus § 241 Abs. 2 BGB. Der Makler muss keine Ermittlungen über die Lage des Grundstücks anstellen, sondern die Angaben des Verkäufers lediglich auf Plausibilität prüfen und darf im Übrigen auf die Richtigkeit dessen Angaben vertrauen (BGH: Urteil vom 18.01.2007: III ZR 146/06). Dem Beklagten obliegt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung. Dieser ist er nicht nachgekommen.
9. Nebenentscheidungen
56
Der Klägerin stehen gegen den Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Verzugszinsen und auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB zu.
B. Zur Widerklage
57
Die in beiden Anträgen zulässige Widerklage ist nicht begründet.
58
Dem Beklagten steht gegen die Klägerin kein Anspruch auf Rückzahlung von 1.500,00 Euro aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB (Leistungskondiktion) wegen der gezahlten Reservierungsgebühr zu.
59
Die Zahlung stellt eine Leistung des Beklagten dar. Hierfür existiert jedoch der Rechtsgrund des Maklervertrages. Die Zahlung der 1.500,00 Euro wurde entsprechend der Reservierungsvereinbarung auf den Honoraranspruch der Klägerin angerechnet.
60
Dem Beklagten steht gegen die Klägerin auch kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 41.958,63 Euro aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB zu.
61
Hinsichtlich der Begründung wird auf die obigen Ausführungen zur Klage verwiesen.
62
Die Schriftsätze des Beklagten vom 04.03.2022 und der Klägerin vom 09.03.2022 waren nicht nachgelassen und gingen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ein, § 296a ZPO. Sie wurden nicht berücksichtigt.
63
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 S. 2 ZPO.