Titel:
Festsetzung des den Bezügen des Schuldners aus einem angemessenen Dienstverhältnis entsprechenden Betrags
Normenkette:
InsO § 35 Abs. 2 S. 2, § 295a Abs. 2 S. 1
Leitsatz:
Als den Bezügen des Schuldners aus einem angemessenen Dienstverhältnis entsprechender Betrag kann nur ein Bruttobetrag festgesetzt werden. (Rn. 6 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abteilung für Insolvenz- und Restrukturierungssachen, Insolvenzschuldner, angemessenes Dienstverhältnis, entsprechender Betrag, Bruttobetrag
Fundstellen:
ZVI 2022, 349
ZInsO 2022, 1505
NZI 2022, 825
BeckRS 2022, 17511
LSK 2022, 17511
Tenor
Der den Bezügen des Schuldners aus einem angemessenen Dienstverhältnis entsprechende Betrag wird auf 2.867 € brutto festgesetzt.
Soweit der Schuldner darüber hinaus auch einen Antrag auf Festsetzung des abzuführenden Pfändungsbetrages bzw. der fiktiven Nettobeträge stellen wollte, wird dieser zurückgewiesen.
Gründe
1
Mit Schreiben vom 8.11. bzw. 09.12.2021 hat der Schuldner einen Antrag auf „Feststellung des Pfändungsbetrages aus selbstständiger Tätigkeit“ gestellt.
2
Gemäß § 35 Abs. 2 S. 2 InsO i.V.m. § 295a Abs. 2 S. 1 InsO hat das Gericht auf Antrag des Schuldners den Betrag festzustellen, der den Bezügen aus einem angemessenen Dienstverhältnis entspricht.
3
Die Ermittlung des Bruttobetrages wurde durch den Schuldner schlüssig vorgetragen. Die Prüfung der Unterlagen durch das Gericht gem. § 5 Abs. 1 InsO führte zu keinem anderen Ergebnis.
4
Die Insolvenzverwalterin und die Insolvenzgläubiger wurden hinsichtlich der Feststellung des Bruttobetrages i.H.v. 2.867,00 € angehört. Stellungnahmen oder Anträge hierzu sind innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist nicht eingegangen.
5
Hinsichtlich des festzusetzenden Bruttobetrages konnte dem Antrag des Schuldners daher entsprochen werden.
6
Soweit der Schuldner auch einen Antrag auf Festsetzung des abzuführenden Pfändungsbetrages bzw. der fiktiven Nettobeträge stellen wollte, war der Antrag jedoch zurückzuweisen.
7
Es kann zwar weder dem Wortlaut des § 295a InsO, noch der Gesetzesbegründung zu § 295a eindeutig entnommen werden, ob die Brutto- oder Nettobeträge festzusetzen sind. In der Begründung (Begr. Rechtsausschuss BT-Drucks. 19/25322, S. 18) heißt es jedoch, dass der Schuldner auf Grundlage dieser Feststellung den pfändbaren Anteil am Nettoeinkommen und damit die Höhe der ihn treffenden Abführungsobliegenheit errechnen kann. Somit wird dort zumindest klargestellt, dass durch das Gericht keine Festsetzung des Pfändungsbetrages erfolgt.
8
Gegen eine Festsetzung des Nettoeinkommens spricht insbesondere, dass dieses sehr individuell geprägt ist und es dem Gericht gar nicht möglich ist, zu Beginn des Verfahrens festzustellen, wie sich die Abgabenlast entwickeln wird.
9
Erfolgende Änderungen des fiktiven Netto-Einkommens sind fortlaufend zu berücksichtigen, sie können sich ergeben aus allgemeinen Änderungen von Beitragssätzen zur gesetzlichen Sozialversicherung, Änderungen zu steuerlichen Freibeträgen, Änderungen bei Steuerklasse und Kinderfreibeträgen etc. Unzutreffend ist daher die Aussage, abzuführende Beträge würden vom Insolvenzgericht verbindlich festgestellt. Für die Berechnung des Netto-Einkommens eines (fiktiv) abhängig Beschäftigten auf Basis eines vorgegebenen (fiktiven) Brutto-Gehalts ist das Insolvenzgericht überhaupt nicht gesetzlicher Richter, soweit es um den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen, Einkommensteuer etc. geht (vgl. Zimmer, InsVV, 2. Aufl. 2021, § 15 InsVV).
10
Für den Schuldner muss es daher ausreichen, durch die Festsetzung der (fiktiven) Bruttobeträge eine sichere Berechnungsgrundlage für alle weiteren Prüfungen zu erlangen. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich eine Berechnung des Nettoeinkommens durch das Gericht gewollt, wäre unverständlich, warum dann nicht der tatsächlich abzuführende Betrag durch das Gericht festzusetzen ist.
11
Der konkrete Abführungsbetrag ist durch eine Nettolohnberechnung unter Zuhilfenahme der Pfändungstabelle und Berücksichtigung seiner Unterhaltspflichten durch den Schuldner selbst zu ermitteln (vgl. Pape, Laroche, Grote, ZinsO 2021 (Ausgabe 3), 67-68, VII 2b).